1 Almogaren XXXVII/ 2006 Wien2006 7-40
Hartwig-E. Steiner
» tag6ror, tagoro, tagoros, sabor «
Rats- und Versammlungsplätze der Altkanarier
Keywords: Canary Islands, prehispanic traditions, prehispanic places of council
Zusammenfassung
Aufgrund der Entdeckung des » Tag6ror de! Letime« (Steiner 1997: 14-15) auf EI Hierro
wurden im Zuge der dokumentarischen Aufbereitung die wesentlichen linguistischen
Arbeiten über altkanarische Worte um den Begriff tag6ror erfasst. Außerdem wurden
zahlreiche historische Quellen und neuere Arbeiten über Geschichte und Bräuche der
Altkanarier zum Thema tag6ror ausgewertet und eine erste Auflistung von tagoros
(Plural) auf den Kanarischen Inseln versucht - sowohl der literarisch erwähnten als auch
der archäologischen Fundstätten. Die Quintessenz dieser Recherchen wird in diesem
Aufsatz vorgestellt.
Abstract
On ground of the discovery of the »Tag6ror de! Letime« (Steiner 1997: 14-15) on the
canarian island EI Hierro the most important linguistic papers dealing with the notion
tag6ror were seized in the course of the documentary elaboration. Furthermore
numerous historic sources and more recent works about history and traditions of oldcanarians
dealing with the topic tag6ror were evaluated. Also a first listing of tagoros
(plural) on the Canary Islands was attempted - those literary mentioned as weil as those
arquaeologically found. The quintessence of this research is presented here.
Resumen
Con motivo de! descubrimiento de! »Tag6ror de! Letime« (Steiner 1997 : 14-15) en
EI Hierro, en Ja elaboraci6n de Ja documentaci6n tomamos en consideraci6n los trabajos
lingüfsticos mas importantes en relaci6n con el concepto de tag6ror. Ademas,
analizamos numerosas fuentes hist6ricas y trabajos recientes sobre historia y usos de los
antiguos canarios respecto de! tag6ror, al tiempo que tratamos de confeccionar un
primer listado de tagoros en las Islas Canarias, tanto de los mencionados en Ja
bibliograffa como de los de yacimientos arqueol6gicos. En el presente artfculo
presentamos Ja quintaesencia de las investigaciones realizadas.
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Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln hatten seit ihrer Erstbesiedlung
(vermutlich zwischen dem 3. und dem 1. Jahrtausend v. Chr.) bis zur
Konquista im 15. Jahrhundert nur wenige, sporadische Außenkontakte.
Bisher gibt es z.B. keine Spuren oder Funde von Metallgegenständen o.ä.,
die auf gelegentliche Besucher schließen lassen. Dies festigt unsere These
einer Jahrhunderte oder Jahrtausende dauernden, weitgehenden Isolation. In
einer solchen von Fremdeinflüssen freien Gesellschaft erhalten sich
Lebensformen, Bräuche, Rituale und hierarchische Strukturen außergewöhnlich
lang und ohne wesentliche Veränderungen. Für diese These gibt
es Beispiele bis in unsere jüngste Zeit - das Himalaya-Königreich Bhutan
erlebte in nur drei Jahrzehnten den Übergang vom Mittelalter in die
Hightech-Zeit.
Klimawechsel, Naturkatastrophen, Nahrungsmangel und Überbevölkerung
bewirken Veränderungen des Althergebrachten. Die tief greifendsten
und schnellstwirkenden Veränderungen bringen jedoch plötzliche Außeneinwirkungen,
wie die Konquista. Dann geraten bewährte, festgefügte
hierarchische Strukturen auseinander, gehen traditionelle Werte und
Lebensweisen unwiederbringlich verloren.
Die spanische Eroberung der Kanarischen Inseln brachte für die altkanarischen
Ureinwohner letztlich einen Bruch mit ihren Traditionen und
teilweise auch deren entgültigen Verlust. Ein Prozess, der sich über die fast
ein Jahrhundert dauernde Eroberung der Inseln hinzog. Vermutlich konnten
sich Teile der alten Bräuche und Lebensformen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
behaupten. Dann erst beendete die Hispanisierung der Gesellschaft
Zug um Zug die Erinnerung an vieles, bislang Gewohntes.
»tag6ror« in altkanarischer Zeit
Zeugnisse aus der Zeit vor der Eroberung, und damit Einblicke in die
Lebensweise der altkanarischen Bevölkerung, erhalten wir durch die
Entdeckung archäologischer Stätten und Funde, durch Berichte und
Aufzeichnungen aus der Zeit während der Eroberung oder kurz danach
sowie aus der Überlieferung einzelner Worte und Begriffe altkanarischen
Ursprungs bis in die heutige Zeit.
Dies trifft in besonderem Maß auch für den Begriff tag6ror oder tagoro
zu. Hier kennen wir zahlreiche historische Quellen und Definitionen, als
auch eine Reihe von Entdeckungen archäologischer Stätten, die als tag6ror
ausgewiesen werden können.
Ob die Gesellschaften der sieben bewohnten Kanarischen Inseln eine
gemeinsame Sprache hatten, oder zumindest eine gemeinsame Plattform für
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die Entwicklung der Sprachen auf den einzelnen Inseln, lässt sich nicht
~rbindlich feststellen. Aber es ist anzunehmen, dass eine gegenseitige
Verständigung möglich war und auch stattgefunden hat. Es gibt Funde auf
verschiedenen Inseln, die eine verblüffende Übereinstimmung zeigen. Und
es sind altkanarische Worte überliefert, die auf mehreren Inseln gebraucht
wurden. Zu diesen Relikten gehört der tag6ror.
Wenn die Bezeichnung für eine Sache oder Situation, die längst nicht
mehr besteht, Jahrhunderte überlebt und zudem einer Sprache entstammt,
die nicht mehr lebendig gepflegt und gesprochen wird, dann kommt diesem
Begriff möglicherweise eine große Bedeutung zu. Das altkanarische Wort
tag6ror bzw. tagoro hat fünfhundert Jahre überlebt, obwohl die sprachliche
Hispanisierung sicher seit dem 17. Jahrhundert die altkanarischen Sprachen
definitiv abgelöst und ausgelöscht hat.
Tag6ror kommt in fast allen historischen Quellen mit nahezu gleichlautender
Bedeutung vor. Tag6ror als Konstruktion (Anlage/Ort) und als
Institution (Versammlung) gehört damit vermutlich zu den elementaren,
überragenden altkanarischen Werten. Mit der Überlieferung scheint bis
heute ein zentrales Bedürfnis in der kanarischen Gesellschaft verbunden zu
sein, diesen Wert im Gedächtnis der Gesellschaft lebendig zu erhalten.
»tagoror, tagoro, tagoros, tagorero, sabor, goro«
altkanarische Begriffe und ihre Bedeutung
In den vergangenen vier Jahrzehnten hat das Interesse an der Erforschung
der altkanarischen Sprache bzw. Sprachen stark zugenommen.
Nahezu alle Sprachforscher kommen bei den Begriffen tag6ror, tagoro,
tagorero, sabor usw. zu übereinstimmenden Erkenntnissen und Definitionen.
In einer kleinen, exzellenten Arbeit geht Sebastian Jimenez Sanchez
(1964 a: 1-12) auf die Unterschiede oder besser gesagt auf die Gemeinsamkeiten
der Begriffe tag6ror und audiencia ein: ,,Die Begriffe audiencia
und tag6ror implizieren den Gedanken der Gerechtigkeit. Der Begriff
audiencia ist spanischen Ursprungs, während tag6ror oder tagoro (im
Singular und tagoros im Plural) strikt kanarischen Ursprungs ist."
Auch Manuel Alvar (1968: 111-114) behandelt in einer kleinen,
wichtigen, sprachwissenschaftlichen Arbeit Herkunft und Bedeutung des
altkanarischen Wortes tag6ror: ,,Soviel man aufgrund alter Belege weiß,
hatte die Königliche Versammlung einen Namen, der sich aus dem Artikel
ta und dem Substantiv goro zusammensetzte." Die Bedeutung für goro wird
am besten mit eingefriedeter Ort erklärt. Alvar sieht den berberischen
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Ursprung des Wortes tag6ror gesichert durch Formen wie tagerer = Richtplatz,
tag6ror = Ratsversammlungsplatz. Alvar nimmt an, dass das Wort
tag6ror / tagoro Zug um Zug mit der Auflösung der Versammlungen der
Ureinwohner aus der Umgangssprache verschwand.
Sehr gute und größtenteils übereinstimmende Erklärungen zu diesen
Begriffen und ihrer Herkunft finden wir bei den Historikern und Sprachforschern
Dominik Josef Wölfel (1965), Corrales Zumbado et al. (1992) und
Osorio Acevedo (2003). Sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten
sehr intensiv mit der Erforschung und Sicherung altkanarischer Begriffe
und Sprachformen beschäftigt.
Die erste zahlreiche historische Quellen nutzende sprachwissenschaftliche
Bestandsaufnahme erstellte der Österreicher Dominik Josef
Wölfel (1965) mit seinen Monumenta Linguae Canariae. Das von
IC-Mitglied Marcos Sarmiento Perez 1996 ins Spanische übersetzte
Sprach-Denkmal gilt bis heute als Standardwerk.
Wölfel nahm an, so Corrales Zumbado (1992: 493), dass tagoro ursprünglich
kreisförmige Einfriedung von Steinen bedeutete, und später
Pferch bzw. Schweinestall, und noch später Versammlungsort umgeben von
einem Kreis aus Steinen. Für Wölfel (1965 :474) bedeutet tag6ror Versammlungsplatz,
Steinkreis. Er verweist auf die archäologischen Zeugnisse
dieser Steinkreise als Versammlungsplätze. Für Wölfel ist „die Grundbedeutung
von tag6ror offenkundig Umhegung mit Steinen, Steinkreis und
aus dieser haben sich sekundär dann die Bedeutungen Versammlungsplatz
im Steinkreis und Viehhürde entwickelt. In der zweiten Bedeutung (Viehhürde
/ Pferch) hatte das Wort im Kanarischen nicht das Präfix ta und lebt
heute noch im Inselspanisch weiter als goro."
Im Wörterbuch der spanisch-kanarischen Sprache von Corrales
Zumbado & a. (1992: 492) werden auch altkanarische, d.h. prähispanische
Worte aufgelistet und alle ihnen zuordenbaren Quellen und Bedeutungen
genannt; ebenso ihre Verbreitung auf den einzelnen Inseln der Kanaren. Für
die Autoren gibt es „eine klare phonetische, morphologische und semantische
Beziehung zwischen goro = Umzäunung, Gehege, Stall und tag6ror =
Hof, Platz, Versammlung, da beide Worte die Grundwurzel gor besitzen,
mit der Bedeutung geschlossener Ort; goro als geschlossener Ort für Tiere
und tag6ror als geschlossener Ort für Menschen."
Im Großen Guanchen-Wörterbuch stellt Francisco Osorio Acevedo
(2003) altkanarische Begriffe und Worte vor und ergründet ihre Bedeutung
anhand historischer, linguistischer und archäologischer Zitate. Zum Begriff
tag6ror schreibt Osorio Acevedo: ,,Wie man anhand der zum Vergleich
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hinzugezogenen Referenzen sehen kann, stehen wir hier vor einem der
$hlreichen Worte, die von mehreren Forschem als pancanarismen bezeichnet
werden. Ihr Gebrauch auf verschiedenen, praktisch auf allen Inseln, ist
sicher, trotzdem darf man nicht versäumen, auf die extrem ostmediterrane
Reminiszenz dieses Wortes hinzuweisen. So hieß zum Beispiel im präklassischen
Griechisch der Platz = ta agora, das Gleiche in verschiedenen
Sprachen des semitischen Stammes."
Aus allen uns zugänglichen Quellen, aus sprachwissenschaftlichen
Arbeiten und Wörterbüchern, können wir übereinstimmende, gesicherte
Interpretationen für tag6ror und damit zusammenhängende Worte und
Begriffe geben.
tag6ror, tagoror, tagoro, tagoros, sabor
Das Wort tag6ror / tagoro hatte eine dreifache Bedeutung. Tag6ror war
die Bezeichnung für
- die Institution des Rates und die Ratsversammlung
- das Territorium bzw. Herrschaftsgebiet und nicht zuletzt
- die Konstruktion der Anlage
d.h. der Steinkreise für die beratenden Versammlungen der Altkanarier.
Tag6ror wurde für den Ort, den Rat und die Sitzungen, die dieser abhielt
sowie für den Bau selbst verwandt. Es war somit das Synonym für Beratung
und Rechtsprechung in der kanarischen Gesellschaft. Im tag6ror wurden
alle Entscheidungen getroffen, die das Leben der Altkanarier gestalteten
und beherrschten.
Tag6ror bedeutet sowohl Steinkreis, eingefriedeter Ort, Hof als auch Rat,
Versammlung, Ratsversammlung und entsprechend Ort der Beratung und
Rechtsprechung, Versammlungsort, Ratsstätte.
Nach Corrales Zumbado & a. (1992: 874/875) ist „die Schreibweise
tag6ror die übliche bei den Autoren, und, wie das, was in Critica textual als
lectio difficilior bezeichnet wird, zeigt, ist sie viel gesicherter als tagoro.
Tag6ror beinhaltet eine phonetische Schwierigkeit in unserer Artikulation,
weil es auf der vorletzten Silbe betont wird. Im Plural habe ich immer
tagoros gesehen".
Auf Gran Canaria tritt das Wort sabor an die Stelle des auf den Westinseln
üblichen Begriffs tag6ror.
Sabor steht gleichermaßen für den Rat, die Zusammensetzung der Versammlung,
den Ort und das Territorium und nicht zuletzt auch für die
Anlage selbst.
Welchen Stellenwert tag6ror auch heute für die kanarische Gesellschaft
hat, erfahren wir bei Maximiano Trapero (1999: 160/161): ,,Da es sich um
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eines der am meisten geschätzten Symbole der Kultur der Ureinwohner
handelt, hat die Bezeichnung tag6ror dazu gedient, Zeitschriften, literarische
Blätter, politische Parteien, Kneipen und fast all jenes, was man als
archäologische Relikte der Guanchen (Ureinwohner Tenerifes) mit den
beschriebenen Charakteristiken betrachtet, zu benennen."
tagorero
Der tagorero ist der Herr des tag6ror, der Herrscher der Region, der
Stammesfürst. Sehr anschaulich informiert uns Juan Bethencourt Alfonso
(1991/1992:212) über den Rang und die Funktionen der tagoreros:
,,Der tagorero gehörte zu den höchsten Würdenträgern der Republik "sie".
Das Amt fiel nach dem Erbfolgerecht auf die Söhne der Infanten oder
achimenceyes, also die Cousins oder Neffen der Herrscher. Wie wir gesehen
haben, erinnerten ihre Insignien und Kleidung an die der königlichen
Würde, weshalb man sie traditionell auch manchmal König nannte. Sie
verkörperten auch die doppelte Persönlichkeit, die wir bei den Chefs der
auchones gefunden haben, denn als Mitglieder des Gran Tagoro und deligierte
Autoritäten in ihren lebenslangen Ämtern, waren sie eine Fortsetzung
(der verlängerte Arm) der Königlichen Würde oder der Exekutiven Macht,
aber gleichzeitig repräsentieren sie neben dem Thron die Interessen und
Meinungen ihrer Bürger, indem sie die Vektoren beider Strömungen
waren."
goro, goran, goronas,engoronadas
Mit goro bezeichnet man eine kreisförmige Einfriedung aus Trockensteinmauern,
um zwei oder drei Tiere (Ziegen, Schafe, Schweine) einzuschließen
- deshalb wird goro mancherorts auch mit Schweinestall gleichgesetzt.
- goro ist ein Pferch, eine Viehhürde.
- goran, goronas sind Einfriedungen aus Steinen, Trockensteinmauern,
zum Schutz von kleinen Tieren, Anpflanzungen und Bäumen.
- engoronadas werden regional die kreisförmigen Einfriedungen mit
Trockensteinmauern zum Schutz von Feigenbäumen genannt.
»tagoror« in historischen und jüngeren Quellen
In akribischer Kleinarbeit untersuchen Archäologen Funde, Stratigraphien
und anderes, um aus ihnen Erkenntnisse zu gewinnen, die einen
Einblick in das Leben und die Riten der frühen Gesellschaften gewähren.
Nur ganz selten erhalten wir Aufschlüsse durch Inschriften, Niederschriften,
Bilderzyklen oder ähnliche historische Quellen.
Bei der Erforschung gesellschaftlicher Strukturen und Lebensformen der
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prähispanischen Bevölkerung auf den Kanarischen Inseln können wir jectoch
einige authentische, weitgehend übereinstimmende Quellen nutzen.
Sehr gute Einblicke gewähren diese Berichte - aus der Zeit kurz nach der
Eroberung der Inseln durch die Spanier - in die hierarchischen Strukturen,
in die Machtverhältnisse und teilweise auch in religiöse Gepflogenheiten
auf den einzelnen Inseln.
Hinweise und Berichte über gesetzgebende, staatslenkende Versammlungen
im tag6ror gehören zu den in fast allen bislang bekannten .historischen
Quellen geschilderten bzw. erwähnten Phänomenen - ähnlich
häufig wie Berichte über Opfer- und Bittrituale. Bei allen Autoren finden
wir dabei verblüffend übereinstimmende Schilderungen. Beweist dies den
beachtlichen Stellenwert der Versammlungen im tag6ror für die vorspanischen
Gesellschaften der Kanarischen Inseln?
Aus diesen Überlieferungen zu den Versammlungen im tag6ror können
wir Informationen gewinnen über
- die Zusammensetzung der versammelten Persönlichkeiten
- die Art und den Ablauf der Versammlungen
- die Anlässe dieser Versammlungen
- die Konstruktionen und Ausstattung dieser Anlagen
- die Orte, an denen tagoros zu finden waren und sind.
Die vorliegenden Quellen können in drei Gruppen unterteilt werden, die
jede für sich eine besondere Qualität ihrer Aussagen und Erkenntnisse hat.
Wir unterscheiden in
- Erstberichterstatter des 16./17. Jahrhunderts
- Replikanten/Sekundärautoren des 18 ./19. Jahrhunderts
- Historiker, Archäologen, Forscher des 19./20. Jahrhunderts
Die Berichterstatter der ersten Jahrhunderte nach der spanischen Eroberung
der Kanaren notierten authentische Schilderungen der Überlebenden
bzw. deren Nachfahren über altkanarische Lebensformen, Bräuche und
Gepflogenheiten, die diese zum Teil noch selbst erlebten und praktizierten.
Nachfolgende Zitate der ersten Autoren vermitteln aufschlussreiche Erkenntnisse
zum Thema tag6ror.
Die Aufzeichnungen des italienischen Festungsbau-Ingenieurs Leonardo
Torriani, der Ende des 16. Jahrhunderts längere Zeit auf den Kanarischen
Inseln verbrachte, gelten nach Dominik Josef Wölfel (1940:9), der in
Coimbra die Torrianische Urhandschrift entdeckte, als „die wichtigste
Quelle über die Ureinwohner der Kanarischen Inseln". Zum tag6ror finden
wir bei Torriani (1590/1940: 113) im Kapitel 32 Von der Regierung, der
Gerichtspflege und den Opfern der Kanarier folgende auf Gran Canaria
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bezogene Beschreibung der Ratsversammlung des tag6ror: ,,Jeder der
Könige von Canaria hatte zwölf Ratsmänner ausgewählt aus den edelsten
und mutigsten aller seiner Vasallen, von denen einer als Oberhaupt und
Präsident die Angelegenheiten der Regierung und der Gerechtigkeit
besorgte ... "
Fast zeitgleich zu Torriani entstehen auch die Aufzeichnungen von Fray
Alonso de Espinosa (1594), aus denen Crist6bal Corrales Zumbado & a.
(1992: 874-875) folgende Ausführungen zum tag6ror wiedergibt:
,,Tag6ror (nannten die Guanchen auf Tenerife) einen flachen, runden Platz,
umgeben von Steinen, die als Sitz dienten." Für Espinosa war tag6ror ein
Beratungs- und Versammlungsort. Nach Adam & Ursula Reifenberger
( 1986: 161) beschreibt Espinosa, wie andere Autoren auch, die Funktion
des tag6ror beim Haus des Königs als Versammlungsplatz für den Rat und
fährt dann aber fort: ,,Und diesen tag6ror pflegten alle vor ihrem Haus zu
haben, kleiner oder größer, je nach Stellung oder Möglichkeiten der Person,
wo sie sich zusammensetzten für ihre Unterhaltungen. Und es war üblich,
dass, wenn ein Gast kam, er nicht ins Haus eintrat, sondern sich an dem
tag6ror hinsetzte, ohne ein Wort zu sagen und wenn sie ihn sahen, ging der
Herr des Hauses hinaus und holte ihn herein." Ein weiteres Zitat von
Espinosa finden wir bei Francisco Osorio Acevedo (2003 : 661-664): ,,Es
kam also der König von Güimar zu seinem tag6ror oder Versammlungsplatz
heraus ... "
Wenig später, 1604, gibt Antonio de Viana sehr detaillierte Beschreibungen
zum tag6ror und insbesondere zu den in ihm versammelten Persönlichkeiten
(Francisco Osorio Acevedo, 2003:661-664): ,, ... versammelten
sie sich alle in dem königlichen alcacar (Festung/Palast). Es kommt
Bencomo heraus, begleitet von den Guanchen und Edelmännern seines
Hofes, er kommt zum tagoro, und sie begeben sich in Beratungen, um die
Regierungsangelegenheiten zu behandeln ... " Und an anderer Stelle berichtet
Viana: ,,Es gab unter ihnen welche von adeliger Abstammung, ehrenvolle
und nicht adelige Vasallen; sie waren von Natur aus die Könige, die Söhne
folgten den Vätern nach, wobei die männliche Linie respektiert wurde. Und
sie gehorchten dem König als Herrn. Und wenn gewählt wurde, schworen
sie mit jener Zeremonie, die jedes Königreich bewahrt hatte: mit der
Verehrung des Schädels - für dieses Ritual bestimmt - vom ältesten König
jenes Staates, von dessen Geschlecht und Blut der abstammte, den man also
wählte; und vereint am Ort der Beratungen, den sie in ihrer Sprache tagoro
nannten, holten sie ihn (den Schädel) mit der höchsten Erfurcht heraus und
später küsste ihn der neue König, den man vereidigte und sagte: ,,Achorom,
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Nunhabec, Zahoiiat Reste, Guaiiac Sahut Banat Xeraxe Sote", was sinngemäß
bedeutet: ,, Ich schwöre beim Knochen (Schädel), dass ich die
königliche Krone erhielt, um als Nachfolger das ganze Gut der Republik zu
bewahren."
Juan de Abreu Galindo, um 1630, zählt ebenfalls zu den wichtigen
Chronisten der ersten Stunde. Mauro S. Hernandez Perez (2002: 33-37)
zitiert eine Beschreibung von Abreu Galindo über die Versammlungen in
den tagoros von Tenerife: ,,Die Art und Weise, wie sie Gericht hielten, war
so: Der König setzte sich auf eine Ebene, auf der es eine Schichtung von
Steinen gab, auf denen sich ein hoher, viereckiger Stein befand, und dann
gab es auf seinen Seiten andere, niedrigere Steine, die der Reihe nach
angeordnet waren, wo sich die Wichtigsten ihrem Alter nach niederließen,
und dort nahm der König an dem Tag Platz, der ihm genehm war, und hielt
eine Audienz ab, und diesen Ort nannten sie tag6ror, den Ort des Gemeinderats,
der Audienz oder Versammlung, und der König hörte alle an, die
kamen."
Für Juan Nufiez de la Pefia (1676) war tag6ror ein ausgewiesener Platz
in der Nähe des königlichen Palastes, wo sie Beratungen und Ratsversammlungen
abhielten (Dominik Josef Wölfel 1965: 475). Und Marin y
Cubas (1694) betrachtet den tag6ror neben seiner »höfischen« Funktion als
privaten Vorplatz, als Hof [vor dem Haus] (Reifenberger 1986: 169).
George Glas (1764/1777 dt: 184-192) veröffentlicht eine 1632 auf der
Insel La Palma verfasste Handschrift des andalusischen Franziskaner
Mönchs Juan de Abreu Galindo über die Geschichte der Entdeckung und
Eroberung der Kanarischen Inseln. Im Anhang dazu finden wir in einer
Sammlung aller derjenigen Wörter, die aus den Sprachen der alten Einwohner
der kanarischen Inseln noch übrig sind, nebst den Wörtern von
gleicher Bedeutung in der Shillha oder Libyschen Sprache, die ihnen
ähnlich sind folgende altkanarische Worte:
sabor = der geheime Rath, oder Conseil
gayres = Mitglieder dieses Raths
mensey = ein König
achemensey = Leute von höherem Adel
tagaror = der Ort des Gerichts
Im Manuskript Atireu Galindos wird u.a. auf die Regierungsform Gran
Canarias und seinem sabor (tag6ror) hingewiesen: ,, ... Sie wurden eins, daß
der Rath oder Sabor der zwölf Gayres in Galdar, als der Residenz ihres
Vaters, gehalten werden ... sollte."
Einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber der Kanarischen Inseln, der
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Historiker und Naturforscher Jose de Viera y Clavijo (Ende 18. Jahrhundert),
beschreibt den tag6ror als Rechtstribunal, Rat bzw. Ratsversammlung
(Wölfel 1965 :475). Viera y Clavijo spricht auch den vornehmen
Persönlichkeiten Teneriffas das Privileg zu, am Eingang ihrer Wohnungen
einen kleinen Platz oder tag6ror zu haben, ,,umgeben von großen Steinsitzen,
wo sie Besuche empfingen, Audienz gaben und Versammlungen
abhielten" (Reifenberger 1986: 169).
Juan Antonio de Urtusaustegui, ein aus Tenerife stammender Adliger,
Truppenbefehlshaber und Untersuchungsrichter, berichtet 1779 über Hinweise
von Einheimischen El Hierros: ,,Zwischen Naas und Orchilla gibt es
eine Stelle mitten in einem Vulkan, kaum begehbar für Hirten und OrseilleSammler,
wo sich einige Sitze mit Rückenlehnen in Form von Stühlen in
solcher Anordnung finden, als ob es sich um ein Tribunal gehandelt hätte,
um Recht zu sprechen ... " (Reifenberger 1986 : 161/Hernandez Perez
2002 : 33). Die geografische Beschreibung trifft auf den tag6ror bei den Los
Letreros im Julan zu, nicht jedoch die topografische Lage in einem Vulkan.
Jean Baptiste Genevieve Marcellin Bory de St. Vincent, französischer
Naturforscher, hat 1803 das erste fundierte, naturwissenschaftliche Werk
über die Kanaren herausgebracht. Auch sein historischer Teil über die
Lebensformen der Urbevölkerung dieser Inseln ist bemerkenswert. Von
Bory de St. Vincent ( 1804 : 120/206) gibt es anschauliche Berichte über das
Wesen und die Aufgaben des tag6ror: ,,Die obersten Gerichtsstellen
handhabten die Gerechtigkeitspflege mit einem sehr feierlichen Anstande,
welchen die Beschaffenheit der Sache erheischte. Auf Teneriffa formierten
sie eine Art von Reichstag, tag6ror genannt. Der Versammlungsort war,
ausdrücklich zu diesem Behuf eingerichtet, in der Nähe einer königlichen
Wohnung, und mit steinernen Bänken umgeben. An dem einen Ende waren
die, worauf sich die Richter setzten; die des Königs, welcher die
Urteilssprüche abkündigte, befand sich in der Mitte, und war mit den
schönsten Fellen bedeckt."
An anderer Stelle beschreibt Bory: ,,Der König von Taoro, welcher
dieses abschauliche Verbrechen exemplarisch bestraft wissen wollte, hatte
daher den würdigen Sohn des Anaterre in dem eigenen Palais seines Vaters
beim Kopf nehmen und vor ein tag6ror stellen lassen, in welchem Tegueste den
Vorsitz führte." In einer eigenen kleinen Sammlung altkanarischer Wörter
übersetzt Bory de St. Vincent tag6ror für Teneriffa mit Volksversammlung.
M.M.P. Barker Webb & Sabin Berthelot berichten 1839 über die
Kapitulation von Bencomo im Jahre 1496: ,, ... Die Fürsten von Icod, Daute,
Adeje, Abona, vereint in ihrem tag6ror, entschieden sich, sich zu ergeben."
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Dr. Julius Freiherr von Minutoli (1854: 89), deutscher Generalkonsul für
Spanien und Portugal, schrieb in seiner 1854 erschienenen, umfassenden
Bestandsaufnahme der Kanarischen Inseln und ihrer Geschichte im Kapitel
über Sitten und Gebräuche der Altkanarier: ,,Die Bevölkerung war nach
Ständen geschieden. Neben den Königen standen außer seinen Descendenten
Abkömmlinge entfernter Grade. Sie hießen Achimenceys; sie bildeten
die höhere Aristokratie und man zählte ihrer auf Teneriffa 200, wogegen
der niedere Adel auf derselben Insel zur Zeit der spanischen Eroberung
2000 Köpfe betragen haben soll. Sie hießen Sigoiies und hatten das
Vorrecht auf dem tag6ror den Gerichtshof zu bilden ... "
Sabin Berthelot begann 1842 mit den ersten fundierten völkerkundlichen
und archäologischen Forschungen. Ihm verdanken wir die bis dahin erste
und gleichzeitig umfassendste Darstellung und Beschreibung archäologischer
Befunde der Kanarischen Inseln. In seinem Werk »Antiquites
Canariennes« (1879: 133-136) finden wir eine interessante Beschreibung
des tag6ror im Julan von El Hierro. Berthelot zitiert dabei den herrenischen
Geistlichen Aquilfno Padr6n, der 1871 die Felsbildstätte »Los Letreros«
entdeckte: ,, Auf jeden Fall befinden sich die geritzten Inschriften von Los
Letreros in der Nähe eines Ortes, den ein Stamm oder ein Clan
Eingeborener für seine Versammlungen und seinen Rat (tag6ror) auserwählt
hatte, wo man Opferdienste verrichtete und die Toten beerdigte ... In
der Umgebung sah ich auch alte Ruinen von kreisförmigen Mauem, eine
Art von cromlechs, die durch Steine, welche durch Sturzbäche und Stürme
von benachbarten Höhen heruntergestürzt waren, fast völlig versperrt
waren. Einige dieser Konstruktionen waren im Inneren mit unbearbeiteten
Steinen ausgekleidet, die von Natur aus glatt und eben waren, als Verzierung
dienten und die als eine Art Rückenlehne angeordnet waren. Diese
Materialien mussten von einem anderen Ort stammen, da sie mit denen
dieses Ortes nichts gemein hatten. Die Hirten hatten schon viele dieser
Steine umplatziert, um sich, völlig unbekümmert, darauf zu setzen, auf
diese ehrwürdigen kurulischen Sitze, wo sich ohne Zweifel auserwählte
Stammesväter (padres conscriptes) niedergelassen hatten, um wichtige
Angelegenheiten ihres Stammes zu besprechen und zu verhandeln.
Schließlich sah ich auch in der Nähe von diesem tag6ror verschiedene
Gruppen anderer großer, aufgerichteter Steine, ähnlich den keltischen
Druidensteinen der nördlichen Länder." Bei Berthelot finden wir die erste
Abbildung eines tag6ror, eine Zeichnung die Gumersindo Padr6n, der
Bruder des Entdeckers der »Letreros«, aus seiner Erinnerung heraus fertigte
(Hemandez Perez 2002: 34).
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Dem für die Kanaren bedeutenden Geschichtsschreiber Augustin
Millares Torres schreibt Wölfel (1965: 475) die Gemeinderat( sitzung) als
Erklärung für tag6ror zu.
Aus eigenem Erkunden beschreibt der französische Völkerkundler und
Urgeschichtler Dr. Rene Pierre Vemeau die Kultstätten bei den Los Letreros
im Julan von El Hierro. Vemeau verdanken wir, neben Sabin Berthelot, die
wichtigsten archäologischen Arbeiten über die Kanarischen Inseln bis zur
Mitte des 20. Jahrhunderts. Rene Vemeau lebte und forschte fünf Jahre auf
den Kanaren. Mehrfach besuchte er El Hierro und dabei 1879 und 1885
auch die archäologisch bedeutenden Stätten »Los Letreros« bzw. »Los
Concheros«. Von ihm stammt eine ausführliche Beschreibung des dortigen
tag6ror (Vemeau 1889: 265 - 266): ,, Anderswo feierte man Zeremonien auf
einer Art öffentlicher Plätze, den tagoros, die gleichzeitig als Versammlungsort
ohne religiösen Charakter dienten. Die tagoros, extrem zahlreich
im gesamten Archipel, sind als Vorplatz zu verstehen, umrundet von einer
kleinen Trockensteinmauer, in quadratischer, rechteckiger oder kreisrunder
Form. Man stellt allgemein in ihrer Konstruktion keine Besonderheit fest,
an der man erkennen könnte, ob sie zeremoniellen Kulten dienten oder
nicht. Es gibt unter ihnen welche, die eine Ausnahme bilden: das ist zum
Beispiel der, den ich auf der Insel EI Hierro besichtigt habe und dessen Plan
die Figur 13 zeigt." (siehe Tafel 2) ,,Unter dem heiligen Ort der Insel Hierro
versteht man nicht nur den Tempel oder tag6ror, sondern auch weitere
Konstruktionen, die keinen Zweifel an ihrer Bestimmung lassen. Den Hügel
Los Concheros von Westen hochklettemd, trifft man zuerst auf eine Reihe
runder oder elliptischer Einfriedungen, aus Trockensteinen gebildet, deren
Höhe heute kaum 0,60 m überschreitet." ,, ... Von diesem Flur geht ein in
den Fels gegrabener Weg, der im Tempel endet. Dieser bildet sich aus der
äußeren Umfassung A mit einem Innendurchmesser von 7 m. Die Mauer,
die ihn umrundet, hat 0,50 m bis 0,60 m Höhe; sie ist aus rohen Blöcken
geformt, an ihrer Basis breiter als hoch. Im Inneren ist eine zweite
Umfassung B, umfasst durch eine doppelte Reihe von Steinen, ähnlich
denen der äußeren Mauer; der Durchmesser innen beträgt nur 2 m. Diese
zweite Umfassung ist wesentlich sorgfältiger als die andere. Die Sonne
darin belegt dies, während die erstere durch den Felsen des Hügels geformt
wird. Ein Stein auf dem Boden des Eingangs bildet eine Stufe von einem
Fuß Höhe, auf dem selben Niveau der Steinplatten im Inneren. Zur Zeit
meiner ersten Reise existierten innerhalb der kleinen Umfassung noch fünf
große Steinplatten, die am Fuße entlang der Mauer platziert waren und als
Lehnen gedient zu haben schienen. Man hat mir versichert, dass es dies dort
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rundum gab, und man sah sie noch dort, wo die Hirten sie umgestoßen
hhtten." Diese von Verneau beschriebene Veränderung innerhalb von nur
fünf Jahren ist ein Beweis dafür, dass die altkanarischen Kult- und
Wohnstätten bis in jüngste Zeit alltäglicher Nutzung und Veränderung
unterworfen waren und sind - vor allem, wenn sie sich so exponiert
präsentieren, wie der tag6ror im Julan.
Ende des 19. Jahrhunderts besuchte und erforschte auch der Deutsche
Franz von Löher im Auftrag von König Ludwig II. von Bayern die
Kanarischen Inseln. Im Mittelpunkt seiner Beobachtungen und Quellenstudien
standen auch die Sitten und Gebräuche der von ihm erkannten
»germanischen« Kanarier. Die Ausführungen und Formulierungen von
Löher zeigen, dass er viele der vorgenannten Quellen kannte und nutzen
konnte. Vieles schilderte er in einem verklärten, bildhaft ausgeschmückten
Text, er nahm zur Korrektheit des Forschers auch die Freiheit eines
Schriftstellers für sich in Anspruch. Zu den Edlen im tag6ror fand er eine
besondere Sympathie, aber er erkannte auch richtig die Vielschichtigkeit
des Begriffs tag6ror (von Löher 1895:519): ,,Man nannte ihn (den Landtag),
sowie den Ort selbst, wo er abgehalten wurde, auf einigen Inseln den
Tag6ror, auf anderen auch Tabor und Sabor."
Von Dominik Josef Wölfe! abgesehen, bestimmten im 20. Jahrhundert
vor allem eine Reihe kanarischer Persönlichkeiten die Erforschung der
Inseln und ihrer Geschichte. So finden sich Recherchen und Erkenntnisse
zum tag6ror u.a. bei den Historikern Bethencourt Alfonso und Darias y
Padr6n sowie bei den Archäologen Luis Diego Cuscoy, Juan Alvarez
Delgado, Mauro S. Hemandez Perez und Sebastian Jimenez Sanchez.
Mit akribischer Genauigkeit recherchierte Juan Alfonso Bethencourt in
einer Vielzahl historischer Quellen, in Archiven, Urkunden und mündlichen
Überlieferungen. Sein mehrbändiges, 1991-1997 erschienenes Werk ist eine
wertvolle Grundlage für weiterführende Forschungen, insbesondere über
Lebensformen und Bräuche der Kanarier. Zum Thema tag6ror finden wir
bei Bethencourt ([1912)/1991 :298(33)): ,,Der tagoro war ein kreisförmiger
Hof mit einer doppelten Trockensteinmauer, mit 1,5 m Höhe und vier, fünf,
sechs oder mehr Metern Durchmesser, in Abhängigkeit von der Anzahl der
auchones, über die der Bezirk verfügte. Er bestand aus nur einer Eingangsöffnung,
der Boden war aus festgestampfter Erde, mit einer Reihe
halbkreisförmig angeordneter großer Steine, die an die Wand gelehnt waren
- je nach Anzahl der chaureros oder Ratsmitglieder, symmetrisch angeordnet
zu beiden Seiten eines zentralen Steines, der höher war als die
übrigen und dem Eingang gegenüberlag, und den der Präsident oder
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tagorero einnahm. Um die Sitzungen abzuhalten, bedeckten sie die Sitze
oder Steine mit Fellen oder Häuten - alle in derselben Farbe, außer dem des
tagoreros, das anders und schöner war." An anderer Stelle vermutet Bethencourt
„dass auf Teneriffa 140 dieser tagoros existierten - entsprechend
ebenso vielen Bezirken in allen Königreichen, von denen wir 91 glaubwürdig
belegt haben." Und von denen „jeder durchschnittlich drei bis fünf
auchones hatte sowie ein Territorium von 14 bis 15 Quadratkilometern."
„Jeder tagoro verfügte über seinen terrero (Gemeindeplatz) für den
Kampf und andere Sportarten, sowie über seinen guara oder guaracho für
Tanzveranstaltungen." (Bethencourt 1991: 303 [51]) Mit dem Begriff
tag6ror scheint sich nach den Recherchen von Bethencourt immer auch die
Bezeichnung für ein bestimmtes Herrschaftsgebiet zu verbinden: ,,von den
toten und verwundeten Guanchen ... die Kämpfer stammten von den
tagoros, die den Herrschaftsgebieten von Güimar und Anaga am nächsten
waren - erlitten die Güimareros die größten Verluste, unter ihnen einige
sehr berühmte Männer wie der tagorero Arifonche ... " und anderer Stelle:
,, ... die Einheiten machten sich auf den Weg zu ihren jeweiligen Königreichen
und tagoros ... "
Dacio Victoriano Darias y Padr6n vermerkt in seinem 1929 erstmals
erschienenen Geschichtsbuch über EI Hierro: ,,Sie übten die Rechtssprechung
in den tagoros aus. Von denen weiß man, dass es kreisförmige
Konstruktionen aus Stein waren."
Der renommierte Kanarenforscher und Archäologe Luis Diego Cuscoy
stellt fest: ,,Bekannt ist, dass der tag6ror ein kreisförmiger Platz ist, nicht
größer als ein gewöhnlicher Dreschplatz, mit Sitzen aus Stein ringsum. An
diesem Ort versammelten sich die Ehrenwertesten und Ältesten zur Rechtssprechung."
... ,,Die Existenz von einer solch bedeutenden Anzahl von
tagoros innerhalb ein und desselben menceyato (Herrschaftsgebiet) gibt zu
verstehen, dass der mencey (Herrscher, Anführer) seine Autorität übertrug
und gleichzeitig die Bevölkerung des menceyato sich in verschiedene Verwaltungsbezirke
teilte, die in gewisser Weise autonom waren."
An den Schluss meiner Quellenstudien möchte ich ein Gedicht stellen,
das die besondere Stellung des tag6ror im Leben der Altkanarier widerspiegelt
und das ein damals berühmter Europäer verfasste.
Der österreichische Erzherzog Ferdinand Maximilian - 1867 als » Kaiser
Maximilian von Mexiko« in Mexiko erschossen - bereiste 1859 die
Kanaren und interessierte sich leidenschaftlich für die Geschichte der
Altkanarier und ihre Hinterlassenschaften. Bei Hans Biedermann (1983 : 57)
finden wir ein romantisches Gedicht über eine Königskrönung im „heil' gen
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Tagoror", das der Mexikanist Ferdinand Anders in den autobiographischen
Sj:;hriften des Erzherzogs entdeckte:
Die Krönung des Guancho-Königs
Es drängt der braunen Guancho's frohe Menge
Mit Jubel sich zum Pie von Teneriff,
Und donnernd klingen ihre Festgesänge,
Wie dort die Brandung am basalt 'nen Riff.
Zur Krönung sind des Königs sie erschienen,
Des neuen Fürsten aus dem alten Blut,
Und ihm zu schwören treulich ihm zu dienen,
Schwört er zu schützen ihrer Freiheit Gut.
Den braunen Leib in Ziegenhaut gekleidet,
Umringen sie den heil'gen »Tagoror«,
Den Platz, von dem sich Recht und Licht verbreitet,
Auf dem der Fürst den Räthen schenkt sein Ohr.
Geschmückt ist heut der Raum mit Palmenästen,
Mit Lorbeerzweigen und mit duft'gem Kraut,
Gleich einem Festsaal allen Inselgästen,
Aus frischem Grün und Himmelsblau erbaut.
Der König tritt aus seiner Väter Höhle,
Dem Mausoleum aus vulkan 'schem Stein,
D'rin ruhet mit des Drachenbaumes Oele
Gesalbt der alten Könige Gebein.
Des »Tamarcks« Festgewand umhüllt die Lenden,
Das Lockenhaar auf seine Schulter fällt,
Stolz sieht man seinen Schritt zum Stein sich wenden,
Als Thron seit grauen Zeiten hingestellt.
Der Älteste aus fürstlichem Geblüte
Tritt nun zum Herrscher und sein Haupt umflicht
Er krönend mit dem Kranz aus Blum' und Blüthe,
Denn größ 're Zierde kennt die Insel nicht.
D'rauf bringt der Priester ihm das Herrscherzeichen,
Den Armesknochen von dem ält'sten Ahn,
An dem Jahrhunderte schon emsig bleichen,
Und als geheiligt sieht das Volk ihn an.
Der junge Fürst ergreift den mächt'gen Knochen
Und schwingt ihn hoch mit seinem sehn'gen Arm,
Und spricht: »Die Stammeskraft ist ungebrochen,
Der alten Kön'ge Blut, noch rinnt es warm.
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Aus diesem Mark sind riesig wir erstanden,
Das Gott gesandte herrschende Geschlecht,
Mit mächt'ger Kraft herrsch' ich in diesen Landen,
Der Stab ist Bürge uns für Pflicht und Recht!«
Dem Jüngling jubeln zu des Volkes Stimmen,
Als stolz zum Mahl er mit den Großen zieht;
Die Feuer sieht man auf den Bergen glimmen,
Des Riesenpic's vulkan'sche Säule glüht...
»tagoros« auf den Kanarischen Inseln
Wo waren die tagoros, die Versammlungs- und Beratungsplätze der
Altkanarier, in denen ein auserwählter Personenkreis über das Wohlergehen
oder Schicksal der Bewohner eines ihnen anvertrauten Herrschaftsgebietes
entschieden? Wo sind solche Anlagen oder deren Spuren zu finden? Zur
Antwort dieser Fragen nutzen wir verschiedene Ansätze:
- Bislang entdeckte und publizierte archäologische Stätten, bei denen es
sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit um tagoros handelt.
-Analyse der Herrschaftsstrukturen auf den einzelnen Kanarischen
Inseln und daraus abgeleitet die Zahl eigenständig verwalteter
Distrikte. (Nach bisherigen Erkenntnissen ist jedem dieser Distrikte,
Stammesgebiete ein tag6ror zuzuordnen.)
- Hinweise auf tagoros mit Ortsangaben in authentischen Schilderungen
historischer Ereignisse.
- Nicht zuletzt alte Flurnamen bzw. Gebietsbezeichnungen, die linguistische
Verbindungen zu »tag6ror« erkennen lassen.
Nachfolgend wird versucht, die bislang entdeckten oder geschichtlich
erwähnten, zuordenbaren Orte der einzelnen Inseln aufzulisten und
vorzustellen.
El Hierro
Die kleinste und westlichste Insel der Kanaren an den Beginn unserer
Auflistung zu stellen, hat gute Gründe: Die vorliegende Arbeit entstand aufgrund
der Quellenstudien nach der Entdeckung des » Tag6ror del Letime«
über Las Playas auf El Hierro. Außerdem ist der bekannteste und am
häufigsten beschriebene tag6ror auf den Kanarischen Inseln, der »Tag6ror
del Julan«, im Süden El Hierros. Diese ehemals unter dem Begriff »Los
Concheros« bekannte Kultstätte der Bimbaches, der Ureinwohner El
Hierros, ist auch eine der frühesten, im 19. Jahrhundert entdeckten und
beschriebenen archäologischen Fundstätten der Kanarischen Inseln. Heute
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trägt dieses archäologisch bedeutende Gebiet bei den Felsbildstätten »Los
l-4etreros« und »Los Numeros« umgangssprachlich die Bezeichnung
»Tag6ror del Julan«. Vielleicht hängt diese Auszeichnung auch mit der
besonderen Wertung der Archäologen und Wissenschaftler Juan Alvarez
Delgado, Luis Diego Cuscoy und Mauro Hernandez Perez zusammen, die
dem tag6ror im Julan übereinstimmend das Prädikat »der bedeutendste und
am besten erhaltene tag6ror des Archipels« verliehen.
Diese seit ihrer Entdeckung durch Aquilino Padr6n und den sehr detaillierten
Beschreibungen von Rene Verneau in Form und Konstruktion
ständigen Veränderungen unterworfene Anlage ist aus heutiger Kenntnis im
ursprünglichen Sinne nicht besterhalten. Weder der Entdecker Aquilino
Padr6n noch Verneau, der diese Anlage wiederholt besucht und präzise dokumentiert
hat, erwähnt die heute nicht zu übersehende, markante, türmchenartige
Steinsetzung. Aufgefallen wäre eine so herausragende Konstruktion
sicher beiden archäologisch versierten Forschern. Deshalb kann
mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dieser dominante
Aufbau nach dem letzten Besuch Verneaus entstand, also nach 1888, und
höchstwahrscheinlich aus den Steinplatten des ursprünglichen tag6ror,
aufgeschichtet wurde. Deutlich sind die wechselnden Zustände auf den
Plänen und Skizzen der Forscher erkennbar, die den tag6ror nach Verneau
im 20. Jahrhundert dokumentiert haben.
Während Alvarez Delgado noch 1947 konstatiert „dass noch genügend
Ursprünglichkeit besteht, für eine Untersuchung" stellt Maria de la Cruz
Jimenez G6mez 1982 fest, dass sich der tag6ror „heute in einem fortgeschrittenen
Zustand der Zerstörung befindet." Anfang des 21. Jahrhunderts
ist der Teil der Anlage, der in herausragender Lage auf dem Bergsporn vermutlich
als tag6ror diente, nur noch fragmentarisch in seiner Ursprünglichkeit
vorhanden. Und doch ist dieser tag6ror zweifellos kulturgeschichtlich
sehr bedeutend und damit gründlicher Erforschung und Sicherung wert. Der
tag6ror im Julan ist Teil einer altkanarischen Stätte der Bimbaches und
steht im Kontext mit Felsbildpanelen, Brandopferaltären und Concheros,
Steinkreisen und Trockensteinbauten, Wohn- und Begräbnishöhlen. Dies
und sein herausragender Standort unterstreicht die Bedeutung des »Tag6ror
del Julan« für die archäologische Forschung.
Bis zur Entdeckung des » Tag6ror del Letime« durch den Autor galt der
» Tag6ror del Julan« nach Aussage von Luis Diego Cuscoy als der einzige
auf El Hierro bekannte tag6ror (Quintero Reboso 1997: 177-178). Neben
dem über Las Playas entdeckten, exzellent erhaltenen »Tag6ror del Letime«
konnte der Autor im südlichen Teil von Las Playas, im Gebiet Los
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Cardones, rund 200 m von der Küste entfernt in 50 bis 80 m über dem
Meer, einen weiteren tag6ror oder zumindest eine tag6ror-ähnliche Anlage
entdecken (Steiner 2002: 356-357).
La Palma
Über tagoros auf La Palma gibt es keine überprüften Angaben, nur vage
Hinweise. So verweist Harald Braem (1994:224) auf eine runde, als Versammlungsplatz
geeignete Plattform in der Nähe des von ihm so genannten
»Seelenstein von la Pasada«. Und Bruno Schmidt (1996) berichtet, dass
nach Aussage von Herbert Nowak tagoros in der Caldera Taburiente und im
Gebiet um Garafia entdeckt wurden.
Manuela Marrero Rodriguez vermutet auf La Palma zwölf Herrschaftsgebiete,
denen auch jeweils ein tag6ror zuzuordnen wäre.
La Gomera
Für Gomera erkennt Manuela Marrero Rodriguez vier Herrschaftsgebiete,
die wahrscheinlich ihre Ratsversammlungen ebenfalls in ihren
tagoros abhielten. Vorstellbar wäre ein entsprechender Standort u.a. auf der
Miia. Fortaleza.
Teneriffa
Bei Juan Bethencourt Alfonso (1991/1912 Bd. 1) heißt es wiederholt:
,, ... rechnen wir damit, dass auf Teneriffa 140 dieser tagoros (Räte,
Räteversammlungen) existieren - entsprechend ebenso vielen Bezirken in
allen Königreichen, von denen wir 91 glaubwürdig belegt haben." An
anderer Stelle vermerkt Bethencourt: ,, ... dass die Insel etwa 140 tag6ros
besaß, von denen jeder durchschnittlich drei bis fünf auchones (Ratsmitglieder)
hatte, sowie ein Territorium von 14 bis 15 Quadratkilometern."
Konkrete Hinweise auf tag6ros auf Teneriffa finden wir bei Bruno
Schmidt 1996: 156): ,,Francisco Paula de Luca, Mitglied des Centro
Estudios Aborfgenes de Canarias, verweist auf eine alte Karte Teneriffas
aus dem Jahre 1620, in der ... in Güfmar ein tagoro, Bajo, ein tag6ror der
Adligen, ausgewiesen ist." Auch Julius von Minutoli (1854: 40/41) erwähnt
eine Versammlung des Königs von Güfmar »auf der Wiese von tag6ror«.
Und Franz von Löher (1895: 342) berichtet von einem tag6ror bei Taoro.
Von einem tag6ror beim Dorf Tunez im Stadtbezirk von Arona, im
Südwesten Teneriffas, dem Zentrum des altkanarischen Königreichs Abona,
berichtet Niels Krack (1995): ,,Auf dem zum Haus Nr. 18 in Tunez gehörigen
Grundstück findet man einen alten kreisrunden Platz, der im
hängenden (abschüssigen) Gelände eben angelegt war. Der Platz ist mit
einem Steinring umgeben und mit Steinen relativ grob geplastert."
In einem Artikel über Tenerife in der Süddeutschen Zeitung vom
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28.4.1998 berichtet die Journalistin Wenke Hess von einem tag6ror im
$Bersten Nordwesten Teneriffas, ca. eine halbe Stunde Fußweg vom Dorf
Teno Alto entfernt, windgeschützt in einer Mulde unterhalb einer Felsnase.
Francisco Osorio Acevedo (2003) zitiert Luis Diego Cuscoy: ,, Die
Existenz eines tag6rors in Taganana zeigt an, dass dieser Ort der Hauptort
des Herrschaftsgebietes (menceyato) war."
Gran Canaria
Die Konstruktionen der als tagoros ausgewiesenen Versammlungsplätze
auf Gran Canaria weichen von denen auf den anderen Kanarischen Inseln
üblichen Steinkreisen mit Sitzen und Rückenplatten stark ab - es gibt eine
Reihe variierender Anlagen.
So vermutet Bruno Schmidt (1996: 144) einen tag6ror in der künstlerisch
herausgearbeiteten Höhle Cuatro Puertas bei Telde: ,, Die Montafia de las
Cuatro Puertas - der » Berg der vier Tore« - verdankt den Namen den vier
großen, rechtwinkligen Höhleneingängen an der Spitze und Nordseite des
320 m hohen Berges. Hinter den vier Toren verbirgt sich ein wohl als
tag6ror, als Versammlungsplatz für Ratssitzungen und Gerichtsversammlungen
benutzter, in den Fels gehauener, geräumiger Saal." Schmidt verweist
auch auf den tag6ror über dem Cenobio de Valer6n bei Galdar:
,, ... dass sich auf der Bergkuppe direkt über dem Cenobio de Valer6n Reste
eines Tagorors mit acht (vier?) roh behauenen Sitzen befindet..."
Die bislang umfangreichsten Arbeiten über tagoros stammen von dem
renommierten Historiker und Archäologen Sebastian Jimenez Sanchez, der
durch seine Persönlichkeit und seine umfangreichen Forschungen das Ansehen
der kanarischen Archäologie und insbesondere auch des Museo
Canario in Las Palmas als tragende Institution dieses Wissenschaftszweiges
wesentlich gestaltete. Jimenez Sanchez untersuchte, dokumentierte und
publizierte allein auf Gran Canaria eine ganze Reihe tagoros: Tag6ror del
Gallego, Tag6ror Tauro Alto bei Mogan, Tag6ror de las Castilletas de
Tabaibales de Veneguera bei Mogan, Tag6ror en EI Castillo bei San
Bartolome de Tirajana, Tag6ror de la Degollada del Gigante bei Tejeda,
Tag6ror en cueva del Lomo de San Gregorio bei Las Palmas und den
Tag6ror de »EI Agujero« bei Galdar. Sebastian Jimenez Sanchez (1964b:
1-12) führt zahlreiche Orte und Bezirke auf Gran Canaria auf, an denen
tagoros oder audiencias nachgewiesen wurden oder in den Ortsbezeichnungen
vorkommen und damit auf deren Existenz hinweisen. ,, Bei solchen
Orten und archäologischen Stätten handelt es sich mal um geschlossene,
umgrenzte Plätze, mal um natürliche oder ausgehobene Höhlen mit speziellen
Bearbeitungen, und in anderen Fällen, an freier Luft, auf Terrassen,
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Hügeln und steilen Anhöhen aus losen Steinen errichtete, einzigartige,
megalithische, architektonische Konstruktionen, bei denen gewisse
natürliche Krümmungen des Felsen genutzt werden." Die bedeutendsten
tagoros oder Orte der audiencias auf Gran Canaria findet man laut Jimenez
Sanchez bei Galdar, Mogan, Telde, Gufa de Gran Canaria, Temisas, Tejeda,
Tirajana, Faliraga, Tirajanas und in Moya. Er kommt zu folgenden allgemeingültigen
Aussagen zum Thema tag6ror: ,,Unsere lange Erfahrung
sowie die Entdeckungen und Untersuchungen wertvoller Quellen erlauben es
uns, den Schluss zu ziehen, dass dieser Typus von Rechtszentrum jedem dicht
besiedelten Gebiet zu eigen war." ,,Der tag6ror hat häufig das Aussehen
heutiger (1964) Dreschplätze. Es handelt sich um einen von großen und mittelgroßen
Steinen - die mal horizontal ein anderes Mal vertikal angeordnet
sind - eingefassten Kreis. Dieser Typus herrscht sowohl auf Gran Canaria
als auch auf Fuerteventura und Lanzarote vor. Dagegen zeigen sich andere
tagoros oder audiencias in der Form architektonischer Baukonstruktionen."
Fuerteventura
In den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts leistete der für die
Geschichte der Kanarischen Inseln bedeutende Archäologe Sebastian
Jimenez Sanchez die erste umfassende archäologische Feldarbeit auf Fuerteventura.
Das Ergebnis war beeindruckend. Jimenez Sanchez entdeckte
zahlreiche Reste von Siedlungen und Kultstätten. Ganz erstaunlich sind
auch die zahlreichen Fundstellen, die er als Standorte für tagoros ausweist:
- Localidad de Coto del Coronel, La Oliva
- Estaci6n de Tisajoyre y Villaverde, La Oliva
- Estaci6n de la Herradura y Casas Altas, Puerto Cabras
- Yacimiento de Lomadas de Lesque, Puerto Cabras
- Localidades de Cerro de Cuchillete y Llano de Biscocho, Puerto
Cabras
- Yacimiento de Llanos del Sombrero, Pajara
- Estaci6n de Majada del Viso, Puerto Cabras
- Yacimiento de Tablero Blanco, Tetir
- Yacimiento de Majada de los Negrines, La Oliva
- Localidades del Barranquillo de Lajas Azules, Puerto Cabras
- Localidad de Morro de la Fortaleza, Casillas del Angel
- Estaci6n de Lomo Gordo, Casillas del Angel
- Localidades de Bajamanga, La Laguna y Zurita, Casillas del Angel
- Yacimiento de la Guirra, Puerto Cabras
- Localidad de Taima, Puerto Cabras
- Poblado de Miraflor, Puerto Cabras
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- Yacimiento de Lesque de la Pila, Puerto Cabras
1 - Localidades de Tiquital, Tonicosquey, Caldera de Arrabales y Mar
Rubio, Tuineje
- Yacimiento del Gran Valle del Barranco de las Cuevas, Tuineje
Die große Zahl von kreisförmigen Steinsetzungen, die Jimenez Sanchez
auf Fuerteventura als tagoros ausweist, ist erstaunlich. Erstaunlich auch
deshalb, weil in einigen Regionen gleich mehrere tagoros erscheinen: bei
Puerto Cabras 9 (!), bei La Oliva und Casillos del Angel je 3.
Leider finde ich bei Jimenez Sanchez keinen Hinweis, welche Konstruktionen,
in welchen Größen und Lagen, er als tagoros bezeichnet. Mir
scheint es denkbar, dass die eine oder andere von ihm als tag6ror
ausgewiesene Anlage ein Dreschplatz, ein Tanz- oder Wettkampfplatz, die
Umfriedung eines Pferchs oder die Grundmauern eines Rundbaus sein
könnte. Das wäre eine weitere Untersuchung wert - solange dies noch
möglich ist.
Werner Pichler, der ein ganzes Jahr auf Fuerteventura akribische Feldarbeit
leistete, konnte keine Steinsetzung entdecken, der er nach heutiger Definition
die Funktion eines klassischen tag6ror eindeutig zuordnen könnte.
Lanzarote
In unmittelbarer Nähe der altkanarischen Kult- und Siedlungsstätte
Zonzamas bei St. Bartolome entdeckte Sebastian Jimenez Sanchez 1945
zwei Steinkreise, die er ihrer Form wegen als tagoros deutete. In seiner
handschriftlichen Dokumentation mit den Maßskizzen der beiden Anlagen
finden wir die Bezeichnungen » Tag6ror. Montafia de la Quesera« und
»Tag6ror. Montafia de la Mina« St. Bartolome (Lanzarote). Hans-Joachim
Ulbrich hat den tag6ror bei der Quesera in den IC-Nachrichten 1991
vorgestellt. Nach Ulbrich wird dieser tag6ror aktuell als Kompostierungsareal
genutzt.
Schlussbemerkung
Die vorliegende Arbeit soll dazu anregen, dem kulturhistorisch
bedeutenden Komplex des altkanarischen tag6rors und seinen nur noch
spärlichen Überresten gebührende Beachtung zu schenken. Sie kann
Anhaltspunkte liefern, um Anlagen altkanarischer Herkunft besser zu
verstehen und Konstruktionen auf ihre eventuelle Aufgabe als tag6ror zu
identifizieren. Aufschlüsse dafür finden wir in der Form und Größe, in der
Lage und im Kontext des Umfeldes. Tagoros mit ihrer überlieferten
Funktion, sozusagen als Sitz der regionalen Parlamente, verdienen eine entsprechend
bevorzugte Auseinandersetzung in der kanarischen Archäologie.
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(Reprint aus dem 3-bändigen Werk „Christus und die Religionen der Erde",
herausgegeben von Dr. Franz König, Herder-Verlag, Wien, 1951)
Übersetzung der spanischen Quellen und Zitate: Nicole Steiner
Tafel-Verzeichnis
Tag6ror EI Julan (?), EI Hierro · Sabin Berthelot (1879: PI. 4/1)
Fig. 1 »Versammlungsplatz der Ureinwohner der Insel EI Hierro. (Kanaren)«
gezeichnet von Gumersindo Padr6n - aus seiner Erinnerung heraus -
Fig. 2 »Brandopferaltar der Ureinwohner der Insel EI Hierro. (Kanaren)«
2 Tag6ror EI Julan, EI Hierro · Rene Pierre Vemeau (1889: 267)
»Plan des heiligen Platzes Los Concheros, Insel EI Hierro«
3 Tag6ror EI Julan, EI Hierro · A. u. U. Reifenberger (1986: 163)
»Anlage auf Felsvorsprung „Los Concheros" · 14. Januar 1985«
4 a Tag6ror EI Julan, EI Hierro · Juan Alvarez Delgado (1947: 182)
4 b Tag6ros bei S. Bartolome, Lanzarote· S. Jimenez Sanchez (1946)
Tag6ror Montaiia de la Quesera · Tag6ror Montafia de Ja Mina
5 Tag6ror Tuineje, Fuerteventura, S. Jimenez Sanchez (1952 : LXI)
6 a Tag6ror de »EI Agujero«, Galdar, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964 :9/1)
6 b Palacio Justicia »EI Agujero«, Galdar, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964 : 9/2)
7 a Tag6ror de los Castilletes, Mogan, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964 : 10/1)
7 b Tag6ror de la Degollada, Tejeda, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964: 10/2)
8 a Tag6ror de San Gregorio, Las Palmas, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964: 12/1)
8 b Tag6ror EI Castillo, San Bartolome d.T., G.C., S. Jimenez Sanchez (1964 : 12/2)
9 a Tag6ror Tauro Alto, Mogan, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964 :25)
9 b Tag6ror Tauro Alto, Mogan, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964 :26)
10 Tag6ror Tauro Alto, Mogan, G.C., S. Jimenez Sanchez (1964: 22)
30
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Tag6ror, EI Hierro · S. Berthelot (1879: PI. 4/1) gezeichnet von Gumersindo Padr6n
Pl.4.
Fig. l. Lieu d.'assemblee des anciens l1abltanls de l'lle de Fer. ( CanariCs)
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Tafel 1
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32
Tag6ror del Julan, EI Hierro · Rene Pierre Verneau (1889: 267)
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Abb. 3. EI Julan (Ostteil). Anlage 2uf Felsvorsprung „Los Conchcros"' . - Bestandsaufnahme Vcrf. 14.Januar 198S
---Grenze des Plateaus gegen steileren Abhang/Felsen ; 1.2 Trinkwasserdepot, betongcdcckt; 3.4 Trcppch~n, gelegt aus Basaltpb.ttcn;
S Plattenaufbau; 6 Rest des ~pfcrherdes (Vcniefung!.gcfülh mit Steinen,_ cntliält ka.l;in.icne Kn~~cnfngmcntc)
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Tag6ror del Julan, EI Hierro · Juan Alvarez Delgado (1947 : 182)
Flg, 31.-Planta de! "tag6ror" del Jlllan (lsla. del Hlerro) .
Tagoros S. Bartolome, Lanzarote . Sebastian Jimenez Sanchez (1946)
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Tag6ror, Tuineje, Fuerteventura · Sebastian Jimenez Sanchez (1952: LXI)
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Figura !.', detalle de entrada a un tagoro.
Figura 2.', A, tagoro; B y C.,
viviendas. Barranco de «Gran Valle de
las Cuevas•. Tuineje. lsla de
Fuertcventura.
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Tag6ror / Palacio »EI Agujero«, Galdar, G.C .. S. Jimenez Sanchez (1964b:9/1)
'l'ag6ror de ((El Agujero,>. GALDAH.
Palacio de Justicia o Audienda. «El Agujero)). GALDAR.
Tafel 6
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ag6ror de los Castilletes, Mogan, G.C. · S. Jimenez Sanchez (1964 b: 10/1)
TagOror de los Castilletes de Tnbaiboles de Veneguera, rodea<lo cle lorrelas tronco-c6nicas o
.soportes de las almas». MOGAN.
Tag6ror de la Degollada, Tejeda, G.C. · S. Jimenez Sanchez (1964b:10/2)
Tag6ror de · 1a Degollada de! Gigante. TEJEDA.
Tafel 7
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ag6ror de San Gregorio, Las Palmas, G.C. · S. Jimenez Sanchez (1964 b: 12/1)
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Tagoror en cueva. Lomo de San Gregorio. LAS PALMAS.
Tag6ror, San Bartolome de Tirajana, G.C .. S. Jimenez Sanchez (1964b: 12/2)
Tagorc:>r -.en El Castillo. · Lomo Besugo. Maspalomas.
SAN BARTOLOME DE TI.RAJANA.
Tafel 8
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Tag6ror TauroAJto, Mogan, G.C .. Sebastian Jimenez Sanchez (1964 b: 25/26)
FIG. 19.-Detalle de! tag6ror.
FIG. 18.- Tag6ror. TAURO ALTO.
Tafel 9
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ag6ror Tauro Alto, Mogan, G.C. · Sebastian Jimenez Sanchez (1964 b: 22)
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FIG. 17.- TAURO ALTO.
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