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ALMOGAREN XXXVIII/2007MM7 Almogaren XXXVIII / 2007 Wien 2007 7 - 25 Joaquín Caridad Arias Die Kanaren, die Hesperiden, die Glücklichen Inseln Keywords: Hespérides, Macaronesia, Afortunadas, Tártaro, Tartessos Zusammenfassung: Gegeben wird ein Überblick über die in der Antike gebrauchten Ausdrücke für das Äu-ßerste Land, wo die Sonne sich verbirgt oder stirbt und die Toten wohnen; teils beschrie-ben als paradiesischer Ort, teils als Höhle der Dunkelheit. Dieses mythische Land bzw. Insel wurde zu Zeiten mit eine Reihe von Orten im äußersten Westen bzw. Norden ver-bunden, je nach den geographischen Kenntnissen der Epoche Analysiert werden die ver-schiedenen diesem Land beigelegten Namen: Hesperia, Iberia, Hebriden, Makaronesien usw. sowie mögliche phonetische und morphologische Wechselbeziehungen in den ver-schiedenen sprachlichen Versionen. Resumen: Se pasa revista a los términos y expresiones aplicados en la Antigüedad al la última tierra, donde se oculta o muere el sol en el ocaso y donde habitan los muertos; unas veces descrita como lugar paradisíaco y otras, como un antro de tinieblas. Esta tierra o isla mítica fue identificada con una serie de puntos del extremo occidental o septentrional de la Tierra conocida en cada etapa histórica, dependiendo de los conocimientos geográficos del momento. Se analizan los diversos nombres dados a esta tierra, como: Hesperia, Iberia, las Hébridas, la Macaronesia, etc., buscando entre ellas posibles relaciones fonéticas y morfológicas. Abstract: A review is made of a number of expressions applied to the last land, in the Old World, usually thought of as a far-away island inhabited by the dead; sometimes described as a paradise and others as a dreary abode of darkness. This mythic place has been supposedly identified with many different regions situated in the extreme western or northern end of the known earth, at every historic time-point. A comparative analysis is made of the names given to this place throughout history in different cultures, arriving to the conclusion that, in fact, most of them derive from some ancient concepts and/or expressions related to each other by common phonetic and morphological connections. Wenn in manchen antiken Texten oder Berichten von der oder den Insel(n) jenseits der Säulen des Herkules die Rede ist – die einige Autoren mit den Kanarischen Inseln gleichsetzen wollten –, so bezieht sich eine solche An-spielung lediglich auf ein Land oder eine imaginäre Insel, wohin kein Sterb- 8MMALMOGAREN XXXVIII/2007 licher jemals seinen Fuß setzte oder setzen wird, da es sich um die Glückliche Insel handelt, auf der die Toten zu einem neuen Leben erwacht sind. Jenseits dieser Insel ist nichts. Der Geschichtsschreiber Herodot [1] spricht von den Ländern, die westwärts hinter der afrikanischen Küste gelegen sind, “wo der Erdkreis endet und das Meer sich gegen die Seefahrer aufbäumt, nahe dem Garten der Hesperiden”. Dieser wundervolle Garten befindet sich am west-lichsten Punkt der Welt, “jenseits des berühmten Ozeans”: . Schwer zu sagen, ob der griechische Geograph sich an konkrete Informationen hält oder aber einfach die geläufige mythisch-geographische Kosmogonie seiner Zeit wiedergibt. Die Kanarischen Inseln werden üblicher-weise dem makaronesischen Polyarchipel zugerechnet, der außerdem die Azoren, Madeira, die Kapverden und die beiden kleinen Inselgruppen der Selvagens und Desertas umfasst. Deren Existenz war seit Urzeiten bekannt, und mit Ausnahme der Kanaren waren sie zum Zeitpunkt ihrer Inbesitznah-me durch die Europäer im 15. Jahrhundert unbewohnt. Der Expansionsdrang der Phönizier im westlichen Mittelmeer geht mindestens auf das Jahr 1000 v. C. zurück, als sie nämlich Tartessos erreich-ten, zwei oder drei Jahrhunderte vor der Gründung Karthagos (814 v. C.). Ihre Seefahrten machten jedoch nicht an den Säulen des Herkules halt, sondern führten darüber hinaus entlang den atlantischen Küsten Europas und Afrikas nach Norden bzw. Süden. Die Kanarischen Inseln wurden vermutlich von die-sen Seefahrern entdeckt, wenn sich auch keine genaue zeitliche Einordnung machen lässt. Man weiß, dass sie Handelsniederlassungen im nordwestlichen Afrika gründeten, so z. B. Lixus sowie die Felseninsel Mogador (Essaouira), sämtlich Orte, an denen sie Spuren einer regen Handelstätigkeit hinterlassen haben. Eine ihrer Bestrebungen war die Suche nach der – auf den Inseln vormals recht zahlreich vorhandenen – Färberflechte (Rocella tinctorea), die, mangels Ammoniak mit Urin versetzt, einen sehr begehrten Farbstoff ergab; dieser ersetzte das ausschließlich Königen vorbehaltene Sekret der Purpur-schnecke (murex), welches im Laufe der Zeit immer knapper geworden war [2]. Ein weiteres Produkt, das die Phönizier – und später die Karthager – von den Kanarischen Inseln mitbrachten, war, einigen Berichten zufolge, das so genannte Drachenbaumblut, ein rotes Harz, das aus dem Saft der Dracaena draco [3] gewonnen und zu einem prächtigen purpurroten Farbstoff weiter-verarbeitet wurde. Die beiden erwähnten Handelswaren, zusammen mit den Ergebnissen des Fischfangs und der Erzeugung des berühmten garum, einer aus Fischinnnereien gewonnenen Soße, die bei den Gourmets der Zeit hoch geschätzt war, bilden wohl den Hauptgrund für die Einverleibung der Ka-narischen Inseln in die phönizisch-punische Sphäre. Dennoch wird der auf die ALMOGAREN XXXVIII/2007MM9 indigene Bevölkerung einwirkende Kultureinfluss in jedem Fall äußerst ge-ring – und allenfalls auf einige Küstenorte beschränkt – gewesen sein. Schließlich war dieses von Tatendrang beseelte Volk nie auf Kolonisierung bedacht, sondern fast ausschließlich an Handelsbeziehungen interessiert. Bereits im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bedient sich der Geo-graph Ptolemäus wissenschaftlicher Daten, um den Meridian von El Hierro, der westlichsten Insel des Archipels, zu berechnen, womit er, unter Verwen-dung eines Grad-Systems, die Grundlagen für eine erste Messung der Entfer-nungen in der bewohnten Welt legte. Makaronesien Der Name Makaronesien, der diesen Polyarchipel zusammenfasst, ent-stammt der griechischen Benennung (Nêsoi Makaríōn) 'Inseln der Seligen', möglicherweise eine Volksetymologie, bestimmt aber eine sprachliche Umdeutung des tyrischen Namens mit der Bedeutung 'Inseln des [Gottes] Makar', oder Melkart ( ), Beschützer der Stadt Tyros (und spä-ter Karthagos). Vermutlich handelt es sich um einen ursprünglich ägäischen, später dem semitischen Kulturkreis einverleibten solaren Helden [4]. Wie wir noch sehen werden, ist dies nicht die einzige deutliche phönizisch-karthagische Spur auf dem kanarischen Archipel und im weiteren Bereich. Die Verbindung Makaronesiens mit Melkart ist keineswegs zufällig, sondern beruht auf der mythischen Beziehung dieses Gottes zu den westlichsten Gegenden der Welt, d. h. zum Land der Toten – eine weitere Parallele zu Herkules. Dorthin reisen in den verschiedensten Mythen die genannten und weitere göttergleiche Hel-den (Odysseus, Perseus, Lug, Gilgamesch usw.), um den alten Gott der An- Bildnis von Melkart auf einer punischen Münze 10MMALMOGAREN XXXVIII/2007 derswelt zu töten und/oder die rote Herde des Helios bzw. Kronos-Gerion, die roten Äpfel der höchsten Weisheit, das Kraut der Unsterblichkeit, das Golde-ne Vlies usw. an sich zu bringen. Aus diesem Grunde wurde zu Ehren von Herkules-Melkart in Gades-Cádiz ein später weithin berühmter Tempel er-richtet, dessen Kult, den Strabo nach dem Vorbild von Poseidonios beschreibt, jenem in Syrien weitgehend ähnlich war; dieser wiederum wies, laut dem griechischen Geschichtsschreiber Herodian, eine beachtliche Nähe zu den ägyptischen Riten auf. In der Tat gab es im punischen Staatswesen gewisse Würdenträger, deren einzige Aufgabe es war, darüber zu wachen, dass kein Schwein die Schwellen des Melkart-Tempels überschritt. Das war nur folge-richtig, da dieses Tier, abgesehen von seiner unreinen Natur, traditionell mit der Anderswelt und deren Gottheit assoziiert wurde: mit dem alten Gott des Sonnenuntergangs Baal Hammon bzw. Kronos-Gerion-Saturn, ewiger Rivale des jungen, in Herkules, Melkart, Apollo usw. personifizierten Sonnengottes. Materielle Zeugen der punischen Präsenz auf den Atlantikinseln wären etwa die karthagischen und kyrenaischen Münzen vom Beginn des 4. Jahrhunderts v. C., wie man sie auf den Azoren gefunden hat, sowie die – möglicherweise karthagischen – Amphoren, die vom Meeresgrund bei der Insel La Graciosa und aus der Bucht von Fuste (Fuerteventura) geborgen wurden. Sowohl auf Fuerteventura als auch auf Lazarote und Gran Canaria existieren Felszeich-nungen von Schiffen, die man als phönizisch-karthagisch klassifiziert hat. Es ist gut möglich, dass die Kanarischen Inseln auch von Seefahrern, die in der Antike der westafrikanischen Küste entlangfuhren, gesichtet, ja sogar besucht wurden, darunter der Karthager Hannon, um das Jahr 460 v. Ch. – wenn auch durchaus nicht gesichert erscheint, dass er in seinem Reisebericht auf die Kanaren Bezug nimmt. Herodot seinerseits erwähnt eine drei Jahre dauernde Umrundung des afrikanischen Kontinents mit phönizischen Schif-fen und auf Geheiß des Pharao Nekao (609 – 595 v. Ch.). Schiffdarstellungen in Felsgravuren des Barranco de Balos, Gran Canaria (nach M. Hernández) ALMOGAREN XXXVIII/2007MM11 Die Hesperiden, die Glücklichen Inseln, Tartessos, Iberia und weitere Namen Plutarch bezieht sich möglicherweise auf die Kanaren oder sonstige Inseln der makaronesischen Gruppe, wenn er von den Atlantischen Inseln spricht. Gaius Plinius Secundus (Plinius der Ältere), geboren 23 n. Ch., gestorben im Jahr 70, erwähnt sie bereits glaubwürdig in seiner Naturalis Historia. Sein Bericht geht auf einen gewissen Statius Sebosus und die Werke des numidisch-mauretanischen Königs Juba II. zurück, der in Rom erzogen wurde und mut-maßlich die Purpurfärbereien auf den Kanarischen Inseln zu Beginn unserer Zeitrechnung begründete [5]. Ein anderer römischer Autor, Pomponius Mela, geboren in Tingetera, nahe Gibraltar, verfasste um das Jahr 40 n. Ch. eine Geographia in drei Bänden, in der er die Gorgonischen Inseln oder Hespe-riden erwähnt. Beide Namen sind mythischer Herkunft. Ersterer spielt in der Mythe auf die Wohnstätten der so genannten Gorgonen an, sagenhaften Ge-stalten aus dem Geschlecht der Seeungeheuer, die “am Rand der Welt hau-sen”. Der zweite stammt aus dem ide. e p ero-s, Akk. Sg. Neut. e p eron 'der hintere', 'spätere', 'westlichste', der auch im Namen des Abendsterns Hesperis (die abendliche Venus) anwesend ist; er wurde auch auf die Elysi-schen Gefilde angewandt, welche die antike Tradition “im äußersten Westen des Erdkreises” ansiedelt, dort, wo die Toten ihre letzte Bleibe finden [6]. Für Hesiod (Theogonia) hingegen sind die genannten Gegenden nicht gerade ein Paradies, sondern das “Land der Finsternis”, am Eingang zum Hades, über den eine unterirdische Gottheit wacht (Hades, Pluton, Gerion, Tartaros usw.), in Parallele zur uranischen, also eine Art “Zeus der Unterwelt” bzw. dessen alter ego obscurus. Wir sehen uns hier einer Dualität archaischen Typs gegen-über, die, allen Anzeichen zufolge, wohl auch in der kanarischen Kosmogonie ihre Wirkkraft entfalten konnte. Die Griechen lokalisierten den Hades, die Wohnstätte des Dis (Kronos, Gerion), im äußersten Westen der klassischen Welt des Mittelmeers. Um das 5. Jahrhundert v. Ch. wird dieses Land erstmals mit dem Namen Iberia [7] erwähnt und gleichfalls seine Bewohner, die iberi, eine Bezeichnung, die alle Küstenvölker zwischen den Flüssen Júcar (Valencia) und Oranos (vermutlich die Rhone) umfasst. Diesen Namen tragen noch heute zwei Länder die in der Antike, als “am Rande der Welt gelegenen” betrachtet wurden, nämlich die Iberische Halbinsel und Irland (urkeltisch Iverjó- oder Everjó-; Ibernia – in Ptolemaeus, Evernii patria in Adamnán's Vita Columbae. Aus diesen Formen stammen die spätere Îver-i nem, Iwerdon, Ériu, Érenn und Erin. Der griechische Mythos gab den Hesperiden menschliche Gestalt als Töch-ter der Nacht, die ganz im Westen der Welt leben, wo sie – unterstützt von einem monströsen Drachen oder einer Schlange – den wundersamen Baum 12MMALMOGAREN XXXVIII/2007 mit den goldenen Äpfeln bewachen. Hier handelt es sich klar ersichtlich um eine Version des mesopotamischen Irdischen Paradieses und seines biblischen Reflexes. Laut Herodot (Historiae I 103) und Diodorus Siculus (III 53, 6) trägt die Insel Hespera, im See bzw. Sumpfgebiet Tritonis, “unweit des Atlas”, einen Namen, der einfach 'die Westliche' bedeutet. Gemeint ist der vormalige, spä-ter ausgetrocknete See Triton im Südosten Tunesiens, im heutigen Schott el- Djerid. Dieses Gebiet, zweifellos das für die Griechen entfernteste bekannte Land ihrer Zeit, markiert die äußerste Grenze der griechischen Seefahrt, wie sie etwa, unmittelbar nach dem Trojanischen Krieg (ca. 1200 v. Ch.), in der Odysseus-Sage beschrieben wird. Genau hier liegt in der Odyssee die Insel der Lotophagen (wahrscheinlich das heutige Djerba), wo “man das Zeitgefühl verliert” – genauso wie es denen ergeht, die den Lethes-Fluss, den Vorraum des Totenlandes, überqueren. Weiter nördlich liegt das Land der Zyklopen, wo Odysseus den Polyphem – eine weitere Personifizierung des Gottes der Unterwelt – in seiner unterirdischen Höhle blendete, eine Heldentat, die ihre Parallele im Sieg des Herkules über Gerion in Tartessos hat – zweifellos eine später entstandene Erzählung. Auch die griechische Athene wurde mit dem Beinamen Tritogeneia be-legt, welcher sie mit dem Triton-Mythos verband, des zur Hälfte als Fisch gestalteten Meergottes, Sohn des Poseidon und der Amphi-trite, der im Tri-ton- See wohnte. Der Name Poseidon wurde als Zusammensetzung aus (posis) 'Ehegatte' und bzw. (da, ga) 'Erde' interpretiert, womit er die Bedeutung 'Gatte der Erde' hätte, zumindest in der griechischen Version, da nicht auszuschließen ist, dass es sich um eine interpretatio graeca handeln könnte. Inmitten des Triton-Sees ragte die Stadt namens Tartessos empor, die von Herodot und Diodorus erwähnt wird. Der Name ging später auf das ibe-rische Tartessos über, die Hauptstadt eines Staatsgebildes im Süden der Iberi-schen Halbinsel, genau dort, wo etwa sechs Jahrhunderte später das Ende der Welt angesiedelt wurde. Außerdem war die Lage dieser Stadt, auf einer Insel im Mündungsgebiet des Guadalquivir – im sog. Lacus Ligustinus –, gleich jener, die für das libysche Tartessos beschrieben wurde. Es ist höchstwahr-scheinlich, dass das Lautschema t-r-t (Triton, Tartessos), auf dem die Namen des Grenzsees und der dort wohnenden Gottheit beruhen, einer Begrifflichkeit entspricht, mit der zu allen Zeiten die Völker des östlichen Mittelmeers ein-vernehmlich das Letzte Land belegten, nämlich das, was jenseits der Oikou-mene, der bewohnten und bewohnbaren Welt, liegt. Für H. Stumfohl [8] muss die ursprüngliche Besiedelung von Tartessos ibe-risch gewesen sein und soll spätere mögliche Kontakte mit Kariern und Etrus- ALMOGAREN XXXVIII/2007MM13 kern nahelegen. Diesem Autor zufolge erinnert Tartessos an ägäisch-anatolische Toponyme, wie Tarsos bzw. Tarsis in Kilikien (Kleinasien). G. Oppert [9] sieht hier sogar eine völlige Identität zwischen beiden als gegeben an. Schulten [10] seinerseits betrachtet Tartessos als eine Gründung der Tyrsener (Tyrrheni, Tusci, Etrusker), womit der Name Tartessos dem östli-chen Mittelmeerraum bzw. Kleinasien, der mutmaßlichen Urheimat dieses Volkes, zuzurechnen wäre. Die Etrusker nannten sich selbst Rasenna, was dasselbe ist wie Tyrseni ohne die archaische Plural-Determinante ty-/ti- (*ti-r[ a]senni), wie wir sie von Nordafrika und von den Kanarischen Inseln her kennen. Der Mythos macht Tyrsenos – namengebender Vorfahr dieses Volkes – zum Sohn des Herakles und der Omphale ('Nabel', ein Beiname der Mutter-göttin). Die biblische Version des Namens Tartessos ist Tarshish. Auf den Wandinschriften des ägyptischen Tempels von Medinet Habu er-scheinen die trš – vermutlich die Tyrsener – als Mitglieder der unter der Bezeichnung “Seevölker” bekannten Koalition, welche in der Regierungszeit von Ramses III. in die Gebiete des Nildeltas eindrangen. Der Name der Turdetani (turduli, *turtuli), die in der Nachfolge der Tartessi stehen und an-nähernd im gleichen geographischen Gebiet siedeln, beruht wahrscheinlich ebenfalls auf dem erwähnten Radikal trš. Nach dem Zeugnis des Hekataeus waren die iberischen und die tartessischen Namen “in einem weiten Sinne” gegeneinander austauschbar. Gleiches lässt sich von Tartaros sagen, einem Wort kretischen Ursprungs, das möglicherweise so viel bedeutet wie 'ferner Westen'. Der Tartaros wurde später mit der Hölle gleichgesetzt, mit dem in den tiefsten Tiefen der Welt gelegenen Bereich – tiefer sogar noch als der Hades –, wohin die Götter ihre Feinde verbannten (Uranos, Tantalos, die Titanen usw.). Tatsächlich identifi-ziert Strabo (Geographia) Tartessos mit dem Tartaros und führt aus, dieser sei ein Fluss “im Westen Iberiens” – zweifellos bezogen auf den mythischen Grenzfluss zur Anderswelt, wo sich das Totenreich befindet. Die byzantini-sche Enzyklopädie Suda lässt uns wissen, es handele sich bei Tartessos um “eine iberische Stadt in der Nähe des Ozeans und des Sees Aornos”. Hier gilt festzuhalten, dass in der Antike Aorno gleichbedeutend war mit Averno und zudem einem See in Kampanien den Namen gab. Die Parität Tartessos = Tar-taros wird auch in der Komödie “Die Frösche” des griechischen Dichters Aristophanes bestätigt. Als Ursprung dieses Wortes wird das ägyptische tartashu oder tartara angeführt, das “das Land der äußersten Bereiche” der bekannten Welt bezeichnet (vgl. auch den Volksnamen der Ta(r)taren). Ein anderer Name für Tartessos war Carteia (Plinius, Nat. Hist. 3, 7), wohl aus dem phönizischen qart oder qarat 'Stadt', wobei es durchaus als möglich 14MMALMOGAREN XXXVIII/2007 erscheint, dass eine Verbindung zum gleichfalls phönizischen qart 'Anders-welt' besteht – und damit zum Zielort verschiedener Großtaten oder Abenteu-er des Helden Herkules-Melkart, wie der bei Gades-Cádiz, wo er Gerion und den Höllenhund Ortros tötete, oder der bei Kyme (Cumae, in Italien), wo er den Cerberus aus seiner Höhle zerrte. An diesem Ort wird heute die Höhle der Sibylle gezeigt, im Altertum als einer der Eingänge zum Hades bekannt. So-wohl Herkules wie Melkart sind Figuren, die eine enge Verbindung zum Jen-seits und zur Welt der Toten aufweisen, genauso wie im Fall von Hermes/ Merkur, des germanischen Odin/Wotan, des keltischen Lugu-s u. v. a. Der Name Gorgonidas, mit dem ebenfalls die westlichen Inseln belegt wurden, entstammt dem griechischen Mythos, dem zufolge der Held Perseus ausgesandt wurde, um der Gorgo Medusa – einer Rivalin der Göttin Athene und deren tödlicher Blick die Menschen versteinerte – den Kopf abzuschnei-den. Die Gorgonen ('die Schrecklichen') stellen eine dreifache göttliche We-senheit dar. Es handelt sich folglich um eine multiple Hypostase der Mutter-göttin, wobei die Medusa – die am meisten gefürchtete – deren unheilvollen Aspekt, als Herrin des Todes, darstellt. Die Gorgonen bewohnten, wie gesagt, die Tartessis, “jenseits der Grenzen des Atlas und des Ozeans”. Um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen, begab sich Perseus zuerst zu den Schwes-tern der Gorgonen, den Graecae ('die Grauen'), die in der Nähe des Triton-Sees hausten. Diese sind in Wirklichkeit die drei Parzen (eine Version der Gor-gonen), die auch Forcidae genannt wurden, da sie Töchter des Forcus bzw. Orcus waren. Ihre Namen stehen in Verbindung mit dem Orkus, der Hölle, sowie auch mit dem Wort porcus 'Schwein' (vgl. dt. Ferkel), ein der Göttin des Todes geweihtes Tier, dessen Namen zudem auf die Parzen verweisen könnte. Das lateinische Wort orcus wird bei den antiken Autoren in verschiedenen Bedeutungen gebraucht, wie etwa: 'der Tod' (Lukrez, Horaz), 'die Hölle' (Vergil, Horaz, Varro usw.) oder aber im Sinne der Höllengottheit, die dort herrscht und die mit Pluto (Ennius, Lukrez, Cicero) identifiziert wird. Die glei-che Wortwurzel hat sich im gälischen orc 'Erstarrung', 'Lethargie', 'Tod' erhal-ten. Dem lateinischen orcus entstammt auch das altkastilische Wort huerco/ huergo 'Hölle'. Der Name Herkules (lat. auch Hercle) sowie das Toponym Herculanaeum stehen in direkter Verbindung mit anderen wie Orcle und Orgolano, die auf den Orkus, die fernsten Gegenden der Welt verweisen, wo die meisten Taten dieses – im Wesen uranisch-solaren – Helden vollbracht werden. In der Tat sind Perseus, Theseus, Herkules und Odysseus unterschied-liche Versionen ein und derselben Zentralfigur in den verschiedenen Mythen. Die zuvor erwähnten Sinnverknüpfungen belegen, dass es, praktisch in allen westlichen Kulturen einschließlich der keltischen, eine feste Verbindung ALMOGAREN XXXVIII/2007MM15 zwischen dem Schwein bzw. Eber einerseits und dem Wasser, dem Winter, der Unterwelt andererseits gibt. Das Wort für 'Schwein' im Irischen ist kein ande-res als orc und findet sich u. a. im Namen der Orkney-Inseln (kelt. Insi Orc, lat. Orcades), die vormals als Wohnstätte der Göttin des Todes galten. Wie ersichtlich, erscheinen mitunter in ein und demselben Bericht verschie-dene Namen des Jenseits eng miteinander verbunden, die in jeder historischen Phase – entsprechend den jeweils gegebenen geographischen Kenntnissen – mit Tartessos bzw. Tarsis, dem Tartaros, Triton, dem Orkus, Hesperia, Iberia, Hibernia, mit den Gorgoniden, Avernus und mit der Hölle identifiziert wurden. Als bedeutendste Stadt von Tartessos galt Cádiz, an dessen Westküste, Rich-tung Sonnenuntergang, – wie Strabo anmerkt – ein berühmter Tempel stand, der dem Gott Kronos bzw. Gerion, dem “Herrn der Anderswelt”, geweiht war. Sein Gegenstück, Herkules-Melkart, verfügte, wie gesagt, über einen eigenen Tempel, und zwar auf der gegenüberliegenden Seite, dort, wo die Sonne auf-geht. Die Phönizier verehrten Kronos als Moloch oder B l mn (Baal Hammon) und Herkules als Melkart bzw. Makkar (s. o.), in Wirklichkeit zwei komple-mentäre Gottheiten. Hinzu kommt, dass die sog. Säulen des Herkules, Symbol und Grenze der Anderswelt, vormals Säulen des Kronos hießen, in Anspielung auf die archaische Höchste Gottheit, die späterhin von den Griechen zu Zeus Kronion synkretisiert wurde. In der Entstehenszeit der Odyssee, als Tunis das Ende der Welt war, erscheint Kronos als der Gott der Zyklopen, weswegen Homer behauptet, diese, “im Vertrauen auf die Macht der unsterblichen Göt-ter, pflanzten nicht und bauten nicht mit ihren Händen an, sondern alles wach-se von selbst mit dem Regen von Kronion”. Diese archaische Gottheit stimmt ohne jeden Zweifel mit dem Acheron der alten Griechen überein sowie mit dem Acoron oder Acoran der prähispanischen Kanarier. Die Kanarischen Inseln wurden auch mit dem Urmythos von Atlantis in Verbindung gebracht – Produkt einer eher beiläufigen Erwähnung bei Platon. Auf solch unsicherer Grundlage haben Phantasie und Dilettantismus ein ge-waltiges Gebäude errichtet (so die Meinung von D. J. Wölfel), und dieses bil-det ein Thema, das noch heute “ernsthaft” in manchen zeitgenössischen Ver-öffentlichungen hin- und hergewendet wird. Es handelt sich hierbei nicht um einen originalen Mythos, denn aus noch älterer Zeit stammt eine weitere Tra-dition, die sich auf den untergegangenen Kontinent Tyrrhenia bezieht, des-sen Überreste man in den Liparischen Inseln (nahe Sizilien) vermutete. Es wurde verschiedentlich die Meinung vertreten, einige dieser Mythen könnten ihren Ursprung in den vulkanischen Katastrophen haben, die um das 13. Jahr-hundert v. Ch. die Ägäis erschütterten, dabei bedeutende Bauten auf Kreta verwüsteten und die blühende Kultur auf der Kykladen-Insel Thera (heute 16MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Santorin) gänzlich vernichteten. Es erscheint als sehr gut möglich, dass diese zerstörerischen Ereignisse später zu einer ganzen Reihe phantastischer Spe-kulationen und Erzählungen führten, auf denen vermutlich, fast tausend Jah-re später, auch die Berichte Platons (4. Jh. v. Ch.) fußen. Wie wir sehen, steht das Thema der Hesperiden und der Glücklichen In-seln in engem Zusammenhang mit einem der ältesten Mythen der Mensch-heit, dessen Ursprung sehr wahrscheinlich mesopotamisch ist. Dieser nimmt Bezug auf ein Land oder eine wundersame Insel, auf der Bäume wachsen, deren Früchte – üblicherweise Äpfel – demjenigen, der sie isst, höchste Weis-heit und Unsterblichkeit verleihen. Dort wohnt zudem der Schlangengott, auch “Herr des Baumes der Wahrheit” genannt, dessen Schlangennatur in den Urreligionen keineswegs die heutigen negativen Assoziationen hervor-rief; diese nämlich sind Ausfluss späterer Wandlungen in den Glaubensvor-stellungen des Judentums, von wo sie schließlich auf das Christentum über-gingen. Hier jedoch, im ursprünglichen Zusammenhang, handelt es sich um eine tellurische Gottheit, den Sohn der Großen Erdmutter, d. h. der Natur, die in den späteren Theogonien durch eine männlich-uranische Gottheit ver-drängt wird, wie sie den semitischen und indoeuropäischen Hirtenvölkern eigen ist. Der Apfelbaum erscheint in verschiedenen Kosmogonien mit der Anders-welt verbunden, weshalb dem legendären Land auch der Name Insula Pomorum gegeben wurde. Geoffrey de Monmouth (12. Jh.) berichtet in seiner Historia Regum Britanniae, König Arthur, nachdem er in der Schlacht von Camlan tödlich verwundet wurde, sei von seinen Gefährten zur Insula Aval-lonis (kelt. 'Insel der Apfelbäume') gebracht worden, die auch er, und zwar in der Vita Merlini, Insula Pomorum nennt. Auf dieser Insel, die in anderen Kul-turkreisen dem sagenhaften Garten Eden bzw. dem Elysium entspricht, soll der König bis zur Heilung seiner Wunden der Ruhe pflegen. Verschiedene Forscher haben versucht, die geographische Lage dieser Insel zu bestimmen, auf der alle Früchte, einschließlich der Weintrauben, in überreicher Fülle und von ganz allein wachsen [11] Vergebliche Mühe, da es sich ja in Wirklichkeit um ein utopisches Land des Lebens nach dem Tode im Jenseits handelt. Der goldene Apfel ist im Übrigen ein solares Symbol. Der rote Apfel ist, in ande-ren Versionen, ein Symbol der untergehenden Sonne; daher auch seine mythi-sche Verbindung mit dem “letzten Land”, der Anderswelt. Ein anderer mit dem kanarischen Archipel in Verbindung stehender Name ist der der Hesperiden. In der klassisch-griechischen Version (Hesiod, Theogonia 215) erhielten diese eine menschliche Gestalt in Form der drei Nymphen Aigle, Hesperethusa und Erytheia, Töchter der Göttin der Nacht, ALMOGAREN XXXVIII/2007MM17 die im fernsten, weit westlich gelegenen Garten leben, den die Erdmutter der Göttin Hera schenkte. So werden sie denn auch einfach „Töchter der Nacht“ genannt und, nach anderen Quellen, „Töchter von Atlas und Hesperis“ (Letztere ihrerseits Toch-ter des Hesperos). Man findet sie auf einer griechischen Vase dargestellt, in der Nähe des mythischen Baums der goldenen Äpfel, der im „Land des Son-nenuntergangs“ steht. Um diesen herum windet sich eine riesige gehörnte Schlange, Symbol der höchsten unterirdischen Gottheit der Vorzeit. Im Wurzel-geflecht zeigt sich der Eingang zu einer Höhle, der eine doppelte Quelle ent-springt, die aus der Unterwelt kommt, d. h. vom Ursprung aller unterirdi-schen Gewässer. In seinem Buch Werke und Tage (vv. 156-176) spricht Hesiod vom Stamm-baum der Helden, „die der Mantel des Todes einhüllte... Jedoch einigen von ihnen gewährte der Vater Zeus Cronidas [12] Leben und Wohnung fernab der Menschen am Ende der Welt, so dass diese frei von Kummer auf den Inseln der Glückseligen an den Ufern des Ozeans der tiefen Wirbel weilen. Glückli- Die Hesperiden, dargestellt auf einer griechischen Vase 18MMALMOGAREN XXXVIII/2007 che Helden, denen eine süße Ernte, dreimal im Jahr erblühend, das fruchtbare Land beschert, fern den Unsterblichen!“ Es handelt sich folglich nicht um „Glückliche Inseln“ strictu sensu, dank der Milde ihres Klimas oder wegen der goldenen Äpfel oder anderer Früchte, die mutmaßlich dort in wunderbarer Fülle wachsen und wo Bäche mit Milch und Honig fließen, sondern um die Inseln der Glücklichen oder Glückseligen, d. h. der Toten, wo Kronos bzw. Gerion herrscht, der Herr der Anderswelt. Wie bekannt, brachte man in der Antike den Westen, den Sonnenuntergang und den offensichtlichen Tod der Sonne mit dem Tod der Menschen und der Natur im Allgemeinen in Verbindung, gemäß dem Tages- und Jahreszeiten-zyklus, wobei jene in der Folge an einem neuen Tag und in einem neuen Früh-ling ruhmreich auferstehen würden: ein Grundschema zahlreicher alter – und weniger alter – Religionen. Die „Geburt“ des Adonis, Mithras, Melkart, Odin, Balder, Horus und weiterer ähnlicher Gottheiten, oder, was auf dasselbe hin-ausläuft, die Geburt der Sonne wurden daher in die winterliche Tag-und-Nacht- Gleiche verlegt, an den 24. Dezember um Mitternacht, wo das Tagesgestirn seinen tiefsten Punkt erreicht hat und die Tage bereits wieder länger zu wer-den beginnen [13]. In der Antike werden die Glücklichen Inseln stets aus der Ferne erwähnt, und man gebraucht ungenaue Begrifflichkeiten wie Illes de Fortuna, Insulas Fortunarum, Insulas vocatas perdudes ('Verloren genannte Inseln') oder Islas de Canaria usw. [14] Nach der Meinung von Autoren wie F. C. Müller [15] wandten die Alten den Namen Afortunadas ursprünglich auf die Inselgruppe von Madeira an, wenn er auch zur Zeit von Juba bereits die Kanaren be-zeichnete. Nach Leonardo Torriani in seiner Descrittione de l'isole Canarie geht der Name Afortunadas auf eine „fama mentirosa“ ('lügnerischer Ruf') zurück (Kap. I), und etwas später fügt er an: „die Inseln sind überaus arm“ (Kap. XIV). Die heutige Verwendung dieses Namens kommt der modernen Tourismus- Werbung und einem gewissen – im Übrigen wohl auch gerechtfertigten – Lokalstolz durchaus gelegen; allerdings bezog sich die antike Benennung, wie gesagt, nicht auf die Inseln als solche oder auf ihr Klima, sondern auf ihre mythischen Bewohner: die Toten. Derselbe Name wurde im Altertum dazu verwendet, aufeinanderfolgend – ja sogar simultan – zu allen geschichtlichen Zeiten zahlreiche Inseln und Länder am (vermuteten) westlichen oder nördli-chen Ende der bekannten Welt zu bezeichnen. Völlig unabhängig von klima-tischen oder landschaftlichen Gegebenheiten, deutete man die Glückliche In-sel bzw. den Garten Eden – also die Anderswelt – bald als Paradies oder Wal-halla, bald als Hades oder Hölle und verlegte sie an verschiedene, manchmal ALMOGAREN XXXVIII/2007MM19 unwirtliche, jedoch stets unbekannte Orte. Gemeint ist einfach das Jenseits, wohin kein Lebender je seinen Fuß setzte – mit Ausnahme einer sehr be-schränkten Anzahl von Helden, denen man in verschiedenen Sagen eine sol-che Wundertat zuschrieb, so z. B. Gilgamesch, Theseus, Herakles, Apollo, Perseus, Odysseus, Sankt Brendan und einige weitere, welche, wie man sich erzählte, nach ihrer Rückkehr davon berichten konnten. Die genannten Figu-ren sind indessen die Ausnahme, nicht die Regel. Selbst die Vorstellung von den Elysischen Gefilden erscheint als eine rein literarische Fiktion ungewissen Ursprungs. Die frühesten konkreten Hinwei-se stammen aus der Odyssee (IV 561-568) und werden später in Andeutungen bei Herodot und Pindar wiederholt. Überraschenderweise finden sich keine entsprechenden Bezüge in der Kunst der griechisch-römischen Bestattungs-kultur, wo nur gelegentlich die Reise der Seelen zur Anderswelt, auf Pferde-wagen oder auf Wolken schwebend, dargestellt wird – doch niemals ihre An-kunft in den elysischen Sphären [16]. Verlegt man die Anderswelt auf eine ferne Insel, so bildet regelmäßig das Meer des Todes – in einer alten Überlieferung auch More Marusa genannt – die Grenze. Lokalisiert man sie hingegen landeinwärts, so ist es ein See oder Fluss, der Namen trägt wie Acheron, Styx oder Lethe 'Fluss des Vergessens', da diejenigen, die ihn überqueren (die Toten), ausnahmslos alles vergessen. Der Name des ganz im Westen gelegenen Landes Hesperia ist gleich mit Iberia / Hiberia und Hibernia, verschiedene Formen ein und desselben Na-mens, der seinerzeit auf jene semimythische Gegend angewandt wurde, die sich am äußersten Rand der Welt, sei es im Norden oder zum Sonnenunter-gang hin befindet – die beiden Richtungen des Hades, des Siebengestirns, des Hyperboreas ('ferner als der Nordwind'); und diese sind phonetisch wie se-mantisch eng mit anderen, wie hibernum 'Winter', Avernus und Infernum 'Hölle', verbunden. Laut Martin Löppelmann [17] ist Iberia ein semitisches Wort mit dem Radikal ‘br 'fern', 'ausländisch', 'jenseitig', welcher sich im Na-men der Hebräer wiederfindet. Die Iberer und ihr Stammland sollen von den Phöniziern und Karthagern so genannt worden sein. Wie bereits erwähnt, bedeutet Hesperia einfach 'westlich' oder 'abendlän-disch' und bezeichnet die Gegend, wo die Sonne untergeht, eine Benennung, die keineswegs exklusiv auf die Kanarischen Inseln Anwendung fand, da sie in der Antike beispielsweise auch (aus griechischer Weltsicht) auf Italien, (von Griechenland aus gesehen) auf Spanien oder (aus der Perspektive Britanniens) auf Irland bezogen wurde. Die Inseln Malta und Gozo, im zentralen Mittel-meer, waren zu jener Zeit eine Art „heilige Inseln“ bzw. ein „Insel-Heiligtum“ und außerdem eine antike Version der Insel(n) der Toten. 20MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Die Meerenge von Gibraltar hieß deshalb Hesperium Fretum, und Ovid nennt generell die Völker des Westens Hesperi. Isidor von Sevilla [18] (560 – 606 n. Ch.) bezeichnet mit diesem Namen die Hispani. Es ist bemerkenswert, dass dieser berühmte Kirchenlehrer ununterschieden die Formen Iberia und Hibernia verwendet. Auch Kolumban (615) benutzt Iberi im Sinne von Hiberni, allerdings auf die Iren bezogen. Der Grund ist darin zu sehen, dass Iberia und Hibernia (Irland) – Namen, die stets von Dritten gegeben werden – in Wirk-lichkeit ein und dasselbe sind und auf ihre Charakteristik als fernstgelegene Länder der damals bekannten Welt anspielen. Weitere Belege hierfür finden sich in anderen Versionen des Namens für Irland, so etwa Ériu und davor *Iwerijo, altkelt. *Iveriu, woraus sich der heutige Name Éire (eine Reduk-tionsform) ableitet. Aus Ériu ergibt sich die altenglische Form Yra bzw. Yra-land, unmittelbare Vorläufer des englischen Ireland. In griechischen und rö-mischen Schriften wird jene Insel Ierne, Iouernia, Hibernia, Hiverne und Hibero usw. genannt. Somit war Iberia für die Griechen das „Land des Son-nenuntergangs“, wo sich der Fluss Iberus (Ebro) befindet, der die Grenze zur Anderswelt bildet. Der nördliche Hades hieß im Altertum Erebos ( 'Hölle', 'Finsternis'), ein Wort, das auch mit dem assyrischen erebu 'Sonnenuntergang' in Verbindung steht, woraus, nach Meinung einiger Autoren, der Name Europa (evropa) her-vorgegangen sein soll. Érebos teilt ganz offensichtlich Ursprung und Inhalts-bezug mit den zuvor genannten Namen, den durch Lautumstellung veränderten Formen Éberos oder Iberus und Ebro. So nannten sich auch die mythischen Er-oberer Irlands „Söhne des Mil Espáne“ – die mutmaßlich aus Spanien kamen – Éber, d. h. ,Iberer' 'die aus dem Westen' (eine ersichtlich generelle Bezeichnung) sowie, als Variante der vorerwähnten Form, Éremón, worauf der Name für Ir-land (auch Erenn oder Eriu), wie schon erwähnt, beruht. All dies sind, wie ge-sagt, Benennungen, die auf das fernste Land Bezug nehmen, wo man Iberien vermutete sowie die mythischen Figuren, die von dort kamen. Die alternativen Infernum, Avernus, Hibernia, Iberia und Tartaros, Tartessos, Tharsis (s. o.) sind folglich von außerhalb stammende konventionelle Benen-nungen. Die Einwohner der damit bezeichneten Gegenden werden gewiss verschiedene andere Namen für ihre Heimat gehabt haben. Für Theo Vennemann [19] stehen Éire und Irland in enger Verbindung mit *īwerijo, mit Variante Hibero, im Ursemitischen (genauso wie Iberia). Unklar bleibt dabei, in welcher Richtung die Namensgebung verlief: ob Iberien das 'Kupferland' war oder aber das Kupfer 'das Iberische' (bzw. 'das Tartessische') genannt wurde – eine recht häufig zu treffende Deutungsalternative hinsicht-lich der alten Toponymie. ALMOGAREN XXXVIII/2007MM21 Kein Name ist einmalig. Im Altertum gab es einen weiteren Fluss Ebrus oder Hebrus in Thrakien, zwischen der Donau und dem Pontus Euxinus, am Nordufer des Schwarzen Meeres. Hier lag für die Griechen der Hyperboreas, abermals – in einem bestimmten historischen Moment – ein Grenzland bzw. Grenzgewässer für die Völkerschaften, die südlich davon lebten. Dorthin fuh-ren Äneas und die Argonauten, um das Goldene Vlies zu rauben. Auch gab es eine weitere Iberia asiatica, die dem heutigen Georgien entspricht und – nach Valerius Flaccus – zwischen dem Kaukasus, Albanien, Armenien und Kolchis lag. Die Hebriden sind fünf kalte, unwirtliche Inseln nördlich von Ebernia, Hibernia, Ibernis (oder Irland), die wiederum einen Namen mit Bezug zum Erebos oder Hades tragen, genauso wie Iberia und Ebro. Plinius nennt sie Hebudes, Ptolemäus Ebudai ( ), und davon das ir. Gentilitium *Ibuid *Ebudi. Für diese Namensformen, hat man etymologische Bedeutungen vor-geschlagen wie 'Insel der Lämmer' (von Soden) und 'Inseln der Furcht' (Ge-senius). Zwei der am weitesten westlich gelegenen heißen Uist (North Uist und South Uist), was so viel bedeutet wie 'Westen'; zwei weitere nennt Ptolemäus Ebuda. Diesem Typus scheint auch der balearische Inselname Ebusa bzw. Eivissa, Ibiza – die westlichste der Inselgruppe! – anzugehören, im Griechischen Hebousos (‘ , lat. Ebusus, Aebussa), ein Name, der für andere mit dem griechischen a-byssos 'bodenlos', 'Abyssus' in Verbindung stehen könnte und folglich mit den sonstigen Namen, die das Ende der Welt, den Orkus, den Erebos oder das Infernum bezeichnen. Zu Zeiten wurde auch die große Britische Insel – damals Alba genannt (daher: Albion) – von den Galliern als die Anderswelt betrachtet. Nach der römischen Besetzung des südlichen Teils der Insel wanderte dieser Begriff weiter nach Norden, zu den fernsten Gebieten Schottlands, jenseits des Hadrianswalls, welche den Rö-mern noch unbekannt und unerreichbar waren. Die Vorstellung vom Hades oder Erebos, auch Orkus genannt, wurde auf eine weitere Inselgruppe desselben Bereichs angewandt: die Orkneys oder Orkaden, vormals Innsi Orc (Mela, 3, 6, 54). Wie erwähnt, stehen diese For-men mit kelt. orc 'Schwein', lat. porcus, engl. pork usw. in Verbindung – und demzufolge eher mit der Anderswelt und weniger mit der angenommenen Präsenz dieses Tieres auf den Inseln. Orcas war auch der Name des Vorgebir-ges im äußersten Norden Schottlands, unmittelbar südlich der Orkneys, heute Duncansby Head. Der Fluss Orca im antiken Etrurien wurde seinerzeit zwei-fellos als „Grenzfluss“ betrachtet, gleich dem Ebro. Die Übereinstimmung von Iber-/Eber- mit Eburo/Ebro zeigt sich im Na-men gallischer Städte, wie Iber-dun (heute Yverdon), vormals Eburo-dúnum 22MMALMOGAREN XXXVIII/2007 bzw. Ebro-dunum, Ebredo(u)num und Eburó-dunum (heute Embrun). Andere Städte mit Namen auf dieser Grundlage waren Eboracum, das heutige York in Großbritannien; Eburum und Eburobriga in Gallien; Eburobrittium, heute Évora, im damaligen Lusitanien, u. a. m. Beide Varianten werden auch un-unterschieden in keltischen Stammesnamen, wie Eburovices, Ebroce, Ebroici, Ebroegas usw. verwendet. Sogar der Name Europa steht in Beziehung mit Érebos und Ebro. Laut Hesiod war Europa ursprünglich der Name einer Okeanide, was sie mit dem „Land des Sonnenuntergangs“ verbindet [20]. Üblicherweise wird als Etymon für Europa ein semitisches Wort angegeben, das 'Einbruch der Nacht' (gr. érebos), eigentlich 'die Dunkelheit der Unterwelt', 'das Reich der Toten' be-deutet – zwei Begriffe, die in der Vorzeit eng miteinander verbunden waren [21]. Eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre das assyrische êrêb šamši 'Un-tergang der Sonne' [22]. Dieselbe Vorstellung enthält auch das hebr. ‘rb, voka-lisiert: ‘éreb 'Abend'. Die Europa des alten Mythos war eine Tochter von Agenor, des Königs von Tyros, welche von Zeus (in Gestalt eines Stiers) ge-raubt und nach Westen entführt wurde, auf die Insel Kreta, die für die Bewoh-ner des Vorderen Orients damals das ferne „Land des Sonnenuntergangs“, des Grenzbereichs der bekannten Welt waren. Als Frucht der Verbindung wurde Minos geboren, der künftige König Kretas und zugleich der „Richter der Anderswelt“, laut den antiken Autoren. Es ist offenkundig, dass es sich auch in diesem Fall um einen Namen handelt, der von weiter östlich lebenden Völkerschaften (Phönizier, Hebräer, Assyrer u. a.) gegeben wurde. Ibo/Ivo, Ebo/Evo oder Euuhius (Evius), Ebovius usw. ist gleichfalls der Name des mit dem Wechsel der Jahreszeiten und der Unterwelt verbundenen Jungen Gottes, später speziell auf Dionysos/Bacchus, Adonis, Persephone usw. (die sterbende und wiedererstehende Natur) angewandt, in Parallele zu Apollo und der Sonne. Möglicherweise ist dies der Name, der einstmals den Inseln Ebudae – bei Ptolemäus, Ebudae bei Plinius, die Hebriden im Norden Ir-lands, ir. *Ibuid *Ebudi – gegeben wurde. Eine keltisch-aquitanische Inschrift spricht von einer Eberri bzw. *Eber(r)io genannten Gottheit [23]. Der alte Radikal iber-, eb(e)r- erinnert in vielen Sprachen an den Tod und die Unterwelt. Er findet sich in einer Reihe von Pflanzen- oder Tiernamen, die im archaischen Denken mit solchen Vorstellungen verbunden waren, wie bereits im Zusammenhang mit 'Schwein' (dt. Eber, ir. orc) ausgeführt. Dieser Wortstamm benennt auch die Eibe (gr. , eburos, kelt. ywen, ibor, russ. uea íva, engl. yew), in der Antike 'Baum des Todes' genannt, aus dessen Blät-tern, Rinde und Wurzel ein tödliches Gift bereitet wurde [24], weswegen man ALMOGAREN XXXVIII/2007MM23 die Pflanze mit der Anderswelt und deren Gottheit in Verbindung brachte. Die zuvor erwähnten Toponyme Eburo-dunum usw. spielen wohl nicht auf das Vorhandensein des Baums eburos in den entsprechenden Orten an, sondern auf seine mythisch-onomastischen Implikationen. Die hésperis 'Muskat-Levkoje' ist ein Kreuzblütler von purpurner Farbe, wie sie traditionell mit der Gottheit des Landes des Sonnenuntergangs assozi-iert wurde, welche u. a. Kronos, Acheron und Gerion hieß (Letzterem raubte Herakles die rote Herde). Das Esparto-Gras wurde auch hibernicus genannt. Das Schwein bzw. Wildschwein, das im archaischen Denken mit dem Win-ter in Beziehung steht, erscheint in den alten Mythen als Rivale des Sonnen- Helden, den es, so in der Adonis-Sage, mitunter tötet – Symbol des periodi-schen Todes und des Neuerstehens der Sonne und der Vegetation im Herbst bzw. im Frühling. In anderen Fällen, wie in der Artus-Sage (keltischen Ur-sprungs), ist es der Sonnen-Heros, der das Höllen-Schwein jagt. Auch in der kanarischen Tradition spielte das Schwein eine bedeutsame Rolle und war gleichfalls mit der Anderswelt (in einer Höhle) und dem Hervorbringen des Regens eng verbunden. Die Übertragung des Namens Hesperiden auf die Kanarischen Inseln, Madeira und die Kapverden geschah in relativ später Zeit, als Irland, Iberien usw. bereits bekannt waren und keine weiteren unbekannten Länder im Wes-ten Europas mehr übrig blieben, die man so benennen konnte. Die Identifikation des Landes der Toten mit dem offenkundigen Tod der Sonne im Westen bzw. im Winter entspricht einer Verallgemeinerung in den mittelmeerischen Kulturen, die wahrscheinlich ihren Ursprung im Nahen und Mittleren Osten hat, während für die Menschen der nordischen Länder das Paradies oder Walhalla – der letzte Ruheort der auf dem Feld der Ehre gefal-lenen Krieger – im Süden liegt. Die Geschichte von den Wunderinseln hat allerdings noch eine moderne Fortsetzung; denn die Mythen und Traditionen haben ein zähes Leben. So suchte man, selbst nach Abschluss der Eroberung und Besetzung der Kana-ren, noch weiterhin nach einer weiter westlich gelegenen Insel, der man den Namen San Borondón gab. Sie findet sich sogar auf einigen alten Karten. Aufgrund ihres periodischen “Auftauchens” und “Verschwindens” (durch Luftspiegelungen) wurde sie mit der Insel gleichgesetzt, die in der christlich-irischen Sage der heilige Brendan besuchte und wo er sogar die Messe las. Doch unmittelbar nach seiner Einschiffung zur Rückfahrt versank das Eiland wieder im Meer; denn in Wirklichkeit handelte es sich um einen gigantischen Wal. Diese fromme Legende fußt ihrerseits auf der keltischen Sage namens Immram Brain 'Brans Seefahrt', auf der Suche nach der paradiesischen Insel 24MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Emain Ablach, auf der ein Apfelbaum mit silbernen, himmlische Klänge aus-sendenden Ästen und Früchten wächst und wundersame Frauen wohnen. Dort verbringen Bran und seine dreimal neun Gefährten – 3 und 9 sind magische Zahlen – in Herrlichkeit und Freude viele Jahre, die ihnen freilich wie ein einziges vorkommen. Als Brans Gefährten schließlich Heimweh bekommen, fahren sie nach Irland zurück. Doch als sie ihren Heimathafen erreichen, zer-fällt bereits der erste, der seinen Fuß an Land setzt, sofort zu Staub, geradeso, als sei er vor langer Zeit gestorben und verwest. Diese schreckliche Erfah-rung zwingt Bran, erneut in See zu stechen, nachdem er den am Strand Ver-sammelten von seinen Abenteuern erzählt hat. Anmerkungen: [1] Geschichten, I, 1; 4, 2, 5-6. [2] Ein Pfund dieses Produkts erreichte um das Jahr 300 v. C. umgerechnet einen Preis von 100.000 Euro. [3] Der Drachenbaum ist ein für den kanarischen Archipel (und einige wenige Gegenden in Westafrika) typischer Baum, was zudem die Annahme der dortigen Präsenz der Phönizier untermauert, da bekannt ist, dass sie das entsprechende Produkt herstellten. [4] Robert Graves, The White Goddess. 1946, S. 306. [5] Es herrscht keine Einigkeit darüber, auf welche Insel-Gruppe(n) genau sich die antiken Berichte beziehen, da sie sehr unpräzise und widersprüchlich sind. Die Annahmen bewegen sich von den dem Kap Mogador vorgelager-ten Inseln bis hin zu den Kanaren und Madeira. Auch bleibt historisch un-klar, ob es jemals Purpur-Manufakturen auf den Kanarischen Inseln gege-ben oder ob Juba sie besucht hat. Andererseits liefern kanarische Felsin-schriften doch ein wichtiges Argument für die Vermutung, dass die Phöni-zier sie tatsächlich kannten. [6] Gemäß westlichem Weltverständnis; hingegen lokalisierten die nordischen Völker die Anderswelt im äußersten Norden. [7] Bei Scilax von Karianda, Herodot, Asklepiades, Avienus und andere Au-toren. [8] “Die Religion der Phönizier im Rahmen der Mediterranea”. ALMOGA-REN XXII, 1991, 14. [9] “Tarshish und Ophir”, Zeitschrift für die Ethnologie, 35/1986, S. 65. 1[10] Tartessos, ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Westens. 1950, S. 54. [11] Dieses “Land der Reben” erinnert uns an eine andere, und zwar nordi-sche Sage: die vom Vinland, das der Isländer Leif Eriksson, Sohn von Erik dem Roten (Erik = 'der Rote'), entdeckt haben soll, als er von seiner Heimat- ALMOGAREN XXXVIII/2007MM25 insel aus gen Westen fuhr. Das von ihm entdeckte Gebiet wäre folglich die nordkanadische Halbinsel Labrador – eine für diese Art von Südfrüchten eigentlich wenig geeignete Weltgegend. Sehr wahrscheinlich zeigt sich uns hier ein weiteres Mal – zumindest modellhaft – der alte Mythos vom Hel-den, der ins Land der wundersamen Früchte im äußersten Westen der Welt gelangt, geradeso wie Herakles, Odysseus, der heilige Brendan und viele andere; im vorliegenden Fall jedoch in einer eher nüchternen, realistischen Sprache, wie sie dem nordischen Charakter entspricht. Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen Euphemismus von der Art, wie er vom selben Volk in Bezug auf das unwirtliche Grönland (“Grünland”) verwen-det wurde – gewiss um künftige Siedler zu ermutigen, sich dort niederzu-lassen. Allerdings sollte es mit der Grönland-Kolonie ein böses Ende neh-men... [12] Cronidas leitet sich vom Namen der höchsten archaischen Gottheit, Kronos, ab, die von den Hellenen mit Zeus identifiziert bzw. synkretisiert wurde. [13] An diesem Datum wurde in Rom das Großfest des Sol Invictus, der unbesiegten Sonne, gefeiert, die von der Nacht oder dem Winter verschlun-gen zu werden droht, aber siegreich neu ersteht. Diesen römischen Fest-lichkeiten wurde später eine weitere hinzugefügt, die dem persischen Kul-turkreis entstammte: die Geburt des Mithras, eines Sonnengottes; und et-was später schloss sich das Christentum an, indem es die – zunächst unsi-cher datierte – Geburt Jesu auf den gleichen Tag legte. [14] M. Trapero / E. Llamas, “ Es guanche la palabra guanche?” Anuario de Estudios Atlánticos 1998. [15] Reallexikon des klassischen Altertums VII, 1912. [16] O. Álvarez, “The Aryan Invasion of India and the Idea of Females in After-life”, ALMOGAREN IX-X (1978-1979), S. 287 ff. [17] Etymologisches Wörterbuch der baskischen Sprache. Berlin 1968. [18] Origenes oder Etymologiae, eine enzyklopädische Kompilation des Menschheitswissens in zwanzig Büchern. [19] The Celtic Englishes II. Heidelberg 2000. [20] Th. Vennemann, “Testing the West”. 1999, S. 93. [21] K. Ziegler / W. Sontheimer (Hrsg.), Der kleine Pauly: Lexikon der Antike. 1979. [22] H. Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch. 1973-1991. [23] Deo EBERRI ('dem Gott Eberri'), Inschr. von Gensac-de-Boulogne (Haute Garonne). [24] Außer dem Fruchtfleisch, das ungiftig ist. 6MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Caridad Arias, Joaquín (2007): Die Kanaren, die Hesperiden, die Glücklichen Inseln.- Almogaren XXXVIII (Institutum Canarium), Wien, 7-25 Zitieren Sie bitte diesen Aufsatz folgendermaßen / Please cite this article as follows:
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Calificación | |
Colección | Almogaren |
Título y subtítulo | Die Kanaren, die Hesperiden, die Glücklichen Inseln |
Autor principal | Caridad Arias, Joaquín |
Entidad | Institutum Canarium |
Publicación fuente | Almogaren |
Numeración | Número 38 |
Tipo de documento | Artículo |
Lugar de publicación | Hallein (Austria) |
Editorial | Institutum Canarium |
Fecha | 2007 |
Páginas | pp. 007-025 |
Materias | Prehistoria ; Islas Canarias ; Arqueología ; Macaronesia ; Tartessos |
Enlaces relacionados | http://www.almogaren.org/almo_contents_d.html |
Notas | Resumen: Se pasa revista a los términos y expresiones aplicados en la Antigüedad al la última tierra, donde se oculta o muere el sol en el ocaso y donde habitan los muertos; unas veces descrita como lugar paradisíaco y otras, como un antro de tinieblas. Esta tierra o isla mítica fue identificada con una serie de puntos del extremo occidental o septentrional de la Tierra conocida en cada etapa histórica, dependiendo de los conocimientos geográficos del momento. Se analizan los diversos nombres dados a esta tierra, como: Hesperia, Iberia, las Hébridas, la Macaronesia, etc., buscando entre ellas posibles relaciones fonéticas y morfológicas. |
Copyright | http://biblioteca.ulpgc.es/avisomdc |
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Texto | ALMOGAREN XXXVIII/2007MM7 Almogaren XXXVIII / 2007 Wien 2007 7 - 25 Joaquín Caridad Arias Die Kanaren, die Hesperiden, die Glücklichen Inseln Keywords: Hespérides, Macaronesia, Afortunadas, Tártaro, Tartessos Zusammenfassung: Gegeben wird ein Überblick über die in der Antike gebrauchten Ausdrücke für das Äu-ßerste Land, wo die Sonne sich verbirgt oder stirbt und die Toten wohnen; teils beschrie-ben als paradiesischer Ort, teils als Höhle der Dunkelheit. Dieses mythische Land bzw. Insel wurde zu Zeiten mit eine Reihe von Orten im äußersten Westen bzw. Norden ver-bunden, je nach den geographischen Kenntnissen der Epoche Analysiert werden die ver-schiedenen diesem Land beigelegten Namen: Hesperia, Iberia, Hebriden, Makaronesien usw. sowie mögliche phonetische und morphologische Wechselbeziehungen in den ver-schiedenen sprachlichen Versionen. Resumen: Se pasa revista a los términos y expresiones aplicados en la Antigüedad al la última tierra, donde se oculta o muere el sol en el ocaso y donde habitan los muertos; unas veces descrita como lugar paradisíaco y otras, como un antro de tinieblas. Esta tierra o isla mítica fue identificada con una serie de puntos del extremo occidental o septentrional de la Tierra conocida en cada etapa histórica, dependiendo de los conocimientos geográficos del momento. Se analizan los diversos nombres dados a esta tierra, como: Hesperia, Iberia, las Hébridas, la Macaronesia, etc., buscando entre ellas posibles relaciones fonéticas y morfológicas. Abstract: A review is made of a number of expressions applied to the last land, in the Old World, usually thought of as a far-away island inhabited by the dead; sometimes described as a paradise and others as a dreary abode of darkness. This mythic place has been supposedly identified with many different regions situated in the extreme western or northern end of the known earth, at every historic time-point. A comparative analysis is made of the names given to this place throughout history in different cultures, arriving to the conclusion that, in fact, most of them derive from some ancient concepts and/or expressions related to each other by common phonetic and morphological connections. Wenn in manchen antiken Texten oder Berichten von der oder den Insel(n) jenseits der Säulen des Herkules die Rede ist – die einige Autoren mit den Kanarischen Inseln gleichsetzen wollten –, so bezieht sich eine solche An-spielung lediglich auf ein Land oder eine imaginäre Insel, wohin kein Sterb- 8MMALMOGAREN XXXVIII/2007 licher jemals seinen Fuß setzte oder setzen wird, da es sich um die Glückliche Insel handelt, auf der die Toten zu einem neuen Leben erwacht sind. Jenseits dieser Insel ist nichts. Der Geschichtsschreiber Herodot [1] spricht von den Ländern, die westwärts hinter der afrikanischen Küste gelegen sind, “wo der Erdkreis endet und das Meer sich gegen die Seefahrer aufbäumt, nahe dem Garten der Hesperiden”. Dieser wundervolle Garten befindet sich am west-lichsten Punkt der Welt, “jenseits des berühmten Ozeans”: . Schwer zu sagen, ob der griechische Geograph sich an konkrete Informationen hält oder aber einfach die geläufige mythisch-geographische Kosmogonie seiner Zeit wiedergibt. Die Kanarischen Inseln werden üblicher-weise dem makaronesischen Polyarchipel zugerechnet, der außerdem die Azoren, Madeira, die Kapverden und die beiden kleinen Inselgruppen der Selvagens und Desertas umfasst. Deren Existenz war seit Urzeiten bekannt, und mit Ausnahme der Kanaren waren sie zum Zeitpunkt ihrer Inbesitznah-me durch die Europäer im 15. Jahrhundert unbewohnt. Der Expansionsdrang der Phönizier im westlichen Mittelmeer geht mindestens auf das Jahr 1000 v. C. zurück, als sie nämlich Tartessos erreich-ten, zwei oder drei Jahrhunderte vor der Gründung Karthagos (814 v. C.). Ihre Seefahrten machten jedoch nicht an den Säulen des Herkules halt, sondern führten darüber hinaus entlang den atlantischen Küsten Europas und Afrikas nach Norden bzw. Süden. Die Kanarischen Inseln wurden vermutlich von die-sen Seefahrern entdeckt, wenn sich auch keine genaue zeitliche Einordnung machen lässt. Man weiß, dass sie Handelsniederlassungen im nordwestlichen Afrika gründeten, so z. B. Lixus sowie die Felseninsel Mogador (Essaouira), sämtlich Orte, an denen sie Spuren einer regen Handelstätigkeit hinterlassen haben. Eine ihrer Bestrebungen war die Suche nach der – auf den Inseln vormals recht zahlreich vorhandenen – Färberflechte (Rocella tinctorea), die, mangels Ammoniak mit Urin versetzt, einen sehr begehrten Farbstoff ergab; dieser ersetzte das ausschließlich Königen vorbehaltene Sekret der Purpur-schnecke (murex), welches im Laufe der Zeit immer knapper geworden war [2]. Ein weiteres Produkt, das die Phönizier – und später die Karthager – von den Kanarischen Inseln mitbrachten, war, einigen Berichten zufolge, das so genannte Drachenbaumblut, ein rotes Harz, das aus dem Saft der Dracaena draco [3] gewonnen und zu einem prächtigen purpurroten Farbstoff weiter-verarbeitet wurde. Die beiden erwähnten Handelswaren, zusammen mit den Ergebnissen des Fischfangs und der Erzeugung des berühmten garum, einer aus Fischinnnereien gewonnenen Soße, die bei den Gourmets der Zeit hoch geschätzt war, bilden wohl den Hauptgrund für die Einverleibung der Ka-narischen Inseln in die phönizisch-punische Sphäre. Dennoch wird der auf die ALMOGAREN XXXVIII/2007MM9 indigene Bevölkerung einwirkende Kultureinfluss in jedem Fall äußerst ge-ring – und allenfalls auf einige Küstenorte beschränkt – gewesen sein. Schließlich war dieses von Tatendrang beseelte Volk nie auf Kolonisierung bedacht, sondern fast ausschließlich an Handelsbeziehungen interessiert. Bereits im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bedient sich der Geo-graph Ptolemäus wissenschaftlicher Daten, um den Meridian von El Hierro, der westlichsten Insel des Archipels, zu berechnen, womit er, unter Verwen-dung eines Grad-Systems, die Grundlagen für eine erste Messung der Entfer-nungen in der bewohnten Welt legte. Makaronesien Der Name Makaronesien, der diesen Polyarchipel zusammenfasst, ent-stammt der griechischen Benennung (Nêsoi Makaríōn) 'Inseln der Seligen', möglicherweise eine Volksetymologie, bestimmt aber eine sprachliche Umdeutung des tyrischen Namens mit der Bedeutung 'Inseln des [Gottes] Makar', oder Melkart ( ), Beschützer der Stadt Tyros (und spä-ter Karthagos). Vermutlich handelt es sich um einen ursprünglich ägäischen, später dem semitischen Kulturkreis einverleibten solaren Helden [4]. Wie wir noch sehen werden, ist dies nicht die einzige deutliche phönizisch-karthagische Spur auf dem kanarischen Archipel und im weiteren Bereich. Die Verbindung Makaronesiens mit Melkart ist keineswegs zufällig, sondern beruht auf der mythischen Beziehung dieses Gottes zu den westlichsten Gegenden der Welt, d. h. zum Land der Toten – eine weitere Parallele zu Herkules. Dorthin reisen in den verschiedensten Mythen die genannten und weitere göttergleiche Hel-den (Odysseus, Perseus, Lug, Gilgamesch usw.), um den alten Gott der An- Bildnis von Melkart auf einer punischen Münze 10MMALMOGAREN XXXVIII/2007 derswelt zu töten und/oder die rote Herde des Helios bzw. Kronos-Gerion, die roten Äpfel der höchsten Weisheit, das Kraut der Unsterblichkeit, das Golde-ne Vlies usw. an sich zu bringen. Aus diesem Grunde wurde zu Ehren von Herkules-Melkart in Gades-Cádiz ein später weithin berühmter Tempel er-richtet, dessen Kult, den Strabo nach dem Vorbild von Poseidonios beschreibt, jenem in Syrien weitgehend ähnlich war; dieser wiederum wies, laut dem griechischen Geschichtsschreiber Herodian, eine beachtliche Nähe zu den ägyptischen Riten auf. In der Tat gab es im punischen Staatswesen gewisse Würdenträger, deren einzige Aufgabe es war, darüber zu wachen, dass kein Schwein die Schwellen des Melkart-Tempels überschritt. Das war nur folge-richtig, da dieses Tier, abgesehen von seiner unreinen Natur, traditionell mit der Anderswelt und deren Gottheit assoziiert wurde: mit dem alten Gott des Sonnenuntergangs Baal Hammon bzw. Kronos-Gerion-Saturn, ewiger Rivale des jungen, in Herkules, Melkart, Apollo usw. personifizierten Sonnengottes. Materielle Zeugen der punischen Präsenz auf den Atlantikinseln wären etwa die karthagischen und kyrenaischen Münzen vom Beginn des 4. Jahrhunderts v. C., wie man sie auf den Azoren gefunden hat, sowie die – möglicherweise karthagischen – Amphoren, die vom Meeresgrund bei der Insel La Graciosa und aus der Bucht von Fuste (Fuerteventura) geborgen wurden. Sowohl auf Fuerteventura als auch auf Lazarote und Gran Canaria existieren Felszeich-nungen von Schiffen, die man als phönizisch-karthagisch klassifiziert hat. Es ist gut möglich, dass die Kanarischen Inseln auch von Seefahrern, die in der Antike der westafrikanischen Küste entlangfuhren, gesichtet, ja sogar besucht wurden, darunter der Karthager Hannon, um das Jahr 460 v. Ch. – wenn auch durchaus nicht gesichert erscheint, dass er in seinem Reisebericht auf die Kanaren Bezug nimmt. Herodot seinerseits erwähnt eine drei Jahre dauernde Umrundung des afrikanischen Kontinents mit phönizischen Schif-fen und auf Geheiß des Pharao Nekao (609 – 595 v. Ch.). Schiffdarstellungen in Felsgravuren des Barranco de Balos, Gran Canaria (nach M. Hernández) ALMOGAREN XXXVIII/2007MM11 Die Hesperiden, die Glücklichen Inseln, Tartessos, Iberia und weitere Namen Plutarch bezieht sich möglicherweise auf die Kanaren oder sonstige Inseln der makaronesischen Gruppe, wenn er von den Atlantischen Inseln spricht. Gaius Plinius Secundus (Plinius der Ältere), geboren 23 n. Ch., gestorben im Jahr 70, erwähnt sie bereits glaubwürdig in seiner Naturalis Historia. Sein Bericht geht auf einen gewissen Statius Sebosus und die Werke des numidisch-mauretanischen Königs Juba II. zurück, der in Rom erzogen wurde und mut-maßlich die Purpurfärbereien auf den Kanarischen Inseln zu Beginn unserer Zeitrechnung begründete [5]. Ein anderer römischer Autor, Pomponius Mela, geboren in Tingetera, nahe Gibraltar, verfasste um das Jahr 40 n. Ch. eine Geographia in drei Bänden, in der er die Gorgonischen Inseln oder Hespe-riden erwähnt. Beide Namen sind mythischer Herkunft. Ersterer spielt in der Mythe auf die Wohnstätten der so genannten Gorgonen an, sagenhaften Ge-stalten aus dem Geschlecht der Seeungeheuer, die “am Rand der Welt hau-sen”. Der zweite stammt aus dem ide. e p ero-s, Akk. Sg. Neut. e p eron 'der hintere', 'spätere', 'westlichste', der auch im Namen des Abendsterns Hesperis (die abendliche Venus) anwesend ist; er wurde auch auf die Elysi-schen Gefilde angewandt, welche die antike Tradition “im äußersten Westen des Erdkreises” ansiedelt, dort, wo die Toten ihre letzte Bleibe finden [6]. Für Hesiod (Theogonia) hingegen sind die genannten Gegenden nicht gerade ein Paradies, sondern das “Land der Finsternis”, am Eingang zum Hades, über den eine unterirdische Gottheit wacht (Hades, Pluton, Gerion, Tartaros usw.), in Parallele zur uranischen, also eine Art “Zeus der Unterwelt” bzw. dessen alter ego obscurus. Wir sehen uns hier einer Dualität archaischen Typs gegen-über, die, allen Anzeichen zufolge, wohl auch in der kanarischen Kosmogonie ihre Wirkkraft entfalten konnte. Die Griechen lokalisierten den Hades, die Wohnstätte des Dis (Kronos, Gerion), im äußersten Westen der klassischen Welt des Mittelmeers. Um das 5. Jahrhundert v. Ch. wird dieses Land erstmals mit dem Namen Iberia [7] erwähnt und gleichfalls seine Bewohner, die iberi, eine Bezeichnung, die alle Küstenvölker zwischen den Flüssen Júcar (Valencia) und Oranos (vermutlich die Rhone) umfasst. Diesen Namen tragen noch heute zwei Länder die in der Antike, als “am Rande der Welt gelegenen” betrachtet wurden, nämlich die Iberische Halbinsel und Irland (urkeltisch Iverjó- oder Everjó-; Ibernia – in Ptolemaeus, Evernii patria in Adamnán's Vita Columbae. Aus diesen Formen stammen die spätere Îver-i nem, Iwerdon, Ériu, Érenn und Erin. Der griechische Mythos gab den Hesperiden menschliche Gestalt als Töch-ter der Nacht, die ganz im Westen der Welt leben, wo sie – unterstützt von einem monströsen Drachen oder einer Schlange – den wundersamen Baum 12MMALMOGAREN XXXVIII/2007 mit den goldenen Äpfeln bewachen. Hier handelt es sich klar ersichtlich um eine Version des mesopotamischen Irdischen Paradieses und seines biblischen Reflexes. Laut Herodot (Historiae I 103) und Diodorus Siculus (III 53, 6) trägt die Insel Hespera, im See bzw. Sumpfgebiet Tritonis, “unweit des Atlas”, einen Namen, der einfach 'die Westliche' bedeutet. Gemeint ist der vormalige, spä-ter ausgetrocknete See Triton im Südosten Tunesiens, im heutigen Schott el- Djerid. Dieses Gebiet, zweifellos das für die Griechen entfernteste bekannte Land ihrer Zeit, markiert die äußerste Grenze der griechischen Seefahrt, wie sie etwa, unmittelbar nach dem Trojanischen Krieg (ca. 1200 v. Ch.), in der Odysseus-Sage beschrieben wird. Genau hier liegt in der Odyssee die Insel der Lotophagen (wahrscheinlich das heutige Djerba), wo “man das Zeitgefühl verliert” – genauso wie es denen ergeht, die den Lethes-Fluss, den Vorraum des Totenlandes, überqueren. Weiter nördlich liegt das Land der Zyklopen, wo Odysseus den Polyphem – eine weitere Personifizierung des Gottes der Unterwelt – in seiner unterirdischen Höhle blendete, eine Heldentat, die ihre Parallele im Sieg des Herkules über Gerion in Tartessos hat – zweifellos eine später entstandene Erzählung. Auch die griechische Athene wurde mit dem Beinamen Tritogeneia be-legt, welcher sie mit dem Triton-Mythos verband, des zur Hälfte als Fisch gestalteten Meergottes, Sohn des Poseidon und der Amphi-trite, der im Tri-ton- See wohnte. Der Name Poseidon wurde als Zusammensetzung aus (posis) 'Ehegatte' und bzw. (da, ga) 'Erde' interpretiert, womit er die Bedeutung 'Gatte der Erde' hätte, zumindest in der griechischen Version, da nicht auszuschließen ist, dass es sich um eine interpretatio graeca handeln könnte. Inmitten des Triton-Sees ragte die Stadt namens Tartessos empor, die von Herodot und Diodorus erwähnt wird. Der Name ging später auf das ibe-rische Tartessos über, die Hauptstadt eines Staatsgebildes im Süden der Iberi-schen Halbinsel, genau dort, wo etwa sechs Jahrhunderte später das Ende der Welt angesiedelt wurde. Außerdem war die Lage dieser Stadt, auf einer Insel im Mündungsgebiet des Guadalquivir – im sog. Lacus Ligustinus –, gleich jener, die für das libysche Tartessos beschrieben wurde. Es ist höchstwahr-scheinlich, dass das Lautschema t-r-t (Triton, Tartessos), auf dem die Namen des Grenzsees und der dort wohnenden Gottheit beruhen, einer Begrifflichkeit entspricht, mit der zu allen Zeiten die Völker des östlichen Mittelmeers ein-vernehmlich das Letzte Land belegten, nämlich das, was jenseits der Oikou-mene, der bewohnten und bewohnbaren Welt, liegt. Für H. Stumfohl [8] muss die ursprüngliche Besiedelung von Tartessos ibe-risch gewesen sein und soll spätere mögliche Kontakte mit Kariern und Etrus- ALMOGAREN XXXVIII/2007MM13 kern nahelegen. Diesem Autor zufolge erinnert Tartessos an ägäisch-anatolische Toponyme, wie Tarsos bzw. Tarsis in Kilikien (Kleinasien). G. Oppert [9] sieht hier sogar eine völlige Identität zwischen beiden als gegeben an. Schulten [10] seinerseits betrachtet Tartessos als eine Gründung der Tyrsener (Tyrrheni, Tusci, Etrusker), womit der Name Tartessos dem östli-chen Mittelmeerraum bzw. Kleinasien, der mutmaßlichen Urheimat dieses Volkes, zuzurechnen wäre. Die Etrusker nannten sich selbst Rasenna, was dasselbe ist wie Tyrseni ohne die archaische Plural-Determinante ty-/ti- (*ti-r[ a]senni), wie wir sie von Nordafrika und von den Kanarischen Inseln her kennen. Der Mythos macht Tyrsenos – namengebender Vorfahr dieses Volkes – zum Sohn des Herakles und der Omphale ('Nabel', ein Beiname der Mutter-göttin). Die biblische Version des Namens Tartessos ist Tarshish. Auf den Wandinschriften des ägyptischen Tempels von Medinet Habu er-scheinen die trš – vermutlich die Tyrsener – als Mitglieder der unter der Bezeichnung “Seevölker” bekannten Koalition, welche in der Regierungszeit von Ramses III. in die Gebiete des Nildeltas eindrangen. Der Name der Turdetani (turduli, *turtuli), die in der Nachfolge der Tartessi stehen und an-nähernd im gleichen geographischen Gebiet siedeln, beruht wahrscheinlich ebenfalls auf dem erwähnten Radikal trš. Nach dem Zeugnis des Hekataeus waren die iberischen und die tartessischen Namen “in einem weiten Sinne” gegeneinander austauschbar. Gleiches lässt sich von Tartaros sagen, einem Wort kretischen Ursprungs, das möglicherweise so viel bedeutet wie 'ferner Westen'. Der Tartaros wurde später mit der Hölle gleichgesetzt, mit dem in den tiefsten Tiefen der Welt gelegenen Bereich – tiefer sogar noch als der Hades –, wohin die Götter ihre Feinde verbannten (Uranos, Tantalos, die Titanen usw.). Tatsächlich identifi-ziert Strabo (Geographia) Tartessos mit dem Tartaros und führt aus, dieser sei ein Fluss “im Westen Iberiens” – zweifellos bezogen auf den mythischen Grenzfluss zur Anderswelt, wo sich das Totenreich befindet. Die byzantini-sche Enzyklopädie Suda lässt uns wissen, es handele sich bei Tartessos um “eine iberische Stadt in der Nähe des Ozeans und des Sees Aornos”. Hier gilt festzuhalten, dass in der Antike Aorno gleichbedeutend war mit Averno und zudem einem See in Kampanien den Namen gab. Die Parität Tartessos = Tar-taros wird auch in der Komödie “Die Frösche” des griechischen Dichters Aristophanes bestätigt. Als Ursprung dieses Wortes wird das ägyptische tartashu oder tartara angeführt, das “das Land der äußersten Bereiche” der bekannten Welt bezeichnet (vgl. auch den Volksnamen der Ta(r)taren). Ein anderer Name für Tartessos war Carteia (Plinius, Nat. Hist. 3, 7), wohl aus dem phönizischen qart oder qarat 'Stadt', wobei es durchaus als möglich 14MMALMOGAREN XXXVIII/2007 erscheint, dass eine Verbindung zum gleichfalls phönizischen qart 'Anders-welt' besteht – und damit zum Zielort verschiedener Großtaten oder Abenteu-er des Helden Herkules-Melkart, wie der bei Gades-Cádiz, wo er Gerion und den Höllenhund Ortros tötete, oder der bei Kyme (Cumae, in Italien), wo er den Cerberus aus seiner Höhle zerrte. An diesem Ort wird heute die Höhle der Sibylle gezeigt, im Altertum als einer der Eingänge zum Hades bekannt. So-wohl Herkules wie Melkart sind Figuren, die eine enge Verbindung zum Jen-seits und zur Welt der Toten aufweisen, genauso wie im Fall von Hermes/ Merkur, des germanischen Odin/Wotan, des keltischen Lugu-s u. v. a. Der Name Gorgonidas, mit dem ebenfalls die westlichen Inseln belegt wurden, entstammt dem griechischen Mythos, dem zufolge der Held Perseus ausgesandt wurde, um der Gorgo Medusa – einer Rivalin der Göttin Athene und deren tödlicher Blick die Menschen versteinerte – den Kopf abzuschnei-den. Die Gorgonen ('die Schrecklichen') stellen eine dreifache göttliche We-senheit dar. Es handelt sich folglich um eine multiple Hypostase der Mutter-göttin, wobei die Medusa – die am meisten gefürchtete – deren unheilvollen Aspekt, als Herrin des Todes, darstellt. Die Gorgonen bewohnten, wie gesagt, die Tartessis, “jenseits der Grenzen des Atlas und des Ozeans”. Um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen, begab sich Perseus zuerst zu den Schwes-tern der Gorgonen, den Graecae ('die Grauen'), die in der Nähe des Triton-Sees hausten. Diese sind in Wirklichkeit die drei Parzen (eine Version der Gor-gonen), die auch Forcidae genannt wurden, da sie Töchter des Forcus bzw. Orcus waren. Ihre Namen stehen in Verbindung mit dem Orkus, der Hölle, sowie auch mit dem Wort porcus 'Schwein' (vgl. dt. Ferkel), ein der Göttin des Todes geweihtes Tier, dessen Namen zudem auf die Parzen verweisen könnte. Das lateinische Wort orcus wird bei den antiken Autoren in verschiedenen Bedeutungen gebraucht, wie etwa: 'der Tod' (Lukrez, Horaz), 'die Hölle' (Vergil, Horaz, Varro usw.) oder aber im Sinne der Höllengottheit, die dort herrscht und die mit Pluto (Ennius, Lukrez, Cicero) identifiziert wird. Die glei-che Wortwurzel hat sich im gälischen orc 'Erstarrung', 'Lethargie', 'Tod' erhal-ten. Dem lateinischen orcus entstammt auch das altkastilische Wort huerco/ huergo 'Hölle'. Der Name Herkules (lat. auch Hercle) sowie das Toponym Herculanaeum stehen in direkter Verbindung mit anderen wie Orcle und Orgolano, die auf den Orkus, die fernsten Gegenden der Welt verweisen, wo die meisten Taten dieses – im Wesen uranisch-solaren – Helden vollbracht werden. In der Tat sind Perseus, Theseus, Herkules und Odysseus unterschied-liche Versionen ein und derselben Zentralfigur in den verschiedenen Mythen. Die zuvor erwähnten Sinnverknüpfungen belegen, dass es, praktisch in allen westlichen Kulturen einschließlich der keltischen, eine feste Verbindung ALMOGAREN XXXVIII/2007MM15 zwischen dem Schwein bzw. Eber einerseits und dem Wasser, dem Winter, der Unterwelt andererseits gibt. Das Wort für 'Schwein' im Irischen ist kein ande-res als orc und findet sich u. a. im Namen der Orkney-Inseln (kelt. Insi Orc, lat. Orcades), die vormals als Wohnstätte der Göttin des Todes galten. Wie ersichtlich, erscheinen mitunter in ein und demselben Bericht verschie-dene Namen des Jenseits eng miteinander verbunden, die in jeder historischen Phase – entsprechend den jeweils gegebenen geographischen Kenntnissen – mit Tartessos bzw. Tarsis, dem Tartaros, Triton, dem Orkus, Hesperia, Iberia, Hibernia, mit den Gorgoniden, Avernus und mit der Hölle identifiziert wurden. Als bedeutendste Stadt von Tartessos galt Cádiz, an dessen Westküste, Rich-tung Sonnenuntergang, – wie Strabo anmerkt – ein berühmter Tempel stand, der dem Gott Kronos bzw. Gerion, dem “Herrn der Anderswelt”, geweiht war. Sein Gegenstück, Herkules-Melkart, verfügte, wie gesagt, über einen eigenen Tempel, und zwar auf der gegenüberliegenden Seite, dort, wo die Sonne auf-geht. Die Phönizier verehrten Kronos als Moloch oder B l mn (Baal Hammon) und Herkules als Melkart bzw. Makkar (s. o.), in Wirklichkeit zwei komple-mentäre Gottheiten. Hinzu kommt, dass die sog. Säulen des Herkules, Symbol und Grenze der Anderswelt, vormals Säulen des Kronos hießen, in Anspielung auf die archaische Höchste Gottheit, die späterhin von den Griechen zu Zeus Kronion synkretisiert wurde. In der Entstehenszeit der Odyssee, als Tunis das Ende der Welt war, erscheint Kronos als der Gott der Zyklopen, weswegen Homer behauptet, diese, “im Vertrauen auf die Macht der unsterblichen Göt-ter, pflanzten nicht und bauten nicht mit ihren Händen an, sondern alles wach-se von selbst mit dem Regen von Kronion”. Diese archaische Gottheit stimmt ohne jeden Zweifel mit dem Acheron der alten Griechen überein sowie mit dem Acoron oder Acoran der prähispanischen Kanarier. Die Kanarischen Inseln wurden auch mit dem Urmythos von Atlantis in Verbindung gebracht – Produkt einer eher beiläufigen Erwähnung bei Platon. Auf solch unsicherer Grundlage haben Phantasie und Dilettantismus ein ge-waltiges Gebäude errichtet (so die Meinung von D. J. Wölfel), und dieses bil-det ein Thema, das noch heute “ernsthaft” in manchen zeitgenössischen Ver-öffentlichungen hin- und hergewendet wird. Es handelt sich hierbei nicht um einen originalen Mythos, denn aus noch älterer Zeit stammt eine weitere Tra-dition, die sich auf den untergegangenen Kontinent Tyrrhenia bezieht, des-sen Überreste man in den Liparischen Inseln (nahe Sizilien) vermutete. Es wurde verschiedentlich die Meinung vertreten, einige dieser Mythen könnten ihren Ursprung in den vulkanischen Katastrophen haben, die um das 13. Jahr-hundert v. Ch. die Ägäis erschütterten, dabei bedeutende Bauten auf Kreta verwüsteten und die blühende Kultur auf der Kykladen-Insel Thera (heute 16MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Santorin) gänzlich vernichteten. Es erscheint als sehr gut möglich, dass diese zerstörerischen Ereignisse später zu einer ganzen Reihe phantastischer Spe-kulationen und Erzählungen führten, auf denen vermutlich, fast tausend Jah-re später, auch die Berichte Platons (4. Jh. v. Ch.) fußen. Wie wir sehen, steht das Thema der Hesperiden und der Glücklichen In-seln in engem Zusammenhang mit einem der ältesten Mythen der Mensch-heit, dessen Ursprung sehr wahrscheinlich mesopotamisch ist. Dieser nimmt Bezug auf ein Land oder eine wundersame Insel, auf der Bäume wachsen, deren Früchte – üblicherweise Äpfel – demjenigen, der sie isst, höchste Weis-heit und Unsterblichkeit verleihen. Dort wohnt zudem der Schlangengott, auch “Herr des Baumes der Wahrheit” genannt, dessen Schlangennatur in den Urreligionen keineswegs die heutigen negativen Assoziationen hervor-rief; diese nämlich sind Ausfluss späterer Wandlungen in den Glaubensvor-stellungen des Judentums, von wo sie schließlich auf das Christentum über-gingen. Hier jedoch, im ursprünglichen Zusammenhang, handelt es sich um eine tellurische Gottheit, den Sohn der Großen Erdmutter, d. h. der Natur, die in den späteren Theogonien durch eine männlich-uranische Gottheit ver-drängt wird, wie sie den semitischen und indoeuropäischen Hirtenvölkern eigen ist. Der Apfelbaum erscheint in verschiedenen Kosmogonien mit der Anders-welt verbunden, weshalb dem legendären Land auch der Name Insula Pomorum gegeben wurde. Geoffrey de Monmouth (12. Jh.) berichtet in seiner Historia Regum Britanniae, König Arthur, nachdem er in der Schlacht von Camlan tödlich verwundet wurde, sei von seinen Gefährten zur Insula Aval-lonis (kelt. 'Insel der Apfelbäume') gebracht worden, die auch er, und zwar in der Vita Merlini, Insula Pomorum nennt. Auf dieser Insel, die in anderen Kul-turkreisen dem sagenhaften Garten Eden bzw. dem Elysium entspricht, soll der König bis zur Heilung seiner Wunden der Ruhe pflegen. Verschiedene Forscher haben versucht, die geographische Lage dieser Insel zu bestimmen, auf der alle Früchte, einschließlich der Weintrauben, in überreicher Fülle und von ganz allein wachsen [11] Vergebliche Mühe, da es sich ja in Wirklichkeit um ein utopisches Land des Lebens nach dem Tode im Jenseits handelt. Der goldene Apfel ist im Übrigen ein solares Symbol. Der rote Apfel ist, in ande-ren Versionen, ein Symbol der untergehenden Sonne; daher auch seine mythi-sche Verbindung mit dem “letzten Land”, der Anderswelt. Ein anderer mit dem kanarischen Archipel in Verbindung stehender Name ist der der Hesperiden. In der klassisch-griechischen Version (Hesiod, Theogonia 215) erhielten diese eine menschliche Gestalt in Form der drei Nymphen Aigle, Hesperethusa und Erytheia, Töchter der Göttin der Nacht, ALMOGAREN XXXVIII/2007MM17 die im fernsten, weit westlich gelegenen Garten leben, den die Erdmutter der Göttin Hera schenkte. So werden sie denn auch einfach „Töchter der Nacht“ genannt und, nach anderen Quellen, „Töchter von Atlas und Hesperis“ (Letztere ihrerseits Toch-ter des Hesperos). Man findet sie auf einer griechischen Vase dargestellt, in der Nähe des mythischen Baums der goldenen Äpfel, der im „Land des Son-nenuntergangs“ steht. Um diesen herum windet sich eine riesige gehörnte Schlange, Symbol der höchsten unterirdischen Gottheit der Vorzeit. Im Wurzel-geflecht zeigt sich der Eingang zu einer Höhle, der eine doppelte Quelle ent-springt, die aus der Unterwelt kommt, d. h. vom Ursprung aller unterirdi-schen Gewässer. In seinem Buch Werke und Tage (vv. 156-176) spricht Hesiod vom Stamm-baum der Helden, „die der Mantel des Todes einhüllte... Jedoch einigen von ihnen gewährte der Vater Zeus Cronidas [12] Leben und Wohnung fernab der Menschen am Ende der Welt, so dass diese frei von Kummer auf den Inseln der Glückseligen an den Ufern des Ozeans der tiefen Wirbel weilen. Glückli- Die Hesperiden, dargestellt auf einer griechischen Vase 18MMALMOGAREN XXXVIII/2007 che Helden, denen eine süße Ernte, dreimal im Jahr erblühend, das fruchtbare Land beschert, fern den Unsterblichen!“ Es handelt sich folglich nicht um „Glückliche Inseln“ strictu sensu, dank der Milde ihres Klimas oder wegen der goldenen Äpfel oder anderer Früchte, die mutmaßlich dort in wunderbarer Fülle wachsen und wo Bäche mit Milch und Honig fließen, sondern um die Inseln der Glücklichen oder Glückseligen, d. h. der Toten, wo Kronos bzw. Gerion herrscht, der Herr der Anderswelt. Wie bekannt, brachte man in der Antike den Westen, den Sonnenuntergang und den offensichtlichen Tod der Sonne mit dem Tod der Menschen und der Natur im Allgemeinen in Verbindung, gemäß dem Tages- und Jahreszeiten-zyklus, wobei jene in der Folge an einem neuen Tag und in einem neuen Früh-ling ruhmreich auferstehen würden: ein Grundschema zahlreicher alter – und weniger alter – Religionen. Die „Geburt“ des Adonis, Mithras, Melkart, Odin, Balder, Horus und weiterer ähnlicher Gottheiten, oder, was auf dasselbe hin-ausläuft, die Geburt der Sonne wurden daher in die winterliche Tag-und-Nacht- Gleiche verlegt, an den 24. Dezember um Mitternacht, wo das Tagesgestirn seinen tiefsten Punkt erreicht hat und die Tage bereits wieder länger zu wer-den beginnen [13]. In der Antike werden die Glücklichen Inseln stets aus der Ferne erwähnt, und man gebraucht ungenaue Begrifflichkeiten wie Illes de Fortuna, Insulas Fortunarum, Insulas vocatas perdudes ('Verloren genannte Inseln') oder Islas de Canaria usw. [14] Nach der Meinung von Autoren wie F. C. Müller [15] wandten die Alten den Namen Afortunadas ursprünglich auf die Inselgruppe von Madeira an, wenn er auch zur Zeit von Juba bereits die Kanaren be-zeichnete. Nach Leonardo Torriani in seiner Descrittione de l'isole Canarie geht der Name Afortunadas auf eine „fama mentirosa“ ('lügnerischer Ruf') zurück (Kap. I), und etwas später fügt er an: „die Inseln sind überaus arm“ (Kap. XIV). Die heutige Verwendung dieses Namens kommt der modernen Tourismus- Werbung und einem gewissen – im Übrigen wohl auch gerechtfertigten – Lokalstolz durchaus gelegen; allerdings bezog sich die antike Benennung, wie gesagt, nicht auf die Inseln als solche oder auf ihr Klima, sondern auf ihre mythischen Bewohner: die Toten. Derselbe Name wurde im Altertum dazu verwendet, aufeinanderfolgend – ja sogar simultan – zu allen geschichtlichen Zeiten zahlreiche Inseln und Länder am (vermuteten) westlichen oder nördli-chen Ende der bekannten Welt zu bezeichnen. Völlig unabhängig von klima-tischen oder landschaftlichen Gegebenheiten, deutete man die Glückliche In-sel bzw. den Garten Eden – also die Anderswelt – bald als Paradies oder Wal-halla, bald als Hades oder Hölle und verlegte sie an verschiedene, manchmal ALMOGAREN XXXVIII/2007MM19 unwirtliche, jedoch stets unbekannte Orte. Gemeint ist einfach das Jenseits, wohin kein Lebender je seinen Fuß setzte – mit Ausnahme einer sehr be-schränkten Anzahl von Helden, denen man in verschiedenen Sagen eine sol-che Wundertat zuschrieb, so z. B. Gilgamesch, Theseus, Herakles, Apollo, Perseus, Odysseus, Sankt Brendan und einige weitere, welche, wie man sich erzählte, nach ihrer Rückkehr davon berichten konnten. Die genannten Figu-ren sind indessen die Ausnahme, nicht die Regel. Selbst die Vorstellung von den Elysischen Gefilden erscheint als eine rein literarische Fiktion ungewissen Ursprungs. Die frühesten konkreten Hinwei-se stammen aus der Odyssee (IV 561-568) und werden später in Andeutungen bei Herodot und Pindar wiederholt. Überraschenderweise finden sich keine entsprechenden Bezüge in der Kunst der griechisch-römischen Bestattungs-kultur, wo nur gelegentlich die Reise der Seelen zur Anderswelt, auf Pferde-wagen oder auf Wolken schwebend, dargestellt wird – doch niemals ihre An-kunft in den elysischen Sphären [16]. Verlegt man die Anderswelt auf eine ferne Insel, so bildet regelmäßig das Meer des Todes – in einer alten Überlieferung auch More Marusa genannt – die Grenze. Lokalisiert man sie hingegen landeinwärts, so ist es ein See oder Fluss, der Namen trägt wie Acheron, Styx oder Lethe 'Fluss des Vergessens', da diejenigen, die ihn überqueren (die Toten), ausnahmslos alles vergessen. Der Name des ganz im Westen gelegenen Landes Hesperia ist gleich mit Iberia / Hiberia und Hibernia, verschiedene Formen ein und desselben Na-mens, der seinerzeit auf jene semimythische Gegend angewandt wurde, die sich am äußersten Rand der Welt, sei es im Norden oder zum Sonnenunter-gang hin befindet – die beiden Richtungen des Hades, des Siebengestirns, des Hyperboreas ('ferner als der Nordwind'); und diese sind phonetisch wie se-mantisch eng mit anderen, wie hibernum 'Winter', Avernus und Infernum 'Hölle', verbunden. Laut Martin Löppelmann [17] ist Iberia ein semitisches Wort mit dem Radikal ‘br 'fern', 'ausländisch', 'jenseitig', welcher sich im Na-men der Hebräer wiederfindet. Die Iberer und ihr Stammland sollen von den Phöniziern und Karthagern so genannt worden sein. Wie bereits erwähnt, bedeutet Hesperia einfach 'westlich' oder 'abendlän-disch' und bezeichnet die Gegend, wo die Sonne untergeht, eine Benennung, die keineswegs exklusiv auf die Kanarischen Inseln Anwendung fand, da sie in der Antike beispielsweise auch (aus griechischer Weltsicht) auf Italien, (von Griechenland aus gesehen) auf Spanien oder (aus der Perspektive Britanniens) auf Irland bezogen wurde. Die Inseln Malta und Gozo, im zentralen Mittel-meer, waren zu jener Zeit eine Art „heilige Inseln“ bzw. ein „Insel-Heiligtum“ und außerdem eine antike Version der Insel(n) der Toten. 20MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Die Meerenge von Gibraltar hieß deshalb Hesperium Fretum, und Ovid nennt generell die Völker des Westens Hesperi. Isidor von Sevilla [18] (560 – 606 n. Ch.) bezeichnet mit diesem Namen die Hispani. Es ist bemerkenswert, dass dieser berühmte Kirchenlehrer ununterschieden die Formen Iberia und Hibernia verwendet. Auch Kolumban (615) benutzt Iberi im Sinne von Hiberni, allerdings auf die Iren bezogen. Der Grund ist darin zu sehen, dass Iberia und Hibernia (Irland) – Namen, die stets von Dritten gegeben werden – in Wirk-lichkeit ein und dasselbe sind und auf ihre Charakteristik als fernstgelegene Länder der damals bekannten Welt anspielen. Weitere Belege hierfür finden sich in anderen Versionen des Namens für Irland, so etwa Ériu und davor *Iwerijo, altkelt. *Iveriu, woraus sich der heutige Name Éire (eine Reduk-tionsform) ableitet. Aus Ériu ergibt sich die altenglische Form Yra bzw. Yra-land, unmittelbare Vorläufer des englischen Ireland. In griechischen und rö-mischen Schriften wird jene Insel Ierne, Iouernia, Hibernia, Hiverne und Hibero usw. genannt. Somit war Iberia für die Griechen das „Land des Son-nenuntergangs“, wo sich der Fluss Iberus (Ebro) befindet, der die Grenze zur Anderswelt bildet. Der nördliche Hades hieß im Altertum Erebos ( 'Hölle', 'Finsternis'), ein Wort, das auch mit dem assyrischen erebu 'Sonnenuntergang' in Verbindung steht, woraus, nach Meinung einiger Autoren, der Name Europa (evropa) her-vorgegangen sein soll. Érebos teilt ganz offensichtlich Ursprung und Inhalts-bezug mit den zuvor genannten Namen, den durch Lautumstellung veränderten Formen Éberos oder Iberus und Ebro. So nannten sich auch die mythischen Er-oberer Irlands „Söhne des Mil Espáne“ – die mutmaßlich aus Spanien kamen – Éber, d. h. ,Iberer' 'die aus dem Westen' (eine ersichtlich generelle Bezeichnung) sowie, als Variante der vorerwähnten Form, Éremón, worauf der Name für Ir-land (auch Erenn oder Eriu), wie schon erwähnt, beruht. All dies sind, wie ge-sagt, Benennungen, die auf das fernste Land Bezug nehmen, wo man Iberien vermutete sowie die mythischen Figuren, die von dort kamen. Die alternativen Infernum, Avernus, Hibernia, Iberia und Tartaros, Tartessos, Tharsis (s. o.) sind folglich von außerhalb stammende konventionelle Benen-nungen. Die Einwohner der damit bezeichneten Gegenden werden gewiss verschiedene andere Namen für ihre Heimat gehabt haben. Für Theo Vennemann [19] stehen Éire und Irland in enger Verbindung mit *īwerijo, mit Variante Hibero, im Ursemitischen (genauso wie Iberia). Unklar bleibt dabei, in welcher Richtung die Namensgebung verlief: ob Iberien das 'Kupferland' war oder aber das Kupfer 'das Iberische' (bzw. 'das Tartessische') genannt wurde – eine recht häufig zu treffende Deutungsalternative hinsicht-lich der alten Toponymie. ALMOGAREN XXXVIII/2007MM21 Kein Name ist einmalig. Im Altertum gab es einen weiteren Fluss Ebrus oder Hebrus in Thrakien, zwischen der Donau und dem Pontus Euxinus, am Nordufer des Schwarzen Meeres. Hier lag für die Griechen der Hyperboreas, abermals – in einem bestimmten historischen Moment – ein Grenzland bzw. Grenzgewässer für die Völkerschaften, die südlich davon lebten. Dorthin fuh-ren Äneas und die Argonauten, um das Goldene Vlies zu rauben. Auch gab es eine weitere Iberia asiatica, die dem heutigen Georgien entspricht und – nach Valerius Flaccus – zwischen dem Kaukasus, Albanien, Armenien und Kolchis lag. Die Hebriden sind fünf kalte, unwirtliche Inseln nördlich von Ebernia, Hibernia, Ibernis (oder Irland), die wiederum einen Namen mit Bezug zum Erebos oder Hades tragen, genauso wie Iberia und Ebro. Plinius nennt sie Hebudes, Ptolemäus Ebudai ( ), und davon das ir. Gentilitium *Ibuid *Ebudi. Für diese Namensformen, hat man etymologische Bedeutungen vor-geschlagen wie 'Insel der Lämmer' (von Soden) und 'Inseln der Furcht' (Ge-senius). Zwei der am weitesten westlich gelegenen heißen Uist (North Uist und South Uist), was so viel bedeutet wie 'Westen'; zwei weitere nennt Ptolemäus Ebuda. Diesem Typus scheint auch der balearische Inselname Ebusa bzw. Eivissa, Ibiza – die westlichste der Inselgruppe! – anzugehören, im Griechischen Hebousos (‘ , lat. Ebusus, Aebussa), ein Name, der für andere mit dem griechischen a-byssos 'bodenlos', 'Abyssus' in Verbindung stehen könnte und folglich mit den sonstigen Namen, die das Ende der Welt, den Orkus, den Erebos oder das Infernum bezeichnen. Zu Zeiten wurde auch die große Britische Insel – damals Alba genannt (daher: Albion) – von den Galliern als die Anderswelt betrachtet. Nach der römischen Besetzung des südlichen Teils der Insel wanderte dieser Begriff weiter nach Norden, zu den fernsten Gebieten Schottlands, jenseits des Hadrianswalls, welche den Rö-mern noch unbekannt und unerreichbar waren. Die Vorstellung vom Hades oder Erebos, auch Orkus genannt, wurde auf eine weitere Inselgruppe desselben Bereichs angewandt: die Orkneys oder Orkaden, vormals Innsi Orc (Mela, 3, 6, 54). Wie erwähnt, stehen diese For-men mit kelt. orc 'Schwein', lat. porcus, engl. pork usw. in Verbindung – und demzufolge eher mit der Anderswelt und weniger mit der angenommenen Präsenz dieses Tieres auf den Inseln. Orcas war auch der Name des Vorgebir-ges im äußersten Norden Schottlands, unmittelbar südlich der Orkneys, heute Duncansby Head. Der Fluss Orca im antiken Etrurien wurde seinerzeit zwei-fellos als „Grenzfluss“ betrachtet, gleich dem Ebro. Die Übereinstimmung von Iber-/Eber- mit Eburo/Ebro zeigt sich im Na-men gallischer Städte, wie Iber-dun (heute Yverdon), vormals Eburo-dúnum 22MMALMOGAREN XXXVIII/2007 bzw. Ebro-dunum, Ebredo(u)num und Eburó-dunum (heute Embrun). Andere Städte mit Namen auf dieser Grundlage waren Eboracum, das heutige York in Großbritannien; Eburum und Eburobriga in Gallien; Eburobrittium, heute Évora, im damaligen Lusitanien, u. a. m. Beide Varianten werden auch un-unterschieden in keltischen Stammesnamen, wie Eburovices, Ebroce, Ebroici, Ebroegas usw. verwendet. Sogar der Name Europa steht in Beziehung mit Érebos und Ebro. Laut Hesiod war Europa ursprünglich der Name einer Okeanide, was sie mit dem „Land des Sonnenuntergangs“ verbindet [20]. Üblicherweise wird als Etymon für Europa ein semitisches Wort angegeben, das 'Einbruch der Nacht' (gr. érebos), eigentlich 'die Dunkelheit der Unterwelt', 'das Reich der Toten' be-deutet – zwei Begriffe, die in der Vorzeit eng miteinander verbunden waren [21]. Eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre das assyrische êrêb šamši 'Un-tergang der Sonne' [22]. Dieselbe Vorstellung enthält auch das hebr. ‘rb, voka-lisiert: ‘éreb 'Abend'. Die Europa des alten Mythos war eine Tochter von Agenor, des Königs von Tyros, welche von Zeus (in Gestalt eines Stiers) ge-raubt und nach Westen entführt wurde, auf die Insel Kreta, die für die Bewoh-ner des Vorderen Orients damals das ferne „Land des Sonnenuntergangs“, des Grenzbereichs der bekannten Welt waren. Als Frucht der Verbindung wurde Minos geboren, der künftige König Kretas und zugleich der „Richter der Anderswelt“, laut den antiken Autoren. Es ist offenkundig, dass es sich auch in diesem Fall um einen Namen handelt, der von weiter östlich lebenden Völkerschaften (Phönizier, Hebräer, Assyrer u. a.) gegeben wurde. Ibo/Ivo, Ebo/Evo oder Euuhius (Evius), Ebovius usw. ist gleichfalls der Name des mit dem Wechsel der Jahreszeiten und der Unterwelt verbundenen Jungen Gottes, später speziell auf Dionysos/Bacchus, Adonis, Persephone usw. (die sterbende und wiedererstehende Natur) angewandt, in Parallele zu Apollo und der Sonne. Möglicherweise ist dies der Name, der einstmals den Inseln Ebudae – bei Ptolemäus, Ebudae bei Plinius, die Hebriden im Norden Ir-lands, ir. *Ibuid *Ebudi – gegeben wurde. Eine keltisch-aquitanische Inschrift spricht von einer Eberri bzw. *Eber(r)io genannten Gottheit [23]. Der alte Radikal iber-, eb(e)r- erinnert in vielen Sprachen an den Tod und die Unterwelt. Er findet sich in einer Reihe von Pflanzen- oder Tiernamen, die im archaischen Denken mit solchen Vorstellungen verbunden waren, wie bereits im Zusammenhang mit 'Schwein' (dt. Eber, ir. orc) ausgeführt. Dieser Wortstamm benennt auch die Eibe (gr. , eburos, kelt. ywen, ibor, russ. uea íva, engl. yew), in der Antike 'Baum des Todes' genannt, aus dessen Blät-tern, Rinde und Wurzel ein tödliches Gift bereitet wurde [24], weswegen man ALMOGAREN XXXVIII/2007MM23 die Pflanze mit der Anderswelt und deren Gottheit in Verbindung brachte. Die zuvor erwähnten Toponyme Eburo-dunum usw. spielen wohl nicht auf das Vorhandensein des Baums eburos in den entsprechenden Orten an, sondern auf seine mythisch-onomastischen Implikationen. Die hésperis 'Muskat-Levkoje' ist ein Kreuzblütler von purpurner Farbe, wie sie traditionell mit der Gottheit des Landes des Sonnenuntergangs assozi-iert wurde, welche u. a. Kronos, Acheron und Gerion hieß (Letzterem raubte Herakles die rote Herde). Das Esparto-Gras wurde auch hibernicus genannt. Das Schwein bzw. Wildschwein, das im archaischen Denken mit dem Win-ter in Beziehung steht, erscheint in den alten Mythen als Rivale des Sonnen- Helden, den es, so in der Adonis-Sage, mitunter tötet – Symbol des periodi-schen Todes und des Neuerstehens der Sonne und der Vegetation im Herbst bzw. im Frühling. In anderen Fällen, wie in der Artus-Sage (keltischen Ur-sprungs), ist es der Sonnen-Heros, der das Höllen-Schwein jagt. Auch in der kanarischen Tradition spielte das Schwein eine bedeutsame Rolle und war gleichfalls mit der Anderswelt (in einer Höhle) und dem Hervorbringen des Regens eng verbunden. Die Übertragung des Namens Hesperiden auf die Kanarischen Inseln, Madeira und die Kapverden geschah in relativ später Zeit, als Irland, Iberien usw. bereits bekannt waren und keine weiteren unbekannten Länder im Wes-ten Europas mehr übrig blieben, die man so benennen konnte. Die Identifikation des Landes der Toten mit dem offenkundigen Tod der Sonne im Westen bzw. im Winter entspricht einer Verallgemeinerung in den mittelmeerischen Kulturen, die wahrscheinlich ihren Ursprung im Nahen und Mittleren Osten hat, während für die Menschen der nordischen Länder das Paradies oder Walhalla – der letzte Ruheort der auf dem Feld der Ehre gefal-lenen Krieger – im Süden liegt. Die Geschichte von den Wunderinseln hat allerdings noch eine moderne Fortsetzung; denn die Mythen und Traditionen haben ein zähes Leben. So suchte man, selbst nach Abschluss der Eroberung und Besetzung der Kana-ren, noch weiterhin nach einer weiter westlich gelegenen Insel, der man den Namen San Borondón gab. Sie findet sich sogar auf einigen alten Karten. Aufgrund ihres periodischen “Auftauchens” und “Verschwindens” (durch Luftspiegelungen) wurde sie mit der Insel gleichgesetzt, die in der christlich-irischen Sage der heilige Brendan besuchte und wo er sogar die Messe las. Doch unmittelbar nach seiner Einschiffung zur Rückfahrt versank das Eiland wieder im Meer; denn in Wirklichkeit handelte es sich um einen gigantischen Wal. Diese fromme Legende fußt ihrerseits auf der keltischen Sage namens Immram Brain 'Brans Seefahrt', auf der Suche nach der paradiesischen Insel 24MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Emain Ablach, auf der ein Apfelbaum mit silbernen, himmlische Klänge aus-sendenden Ästen und Früchten wächst und wundersame Frauen wohnen. Dort verbringen Bran und seine dreimal neun Gefährten – 3 und 9 sind magische Zahlen – in Herrlichkeit und Freude viele Jahre, die ihnen freilich wie ein einziges vorkommen. Als Brans Gefährten schließlich Heimweh bekommen, fahren sie nach Irland zurück. Doch als sie ihren Heimathafen erreichen, zer-fällt bereits der erste, der seinen Fuß an Land setzt, sofort zu Staub, geradeso, als sei er vor langer Zeit gestorben und verwest. Diese schreckliche Erfah-rung zwingt Bran, erneut in See zu stechen, nachdem er den am Strand Ver-sammelten von seinen Abenteuern erzählt hat. Anmerkungen: [1] Geschichten, I, 1; 4, 2, 5-6. [2] Ein Pfund dieses Produkts erreichte um das Jahr 300 v. C. umgerechnet einen Preis von 100.000 Euro. [3] Der Drachenbaum ist ein für den kanarischen Archipel (und einige wenige Gegenden in Westafrika) typischer Baum, was zudem die Annahme der dortigen Präsenz der Phönizier untermauert, da bekannt ist, dass sie das entsprechende Produkt herstellten. [4] Robert Graves, The White Goddess. 1946, S. 306. [5] Es herrscht keine Einigkeit darüber, auf welche Insel-Gruppe(n) genau sich die antiken Berichte beziehen, da sie sehr unpräzise und widersprüchlich sind. Die Annahmen bewegen sich von den dem Kap Mogador vorgelager-ten Inseln bis hin zu den Kanaren und Madeira. Auch bleibt historisch un-klar, ob es jemals Purpur-Manufakturen auf den Kanarischen Inseln gege-ben oder ob Juba sie besucht hat. Andererseits liefern kanarische Felsin-schriften doch ein wichtiges Argument für die Vermutung, dass die Phöni-zier sie tatsächlich kannten. [6] Gemäß westlichem Weltverständnis; hingegen lokalisierten die nordischen Völker die Anderswelt im äußersten Norden. [7] Bei Scilax von Karianda, Herodot, Asklepiades, Avienus und andere Au-toren. [8] “Die Religion der Phönizier im Rahmen der Mediterranea”. ALMOGA-REN XXII, 1991, 14. [9] “Tarshish und Ophir”, Zeitschrift für die Ethnologie, 35/1986, S. 65. 1[10] Tartessos, ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Westens. 1950, S. 54. [11] Dieses “Land der Reben” erinnert uns an eine andere, und zwar nordi-sche Sage: die vom Vinland, das der Isländer Leif Eriksson, Sohn von Erik dem Roten (Erik = 'der Rote'), entdeckt haben soll, als er von seiner Heimat- ALMOGAREN XXXVIII/2007MM25 insel aus gen Westen fuhr. Das von ihm entdeckte Gebiet wäre folglich die nordkanadische Halbinsel Labrador – eine für diese Art von Südfrüchten eigentlich wenig geeignete Weltgegend. Sehr wahrscheinlich zeigt sich uns hier ein weiteres Mal – zumindest modellhaft – der alte Mythos vom Hel-den, der ins Land der wundersamen Früchte im äußersten Westen der Welt gelangt, geradeso wie Herakles, Odysseus, der heilige Brendan und viele andere; im vorliegenden Fall jedoch in einer eher nüchternen, realistischen Sprache, wie sie dem nordischen Charakter entspricht. Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen Euphemismus von der Art, wie er vom selben Volk in Bezug auf das unwirtliche Grönland (“Grünland”) verwen-det wurde – gewiss um künftige Siedler zu ermutigen, sich dort niederzu-lassen. Allerdings sollte es mit der Grönland-Kolonie ein böses Ende neh-men... [12] Cronidas leitet sich vom Namen der höchsten archaischen Gottheit, Kronos, ab, die von den Hellenen mit Zeus identifiziert bzw. synkretisiert wurde. [13] An diesem Datum wurde in Rom das Großfest des Sol Invictus, der unbesiegten Sonne, gefeiert, die von der Nacht oder dem Winter verschlun-gen zu werden droht, aber siegreich neu ersteht. Diesen römischen Fest-lichkeiten wurde später eine weitere hinzugefügt, die dem persischen Kul-turkreis entstammte: die Geburt des Mithras, eines Sonnengottes; und et-was später schloss sich das Christentum an, indem es die – zunächst unsi-cher datierte – Geburt Jesu auf den gleichen Tag legte. [14] M. Trapero / E. Llamas, “ Es guanche la palabra guanche?” Anuario de Estudios Atlánticos 1998. [15] Reallexikon des klassischen Altertums VII, 1912. [16] O. Álvarez, “The Aryan Invasion of India and the Idea of Females in After-life”, ALMOGAREN IX-X (1978-1979), S. 287 ff. [17] Etymologisches Wörterbuch der baskischen Sprache. Berlin 1968. [18] Origenes oder Etymologiae, eine enzyklopädische Kompilation des Menschheitswissens in zwanzig Büchern. [19] The Celtic Englishes II. Heidelberg 2000. [20] Th. Vennemann, “Testing the West”. 1999, S. 93. [21] K. Ziegler / W. Sontheimer (Hrsg.), Der kleine Pauly: Lexikon der Antike. 1979. [22] H. Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch. 1973-1991. [23] Deo EBERRI ('dem Gott Eberri'), Inschr. von Gensac-de-Boulogne (Haute Garonne). [24] Außer dem Fruchtfleisch, das ungiftig ist. 6MMALMOGAREN XXXVIII/2007 Caridad Arias, Joaquín (2007): Die Kanaren, die Hesperiden, die Glücklichen Inseln.- Almogaren XXXVIII (Institutum Canarium), Wien, 7-25 Zitieren Sie bitte diesen Aufsatz folgendermaßen / Please cite this article as follows: |
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