ALMOGAREN XXXVIII/2007MM147
Almogaren XXXVIII / 2007 Wien 2007 147 - 153
Hans-Martin Sommer
Rock Art in Ostafrika –
überraschende Entdeckungen an der kenianischen Küste
Keywords: Kenya, coastal archaeology, rock art, cupules, linear engravings
Zusammenfassung:
Während die westlichen und nördlichen Gebiete Kenias und Tansanias eine große Anzahl
von Felsbildern aufweisen, sind an der Küste bis dato keine Funde bekannt geworden.
Intensive Flurbegehungen erbrachten jedoch in der Nähe von Mombasa eine große An-zahl
von Schälchensteinen (Cupulen) sowie einige linear-geometrische Ritzungen. Es sind
sensationelle erste Funde in einem mehrere tausend km² großen Gebiet.
Abstract:
While the western and northern areas of Kenya and Tanzania are showing a large number
of rock art, no finds are known from the coastal region to date. Intensive fieldwork
however produced numerous cupulae as well as some linear engravings in the vicinity of
Mombasa. These are first sensational finds in a several thousand km² big area.
Resumen:
Mientras que las zonas occidentales y septentrionales de Kenia y Tanzania presentan un
gran número de manifestaciones rupestres, hasta la fecha no se había dado a conocer ningún
hallazgo en la costa. Una intensa búsqueda sobre el terreno dio como resultado una gran
cantidad de cazoletas, así como algunos rayados lineales en las proximidades de Mombasa.
Se trata de sensacionales hallazgos iniciales en una vasta zona de varios miles de km².
Einleitung
Der afrikanische Kontinent beherbergt eine enorme Anzahl von Felsbild-
Stationen in jedoch sehr unterschiedlichen Konzentrationen. Während einige
Länder (z.B. Libyen, Algerien, Marokko, Südafrika) ein enormes Potenzial
besitzen, sind in großen Gebieten bisher keine Funde bekannt geworden. Das
mag seine Ursachen in der Weite der Steppen, Savannen und Wüsten haben
und natürlich auch im Mangel an Fachkräften bzw. interessierten Personen.
Einer dieser "weißen Flecke" auf der Rock-Art-Landkarte Ostafrikas (Kenia,
Tansania) ist ein mehrere hundert Kilometer breiter Küstenstreifen, welcher
sich von der südlichen Grenze Somalias bis nach Mozambique erstreckt. (Abb.
1) Diese vielfältige und interessante Landschaft ist oftmals durchsetzt von
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Hügelketten und Bergrücken mit mäßiger bis starker Bewaldung. Sporadi-sche
Begehungen erbrachten auch an "verdächtigen" Orten keinerlei Hinwei-se
auf Felsbilder, Ritzungen oder anderweitige Rock Art. Die einzige Organi-sation
die sich u.a. dort mit der Erforschung von Felsbildern beschäftigt, ist
der vor einigen Jahren in Nairobi (Kenia) gegründete "Trust for African Rock
Art" (TARA, gesponsert u.a. von der französischen Botschaft).
Fundort 1: Rabai
Das Gebiet um Mombasa ist relativ flach. In einer Entfernung von zehn bis
zwanzig Kilometern zur heutigen Küstenlinie verläuft die pleistozäne Küste,
eine gleichmäßige Erhebung bis zu ca. 100 m über dem Meeresspiegel. Etwa
20 km westlich Mombasas liegt der Ort Rabai, die ehemalige Wirkungsstätte
der deutschen Missionare Ludwig Krapf und Johannes Rebmann sowie Zu-fluchtsort
der ersten befreiten Sklaven. Zwischen palmenbestandenen Hügeln
gelegen befindet sich nahe des Ortes eine sog. kaya. Kayas sind in Wäldern
gelegene heilige Orte verschiedener Volksgruppen (Mijikenda, Giriama, Digo
etc.) entlang der Küste. Diese Orte werden nur von den Stammesältesten be-treten
um Versammlungen oder verschiedene Rituale abzuhalten. Ein uner-laubter
Besuch Fremder kann u.U. den Ort entweihen oder zieht eine langwie-rige
Reinigungszeremonie nach sich.
Der Autor, im Museum von Mombasa als Archäologe tätig, war zeitweise in
ein Entwicklungsprojekt des "National Museum of Kenya" mit Unterstützung
der französischen Botschaft für den Ort Rabai involviert und hatte die seltene
Gelegenheit, einen tieferen Einblick in die jahrhundertealten Bräuche der Dorf-ältesten
(engl. elders) zu bekommen. Der Höhepunkt war eben ein Besuch des
Kaya Rabai mit fünf der Elders. Auf dem fast einstündigen Marsch dorthin
passierten wir mehrere Täler, ausgetrocknete Flussbetten und Hügel. Nur we-nige
hundert Meter östlich des Ortes fiel eine Anzahl großer und flacher Steine
mit glatter, dunkler, graubraun patinierter Oberfläche auf – prädestiniert für
Felsbilder. Mehrere dieser Steine wurden unverzüglich untersucht, jedoch er-gebnislos.
Dann, nur wenige hundert Meter weiter, konnten auf ähnlichen Fels-flächen
direkt am Pfad die ersten Cupulen ausgemacht werden. (Abb. 2)
Während die einheimischen Begleiter die Freude des Autors über die Ent-deckung
kaum verstehen konnten, bestätigte die anwesende französische
Botschafterin in Kenia, Elisabeth Barbier, sofort die Authentizität der Cupulen,
basierend auf ihrer Kenntnis französischer und europäischer Funde. Wegen
des sehr begrenzten Zeitplans konnten an diesem Tag keine weiteren Statio-nen
gefunden werden. Wenige Wochen später wurde die Suche intensiviert
und vier sichere Stationen konnten dokumentiert werden. Größtenteils han-
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delt es sich um Cupulen verschiedenster Größe und Tiefe. Es besteht kein
Zweifel daran, dass sie von Hand in den sandsteinartigen Untergrund pun-ziert
wurden (Abb. 5). Die Patina des Gesteins überzieht auch die Cupulen,
ein sicheres Zeichen für ein hohes Alter. Dann, nur wenige Meter weiter, wur-de
die erste linear-geometrische Ritzung gefunden. (Abb. 3, 4) Der kruziforme
Aspekt ist unübersehbar, aber es wird vermutlich kein Zusammenhang zwi-schen
der Missionstätigkeit (seit Mitte des 19. Jh.) in Rabai und der Ritzung
bestehen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass vom Autor sehr ähnliche
altkanarische, nicht-christliche Ritzungen auf Lanzarote entdeckt wurden
(Sommer 2000: Abb. 1f, 17), die grob in den Zeitraum 'spätes Neolithikum-
Mittelalter' datiert werden können – ohne jedoch einen direkten Kontext her-stellen
zu wollen. Der archaische Symbolismus einer solchen Form könnte
allerdings panafrikanisch gewesen sein.
Das Gebiet liegt wie erwähnt ca. 500 m außerhalb des Ortes Rabai. Zwischen
Kokospalmen wird etwas Ackerbau (Mais, Süßkartoffeln) betrieben, so dass die
Stationen dadurch wenig oder nicht gefährdet sind. Aber eine andere Gefahr ist
im Anzug: Steinschläger begannen nur 150 m entfernt mit dem Abbau des Ge-steins
an einem Flussbett. Seine relativ gute Spaltfähigkeit macht ihn zum ein-zigen
dauerhaften Baumaterial in der Region. Der Kurator des kleinen Rabai-
Museums, Mr. Kaingu K. Tinga, wurde von dem Fund unterrichtet und wird ein
besonderes Augenmerk auf die Erhaltung der Stationen legen.
Notwendigerweise ergab sich die Frage nach der Herkunft der Ritzungen
und der Cupulen. Ein Aufsatz des Kurators (Tinga 1997) datiert die erste Be-siedlung
des Gebietes in das 9. Jh. AD; aufgrund der Küstennnähe sind aber
auch andere Urheber und eine frühere Entstehung möglich. Die Kayas waren
ursprünglich leicht befestigte Siedlungen. Sie wurden vor ca. 150 Jahren auf-gegeben
dienten aber weiterhin als rituelle Orte. Es war naheliegend, die Elders
nach der Herkunft zu befragen, um einen möglichen Kontext zu den kayas
herauszufinden. Erstaunlicherweise hatte keiner der Elders jemals diese gut
sichtbaren Vertiefungen in den Steinen direkt am Wegesrand wahrgenommen.
Es scheint, dass ein möglicherweise früher existierender Zusammenhang nun
in Vergessenheit geraten ist. Wichtig für die heutige Situation ist, dass ihr In-teresse
geweckt wurde und sie sich nun für diese Cupulen nahe der kaya ver-antwortlich
fühlen und damit sicher einen Beitrag zu deren Erhaltung leisten.
Fundort 2: Mazeras
Mazeras, ca. 22 km von Mombasa entfernt, liegt an der Bahnstrecke Mom-basa-
Nairobi und ist nur etwa 12 km von Rabai entfernt. Die Landschaft ist
gleichmäßig hügelig und mit lichtem Palmenbestand versehen. Auch Mazeras
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ist seit der 2. Hälfte des 19. Jh. durch eine aktive Missionstätigkeit der Kirche
gekennzeichnet. Eine der ersten größeren Kirchenbauten in Ostafrikas und
ein schlicht-schönes Wohnhaus der Missionare prägen den Ort. Während ei-ner
Bestandsaufnahme mit Vertretern des Nationalmuseums und der Kirchen-leitung
fanden sich auf einem angerartigen Platz inmitten des Ortes große
Steinflächen – ähnlich zu den Steinen in Rabai. Schon nach wenigen Augen-blicken
konnten die ersten Cupulen registriert werden. Die meisten weitaus
größer und tiefer als die Stationen in Rabai. Dort spielende Kinder kannten
fast alle Vertiefungen und halfen bereitwillig bei der Suche. Sie berichteten,
dass außerhalb des Ortes weitere große Felsblöcke mit ebensolchen "Löchern"
zu finden sind. Es fehlte die Zeit, diesen Hinweisen nachzugehen, es sind aber
weitere Prospektionen in diesen Gebieten geplant.
Eine besonders schöne linear-geometrische Ritzung fand sich schließlich
am Rande eines der Felsblöcke (Bild 6). Das Felsbild enthält interessanter-weise
ein netzartiges Element und ist mit einer dunklen Patina bedeckt – ohne
Zweifel eine sehr alte Ritzung.
Schlussbetrachtung
Die relativ große Anzahl von Cupulen im Kontext mit den Ritzungen in
diesem Gebiet lässt auf weitere interessante Funde schließen. Als erste Rock-
Art-Stationen in der küstennahen Zone von Kenia und Tansania stellen sie
eine kleine Sensation dar. Die Besichtigung dieser beiden Orte diente eigent-lich
zur Bestandsaufnahme von Objekten, die später in einen sanften Touris-mus
eingebunden werden sollten. Um so mehr waren der Kirchenvorstand
von Mazeras und die Gemeinde von Rabai über diese Funde erfreut, stellen
sie doch eine Bereicherung des künftigen kulturellen Angebots dar. Für Rabai
ist in Absprache mit den Elders eine sanfte Öffnung des Mythos "kaya" ge-plant.
Interessierten Besuchern wird auf einem Lehrpfad unter sachkundiger
Führung eines der Elders ein Einblick in die Sitten und Gebräuche der Ein-wohner
gegeben. Mazeras beabsichtigt eine Restaurierung des Hauses der Mis-sionare
um es als Herberge nutzen zu können – inmitten einer noch intakten
Natur.
Beide Fundorte wurden im April 2007 an TARA gemeldet, eine Reaktion
steht noch aus ...
Bibliografie:
Tinga, Kaingu (1997): Spatial Organisation of a Kaya.- in Kenya past and present, S. 35ff
Sommer, H.-M. (2000): Neue Felsbildstationen auf der Kanareninsel Lanzarote (IV).-
Almogaren XXXI (Institutum Canarium), Wien, 45-70 (Abb. 1f, 17)
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Abb. 1 Überblick Kenia / Tansania
Abb. 2
Schälchenstein bei Rabai (Kenia);
siehe Pfeil
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Abb. 3 Linear-geometrische Felsritzung (Rabai 1, Kenia) – im Wesentlichen kruzi-form
(siehe auch Abb. 4)
Abb. 4
Umzeichnung der
kruziformen Fels-ritzung
von Rabai 1
(Kenia)
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Abb. 5
Anordnung der Cupulen
von Rabai 2 (Kenia)
Abb. 6
Linear-geometrische Fels-ritzung
von Mazeras 1
(Kenia) – quasi eine Par-allele
zu altkanarischen,
altmediterranen und alt-europäischen
Felsgravu-ren.
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Sommer, Hans-Martin (2007): Rock Art in Ostafrika – überraschende Entdeckungen
an der kenianischen Küste.- Almogaren XXXVIII (Institutum Canarium), Wien,
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