Siegbert HUMMEL, Plohn
ÄGYPTISCHE MISZELLEN II
In meiner Arbeit über ägyptisch-tibetische Parallelen (Almogaren, IX/X,
Graz 1980) habe ich am Rande einige ikonographische Motive erwähnt, die
jeweils für Ägypten und stets zugleich für Indien bzw. Tibet nachweisbar
sind. Ihre erstaunliche Übereinstimmung in Konzeption und Gestaltung
legt es nahe, sie als brauchbare Belege weithin noch unbekannter, aber offensichtlich
doch reger Kontakte zwischen der Kultur am Nil und der Indiens
einschließlich des Raumes nördlich vom Himalaya zu betrachten.
Die Bedeutung des Vorderen Orients für die religiösen Vorstellungen Indiens
und des südlichen Zentralasiens, in dem Tibet nicht nur die Rolle einer
kulturellen Einflußzone, sondern auch eines Rückzugsgebietes zukommt,
ist besonders in den drei bis vier Jahrhunderten vor und nach der
Zeitenwende beachtlich. Dabei scheint der Anteil Ägyptens nicht unerheblich
gewesen zu sein, nicht nur über die östlichen Ausläufer der griechischrömischen
Kultur unter Einschluß der Seidenstraße, sondern auch auf dem
Wege direkter Kontakte. Götterglaube und Tempelkult waren in Ägypten
noch bis ins 4. Jh. n. Chr., auf Philä mit seiner Isis- und Osirisverehrung sogar
noch bis ins 6. Jh. hinein im Sinne der altägyptischen Religion lebendig.
Das ist die Zeit, in der auch die Handelsbeziehungen mit Indien wieder auflebten.
Im Folgenden will ich einige weitere ikonographische Motive behandeln
und dabei das, was in meiner genannten Arbeit nur angedeutet war, um
weitere Beispiele erweitert, etwas ausführlicher begründet und illustriert
vorlegen. Nicht aufgenommen wurden ikonographische Motive, die zwar
in Ägypten wie in den indischen bzw. tibetischen Religionen gleicherweise
vorkommen, aber durch die Vergleichspartner bei einem gemeinsamen
Dritten und nicht voneinander entlehnt worden sind. Ich denke hier etwa
an die auf Trägertieren (skr.: vahana) stehenden Gottheiten oder Pharaonen,
ein Motiv, das in Ägypten sicherlich hethitischen Ursprungs isti), das
jedoch meines Erachtens am Nil viel zu unbedeutend und in seiner Anwendung
im Pantheon viel zu begrenzt war, als daß es von da aus im buddhistischen
Bereich die Bedeutung erlangen konnte, die ihm dort zukommt.
Etwas anders liegt es im Falle unseres Beispieles vom Schlangenhalspanther.
Hier bietet sich sehr wohl ein gemeinsamer, im Zweistromland liegender
Ursprung an, jedoch ist für Tibet während der Entstehung des Gefäßes
(17. Jh.), auf dem das Fabeltier zu sehen ist, die zeitliche Distanz zu Mesopotamien
viel zu groß. Dazwischenliegende Bindeglieder sind aber unbekannt.
Bisher hat sich keine sonstige Anwendung des Motivs im Bereich
der tibetischen Kultur oder seiner Anlieger gefunden. Selbst wenn wir an-
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nehmen, daß dieses Motiv in Ägypten noch lange bekannt war, entbehrt·
der tibetische Bezug nach Ort und Zeit, vor allem wegen seiner Einmaligkeit
I nd ohne jeden Kontakt mit der buddhistischen Ikonographie jede Erklärung,
während wir die Fußspur und den Schlangenbaldachin sehr wohl
in die indisch-ägyptische Begegnung einzuordnen vermögen.
In der bereits erwähnten Veröffentlichung habe ich unter der Anmerkung
32 auf altägyptische Darstellungen von Fußabdrücken hingewiesen,
die vergleichsweise aus Philä (äg.: [p] iw [? 3 . t] r~) stammen (Abb. la) und
demotisch beschriftet sind. Sie gehören ins 5. Jh. n. Chr.2)
In Tibet verbinden die Hand- und Fußabdrucke nicht nur mit der
indisch-buddhistischen Überlieferung, sondern zugleich mit einer Tradition
der westtibetischen Felszeichnungen des 1. Jahrtausends v. Chr. und
früher, die bis ins 19. Jh. n. Chr. hinein lebendig war. Stets wollte man die
segensreichen Potenzen des Menschen als Jäger oder Schamane bzw. als
Priester, gegebenenfalls als Heiliger, mit ihren Strahlungszentren in Händen
und Füßen, aktivieren, wozu deren Träger durch das Bild der Füße
oder Hände realiter vergegenwärtigt werden sollte. Beliebt sind diese Darstellungen
auf buddhistischen Malereien (tib.: Thang-ka) von Heiligen besonders
in TibetJJ, wo die Fußabdrucke Zhabs-kyi-pad-mo ( = Fußlotus) ge-
. nannt werden (skr.: Shripada).
In Indien gelten als besonders heilig die Fußabdrucke Gautama-Buddhas.
Am bedeutendsten waren die in Pataliputra, die nach der Legende Gautama
selbst im Stein hinterlassen haben soll. Eine Kopie befand sich bis in unsere
Gegenwart im buddhistischen Heiligtum auf dem Berge Wu-T'ai-Shan im
chinesisch-tibetischen Grenzgebiet. Auf den Reliefs in Saikhi ( 1. Jh. v.
Chr.), wird aus einer gewissen Scheu, den Buddha noch nicht in menschlicher
Gestalt zu zeigen, gern der Heilige durch seine Fußspur dargestellt.
In der buddhistischen rituellen Geste der Abhaya-mudra (tib.: Phyagrgya)
klingt die in den Fußabdrucken verwandte magische Bedeutung der
Hand noch nach, die uns wieder in gleicher Weise in christlichen Plastiken
und Reliefs des 11.-12. Jh. im südfranzösischen Moissac und Toulouse mit
bedeutendem, vorkeltisch-prähistorischem Mutterboden auffällt. Diese Geste
war auch den Etruskern bekannt4l und kam wahrscheinlich mit mediterranem
Ursprung über den Vorderen Orient nach Indien.
Auch der Hinduismus kennt heilige Fußspuren u.nd stattet diese oft mit
fruchtbarkeitsmagischen Zeichen aussJ. Ähnlich kann der Abdruck von
Buddhas Füßen mit heiligen Symbolen verziert sein (Abb. 2).
Ursprünglich jedoch, d. h. im frühen Buddhismus, sollte durch die Fußspur
des Gautama lediglich die reale Gegenwart dieses Heiligen gesichert
werden, nachdem die Abdrucke seine einstige Anwesenheit an dem Orte
anzeigten. Erst später wurde die Spur zu einem Instrument der Heilsmagie,
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wie das auch von den Händen und ihren rituellen Gesten gilt.
Für Ägypten sind meines Erachtens Fußabdrücke (äg.: [t 3 j]c)wie beispielsweise
die auf Philä, also im religiösen Bereich, so merkwürdig, daß sie
unwillkürlich an die indischen Relikte erinnern. Der Gedanke ist naheliegend,
daß ihre Entstehung in der Begegnung Ägyptens mit Indien, besonders
während des 3. Jh. v. Chr. (Ägyptischer Gesandter in Papliputra) und
noch bis ins 5. Jh. n. Chr. hinein, zu suchen ist und nicht in prähistorischen
Traditionen der Felsbildkunst Nordafrikas, in der Fußsohlen nachweisbar
sind (u. a. H. Nowak, in: Almogaren, II, Graz 1971, S. 47 f.).
Da es in Ägypten eine den indischen Vorstellungen entsprechende Reliquienverehrung
nicht gegeben hat, nimmt man an, daß durch die Fußdarstellungen,
ganz wie im frühen Buddhismus, die bleibende Anwesenheit
der betreffenden Person an dem heiligen Ort, den sie betreten hat, gesichert
werden sollte6).
In den Unterweltsbüchern der Ägypter aus der 18. Dyn., besonders im
sogenannten Amduat (äg.: Ym d[w]3.t = Das, was in der D[w] 3.t, d. h. in
der Unterwelt ist), mit dessen Texten und Bildern seit Thutmosis I
(1505-1493 v. Chr.) die Sargkammern der königlichen Felsengräben ausgemalt
wurden, finden wir immer wieder die Schlange Mehen (äg.: ml}n =
umringeln). Sie schützt den Herrn des Totenreiches, Osiris, aber auch den
Sonnengott Re vor Gefahren, insbesondere der Dunkelheit in Gestalt des
Dämons Apophis (äg.:c.3pp), auf seiner nächtlichen Fahrt durch die Unterwelt.
Dabei ringelt sie sich am Rücken der Gottheit empor und wölbt sich
wie ein Baldachin an Stelle eines Schreines über deren Kopfn (Abb. 3).
Die Amduat-T exte reichen in ihrer Entstehung wahrscheinlich noch ins
Mittlere Reich, dürften aber erst im Übergang zum Neuen Reiche ihre endgültige
Gestalt erlangt haben (Hornung, 1. c., S. 17 f.).
Was Indien angeht, so wurde Gautama-Buddha, wie schon gesagt, aus einer
gewissen Scheu anfangs nur durch symbolische Hinweise, u. a. durch
seine Fußstapfen, dargestellt. Sein Bild in menschlicher Gestalt hat man erst
im 2. Jh. n. Chr. in Gandhara, Mathura und in der Ändhradesha-Schule
entwickelt. Unter diesen Darstellungen finden sich dann seit dem 4. Jh.
auch solche mit Schlangen (skr.: Naga) in der Nähe des Heiligen. Diese niederen
Gottheiten werden oft in Menschengestalt gezeigt. Am Kopfe tragen
sie als Zeichen ihres Wesens eine Schlange. Schon A. Grünwedel hat auf die
Uräusschlange als Parallele hingewiesens) und Anregungen aus dem Vorderen
Orient (Agypten) nicht ausgeschlossen. Daneben finden sich aber auch
Schlangen in tierischer Gestalt, oft mit einem menschlichen Oberleib, in
der Umgebung des Buddha.
Hierher gehört dann die Legende vom Naga Mucilinda (tib.: Klu bTangzung),
· der Gautama-Buddha während einer Meditation gegen drohendes
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Unwetter geschützt hat. Die Ikonographie zeigt, wie sich der Naga hinter
dem Rücken des Meditierenden emporreckt, um sich dann über dessen
Kopf zu breiten (Abb. 4a u. b.). Dieser Mucilinda wird auch mit mehreren
Schlangenhäuptern gezeigt. Die durch ihn abgewendete Gefahr ist der
durch Mehen begegneten nahezu gleich.
Wenn der hinduistische Vishq.u manchmal wie Buddha mit einer schützden
Schlange über dem Kopfe zu sehen ist, so dürften doch solche Darstellungen
den frühen buddhistischen dieser Art in Buddha-Gaya zeitlich nachzuordnen
sein, die wir ins 4. Jh. n. Chr. ordnen und deren textliche Grundlage
im Mahavagga des Palikanons aus dem 1. Jh. V. Chr. zu suchen ist9• ).
Das Motiv der schützenden Schlange im Buddhismus mit in Grünwedels
Vermutung möglicher ägyptischer Anregungen auf die Ikonographie des
frühen Buddhismus einzubeziehen, halte ich durchaus für berechtigt. Zu
weiteren ägyptischen Einflüssen und Relikten in Turkestan verweise ich
auf meine Arbeit in Almogaren (1. c.).
Auf einem tibetischen Weihwassergefäß aus Gelbmetall im LindenMuseum
(Stuttgart, Samml. Nr. 71535) finden sich in Treibarbeit phantastische
Nagawesen (tib.: Klu). Diese Schlangengottheiten sind hier im Stil alttibetischer,
von Indien nicht beinflußter Vorstellungen von den unterirdischen
Se [bSe] gestaltet9bl. Das des öfteren eingestreute, nach links gerichtete
Hakenkreuz (skr.: Svastika, tib.: gYung-drung) deutet auf die in Tibet
verbreitete Bon-Religion, in der die Se- bzw. Naga-Verehrung auffällig ist.
Einige Motive der Gefäße sprechen für eine Herkunft aus dem osttibetischen
Randgebiet, wo die Bon-Religion bis in die jüngste Vergangenheit lebendig
war. In ihr spielen alt-vorderorientalische Traditionen eine große
Rolle, wobei die Naga-Verehrung von megalithischen Gebieten im Westen
Tibets angeregt worden sein muß.
Von besonderem Interesse ist aber im Dekor des Gefäßes eine, wie das
Detail ausweist, Pelzkatze mit Schlangenhals (Abb. 5). Wie ich in früheren
Arbeiten gezeigt habe, war die chinesisch-tibetische Randzone von jeher
ein Wanderweg alt-vorderorientalischer Kulturtradition ost- und südostwärts.
Auf den bekannten altägyptischen Prunkpaletten aus spät-vorgeschichtlicher
Zeit findet sich das gleiche Fabelwesen wie auf dem tibetischen Weihwassergefäß10).
Es wird als Schlangenhalspanther bezeichnet (Abb. 6 )' und
kommt auch noch im Ornament beispielsweise eines Stabes aus dem Mittleren
Reich vor11 ). Nach Westendorfs Besprechung der Oxford-Palette steht
der Schlangenhalspanther in Beziehung zur Sonne12), was auch von dem genannten
tibetischen Fabelwesen gilt, wenn man das Swastikazeichen zwischen
seinen Beinen in die Deutung einbezieht.
Der Panther ist Sonnenverschlinger (Abend) und Sonnengebärer (Mor-
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gen) in einem. Darum wird der tote König auf die Raubkatzenbahre gebettet
und der Sempriester (äg.: sm) trägt beim Totenritual das Pantherfell, das
auf Deckplatten von Särgen des Alten Reiches abgebildet warD). Auch bei
den Etruskern hatte die gefleckte Raubkatze als Begleiter des Toten auf seiner
Jenseitsreise wahrscheinlich die gleiche Bedeutung14) . Die Schlange ist in
den Megalithkulturen von besonderer Gewichtigkeit und hatte wie bei den
Ägyptern u. a. verwandten Sinngehalt. Sie war kosmische Schlange (äg.:
3.t.f) und das Symbol der weiblichen Ewigkeit, so als Mutter des Sonnengottes,
aber auch Seelenträger und Gestalt der psychischen Komponente
des Menschen1s).
Dem Wasser kommt bekanntlich in den ältesten religiösen Vorstellungen
todbringende und Leben spendende Funktion zu; es ist Leben verschlingend
und Ort neuer Geburt zugleich. Somit ist die Anwesenheit der Pantherkatze
auf dem tibetischen Weihwassergefäß ebenfalls sinnvoll und entspricht
der Bedeutung dieses Fabelwesens in den altägyptischen Vorstellungen.
Die langhalsigen Wildtiere der Prunkpaletten sind uns von altvorderorientalischen
Siegelbildern der U ruk(IV)-Zeit bekannt16). Die Herkunft
des Fabeltieres im spät-vorgeschichtlichen Ägypten läßt sich sehr
wohl aus Kontakten mit Mesopotamien erklären. Für Tibet verbietet sich
dagegen nach den eingangs dargelegten Gründen eine direkte Übernahme
mesopotamischer Relikte aus ihrem Ursprungsgebiet. Es ist jedoch kaum
anzunehmen, daß im sino-tibetischen Raum das gleiche Fabelwesen mit
gleichem Sinngehalt und in gleicher Gestaltung nur zufällig in Übereinstimmung
mit dem entsprechenden altägyptischen Motiv entstanden ist.
Der Ursprung liegt noch ganz im Dunkeln.
Am ehesten ist man versucht, das Bindeglied zwischen dem alten Vorderen
Orient und Tibet in China zu suchen. Wenn wir auch bisher keine
Schlangenhalskatzen auf frühchinesischen Bronzen kennen, so ermutigen
immerhin die zahlreichen Fabeltiere dieser in China hochgeschätzten Sakralgefäße
zu dieser Vermutung. Wir wissen, daß die chinesische ShangKultur,
deren Bronzen sich durch die verschiedensten Fabelwesen auszeichnen,
u. a. in der sogenannten Lung-Shan-Kultur wurzelt, die um 2000 v.
Chr. reichlich Kulturgut aus Kleinasien empfangen hatl 7) . Trotzdem bleibt
rätselhaft, wie auf einem tibetischen Gefäß des 17./18 (?) Jh. eine nahezu
vollkommene Kopie des ägyptischen Schlangenhalspanthers erscheinen
kann.
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Abb. la
Brugsch, S. 1105
(Philä)
Abb. 3
Hornung,
7. Stunde
Abb. 4a
schematisch
(Tibet)
Abb. 4b
schematisch ( Cey Ion)
Abb. lb
Spiegelberg
( Hieroglyphe)
Abb. 2
Wirz, Abb. 4
(Südindien)
Abb.5
Linden-Museum
Nr. 71535
(Tibet)
Abb. 6
Westendorf, Abb. 6
(Ägypten)
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In meinen „Materialien zu einem Wörterbuch der Zan-Zun-Sprache"
(Teil III, in: Monumenta Serica, XXXII, 1975, S. 328 f.) und in meiner Rezension
H. Walravens „Kleinere Schriften von Berthold Laufer" (in: Tribus,
26, Stuttgart 1977, S. 150-152) habe ich einiges grammatisches Material
vorgelegt, das im Vergleich mit der monogolischen Schriftsprache eine
altaische Komponente des Etruskischen unter Beweis stellt. Sicherlich sollte
man auch das etruskische Personalpronomen 1. Person ( = mi) ergänzend
einbeziehen, wenn wir dafür im Mongolischen bi mit dem Genitiv mini [ u]
haben, das dem mene im Altkanarischen mit seinen Beziehungen zum Altaischen
entspricht, wie J. H. Scharf gezeigt hat. Schließlich möchte ich
noch zum etruskischen Adlativ ra das sumerische ra (zu, für) und das kanarische
ra erwähnen., für das etruskische ac (machen) das sumerische ak (machen),
für das etruskische Demonstrativpronomen ei, e,&., ita, eit mehrere
sino-tibetische Parallelen in R. Shafer, The Eurasial Linguistic Superfamily
(in: Antrophos, 60, 1965, S. 445 ff.) und für das Substantive bildende -ta das
Suffix -ta in der gleichen Bedeutung nicht nur im Mongolischen, sondern
auch im Zhang-Zhung. Zur kleinasiatischen Komponente im Etruskischen
verweise ich auf meine Arbeit „Zentralasien und die Etruskerfrage" (in:
Kairos, VII, 4, S. 284 ff.). Etruskisches Diminuativ -za, -ce erinnert mich an
Zhang-Zhung -ce, -ze, -se (chin.: tzti) und könnte der asiatischen Komponente
des Etruskischen angehören. In diesem Zusammenhang sei darauf
verwiesen, daß der seltsame Trägerrock der Todesdämonin Vanth hethitische
Vorbilder hat (vgl. E. u. H. Klengel, Die Hethiter, Leipzig 1970, Bildtafel
Nr. 10), ebenso die Ikonographie der etruskischen Göttin Turan (1. c.
Tafel 62). Der bekannte Aschebehälter in Gestalt einer Frau mit Wickelkind
(5. Jh. v. Chr.) in: M. Pallottino - H. u. I. Jucker, Etruskische Kunst,
2. Aufl. Zürich 1956, Abb. 92, hat seine Parallele in einer Göttin mit Kind
(1. Hälfte des 1. Jahrt. v. Chr.) auf Zypern (vgl. W. Afanassjewa - W. Lukonin
- N.Pomeranzewa, Kunst in Altvorderasien und Ägypten, DresdenMoskau
1977, Abb. 79).
Andererseits ist es nicht überraschend, wenn auch gewisse Kontakte Etruriens
mit der ägyptischen Kultur ihre Spuren in der etruskischen Sprache
hinterlassen haben1s
). Insbesondere scheint der Totenkult Ägyptens die
Etrusker beeindruckt zu haben, was bei der Bedeutung ihrer Fürsorge für
den Verstorbenen nicht verwunderlich ist. Wie weit die etruskische Mumie
von Agram hiermit im Zusammenhang steht, wird sich wohl nicht mehr
ausmachen lassen. Die etruskischen Sarkophagdeckel mit der liegenden Figur
des Toten haben keine griechischen, wohl aber ägyptische Parallelen.
Das gilt auch von der Scheintür als Verbindung der Welt der Lebenden mit
deni Jenseits in etruskischen wie in ägyptischen Grabanlagen19J.
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Die wenigen Beispiele, die sich mir beim Umgang mit dem Ägyptischen
und dem Etruskischen ergeben haben, können sicherlich um weitere bereicheh
werden. Ich verweise hier zunächst einmal auf das ägyptische mn in
der Bedeutung „fest", ,,dauerhaft", dann auch als mnw = ,,Denkmal" und
vielleicht noch im Namen der Gottheit Min (mnw). Es findet sich wieder
im etruskischen manim als „Denkmal" oder „Grabanlage". Ich nehme jedoch
eine gemeinsame mediterrane Wurzel mn an, aus der sich dann wahrscheinlich
auch das griechische mnema und das lateinische monumentum,
vielleicht auch das altbretonische men = ,,Stein" im Menhir des Megalithikums
herleiten, sämtliche in der gleichen Grundbedeutung. Die Frage etwaiger
gegenseitiger Beziehungen ist z. Zt. noch nicht durchsichtig. Anders
dagegen scheint es sich mit den folgenden Beispielen zu verhalten.
Das ägyptische mwt (,,der Tote") aus der semitischen Komponente des
Ägyptischen (hehr.: mut)zoi erklärt mir das etruskische mutana = ,,Sarkophag",
wenn wir „na" als Adjektivsuffix II mit der Bedeutung der Zugehörigkeit
nehmen. Es ergibt sich dann „Das zum Toten Gehörende" (-a- ist lediglich
Einschubvokal vor Suffixen und kann auch wegfallen: mutna). Die
vorkommende Bildung mutnia ist nach Auffassung von A. J. Pfiffig2 1J möglicherweise
eine italisierende Veränderung; vgl. auch die weiblichen Cognomina
auf -ania, -enia und -unia. Vor allem läßt sich vom ägyptischen mwt
nunmehr das bislang rätselhafte etruskische mutince in den Agramer
Mumienbinden22i verstehen. Ich sehe in diesem Verbum ( = ,,totsein", ,,töten")
im Suffix ,,-in" das Mediopassiv. Wir gewinnen dann die Verbform
,,getötet werden", an die das Suffix des schwachen Präteritums ,,-ce" angehängt
ist (,,getötet worden"). Diese Übersetzung fügt sich sinnvoll in den
Text ein.
Als drittes Beispiel verweise ich hier auf das ägyptische mn (sprich wahr~
scheinlich men) in der Bedeutung „Opfereinrichtung", ,,Opferstiftung".
Das Wort findet sich meines Erachtens wieder im etruskischen mene =
„Opfergabe" in den Agramer Mumienbinden (ed. Pfiffig, 1. c., S. 48, C II, 2
ff.), wobei das -e Suffix des Verbalnomens zu men = ,,geben" ist. Die Bedeutung
scheint eine die verschiedenen Opfer (mla"X,.: zusleve, fasci [fasle]
u. a.) umgreifende Leistung in fest vorgeschriebener Weise (etr.: zixne) zu
sein. Dieses etruskische men steht in wurzelhafter Beziehung zu mn = ,,teilen"
:verteilen", ,,geben" etwa im baskischen eman = ,,geben" oder im hebräischen
mnn und mnl] = ,,zuteilen", ,,schenken" ([men = ,,Teil"],
minqäh „Gabe", ,,Opfergabe") und im ugaritischen mnq
(,,Geschenk")23l. Das ägyptische mn ( = ,,Opfer") gehört in die Spätzeit als
Form des älteren fmnj.t. Das etruskische mene tritt frühestens auf dem Blei
von Magliano auf und gehört wie auch mut(a)na und mutince in das 4. Jh.
v. Chr.24J.
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In den genannten Beispielen haben wir es wahrscheinlich im Etruskischen
mit Lehngut der Sakralsprache zu tun. Jedenfalls kennen wir mene
nur so und mutana bzw. mutince dazu aus der Funeralsprache. Dabei darf
nicht vergessen werden, daß wir uns schon während der sogenannten archaischen
Periode der etruskischen Kultur (8.-5. [6.J Jh.) bereits in der
ägyptischen Spätzeit befinden, als Kulturgüter aus dem Niltal und religiöse
Vorstellungen der Ägypter, seit dem 6. Jh. v. Chr. in zunehmendem Masse,
in Italien und bei den Griechen bekannt wurden2s). Wenn wir G. Hölbl (Beziehungen
Ägyptens zu Italien, Wien 1974, S. 124-151) folgen, müssen wir
bei allen Berührungen der Etrusker mit Gegenständen aus dem Bereich der
ägyptischen Religion vornehmlich an Inhalte des Volksglaubens denken.
Lediglich im Funerären scheinen Entlehnungen aus der ägyptischen Hochreligion
vorzuliegen.
Die Frage ist des öfteren gestellt worden, wieso einem Tibetologen Etrurien,
einschließlich die etruskische Sprache, so von Interesse sein kann, daß
es in einer Untersuchung von Beziehungen zwischen der ägyptischen und
der indo-tibetischen Kultur erscheint. Ich muß hier auf einige meiner früheren
Arbeiten verweisen, in denen etruskische Themen im Vordergrund
standen. Wenn dort auch manches in den Einzelheiten oder in den schematischen
Zusammenfassungen korrekturbedürftig sein mag, so hat sich doch
andererseits die Grundkonzeption als durchaus richtig erwiesen. Vieles in
der tibetischen Kultur, vornehmlich in Kunst- und Kunsthandwerk, aber
auch im indo-tibetischen Pantheon des Buddhismus (Lamaismus), Kleinasiatisches,
Mediterranes, Alteuropides, läßt sich allein über die sogenannte
Pontische Wanderung des 9.-8. Jh. bzw. über Choresm aus dem urartäischen
Medium erklären, das zugleich für eine der Komponenten des in sich
komplexen Etruskertums, und zwar für die kulturtragende kleinasiatische,
von einflußreicher Bedeutung war und daher auch an vielen Relikten der
etruskischen Kultur erkennbar geblieben ist.
Die ostwärts gerichtete Wanderung schlägt mit dem Einbruch der Skythen
Anfang des 8. Jh. von Ost nach West um. Wie schwierig es jedoch ist,
den Ursprung etwaiger skythisch-etruskischer Parallelen festzustellen, zeigt
das Beispiel des Greifenkampfes, den ich in meinen „Notizen zu einem
etruskischen Stamnos in Altenburg" (in: Klio, 1980, 2, S. 331 ff.) erwähnt
und als Symbol etruskischen Angriffsgeistes verstanden habe. Raymond ·
Bloch in seiner Arbeit „ Traditions etrusques et tranditions celtiques dans
l'histoire des premiers siecles de Rome" (in: Comptes Rendus 1964, Acad.
des Inscr. & Belles-Lettres, Paris 1965, S. 348 ff.) will den Greifenkampf auf
etruskischen Darstellungen aus einem keltischen Epos mit dem Raben als
Verkörperung des Kampfes erklären. Dieses Epos bzw. das betreffende Motiv
sei durch die Kelten in Italien bekannt geworden. Es muß jedoch darauf
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hingewiesen werden, daß der Kampf mit einem Greif, auch mit dem dabei
fallenden Krieger, bei den Skythen wie bei den Griechen und Etruskern
glei hermaßen bekannt war. Nach den Vorstellungen der Antike (Aristeas,
Herodot) stand das mythologische Volk der hyperboreischen Arimaspen
im ständigen Kampf mit Greifen als den Hütern des Goldes. Das hat schon
G. Dennis (Die Städte und Begräbnisplätze Etruriens, Leipzig 1852, S. 483)
richtig erkannt. Bis in Einzelheiten übereinstimmende skythische, griechische
und etruskische Darstellungen aus dem 6.-4. Jh. zeigt P. Lindegger in
seinem Buche „Griechische und römische Quellen zum peripherischen Tibet"
(Rikon 1979, Abb. 3-8, 13). Der Ursprung des Greifen ist durchaus
nicht gesichert (vgl. A. P. Smirnov, Die Skythen, Dresden 1979, S. 143 f.).
Ostzypern hat den Greifenkampf bereits auf Darstellungen aus dem
14.-13. Jh. v. Chr. (Lindegger, Abb. 1). Greifen kannten Babylon und Assur,
Ägypten nachweisbar im Alten Reich (G. Steindorff, Die Kunst der
Ägypter, Leipzig 1928, S. 292). Die Etrusker scheinen das Motiv des Greifenkampfes
von den in Italien ansässigen Griechen übernommen zu haben
(vgl. Lindegger, Abb. 6: Tarent, Abb. 13: Motiv aus der griechischen Sage).
Was die etruskische und die ägyptische Kultur angeht, so sind beide als
wesentliche Faktoren im Verbund des Mediterraneums in dessen Vorgeschichte
verwurzelt, die nicht nur in der Vorgeschichte Zentralasiens, so
z. B. im tibetischen Megalithikum, sondern auch in der reichen Ikonographie
der Tibeter ihre Spuren unübersehbar hinterlassen hat.
Für die Erforschung des vorgeschichtlichen· Mediterraneums wiederum
wird man dessen westlichsten Ausläufer auf den Kanarischen Inseln, einschließlich
Weißafrika, nicht außer acht lassen dürfen. Ich kann hier zur
Dokumentation der diesbezüglichen Ergebnisse nur auf meine in Acta
Orientalia (42, Kopenhagen 1981 , S. 89 ff.) erschienene Bibliographie verweisen.
Den Beziehungen der Mittelmeerkulturen nachzugehen, einerseits
untereinander bis in ihren gemeinsamen Mutterboden hinein, andererseits
in deren Ausstrahlung bis nach Indien und Zentralasien erfordert noch weitere
kulturgeschichtliche und linguistische Kleinarbeit.
Im Totenbuch26J, Kap. 9. zeigt die zugehörige Vignette das Tor zur Unterwelt
(äg.: lml].t, d3.t) von Waser umgeben.
Es handelt sich hier bei der Vorstellung vom Wasser vor der Grenze zum
Jenseits um ein weit verbreitetes Mythenmotiv2n, das auch im tibetischen
Ge-sar-Epos vorkommt2sJ. Dort versperrt Wasser den Zugang zum Jenseits.
Es muß auf der Suche nach dem in die Unterwelt entrückten Helden passiert
werden29J.
Das Ge-sar-Epos ist, wie ich des öfteren gezeigt habe, reich an altvorderorientalischen
MythenparallelenJoJ. In diesem Zusammenhang sei
beispielsweise darauf hingewiesen, daß der sogenannte Mistkäfer (äg.: bprr),
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der vom Ägypter den Toten in Form eines Amulettes als Symbol eines neuen
Lebens mitgegeben wurde, auch im tibetischen Mythos vom Helden Gesar
vom Riesen als dem Vertreter der Unterwelt im gleichen Sinne verstanden
wurde, wenn er den Geruch des lebenden Ge-sar mit dem Geruch dieses
Käfers (mongolischer Text: cok xoroxoi) vergleichtJ1).
Vielleicht erklärt sich aus der Vorstellung vom Wasser an der Grenze
zum Jenseits auch der tiefere Sinn des rituellen Mumientransportes auf der
Nilbarke beim Leichenbegängnis vor der Bestattung im Grab der Totenstadt.
Diese Totenfahrt gilt als „Heimkehr im Frieden" als Heimkehr der
lebenden Seele des VerklärtenJ2).
Auch das Gefilde der Seligen, das soge~annte Binsenfeld (äg.: sg.t Ürw)
bzw. das Gefilde der Opfergaben (äg.: sh.t }:itp) ist vom Wasser umgebenJJ),
was altmediterranen, auch den Etrusker~ ehedem, d. h. vor Übernahme der
düsteren griechischen Hadesvorstellungen, bekannten Anschauungen
entsprichtJ4l. Auf einer Stele der 18. Dynastie heißt es in Verbindung mit
dem Toten „Er führt die Barke ... zu den Inseln des sb.t Brw" (Naville, 1.
c., S. 156 der Einleitung).
Schließlich ist neben der Totenfahrt anläßlich des Transportes der Mumie
bei der Y erquickung der verschiedensten, heterogenen J enseitsvorstellungen
der Agypter auch die Fahrt des Verstorbenen im Sonnenboot zugleich
die Reise zu jenseitigen Gefilden mit Zuweisung von Äckern an den
grünen UfernJsJ.
Im Sargtext 151 kommt der Tote beim Verlassen des Grabes bzw. der
Unterwelt aus dem großen SeeJ6J; vgl. auch das Totenbuch, Kap. 67. Die
eingangs erwähnte Vignette zum Totenbuch, Kap. 9 (Variante Kap. 73) des
Papyrus Reinisch, hier als Zugang zum Reich des Osiris, dürfte somit unser
besonderes Interesse verdienen. Der Weg durch das Wasser scheint ein Mysterium
zu sein, Inhalt einer Art Gnosis (äg.: rg) der Ägypter. Dem liegen
zweifellos archaische Vorstellungen von Tod und Leben im Wasser zugrunde.
Papyrus Reinisch: Eingang zur 1mq.t
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Das Relief einer etruskischen Urne zeigt neben dem Verstorbenen zwei
obeliskenartige Gebilde, die auf einem rechteckigen, einem Altar ähnlichen
Umeybau errichtet sindJ7l. Die Bekrönung dieser Gebilde erinnert an das
Pyramidion am oberen Ende der ägyptischen, aber auch einiger tibetischer
Obelisken. Die Beziehung zum Totenkult steht außer Frage. Wie schon A.
J. Pfiffig annimt, sind diese etruskischen Obelisken als Sitze von Totenseelen
oder todbezogener Gottheiten zu verstehen und darum recht gut aus
megalithischen Vorstellungen herzuleiten, wonach ein Monofüh neben
Seelensitz auch Sitz einer Gottheit sein kann.
Zu den von mir bereits skizzierten ägyptischen Einflüssen auf den etruskischen
Totenkult wird man ergänzend auch diese seltsamen, obeliskenartigen
Gebilde etruskischer Graburnen hinzunehmen müssen. Wahrscheinlich
gewinnen wir von ihnen aus gewisse Zugänge zur Deutung des viel diskutierten
ägyptischen bnbn in Heliopolis, dessen Sinngehalt umstritten ist,
wenn wir von der besonderen Beziehung der etruskischen Beispiele zum
Totenkult absehen und uns lediglich auf seine Aufgabe als Sit:z: einer Gottheit
beschränken.
Wenn es zutrifft, daß bnbn (auch mit Determinativ Obelisk) statt von bn
= ,,Stein" eher vom Verb wbn = ,,aufgehen", erglänzen" oder „scheinen"
(der Sonne) abgeleitet werden kannJs), dann liegen die megalithischen Vorstellungen,
die wir für die etruskischen Beispiele angenommen hatten,
ebenfalls an seiner Wurzel. Nach dem Pyramidenspruch 1652 ist mit ihm
die Anwesenheit Atums gegeben.
Vielleicht hatte dieser Stein in Heliopolis obeliskenartige Gestalt. Wenn
auch bnbn wohl nicht identisch mit thn (Wort für Obelisk) sein dürfte, so
gibt es doch zu denken, wenn man in Amarna und dann in griechischer
Zeit beide Begriffe gleichgesetzt hat. Der Stein befand sich in Heliopolis im
!J.t bnbn, dem Benben-Haus, oft auch als „Obeliskenhaus" bezeichnet, zumal
er als möglicher Vorläufer aller Obelisken verstanden wird. Vielleicht
war er nicht viel größer als seine etruskischen Geschwister. Man hat im
Benben von Heliopolis aber auch Gebilde aus Teig sehen wollenJ9), die dann
den tibetischen gTor-ma entsprechen würden, die gern pyramidenförmig
gestaltet werden und stets Behausungen von Gottheiten oder sonstigen numinosen
Kräften sind4o). Doch nicht nur diese gTor-ma, sondern auch gewisse
rDo-ring standen in tibetischen Tempeln. Dabei dienten die rDo-ring
in der wörtlichen Bedeutung des Menhir der Vergegenwärtigung des Königs
und des mit ihm gewährleisteten kosmischen Segensstromes, ähnlich
den Obelisken in ägyptischen T empelanlagen.
Sollte es sich beim Benben in Heliopolis tatsächlich um ein Gebilde aus
Teig gehandelt haben, wie auch R. 0. Faulkner annimmt4 t) , so ist damit der
megalitihische Ursprung mit seinem spezifischen Sinngehalt durchaus nicht
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in Frage gestellt. Die ägyptischen und etruskischen Objekte, wie sie hier
zur Erörterung anstehen, sind jedenfalls archäologisch nicht mehr nachweisbar.
Wenn man bedenkt, daß die gTor-ma aus Teig sehr kunstvoll verziert
sind und dabei mitunter pflanzliche Motive aufweisen, so können
auch die etruskischen Gebilde aus diesem unbeständigen Material gewesen
sein. Unsere Skizze 2 ist wie 4 vereinfacht. In Wirklichkeit sind die Kanten
der Pyramiden geperlt. In der oberen Hälfte umgibt sie je eine Blätterranke,
sodaß man kaum an ein Werk in Stein denken kann, wenn sie nicht mit
Kränzen behängt sind, wie auch andere Kultobjekte.
Die paarweise Aufstellung bei unserem etruskischen Beispiel, die jedoch
auch für den bnbn und die ägyptischen Obelisken bezeugt ist und dem dualistischen
Denken des Ägypters entspricht, begegnet uns auch sonst im alten
Orient, so etwa bei den beiden Paradiesbäumen (1. Kön. 7, v. 15 f.; 2.
Chron. 3, v. 15 f.) oder in den beiden von Zweigen umwundenen Masten
auf einem kretischen Libationsgefäß42). Die damit verbundenen Vorstellungen
vom Weltenbaum können durchaus mit dem etruskischen Gebilde mit
seinem Blätterkranz, aber auch mit dem bnbn verbunden gewesen sein, da
sich in der megalithischen Umwelt Weltenbaum, Axis mundi und Götterbzw.
Geistersitz nicht mehr immer entflechten lassen4J) . Auch der Ägypter
kannte den doppelten Weltenbaum, die beiden jenseitigen Sykomoren.
Schließlich darf hier noch an die hohen Flaggenmasten vor tibetischen
Tempeln erinnert werden, die ihre ägyptischen Parallelen haben. Ich halte
den bnbn für ein speziell in Heliopolis für Atum geschaffenes und von
Amenophis IV. wieder aufgegriffenes Objekt mit der Aufgabe einer Vergegenwärtigung
der Gottheit und erwachsen aus megalithischen Vorstellungen.
Insofern ist er verwandt mit den jüngeren Obelisken, auch wenn er in
seiner Form von diesen abweichen sollte.
1 2 3 4
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1) von einem Skarabäus Thutmosis III.
;~\vJn etruskischen Graburnen (schematisiert)
4) gTor-ma aus Teig (schematisch)
Megalithikum
Menhir:
Ägypten
Sicherung der Dauer wg (Stele), tgn (Obelisk), gd (-,,Pfeiler")
Seelensitz (Sitz der Gottheit)-.. wg, thn, bnbn (Benben-Stein)
Verbindung Diesseits-Jenseits~ wg
Axis mundi iwn (,,Pfeiler")
phallisch !wn (?)
(Zu gd-,,Pfeiler" die Einschränkung in „Ägypt.-tibet. Parallelen", Anm. 7).
(Zu iwn stütze ich mich trotz der neuerlichen Skepsis bei Martin, 1. c., und
im „Lexikon d. Ägyptologie" (Iun-Pfeiler) auf Kees „Götterglaube", S. 96,
130, 218).
In meiner Abhandlung „Die Bedeutung der Na-khi-Ikonographie für ein
Bon-Pantheon"44J habe ich am Schluß in Anmerkung 23 die Bilderschrift
der Na-khi und die seltsamen Übereinstimmungen in ihrem Gebrauch.der
Ideogramme mit der Anwendung der ägyptischen Hieroglyphen erwähnt.
Die Na-khi sind bekanntlich als Zweig der Ch'iang in der Gegend um den
Küke-noor mit den Tibetern verwandt und siedeln heute nach ihrer einstigen,
südwärts gerichteten Wanderung im Gebiet chinesisch-tibetischer
Stämme in der Gegend von Wei-Hsi, Li-Chiang und Yung-Ning. Ihre Religion
ist weithin die der tibetischen Bon-po und reicht somit in ihrer Kernsubstanz
in vorbuddhistische Zeiten, d. h. vor das 7. Jh. n. Chr. zurück und
ist wesentlich vom Stammland des Bon-Glaubens aus geprägt worden. Damit
im Zusammenhang stehen zweifellos noch andere kulturelle Einflüsse
aus Tibet. 4s)
Die Bücher der Na-khi, meist dienen sie bestimmten Ritualien, bestehen
aus Blättern eines groben Papiers und entsprechen im Format denen der altägyptischen
Papyri. Verwendet werden zwei Schriftarten, eine Silbenschrift,
die uns hier nicht beschäftigt, und die eingangs erwähnte, gegenüber
der Silbenschrift bevorzugte Bilderschrift, deren Aufgabe mnemotechnischer
Art ist.
Zur Anwendung kommen Ideogramme, die entweder ein konkretes Objekt
oder eng damit Zusammenhängendes darstellen, wie z. B. Sonne und
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dazu Licht oder auch Tag. Ideogramme werden aber auch genau wie m
Ägypten zur Wiedergabe von grammatikalischen Partikeln (Endungen
usw.) verwendet, sofern der Laut des betreffenden Bildzeichens dieser Partikel
entspricht. Auch bei der Bildung abstrakter Begriffe haben die Ideogramme
phonetische Bedeutung. Kann jedoch die Aussprache eines Bildzeichens
verschiedene Worte bedeuten, so fügt man, wiederum wie im Ägyptischen,
noch ein Deutzeichen hinzu, das erkennen läßt, was das Wort aussagen
soll. Mitunter können einem Ideogramme zu größerer Klarheit und
Eindeutigkeit sowohl Laut- als auch Deutzeichen beigegeben werden. Die
Schrift läuft in Zeilen von rechts nach links.
Die Übereinstimmungen mit den Prinzipien der ägyptischen Schrift sind
auffallend. Nun vermutet]. Bacot46J in Anlehung an Terrien de Lacouperie,
daß die Na-khi dieses Schriftsystem aus Tibet erhalten haben. Seiner Meinung
nach ist es ausgeschlossen, daß die Tibeter erst im 7. Jh. n. Chr. im
Zusammenhang mit der Einführung des Buddhismus die Kunst des Schreibens
kennenlernten. So hat man in gewissen, den Piktogrammen der Nakhi
verwaridten Bildern auf tibetischen Divinationstafelp Reste einer alttibetischen
Schrift vermutet47J, die zumindest zum Grundstock der daraus
entwickelten, nur noch mnemotechnisch verwendeten Bilderschrift der
Na-khi gehören könnte.
Ich gebe nunmehr aus der Fülle der Na-khi-Piktogramme einige merkwürdige
Übereinstimmungen in der Gestaltung dieser Bilder mit ägyptischen
Hieroglyphen. Viele der Ideogramme wie die für Mensch, Ohr,
Hand, Fuß, ein auffliegender Vogel für „fliegen", Ei, Körner, Pfeil (mit Bogen)
für „schießen" u. a. führe ich hier nicht an, da die Identität ihrer Gestalt
in beiden Bilderschriften zureichend im Objekt begründet ist, das sie
darstellen. Man könnte auch einige Zeichen der folgenden Liste hier mit
einbeziehen. Ideogramme für Vagina (4), Land (6), die Gestaltung des Mondes
(8) und vor allem Nr. 9 (hoch, über) geben uns allerdings zu denken.
Sicherlich hat diese Schrift, sollte sie aus Tibet stammen, seither bei den
Na-khi mancherlei Wandlungen erfahren, Bereicherungen aus dem neuen
Lebensraum, Anpassungen an spezifische Vorstellungen usw. Vor allem
sollte nicht übersehen werden, daß die gezeigten Prinzipien der Verwendung
der Piktogramme zu einem System entwickelt sind, dem das kulturelle
Niveau der Na-khi durchaus nicht entspricht.
Die Frage, ob die Tibeter die Anregung zur Ausbildung einer Bilderschrift,
sofern sie eine solche hatten, etwa aus dem Stammland der BonReligiori,
aus Zhang-zhung mit dem Kailasa als uraltem Zentrum, erhalten
haben, · muß unbeantwortet bleiben. Ein Zusammenhang mit altvorderorientalischem
Kulturgut, an dem die Bon-Religion so reich ist, wäre
jedoch denkbar.
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Na-khi
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: Phallus) phonetisch nyi 1
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1 50) khu : {Mond,) Nacht
1 zhou : Pflanze
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hoch, über
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~w : Berg
rc : Sonne, Tag
ich : Mond
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hd
Pflanze, Kraut
Silber
c3 .: Tor
t)rj : hoch, über
~ Die Zahlen bei den Na-khi-Worten und im Chinesischen bezeichnen den Wortton
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Sicherlich war Osiris, wie J. Assmann (Ägyptische Hymnen und Gebete,
Zürich und München 1975, S. 72) gezeigt hat, kein Vegetationsgott, sondern
in seinem Mythos sah man Vorgänge der Natur dargestellt. Im folgenden
geht es jedoch um die Ursprünge dieses Mythos.
Zu den verschiedenen Vorstellungen, die sich im Osiris-Mythos vereinigt
haben, z. B. die vom König als Kulturheros der Urzeit, der im Sohne neu
erstehtst), oder vom Totengott, gehören vor allem solche von der Schöpfung
und deren Erhaltung. So ist Osiris dann der sterbende und auferstehende
Gott. In der ältesten Fassung der Überlieferung, in den sogenannten
Pyramidentexten, wird die Leiche des Getöteten ins Wasser geworfen, wo
sie sich auflöst, bis Nut als Mutter des Osiris sie wieder restauriert (Pyr.
318, 825, 828). Aber auch Plutarchs2) bringt in seinem Kommentar diese
Deutung vom Sinn des Lebens und Sterbens dieser Gottheit, insbesondere
im Zusammenhang mit dem Nil und seinen Perioden.
In eine meines Erachtens ganz andere Tradition gehört die Zerstückelung
des Leichnams. Diese geschieht nicht im engen Zusammenhang mit der Ermordung.
Erst, nachdem der Leichnam gefunden und aus dem Wasser geborgen
war, wird zwischen die Beweinung und die Auferstehung der Vorgang
des Zerstückelns eingeschoben. Das ist am deutlichsten in der Überlieferung
im 18. Kapitel bei Plutarch zu erkennen, während DiodorsJJ den
Vorgang eng mit der Ermordung verbindet. Über das Schicksal der Leichenteile,
die Seth über das ganze Land zerstreut, wobei nach einer der Versionen
jeder der 42 Gaue des Landes eine Reliquie erhielt, gehen die Berichte
auseinander. Nach Plutarch habe Isis gemäß der einen Tradition die Teile
dort begraben, wo sie von ihr gefunden wurden, weshalb es in Ägypten so
viele Osirisgräber gäbe wie Teile des Leichnams, nach der anderen Uberlieferung
aber habe sie alle Teile gesammelt und wieder zusammengesetzt und
den Orten, wo sie gefunden wurden, nur Nachbildungen zur Verehrung
übergeben. Nach Pyr. 617 vereinigt Horus die Glieder des Osiris. Plutarch
vergleicht das Schicksal des Osiris mit dem des Dionysos, der sich mitunter
in Stiergestalt offenbarte und zerrissen ( G'"trrA~~'(f'{OS ) wurde (Kommenatr
zu Kap. 34 f.). Der Mythos von der Zerstückelung (äg.: dt~) des Osiris kann
durchaus erst aufgenommen worden sein, als mehrere Orte zugleich behaupteten,
den Gott zu besitzen. Hermann Keess4J nimmt an, daß dieser
Mythos vielleicht im Gebiet um Busiris entstanden ist, wo man einen Stier
als den Zerstückelten verehrt hat (Pyr. 58Ö). Nach Plutarch wird Osiris
auch zerissen ( ö lo-.~L'f"'-1., ).
In agrarischen, weit verbreiteten Mythen ist eine Zerstückelung ein der
Schöpfung integrierter Vorgang; so im Mythos vom Urmenschen. In den
Fruchtbarkeitsriten von Agrarvölkern werden mitunter die Teile eines zer-
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stückelten Menschen auf das Land verstreut. Was jedoch die Vorstellungen
eine archaischen Jägerkultur von der Zerstücklung und Neubelebung des
Zers ückelten angeht, so stehen diese vielleicht in kontinuierlichem Zusammen
mit dem argrarischen Zerstückelungsmotivss). Vielleicht sind an der
Wurzel des Osiris-Mythos vom sterbenden und auferstehenden Gott als periodische
Erneuerung des Lebens altjägerische Traditionen der Zerstückelung
und Neubelebung anzunehmen. Vor Anwendung der Mumifizierung
wurde in vordynastischer Zeit Ägyptens der Leichnam nach jägerischem
Brauch zerlegts~. Daneben mögen auch Relikte agrarischer Mythenmotive
von der Zerstückelung einer Gottheit durch eine andere feindliche vorhanden
sein. Wenn auch die Beziehungen zum Vorgang der Schöpfung fehlen,
so läßt doch die Zerstreuung des Zerstückelten eine Nachwirkung von
Fruchtbarkeitsmythen dieser Schicht vermuten.
Im Zusammenhang mit Horus und seinem Gegner im Osiris-Mythos,
Seth, möchte ich auf eine bekannte ägyptische Darstellung verweisen, auf
der die Gottheit Horus und in der Aufsicht rechts von ihm Seth mit dem
eselartigen Kopf eines Fabeltieres ein Seil mit Papyros- und Lilienblüte an
öen Ehzen um das Schriftzeichen sm3 ( = vereinigen) schlingen, dessen
Schaft zu einer Säule gelangt ists7) . G. de Santillana u. H. v. Dechendss) vermuten
Beziehungen zwischen dieser ägyptischen Darstellung und den indischen
Konzeptionen von der Quirlung des Ozeans. Die indischen Bilder
zeigen in Aufsicht rechts die den Göttern feindlichen titanischen Asuras,
die mit z. Teil eselsähnlichen Fabelköpfen den typhonischen Mächten entsprechen,
gegenüber aber die Götter. Beide fassen ein Ende der um die Säule
des Weltberges als Quirl wie ein Seil gewickelten Schlange. Der Vergleich
verdient behutsame Beachtung. Die Vorstellung von der kosmischen Drehung
scheint vielleicht die Darstellung der ägyptischen Sternbilder in der
Nähe des himmlischen Nordpols zu enthalten, wo das Nilpferd einen
Pflock mit einem Seil hält, dessen Ende mit dem Sternbild des Großen Bären
(äg.: bp~; Seth) verbunden istS9l.
Was das Zerstückelungsmotiv angeht, so kann hier noch auf eine tibetische
Parallele verwiesen werden. Es handelt sich um einen Vorgang in einem
der 'Cham genannten tibetischen Kulttänze, und zwar um den während
der Wintersonnwende aufgeführten. Dabei wird die Teigpuppe eines
Menschen zerstückelt und die Teile werden in die Zuschauer in die vier
Himmelsrichtungen zerstreut. In der späteren buddhistischen Umdeutung
dieses in seiner Substanz sehr alten, vorbuddhistischen Maskentanzes wird
die Teigpuppe als Feind des Glaubens verstanden, den es zu vernichten gilt.
Sie dürfte aber eher ein Substitut für ein ursprüngliches Menschenopfer mit
fruchtbarkeitsmagischer Bedeutung an der Wende zu einem neuen Jahr ge-
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wesen sein. In einer durch L. A. W addel beschriebenen Ver~ion dieses
'Cham verzehren die Zuschauer von den Teilen, die sie erhaschen können
oder nehmen sie als wirksame Reliquien mit sich fort6Dl . Wahrscheinlich liegen
Ideen vorn Opfer des U rrnenschen zugrunde, wie sie auch im OsirisMythos
vorhanden sein können, da mit Osiris Vorstellungen von einem
mythischen U rkönig verbunden sind6t).
Unsere Deutung des ursprünglichen Sinngehaltes des Osiris-Schicksals
wird dadurch gestützt, daß Osiris nach Plutarch (1. c.) auch mit dem Monde
gleichgesetzt und in vierzehn Teile (auch 3 mal vierzehn = 42) zerstückelt
wird, was auf die Zeit des abnehmenden Mondes verweist. In zahlreichen
Mythen wird die Zerstückelung eines Urwesens mit der Fruchtbarkeit
und dem Geschehen des Mondes in Zusammenhang gebracht62l.
Den Eintritt in ein neues Leben nach dem Tode bezeichnet der Ägypter
mit Begriffen wie w~rn'nb, d. h. ,,Wiederholung des Lebens" im Sinne einer
Erneuerung des individuellen Einzellebens, oder w~rn rnaw.t als „Wiederholung
des Geborenwerdens". Dabei dürfte das nur auf den König angewendete
wqrn rnsw.t vielleicht mehr die Regeneration seiner Existenz angezeigt
haben62l. In jedem Falle bedeutet der Eintritt in ein neues Leben nach
dem Tode irj.t bpr.w, was sich am besten mit „Gestalt machen" oder „In
Erscheinung treten", stets aber auf der anderen Ebene jenseits des Todes
wiedergeben läßt. So sind auch die sogenannten Verwandlungskapitel bzw.
Verwandlungssprüche im Totenbuch besser Sprüche des in Erscheinung
tretens.
Bei einer Untersuchung der Frage nach möglichen altägyptischen Vorstellungen
von einer Wiedergeburt im irdischen Lebensbereich müssen wir
das Erscheinen eines höheren, göttlichen Wesens in einem niederen durch
Einwohnen seines Ba, worunter vielleicht die psychische Bewußtseinskornponente
zu verstehen ist,ausklarnrnern. Auch der Tibeter kennt ähnliche
Vorgänge der Inkarnierung6JJ. Auszuklammern wäre auch das immer neue
Erscheinen einer Gottheit in vergänglichen Körpern mit dem Zustandekommen
einer sukzessiven Reihe wie etwa die der Apisstiere.
Nach H. Ranke.64) geschieht Wiedergeburt, wie wir sie beispielweise aus
der indischen Lehre von der Seelenwanderung kennen, vom Willen des betroffenen
Menschen unabhängig, während sich Irj.t hpr.w in freier Wahl
vollzieht. Es ist aber jegliches in Erscheinung treten als"1rj.t hpr.w zu verstehen.
Unabhängig von diesen Kriterien bleibt die Frage, ob ~in Mensch vor
seiner Geburt schon einmal auf Erden gelebt haben kann, also auch unabhängig
von einer karrnisch bestimmten Kette von Tod und neuer Geburt.
Dabei ist äann zu bedenken, daß nach ägyptischer Aufassung letztlich das
in anscheinend freier Wahl vollzogene trj.t bpr.w schicksalhaft bedingt ist,
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da Wesen, Charakter und Lebenslauf determiniert (äg.: s3j) sind6sJ.
Nach allen diesen Überlegungen erscheint mir die Erzählung von einer
echtJn Wiedergeburt in dem bekannten ägyptischen Märchen von den beiden
Brüdern66J, wonach der eine, Bata, nach seinem T ade in einem königlichen
Kinde wiedergeboren wird, weiterhin ernsthafter Prüfung wert zu
sem.
Selbst dann, wenn die beiden Brüder Gottheiten waren, wie Morenz
(1954, S. 417) als Gegenbeweis zu einer echten Wiedergeburt ausdrücklich
betont, ist das Märchen weitgehend ins Menschliche übertragen worden. So
taucht auch die im Märchen enthaltene, sonst als Erzählung von Potiphars
Weib bekannte Episode weltweit im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen
auf. Wir finden sie nicht nur in der Josephgeschichte des Alten Testaments,
sondern auch im tibetischen Geschichtswerk bTsun-mo-bka'thang-
yig als Bericht von dem frommen Mönch Vairocana67i. Merkwürdigerweise
kennt der Tibeter auch die Vorstellung vom Baum, von dem das
Leben oder Wesen eines Menschen abhängig ist (tib.: Bla-shing; Bla = äg.:
Ba; shing = Baum), daß dieser Mensch sterben muß, wenn der Baum abgehauern
wird, so wie Batas Leben mit dem einer Zeder fällt.
Wenn auch die allgemeingültige, insbesondere die theologische Vorstellung
vom Schicksal des Menschen post martern mit dem Begriff !rj.t bpr.w
als dem in Erscheinung treten auf der anderen Seinsebene jenseits des T odes,
nach einem Hinübertreten als einmaliger Vorgang, eindeutig gegeben
ist, so kann dennoch die Möglichkeit einer Wiedergeburt im Diesseits
durchaus zum vulgären Glaubensgut gehört haben, das sich auch sonst gern
des Märchens bedient. Darauf hat schon Erwin Rohde unter Hinweis auf
die „Popularpsychologie aller Völker der Erde", insbesondere auf volkstümliche
Erzählungen der Griechen, aufmerksam gemacht. Man darf hier
auch an die christliche Tradition im Johannesevangelium erinnern, wo in
Kap. 9, 2 entgegen der in sich recht unterschiedlichen kanonischen Auffassung
vom Schicksal der Verstorbenen eine Wiedergeburt auf Erden für
möglich gehalten wird, wenn die Jünger als Sprecher des Volkes angesichts
eines Blindgeborenen fragen, ob dieser gesündigt habe, daß er blind geboren
wurde. Diese Vorstellung wird, obwohl sie im Evangelium aufgezeichnet
ist, von der christlichen Dogmatik ebenso übergangen wie offenbar eine
mögliche Wiedergeburt von der ägyptischen. So hat das Volk auch in Johannes
dem Täufer eine Wiedergeburt des Elias oder eines der großen Propheten
längst vergangener Zeiten gesehen (Ev. Joh. 1, 21); In ähnlicher
Weise wird in dem ägyptischen sogenannten Setna-Roman die Wiederkehr
eines vor Jahrhunderten verstorbenen Zauberers vermutet.
Vielleicht läßt sich so die durch Herodot (II, 123) gemachte Behauptung
vom Glauben der Ägypter an eine Wiedergeburt auf Erden einigermaßen
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befriedigend aufgreifen, ohne sie gänzlich der falschen Information zu beschuldigen.
ZUSAMMENFASSUNG
Den vorliegenden Untersuchungen liegen als Voraussetzung rege Kontakte
zwischen der Kultur am Nil und der Indiens einschließlich des Raumes
nördlich vom Himalaja zugrunde.
Was die zunächst besprochenen Fußabdrücke, etwa auf Philä, angeht, so
ist wegen der relativ späten Beispiele, aber auch wegen der übereinstimmenden
Bedeutung Anregung aus Indien wahrscheinlich. Trotzdem ist diese
Abstammung wegen des Vorkommens prähistorischer Fußabdrücke auf
Felszeichnungen Nordafrikas nicht unbedingt zwingend. Anders dagegen
dürfte der schützende Schlangenbaldachin (Mehen) das Vorbild für ähnliche
indische Darstellungen gegeben haben. Rätselhaft bleibt indessen der
Ursprung des ägyptischen Schlangenhalspanthers auf tibetischen Kultgefäßen
des 17./18. Jh. Vielleicht führt der Weg dieses Motivs über die LungShan-
Kultur mit kleinasiatischem Kulturgut.
Eingehende Untersuchungen erfordert noch der Einfluß Ägyptens auf
das etruskische Funeralwesen. Von Worten eines gemeinsamen mediterranen
Ursprungs abgesehen, lassen sich verschiedene Begriffe der etruskischen
Funeralsprache mit Hilfe des Ägyptischen entflechten und sinnvoll
deuten.
Von den mythologischen Vorstellungen interessiert das Wasser vor dem
Tor zum Jenseits, ein weitverbreitetes, archaisches Mythenmotiv. Es erklärt
nicht nur eine Textvignette und die Inseln der Seligen im ägyptischen
Totenbuch, sondern kann auch den Mumientransport in der Nilbarke, die
Herauskunft des Toten aus einem See beim Verlassen der Unterwelt und
das Wasser in der Nähe der Megalithgräber verständlich machen. Mit megalithischen
Traditionen scheinen die etruskischen Obelisken, wahrscheinlich
auf Altären, in Beziehung zu stehen. Sie .können als Sitz von Gottheiten
gegolten haben. In Gestalt und Funktion, vielleicht auch im Material,
sind sie den gTor-ma auf tibetischen Altären vergleichbar. Von diesen und
den etruskischen Objekten ließe sich bei Beachtung der Pyramidentexte
und unter Ausklammerung des Totendienstes vielleicht einiges zur Aufhellung
des viel diskutierten Benben-Steines von Heliopolis gewinnen, zumal,
wenn wir an die Funeralsprache denken, die Möglichkeit besteht, daß der
etruskische Totenkult ägyptische Vorbilder gesucht hat, in diesem Falle für
die Vergegenwärtigung von Gottheiten, was sich jedoch in keiner Weise
dokumentieren läßt. Eine ebenfalls durchaus noch nicht geklärte Frage ist
die nach dem Sinn der Zerstückelung des Osiris und der Zerstreuung der
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Teile seines Leichnams. Die fruchtbarkeitsmagischen Zusammenhänge von
Tod, und Auferstehung des Gottes lassen Vorstellungen agrarischer FruchtbarReitsmythen
an der Wurzel dieser Zerstückelung vermuten.
In meinen „Ägyptisch-tibet. Parallelen" habe ich greifbare ägyptische
Kultureinflüsse innerhalb der tibetischen Kultur nachgewiesen. Zu ihnen
gehört wahrscheinlich auch ein Schriftsystem, das mit seinen Gesetzen,
aber auch mit einigen Ideogrammen der ägyptischen Schrift entspricht und
vor der Schaffung einer Schrift in Anlehnung an Gupta-Alphabete (im 7.
Jh. n. Chr.) bekannt war, dann aber mit der im wesentlichen vorbudd?i~tischen
tibetischen Bon-Religion zu den stammverwandten Na-kh1 1m
osttibetisch-chinesischen Grenzgebiet gekommen ist, wo es als mnemotechnische
Bilderschrift bis in unsere Gegenwart verwendet wurde.
ANMERKUNGEN
1) Vgl. S. Hummel, Tut-ench-Amun auf dem Leoparden (in: Orientalia
Suecana, XXIII-XXIV, Uppsala 1976, S. 65 ff.). - Für den tantrischen
Buddhismus vielleicht hethitisch-chaldische Bezüge, durch Medien. - Z~
alt- vorderorientalischen Einflüssen auf Süd- und Zentralasien vgl. S. Hummel,
A Gnostic Miscellanea (in: East and West, 24, 3-4, Rom 1974, S. 349
ff.).
2) H. Brugsch, Thesaurus Inscriptionum Aegyptiacarum, 5. Abt. Leipzig
1891, S. 1005 f. mit Abbildung der Füße eines Priesters. - F. LI. Griffith,
Catalogue of the Demotic Graffiti of the Dodecaschoenus, Oxford 1935, pi.
LXX. - Diese Fußabdrücke sind nicht zu verwechseln mit den beiden Sandalen
(!.b.tj) als hieroglyphisches Zeichen für Herrschaft, obwohl auch diese
die Gegenwart ihres Trägers realisieren sollen (vgl. Abb. 1 bin: W. Spiegelberg,
Ein neues Denkmal aus der Frühzeit der ägyptischen Kunst, in:
Zeitschr. f. ägypt. Sprache, 25, 1897, S. 7 ff.). Hierzu unsere Abb. 1 b. Hierzu
L. Castiglione, Zur Frage der Sarapis-Füße (in: Zeitschr. f. äg. Sprache
und Altertumskunde, 97, S. 30 ff.). Fußabdrücke aus älterer Zeit, als die
von mir erwähnten, habe ich für Ägypten nicht ausfindig machen können,
wenn wir von neolithischen Felszeichnungen absehen (vgl. G. Wilke, Kulturbeziehungen
zwischen Indien, Orient und Europa, Würzburg 1913, S.
230). ,
3) S. Hummel, Magische Hände und Füße (in: Artibus Asiae, XVII, Ascona
1954, S. 149 f. mit Abbildung einer tibetischen Malerei). - Id. , Die Fußspur
des Gautama-Buddha auf dem Wu-T'ai-Shan (in: Asiatische Studien,
XXV, Bern 1971, S. 389 ff. mit Beschreibung der Überlieferung von der
Entstehung der Abdrucke in Pataliputra).
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4) S. Hummel, Etruskisches in Weinmar (in: Jahreshefte des Österreichischen
Archäologischen Instituts, Bd. 53, Wien 1980, S. 19 f., Geste 9). Dort
zur Geste 1 (Totenklage): Sie findet sich nicht nur bei den Ägyptern, sondern
auch bei den Griechen.
5) P. Wirz, Buddhas Füße und Fußspur (in: Jahrbuch des Bernischen Historischen
Museums in Bern, XXVII, S. 1 ff.).
6) Herr Dr. Beinlich schließt nicht aus, daß es sich in Philä u. a. um Kritzeleien
von Besuchern mit der Absicht des genannten Effektes handeln kann
(briefl. Mitt. v. 7. 3. 80). - Für Fußsohlen in der Felsbildkunst vgl. H. Biedermann,
Bildsymbole der Vorzeit, Graz 1977, S. 90
Zu den Einflüssen indischer Lehren auf die alexandrischen Neuplatoniker
und Neupythagoräer, des SaIJ1khyasystems und des Buddhismus auf die
Entwicklung der Gnosis (Basilides) vgl. H. Berstl, Indo-Koptische Kunst
(in: Jahrbuch d. Asiatischen Kunst, I, Leipzig 1924, S. 165 ff. mit Hinweisen
auf R. Garbe u. a.). Klemens v. Alexandria wußte vom Buddhismus in
Chinesisch-Tukestan (hierzu: Ägyptisch-tibetische Parallelen, Anm. 19. Zu
den dort genannten ägyptischen Motiven in Chinesisch-Turkestan ergänzend
auch das ägyptische Räuchergefäß in A. v. Le Coq, Bilderatlas zur
Kunst und Kulturgeschichte Mittel-Asiens, Berlin 1925, Neudruck Graz
1977, s. 41, fig. 13).
7) E. Hornung, Ägyptische Unterweltsbücher, Zürich und München 1972,
S. 130.
8) A. Grünwedel, Buddhistische Kunst in Indien, 2. Aufl. Berlin 1919, S.
43, Abb. 5: Nagas mit Schlange an der Stirn (Relief aus Amaravat1, Indien,
1-3. Jh. n. Chr.); ferner A. Grünwedel, Altbuddhistische Kultstätten in
Chinesisch-Turkestan, Berlin 1912, Fig. 62 (Malerei aus Qyzil in Turkestan,
vor dem 7. Jh.). Die Gestalt hat zwei Schlangen an der Stirn ähnlich
den vom ägyptischen König getragenen beiden U räen. Zwischen den
Schlangen zeigt die Malerei eine (Sonnen?-)Scheibe. - Zu den ägyptischindischen
Beziehungen besonders die Anwesenheit buddhistischer Lehrer
in Alexandria und Pflege indischer Studien an der dortigen Bibliothek im 3.
Jh. v. Chr. Nach W. M. Flinders Petrie, Memphis I, London 1909, S. 16;
III, 1910, S. 46, gab es schon im 5. Jh. v. Chr. indische Niederlassungen auf
ägyptischem Boden. Wichtig ist der regelmäßige Handel mit Indien im 4.
Jh. n. Chr. Weiters zum Thema in Almogaren, 1. c. Hierzu auch S.
Morenz-J. Schubert, Der Gott auf der Blume, Ascona 1954: ägyptischer
Ursprung 9es Lotussitzes von Gottheiten.
9a) Auch Shesha, die Weltschlange der Inder, die Symbol der Unsterblichkeit
ist und die Welt umgibt, erinnert an die erdumringelnde Schlange
(m~n t3, sd m r3) der Ägypter, aus der Re täglich verjüngt hervorkommt
(Amduat, 12. Stunde, Hornung, 1. c., S. 188 f.).
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9b) Ausführlich von mir beschrieben in: Tribus, 13, Stuttgart 1964, S. 60
mit Abbildung 4. Vgl. auch S. Hummel, Bon-Ikonographisches im LindenMu
eum, Stuttgart (in: Anthropos, 63-64, St. Augustin 1968-69, S. 858
ff. mit Abb. 1).
10) Ausführlich bei S. Schott, Mythe und Mythenbildung im alten Ägypten
Leipzig 1945, Tafel I und IV (sogenannte Narmer-Palette).
11) H. Bonnet, Die ägyptische Religion (in: Bilderatlas zur Religionsgeschichte,
2-4), Lepzig 1924, Abb. 161.
12) W. Westendorf, Uräus und Sonnenscheibe (in: Studien zur Ägyptischen
Kultur, Bd. 6, Hamburg 1978, S. 201 ff.).
13) W. Westendorf, Altägyptische Darstellungen des Sonnenlaufes, Berlin
1966, S. 10 ff. - E. Dondelinger, Papyrus Ani BM 10.470,- Kommentar,
Graz 1978, S. 8. - S. Hummel, Rezension M. Lurker, Götter und Symbole
der alten Ägypter (in: Almogaren, VIII, Graz 1978). - Vielleicht waren
ähnliche Vorstellungen bei den Hethitern mit den Gottheiten auf Raubkatzen
verbunden, die zur Darstellung des Pharao auf dem Pnather anregten
(vgl. Anm. 1).
14) Vgl. die Abb. 69 in A. J. Pfiffig, Religio Etrusca, Graz 1975, S. 173; aber
auch die Pantherdarstellungen auf Gemälden in etruskischen Gräbern, z. B.
in M. Moretti, Etruskische Malerei in Ta-rquinia, Köln 1974, S. 17: Tomba
delle Pantere; S. 44: Tomba dei Giocolieri; S. 107: Tomba dei Leopardi.
Pfiffig, 1. c.: Grotta Campana in Veji.
15) Ägyptisch-tibetische Parallelen I, Anm. 33. Dort auch zur Schlange als
Seele und Seelenträger im Megalithikum. In Dendera wird die physische
Komponente des Menschen (b3) auch als Schlange gezeigt (A. Mariette
Denderah, Paris-Caire, 1870-75, IV, 41-42).
Die Schlange als Darstellung der Seele auch auf einem etruskischen Spiegel
aus dem 5. Jh. v. Chr. (in: G. Pfister-Roesgen, Die etruskischen Spiegel des
5. Jhs. v. Chr., Bern-Frankfurt 1975, Spiegel Nr. 39). Das seltene Bild eines
Schlangenhalspanthers als Totenbahre zeigt J. Leipoldt, Die Religionen in
der Umwelt des Urchristentums (in: Bilderatlas zur Religionsgeschichte,
9-11), Leipzig 1926, Abb. 4.
16) 0. Weber, Altorientalische Siegelbilder, Leipzig 1920, Bd. 2, Abb. 559.
- H. Schmökel, Das Land Sumer, Stuttgart, 2. Aufl. 1956, Abb. 44. - C.
Vandersleyen, Das alte Ägypten, Berlin 1975, S. 87.
Zur Narmerpalette und Darstellungen auf dem Elfenbeingriff eines Messers
vom Gebel-el-Arak aus der späten vordynastischen Epoche Ägyptens (Negade
II) einerseits und zu südmesopotamischen Darstellungen und ihrer Datierung
auch J.-Cl. Margueron, Mesopotamien, München 1978, S. 232 f.
17) C. Hentze, Die Sakralbronzen und ihre Bedeutung in der frühchinesischen
Kunst, Antwerpen 1941, Tafel LXXII: Hu-Gefäß im Huai Stil (6.-3. Jh.).
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Vor allem aber enthalten Malereien der folgenden Han-Zeit seltsame und
verwandte Fabelwesen (hierzu: Han Tai Hui Hua Hsüan Chi, Peking 1955,
chinesisch = Auswahl von Malereien der Han-Dynastie). Ein dem Schlangenhalsträger
annähernd ähnliches Tier ist mir jedoch nicht bekannt geworden.
- Hier sei am Rande auf eine Parallele hingewiesen, die lediglich
religionsgeschichtlichen Wert haben dürfte, ohne daß gegenseitige Beziehungen
zwischen Ägypten und Komponenten der tibetischen Kultur in
Frage zu kommen brauchen. In Ägypten stand der Phallos unter dem astrologischen
Schutz des Skorpions (äg.: sr~.t), einem Sternbild am Nordhimmel
(vgl. Th. Hopfner, Griechisch-ägyptischer Offenbarungszauber, in:
Studien zur Paläographie und Papyruskunde, herausgegeben von C. Wessely,
Leipzig 1921 und 1924; H . Brugsch, Thesaurus, I, Leipzig 1883, S. 126,
128 f.). Das gefürchtete Tier wurde auch als Amulett getragen. In Tibet
kann der Phallos durch einen Skorpion (tib.: sDig-pa [rwa-can]) dargestellt
werden, der auch zum Zodiakus gehört. Die Angehörigen der alten BonReligion
Tibets, die sich durch viele alt-vorderorientalische Relikte auszeichnet,
malen das Bild des Skorpions apotropäisch neben die Hauseingänge.
Vgl. hierzu S. Hummel, Eurasiatische Traditionen in der tibetischen
Bon-Religion (in: Opuscula Ethnologica Memoriae Ludovico Bir6 Sacra,
Budapest 1959, S. 176 ff. mit weiteren Realien zum Skorpion). Gern wird
in Tibet der Skorpion auf einem Horn (tib.: Thun-rva) dargestellt, in dem
magische Thun (meist verschiedene Samenkörner; vg. D. L. Snellgrove,
The nine ways of Bon, London 1967, S. 256) aufbewahrt werden, die man
den Dämonen entgegenwirft. Babylonisch ist der Skorpion GIR. TAB, an
dessen Stelle ein Dolch treten kann. Von diesem stammt, wie ich gezeigt
habe, der tibetische Ritualdolch Phur-bu ab, der u. a. phallische Bedeutung
hat. Über den Phur-bu, als tibetische Gottheit personifiziert und mit einem
Skorpion in der Hand, aber mit einem Dolchleib: S. Hummel, Vajrak!la
(in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle, XXII'73 G, H . 3, S.
21 ff.). - In die gleiche Abstammung gehört der tibetische Zeremonialstab
Katvanga mit drei Köpfen. In der Kriegsbeute aus Kadesch durch Thutmosis
III war ein Stab mit drei Köpfen (äg.: rp3w.t [m) !Jr.w pc.t); vgl. K. Sethe,
Urkunden der 18. Dynastie, Leipzig 1930, IV, 666. Diesen Hinweis verdanke
ich den Herrn Dr. Frank Steiner in Leipzig und Dr. Horst Beinlich
in Würzburg.
18) Zu ägyptischen Relikten in Etrurien auch G. Hölbl, Beziehungen der
ägyptischen Kultur zu Altitalien (in: Mitteilungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft
für Ur- und Frühgeschichte, XXVIII, 1, Wien 1978, S. 13
f.).
19) S. Hummel, Etruskisches in Weimar (in: Jahreshefte des Österreichischen
Archäologischen Instituts, Bd. 53, Wien 1980, S. 19 ff.). Dort auch in
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der Tabelle mit den rituellen Handhaltungen der Etrusker zu Skizze 1: Diese
Geste ist in Ägypten ebenfalls bei der Totenklage üblich; zu Skizze 11:
Dies rituelle Gewandhaltung kennen wir vom ägyptischen Totenpriester.
- Vielleicht beruhen doch gewisse Bauteile des verschollenen Porsennagrabes
(500 v. Chr.), z. B. die von Varro erwähnten Pyramiden über quadratischem
Grundbau, auf ägyptischen Anregungen (vgl. G. Rühlmann, Kleine
Geschichte der Pyramiden, Dresden 1965, Abb. 44).
Zu den ägyptischen Anregungen vielleicht auch die etruskische Sirene in 0 .
W. v. Vacano, Die Etrusker, Stuttgart 1955, Tafel 82. Sie kann sehr wohl
dem ägyptischen Ba-Vogel als Erscheinung des Verstorbenen nachgebildet
sein. Es ist auch durchaus möglich, daß die ägyptischen Uschebti-Figuren
(äg.: w~b.tj) als Ersatzleute des Verstorbenen, die dann im Neuen Reich in
großer Anzahl als Diener des Toten in die Gräber gegeben wurden, die Beigabe
von mehr als dreißig Figürc·hen aus Bucchero, z. B. im RegoliniGalassi-
Grab, angeregt haben (zu den Figuren L. Pareti, La Tomba
Regolini-Galassi de! Museo Gregoriano, Citta del Vatticano, 1947, Tafel
28). Ich halte die Figuren nicht für Gottheiten.
Hierzu auch M. Schmidt, Ein ägyptischer Dämon in Etrurien (in: Zeitschr.
f. ägypt. Sprache und Altertumskunde, 97, Berlin 1971, S. 118 ff.) betr.
etruskische Vase des 6. Jh. mit einem Messerhalter der J enseitsbücher oder
einer spätägyptisch belegbaren Darstellung des Anubis mit einem Messer;
beides Hinweise auf die Totenwelt.
20) ugarit:mt; syr:mTt;akkad.: matu (briefl. Mitt. v. Prof. J.-H. Scharf, Halle,
Saale, Leopoldina, v. 12. 3. 79).
21) briefl. Mitt. v. 17. 3. 80.
22) A. J. Pfiffig, Studien zu den Agramer Mumienbinden, Wien 1963, S. 51,
IV, 5.
23) J.-H. Scharf, briefl. Mitt. v. 24. 3. 80.
24) A. J. Pfiffig, briefl. Mitt. v. 29. 2. 80.
25) J. H. Breasted, Geschichte Ägyptens, Zürich 1936, S. 307. - Den Versuchen
von V. Wanscher (La Langue Etrusque rena1t, Kopenhagen 1951. -
Id., La Vera Lingua Etrusca, Firenze 1952. - Id., Epigraphie Etrusque et
Pre-Romaine, Kopenhagen 1954) wird man schwerlich zustimmen können.
Vielleicht haben aber etr. zama,fN. und äg. s!cm für Gold eine gemeinsame
Wurzel, Wanscher, 1951, S. 64b), ebenso etr. hamJe und äg. lrnb[.t] ( =
Feld, Acker), sowie etr. suti und äg. swg3 ( = Grab, äg.: was die Mumie bewahrt),
ferner etr.ta und äg.t3 (= .. die\ Artikel). Zu ta S. Hummel, Materialien
zu einem Wörterbuch der Zan-Zuri-Sprache (in: Monumenta Serica,
1981, in Vorbereitung).
Zu den altmediterranen Worten (s. o. zu mn) gehören für „töten" ägypt.:
ng3 (nega), altkanarisch: neiga, berb.: neg., lat.: necare, griech. nekr6s =
tot.
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26) E. Naville, Das ägyptische Totenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie,
Berlin 1886 (Neudru<s:k Akad. Druck- u. Verlagsanstalt, Graz 1971, Textband).
- E. Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich-München 1979,
Übersetzung.
27) H . v. Sicard, Der Wunderbare Hirsch (in: Acta Ethnogr. Acad. Scient.
Hung., 20, 3-4, S. 231 ff.). Vgl. auch Ev. Joh., 21: Der Auferstandene am
Ufer.
28) I. J. Schmidt, Die Thaten Bogda Gesser Chan's, aus dem Mongolischen,
St. Petersburg 1839, S. 148-153.
29) S. Hummel, Der Wunderbare Hirsch im Ge-sar-Epos (in: Ethnol.
Zeitschr. Zürich, II, 1973, S. 37 ff.).
30) Vgl. S. Hummel, A Gnostic Miscellanea (in: East and West, 24, 3-4,
Rom 1974, S. 349.
31) Als Ergänzung zum Material in S. Hummel, Ägyptisch-tibetische Parallelen
(in: Almogaren, IX-X, Graz 1980, S. 313 ff.).
32) H. Kees, Totenglauben und Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter, 2.
Aufl. Berlin 1956, S. 2J2 ff.).
33) S. Hummel, Vignette zum ägyptischen Totenbuch, Kap. 110 (in: Orien-talia
Suecana, U ppsala (in Vorbereitung)
34) Wohl am besten dargestellt auf einerri Grabgemälde in der Tomba dei
Tori (Tarquinia) aus dem 6. Jh. v. Chr.; vgl. hierzu A. J. Pfiffig, Religio
Etrusca, Graz (ADEVA) 1975, S. 167 ff. mit Abb. 64. - Zum Jenseitswasser
bei den Etruskern auch S. Hummel, Ein etruskischer Stamnos in Altenburg
(in: Klio, 62, 1980/2, S. 334): selbst der etruskische Hades konnte hinter
Wassern liegen. Obwohl die Vorstellung vom J enseitswasser sicher prämegalithisch
ist, dürfte es nicht ohne Bedeutung sein, wenn die Megalithgräber
vorwiegend bei stehenden oder fließenden Gewässern angelegt sind.
35) Vgl. auch „Ägyptische U nterweltsbücher", übersetzt und herausgegeben
von E. Hornung, Zürich und München 1972.
36) Vgl. die Geburt aus dem Wasser. Sollte vielleicht der Teich bei Grabanlagen
hier seine Erklärung finden? Vgl. die Megalithgräber am Wasser. -
Hierzu auch das Urgewässer Nun als Ort der Regeneration.
37) A. ]. Pfiffig, Religio Etrusca, S. 374 f. mit Abb. 143 b und mit weiteren
Beispielen. - Id., Megalithische Elemente in den altitalischen Kulten (in:
Almogaren, III, Graz 1972, S. 109 ff., bes. Abb. 3). Zu megalithischen Elementen
in Etrurien auch R. Aprile, Die Etrusker, Stuttgart 1979, S. 121:
Wanderweg des Megalithikums ins Rhonetal, Grabanlagen in Vetulonia
und Populonia; ferner S. Hummel, Ägyptische Miszellen I, 1. c.: Kopfstelen
in Populonia, der Hammerträger im etruskischen Jenseits; auch S. v.
Reden,.Die Etrusker, Bergisch-Gladbach 1978, S. 241, 247: Gräber in Vetulonia,
Kopfstelen in Populonia. - Die etruskischen Kuppelgräber sind
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wahrscheinlich zumindest nicht direkt von den mediterranen Kragerundbauten
herzuleiten, sondern eher kleinasiatischen Ursprungs, ohne daß
hier l:iessen Wurzeln untersucht werden sollen (vgl. S. Hummel, Das tibetische
Megalithikum, in: Ethnologische Zeitschrift Zürich, II, 1975, Anm.
25; Fr. Schachermeyr, Etruskische Frühgeschichte, Berlin und Leipzig
1929, S. 159). In Hinsicht auf die folgenden Feststellungen möchte ich annehmen,
daß sowohl das Gräbermegalithikum als auch das sogenannte
Denkmalsmegalithikum durch gemeinsames Anliegen verbunden sind. Das
Megalithgrab und der Menhir, ob er für Verstorbene oder für Lebende errichtet
wird, dient der Dauer als Aktivierung des Lebens und Überwindung
des Todes durch die Lebenden. Ich halte das Denkmals- bzw. ethnologische
Megalithikum lediglich für eine jüngere Phase. - Vielleicht ist auch das alsLituus
bekannte Würdezeichen der Etrusker megalithischen Ursprungs
(vgl. A. J. Pfiffig, 1975, S. 48 f. mit Abb. 5: Lituus; S. v." Cles-Reden, Die
Spur der Zyklopen, Köln 1960, Abb. 60), ebenso kann bei Gestaltung der
geflügelten Lasen die wahrscheinlich megalithische Vorstellung von den
Schwanenjungfrauen beteiligt sein (vgl. S. Hummel, 1975, 1. c., S. 42-43).
Endgültige Beantwortung der Frage bedarf weiterer Untersuchungen. Wie
die mit Wasser in Beziehung stehenden Schwanenjungfrauen für Schicksal
und Weissagung zuständig sind, so ist der geflügelten Nymphe Vegoia (Bigois
nymphae; etr.: Vecuia), die auf einem etruskischen Bronzespiegel „LASA
VECU" genannt wird, die Blitzweissagung zugeschrieben. Ebenso gibt
es die tibetischen, weiblichen sMan-Gottheiten. Sie stehen in Verbindung
mit Weissagung, bewohnen Gewässer und zeigen sich oft in Gestalt von
Wasservögeln (R. A. Stein, in: Etude du Monde Chinois, Extrait de l' Annuaire
du College de Fran~e, 1970/71, S. 447).
38) Vgl. E. Dondelinger, Der Obelisk, Graz (Akad. Druck- u. Verlagsanstalt)
1977, S. 28. - Die Pyramidenspitze als Sitz der Sonne. bnbn als Sitz
des Ba des Sonnengottes und des verstorbenen Königs in der Unterwelt im
,,Buch der Anbetung des Re im Westen", ed. E. Hornung (Aegyptiaca Helvetica,
1976, 3), II, S. 49.
39) K. Martin, Ein Garantsymbol des Lebens, Hildesheim 1977, S. 11. - H.
Brugsch, Religion und Mythologie der alten Aegypter, 2. Aufl. Berlin,
1981, s. 283.
40) Zu den tibetischen gTor-ma auf Altären und zur Bedeutung dieser Gebildbrote
R. de Nebesky-Wojkowitz, Oracles and Demons of Tibet, 2.
Aufl. mit Einführung durch Per Kvaerne, Graz (Akad. Druck- u. Verlagsanstalt)
1975, Kap. XVIII. Gleichzeitig dienten die gTor-ma der Ernährung
der sie behausenden Gottheiten, d. h. der Existenzsicherung wie der Menhir.
Das aber könnte auch für die etruskischen Objekte geltend gemacht
werden.
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41) R. 0. Faulkner, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, Oxford 1969. -
Vgl. Erman-Grapow, Wörterbuch der ägyptischen Sprache, 1. S. 459: bnbn
mit Determinativ M 44 = X 8 (konisches Backwerk).
42) S. Hummel, Die Kathedrale von .Lhasa. Imago mundi und Heilsburg
(in: Antaios, VII, 3, Stuttgart 1965, S. 280 ff.).
43) S. Hummel, Die verschlossene Urflut im Stadttempel zu Lhasa und die
Weiden vor dem Heiligtum (in: Kairos, Salzburg 1964, 3-4, S. 173 ff.): altvorderorientalische
Traditionen. Aus den angeführten Gründen halte ich
die Schreibung tbnwj, d. h. die Aufspaltung in zwei Obelisken, für am ehesten
verständlich. - Vom bnbn und von den genannten Königsobelisken in
Tempelanlagen sind die Grabobelisken zu unterscheiden, die nach Martin
(1. c., S. 57) im Alten Reich mit der ägyptischen Grabstele verwandt sind.
Sie dienten wie die Stele mit dem Namen des Verstorbenen zu dessen Verlebendigung
und somit dem Kontakt zwischen dem Toten und den Lebenden.
Dieses wiederum ist megalithischer Vorstellung gemäß. Auf spätere
Wandlungen dieser Vorstellungen kann hier nicht eingegangen werden.
Vgl. auch S. Hummel, Ägyptische Miszellen (kleine Menhire im Inneren
megalithischer Gräber; hierzu dann auch die Miniaturobelisken in Gräbern
des Neuen Reiches); ld., Ägyptisch-tibetische Parallelen, 1. c., Anm. 6 (zum
Mumienschild bzw. Namen), Anm. 7 (zur Stele). Zur Bedeutung der Hieroglyphe
„Obelisk" als „Dauer" auch meine „Ägypt. Miszellen". Auch prämegalithische
ldeen'·vom Baumkult können in den Sinngehalt der Pfeiler
aufgenommen sein (z. B. im Djed [äg.: c;id] - Pfeiler wie im Benben Vorstellungen
vom U rhügel aus vormegalithischer Zeit.
Zweifellos diente der Obelisk wie der bnbn der Vergegenwärtigung der
Gottheit, andererseits aber auch des Verstorbenen (Grabobelisk); zur Stele:
Ägypt. Miszellen, 1, Anm. 7 (dort auch zur Pyramide; zur Stufenpyramide,
Anm. 5. - Anderer Auffassung Fr. W. v. Bissing, Hatte die Pyramidenform
mystisch-symbolische Bedeutung?, in: Forsch. u. Fortschritte, 26,
9-10, s. 113 ff.).
44) In: Zentralasiatische Studien, 13, Wiesbaden 1979, S. 431 ff.
45) S. Hummel, Die Bedeutung der Na-khi für die Erforschung der tibetischen
Kultur (in: Monumenta Serica, XIX, 1960, S. 307 ff.) - ld., Materialien
zu einem Wörterbuch der Zan-Zun-Sprache (in: Monumenta Serica,
XXXI, 1974-75, S. 488 ff., XXXII, 1976, S. 320 ff.).
46) J. Bacot, Les Mo-So, Leiden 1913, S. 66. - Terrien de Lacouperie, Beginnings
of Writing in Central and Eastern Asia, London 1894.
47) E. de Schlagintweit, Le Bouddhisme au Tibet, Paris 1881, Tafel 41.
48) S. Hummel, Materialien zu einem Wörterbuch der :Zan-Zun-Sprache
(in: Monumenta Serica, XXXI, 1974-75, S. 488 ff.; XXXII, 1976, S. 320 ff.;
wird fortgesetzt).
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49) Für Kopf (Nr. 2) ist sonst gebräuchlich gkv2 Mi, .
50) Nr. 9 hat zwar Ähnlichkeit mit chinesisch 8~ ( o))), was jedoch als Sonne
u, d Mond die Bedeutung „hell" ( = Ming2) hat. Desgleichen erscheint
Nr. 12 als Hu• ( = Tür) ähnlich in der chinesischen Bilderschrift, bekommt
aber dort noch einen zusätzlichen oberen Horizonta!strich. Die entsprechenden
Na-khi-Worte dürften mit ihrem Ideogramm kaum aus der chinesischen
Schrift abzuleiten sein wie vielleicht die mnemotechnische Bilderschrift
der Cuna-Indianer (vgl. hierzu E. M. v. Hornbostel, Chinesische
Ideogramme in Amerika, in: Anthropos, XXV, 1930, S. 953 ff., worauf
mich Herr Prof. Dr. Dr. H.-J. Scharf in Halle aufmerksam gemacht hat).
Interessant ist immerhin, daß im Chinesischen „F rau" ( = NüJ als 3(. geschrieben
wird und tj sie alte Form O „Mund" ( = K'oui) ist. Die übrigen
Zeichen stehen im Chinesischen nicht zur Diskussion. - Zur Na-khiSchrift
auch J. Schubert, Na-khi-Pictographie (in: Buch und Papier, Leipzig
1949,S.114f.).
51) Vgl. S. Hummel, Der Osiris-Mythos in Tibet (in: Central Asiatic Journal,
XVIII, 1, S. 23 ff.; XIX, 3, S. 199 ff.).
52) De Iside et Osiride. Th. Hopfner, Pluarch über Isis und Osiris, Prag
1940-41, Teil II, S. 146-183. Neudruck Hildesheim 1974.
53) Diodorus Siculus, Biblioth~ke historikt I, 85.
54) Der Götterglaube im alten Ägypten, Leipzig 1941, S. 258. - Vgl. auch
im Neuen Reich den Mythos vom Bata (b3t3), vom Stier, der getötet wird
und aufersteht.
(Lexikon der Ägytologie, herausgeg. v. W. Helck u. E. Otto, Wiesbaden,
Bd. I, 1975, S. 632 b). Nach Kees, 1. c., S. 12, 258, kann der Kult des geschlachteten
Stieres im 11. Gau an der Überlieferung vom zerstückelten
Osiris beteiligt sein.
55) A. Closs, Zerstückelung in autosuggestiver Imagination, im Mythos
und im Kult (in: Temenos, 15, 1979, S. 5-40).
56) E. Dondelinger, Das Totenbuch der Ägypter (in: ADEVA Mitteilungen,
29, Graz 1971, S. 13 ff. unter Hinweis auf Pyramidentexte, ed. Sethe,
Leipzig 1908-10, § 843).
57) K. Lange u. M. Hirmer, Ägypten, München-Zürich 1967, Abb. 88.
58) Hamlet's Mill, Boston, S. 163 f. mit Abbildungen .
59) Vgl. H. Brugsch, Thesaurus, Leipzig 1883-91, S. 124, Abb. 1.
60) Vgl. M. Hermanns, Mythen und Mysterien der Tibeter, Köln 1956, S.
157 f., 167. - W. Filchner, Kumbum Dschamba Ling, Leipzig 1833, S. 324.
- S. Hummel, Die Maske in Tibet (in: Antaios, XI, 2, Stuttgart 1969, S.
186).
61) Ägyptische Miszellen, I, S. 314.
62) Vgl. Ad. E. Jensen, Das Weltbild einer frühen Kultur (in: Paideuma,
1944, 3, -S. 1 ff.).
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63) S. Hummel, Ägyptische Miszellen (in: -~lmogaren, IX:-X, S. 319).
64) Zum Wiedergeburtsglauben der alten Agypter (in: Zeitschr. f. ägypt.
Sprache und Altertumskunde, 79, 1954, S. 52 ff.).
65) S. Morenz, Untersuchungen zur Rolle des Schicksals in der ägyptischen
Religion, Berlin 1960.
66) Pap. d'Orbiney (Brit. Mus,). Übersetzt u. a. von A. Erman, Die Litera-tur
der Ägypter, Leipzig 1923, S. 197 ff. ..
67) B. Laufer, Der Roman einer tibetischen Königin. Tibet. Text und Ubersetzung,
Leipzig 1911, S. 15, f.; Kap, 7 und 8 = S. 51 f. und 146 f.
68) Wiedergeburt auch im Volksglauben der Alt-Kanarier (vgl. L. Torriani,
Die Kanarischen Inseln und ihre Urbewohner; herausgegeben von D. J.
Wölfe!, Leipzig 1940, Neudruck Hallein 1979, S. 123). Über die Seelenwanderung
bei den Kabbalisten im Gegensatz zur offiziellen indischen Theologie
vgl. G. Scholem, Seelenwanderung und Sympathie der Seelen in der jüdischen
Mystik (in: Eranos-Jahrbuch, XXIV, Zürich 1956, S. 55 ff.) - E.
Rhode, Psyche, 5. u. 6. Aufl., Tübingen 1910, II, S. 135.
NACHTRÄGE ·
!),,Ägyptische Miszellen" (I) in „Almogaren", VIII, S. 93 (Pfeiler seiner
Mutter) (äg.: iwn mwt.f):
Der Sinn ist wahrscheinlich die Selbstzeugung im Leibe der Mutter, bei der
Vater ( = der Alte) und Sohn ( = der Junge) ein und die selbe Person sind (z.
B. im Titel von Geb, Min, Horus u. a.), eine Vorstellung, die auch im Zervanismus
in Verbindung mit der Zeit auftritt, wenn der Alte und der Junge
identisch sind. Auch Stier seiner Mutter (k3 mwt.f), Min. Zum 1wn-Pfeiler
in Heliopolis, der mit Rinderkopf dargestellt wird, auch der Zusammenhang
von Megalith und Rind im Mittelmeergebiet, worauf schon R. HeineGeldern
(Die Megalithen Südostasiens, in: Anthropos, 23, 1-2, S. 284) hingewiesen
hat. Zum 1.sd-Baum im bnbn-Haus in Heliopolis vgl. S. Hummel,
Die Kathedrale von Lhasa (in: Antaios, VII, 3: heiliger Stein und heiliger
Baum).
Zu S. 94, Anm. 34:
Die Kopfstelen von Populonia (R. Aprile, Die Etrusker, Stuttgart 1979,
Abb. S. 124) stehen vielleicht in Beziehungen zu ligurischen Menhirstelen
(Aprile, Abb. S. 21), die eine große Ähnlichkeit mit den von mir (Ein etruskischer
Stamnos in Altenburg, in: Klio, 62, 1980/2, S. 331 ff.) genannten
vorkeltischen Menhirfiguren im Dept. Marne erkennen lassen.
II) Zu „Ägyptisch-tibetische Parallelen" in „Almogaren", IX/X, S. 316
(Schutzgottheiten):
Auch die alttibetische Vorstellung von den Schutzgottheiten als Schulter-
114
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gottheiten war den Agyptern bekannt. So wohnt nach der Lehre des Cheti
(MR ed. Sallier, 2, XI 1/3) der Schutzgeist Rnn. tauf der Schulter wie der tibetische
Pho-lha und Mo-lha. Zur Vorstellung von Schultergottheiten, insbes.
bei den Tibetern, vgl. S. Hummel, Die Gottheiten der Schulter in Tibet
(~n: Rivista degli Studi Orientali, XXXIV, Roma 1959, S. 183 ff.).
Zu Agypten auch Jamblichus Perl mysterfön (ed. Th. Hopfner „Jamblichus,
über die Geheimlehren", Schwarzenburg 1978, S. 177-185): Nach
der ägyptischen Lehre der persönliche Schutzgeist = Schicksalsbestimmer.
In den Nachträgen (S. 20) zu „Ägypt.-tibet. Parallelen" vor „Zu S. 319 .. "
einfügen: Zu S. 318 (Totenwage):
Die Wage beim Totengericht wurde auch von der Ikonographie der Ostkirche
übernommen. Auf einer russischen Ikone (um 1600) mit dem Jüngsten
Gericht hält Gott die Wage, auf der die Seelen der·Verstorbenen gewogen
werden (U. Abel, Russische Ikonen aus dem Nationalmuseum Stockholm,
Berlin 1978, Tafel 15).
Zu S. 319 (Stützen für das Individuum):
Die Mumie ist Stütze des Ba (etwa Bewußtseinsprinzip) wie die Statue dem
Ka und die Stele dem Namen als Stütze dient. In neuer Seinsform post mortem
vereinigt, werden Ka und Ba aber auch in ihren eigenen Manifestationen
mannigfach hypostasiert \Z. B. Ka-Schutzgottheiten). Im Sudan noch
heute der Quarin und die weiblich Quarina, die mit dem Menschen geboren
werden und mit ihm sterben (vgl. Samia al Azharia Jahn, Zwillinge und
ihr tiergestaltiges Alter Ego im Volksglauben der Sudanaraber und Nubier,
in: Paideuma, 25, Wiesbaden 1979, S. 159 ff.) .
Zu S. 320 (Spermakommunion):
Vgl. die Barbelo-Gnostiker in H. Leisegang, Die Gnosis, 2, Aufl. Leipzig
(Kröners Taschenausgabe, Bd. 32, S. 191); dort zu Ophiten (Aufhebung der
Geschlechtsunterschiede, S. 135). Vgl. auch das Ägypterevangelium in E.
Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen und Leipzig 1904,
s. 23.
Zu S. 321, Anm. 33 (Schlangenhalspanther):
Zum Sinngehalt des Panthers gehört auch das Pantherfell der Sempriester
(äg.: sm) beim Mundöffnungszeremoniell zur Neubelebung des Toten mit
Fähigkeiten, die der Tod zerstört hatte.
Zu S. 323, Anm. 5 (megalithische Zentren):
Der Ursprung des am östlichen Mittelmeer gelegenen Zentrums wird von
vielen im westlichen Mittelmeer gesucht. Das vom Westen kommende Megalithikum
hätte dann im Osten (Kleinasien) kosmologische Ideen aufgenommen
(vgl. S. Hummel, Das tibetische Megalithikum, in: Ethnologische
Zeitschrift Zürich, 1975/II, S. 34 b). Die Steingeburtmythen (z. B. Jerem. 2,
27) sind jedoch nicht megalithischen Ursprungs. Vgl. zu den diesbez. Myt-
115
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hen S. Hummel, The Ti betan Ceremony of Breacking the Stone (in: History
of Religions, VIII, 2). Streng genommen ist die megalithische Idee mit
Totenkult verbunden. Das gilt auch für meine Arbeit in EZZ, 1. c.
Zu S. 323, Anm. 5 (Aufweg):
Hierzu auch der von mir in Anm. 1 angedeutete Weg durch den Tempel bis
zum Allerheiligsten; vgl. E. Otto in K. Lange und M. Hirmer, Ägypten,
München 1978, Abb. 69. Der Anstieg des Weges durch die Bauglieder als
Weg zum Urhügel, wie der Weg durch die Alignements. Der Urhügel ist
wie der Weltberg Ort der Toten, aber auch der Gottheit und Stätte des
Stammesursprungs.
Das in Anm. 5 zum Weg Gesagte gilt auch, wenn dieser Weg, wie J. Assmann
(Ägyptische Hymnen und Gebete, Zürich und München 1975, S. 11)
betont, in den ägyptischen Tempelanlagen von der Gottheit in öffentlicher
Prozession allein in die Außenwelt beschritten wird. Die Anlage als solche
weist doch andererseits mit ihrer Abfolge der Bauglieder als Weg zur Präsenz
der Gottheit auf das Allerheiligste als Ziel hin.
II) Ägyptisch-tibetische Parallelen, I (Almogaren IX-X).
Zu S. 318 (Totengericht):
Wie in Tibet der Totenrichter Yama so hat Osiris seine Boten, die jeden
Sterblichen erreichen und vor ihn bringen. Sie werden ausgesandt, um die
einzufangen und vor ihn zu bringen, die sterben müssen (vgl. 0 . Firchow,
Die Boten der Götter, in: Ägyptologische Studien, Berlin 1955, S. 88 f.).
Zu S. 319 (Vergottung der Glieder):
Hierzu auch H. Ranke, Die Vergottung der Glieder des menschlichen Körpers
bei den Ägyptern (in: OLZ, 27, 1924, S. 58 ff.). Ferner G. Roeder, Die
Arme der Osiris-Mumie (in: Ägyptol. Studien, herausgeg. v. 0. Firchow, S.
248 ff.).
Zu S. 328 (mütterliches Prinzip):
Abhängigkeit des Thrones von de, mütterlichen Herkunft oder auch von
der Gattin wie in Ägypten auf den Kanarischen Inseln (vgl. L. Torriani, Die
kanarischen Inseln und ihre U rbewohner, herausgeg. v. D. J. Wölfel, Leipzig
1940, Neudruck Hallein 1979, S. 240). - Auffallend ist die Betonung
des Männlichen dann in der spätägyptischen Grammatik in der Tendenz,
das Neutrum durch Maskulinum zu erstzen: wo in Verbindung mit einem
Partiz.-perf. (neutr.) oder mit Relativformen (neutr.) eigentlich ein Neutrum
erwartet wird oder wenn sogen. Pseudopartizipien oder Partizipien,
die sich auf Worte im Plural-fern. beziehen, maskuline Formen annehmen.
116
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Wenn ferner Worte in Plural-fern. mit Demonstrativpronomen als Maskulina
behandelt werden. W eitere Beispiele bei A. Gardiner, Egyptian Grammar,
b. Aufl. Oxford 1976, § 511. Im Mittelägyptischen bahnt sich diese
Tendenz an, wenn Dualformen als Maskulina behandelt werden. Zum Problem
auch J. Bergmann, Isis-Seele und Osiris-Ei, U ppsala 1970, S. 78 : In der
Spätzeit große weibliche U rgöttinnen (Isis, Neith) sehr oft als männlich bezeichnet.
Schon im Amduat der 18. Dyn. Isis mit dem Bart (2. Stunde, ob.
Register. E. Hornung, Das Amduat, Wiesbaden 1963). Neith mit Bart
(ebenda, l. Stunde). In der 26. Dynastie findet sich dann die göttliche M3c.t
mit einem Bart auf Skarabäen.
Zum Gebrauch der Begriffe nhh und d.t (in „Ägyptische Miszellen" und
,,Ägyptisch-tibetische Parallelen", I):
Ganz wie im dualistischen Zeitmodell des Zervanismus aus cyklischer und
infinitiver Zeit, wie es J.-H. Scharf (Die Sonnenuhr, in: Naturwissenschaftliche
Lingustik, Leipzig 1981, S. 289) veröffentlicht hat, kann man auch die
altägyptische Vorstellung non nnh und d.t skizzieren. Dann ist d.t der kontinuierliche
Aspekt der Zeit, die Dauer; nhh dagegen Perpetuität cyklischer,
periodischer Zeiteneinheiten. So ist dann zu verstehen, wenn E. Hornung
(Das . Amduat, III, Wiesbaden 1967, S. 51) die Übersetzung
,,Ewigkeit" für nhh und d.t zurückweist und dafür den Begriff der Zeit vorgesc~
lagen ~at. Im Iran ist X5 0 y C ~ ~~ v~ D:, die cyklische Zeit und
Xf O ~:c > ~II~ l? S die kontinuierliche.
NEUERSCHEINUNG
Karl A. Wipf
RELIGION UND GöTTER DER ALTKANARIER
ca. 150 Seiten, Textillustrationen, Abbildungen, geb.,
15,5 x 22 cm, Schutzumschlag
Vorbestellpreis bis 31.12.1983: öS 225,- - (ca.DM 32,--)
(späterer Ladenpreis öS 285, -- (ca. DM 40,--)
Der Verfasser legt die neuesten Forschungen über die
religiösen Kulte und die Götterwelt der Ureinwohner der
Kanarischen Inseln vor.
BURGFRIED- VERLAG, Postfach 48, A - 5400 Hallein
117
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Dominik Josef Wölfel
MONUMENTA LINGUAE CANARIAE
Die kanarischen Sprachdenkmäler. Eine Studie zur Vorund
Frühgeschichte Weissafri kas.
Graz 1965. Nach dem Tode des Autors revidiert durch
Prof. Dr.Dr. Alois Closs, Graz
1 Band, 948 Seiten, 8 Karten, 1 Porträt des Autors,
18,5 x 27,5 cm, Ganzleinen
öS 2500,-- (ca. DM 357,-- )
... Wölfels kanarische Sprachdenkmäler werden . . . in
Zukunft eine wertvolle Ausgangsbasis für noch weitergezogene,
vergleichende Arbeiten bilden können ... Mit
der Drucklegung der Monumenta ist die Ernte der 35-
jährigen Forschertätigkeit Wölfels, für die ihm in La
Laguna das Ehrendoktorat verliehen wurde, für die
Zukunft gesichert.
H. G. Mukarovsky in: Wiener Völkerkund
liehe Mitteilungen, Band V 111,
Jahrgang 1966, S. 101 - 107
Das umfangreiche Werk wurde nach dem Tode des
Autors ( 1963) von A . Closs weiter betreut ... Nach
meinem Dafürhalten liegt der unschätzbare Wert des
Buches in seinem Charakter als Quellenwerk: Der Verfasser
hat ein ungeheures Material, das die Sprache,
Kultur und Geschichte der Kanarischen Inseln betrifft,
zusammengetragen und sehr übersichtlich geordnet,
einschliesslich Orts- und Personennamen mit genauer
Quellenangabe. Für jeden, der sich mit den Ureinwohnern
der Inseln zu beschäftigen hat, liegt hier das
unentbehrliche Rüstzeug vor.
H. Kronasser in :
Die Sprache, Band XI V/ 1, 1 968
Bestellungen an:
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Buchbesprechungen © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017
HANS SCHAVERNOCH: Die Harmonie der Sphären. Die Geschichte
der Idee des Welteinklanges und der Seelenstimmung. Orbis Academicus,
Sonderband 6, 278 S., 12 Tafeln. Verlag Karl Alber, Freiburg 1981.
Ln, DM 58,-
Simple Gemüter haben in vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer
wieder versucht, die Idee der Sphärenharmonie als Beweis für mittelalterliche
Naivität bei der Naturbetrachtung anzusehen. Als Gegenströmung hat
sich die Auffassung herauskristalisiert, daß harmonikale Prinzipien nicht
eine romantische Erfindung, sondern der Natur immanent sind. Die Betrachtung
des Sonnensystems als kosmisches Gefüge, das durch Akkordverhältnisse
verflochten ist und in der Seele des poetisch Begabten zum „Klingen"
kommt, fand ihren Ausdruck in Keplers Weltenharmonik, einem
Werk, dessen Bedeutung immer klarer erkannt wird. Zugrunde liegen pythagoreische
Erkenntnisse des durch Maß und Zahl bestimmten Kosmos,
des Werdens und Vergehens als dynamische Komponente und des kosmischen
Tanzes der Himmelskörper. Kepler entdeckte die Gesetzmäßigkeiten
der „Orchestrierung" und fügte der poetischen Dimension die wissenschaftliche
hinzu. Diese reiche und faszinierende Weltschau historisch erfaßt
und klar dargestellt zu haben, ist das Verdienst von Hans Schavernoch,
der in seinem Werk „die erste geschlossene Darstellung der Geschichte der
Idee der Sphärenharmonie vorlegt und zugleich den religiösen Kern dieser
Ganzheits-Vorstellung aufdeckt" (H. Hunger im Geleitwort, S. 13).
Das gewissenhaft erarbeitete, auch in formschöner Sprache dargebotene
Werk verdient größte Anerkennung, wird aber in vollem Ausmaß wohl
nur von „eingestimmten" Geistern gewürdigt werden können. ,,Der unbeschreibliche
Wohlklang dieser Weltenübereinstimmung ist kein primärer
Klang, er ist synästhetisch: nur durch Gedanken, nur mit dem innerlichen
Ohre eines gotterleuchteten Sinnes kann er vernommen werden" (S. 215).
H.B.
KARL KERENYI: APOLLON UND NIOBE
Werksausgabe Band IV (von der auf zwölf Bände geplanten Werksausgabe
sind nunmehr insgesamt sechs Bände erschienen) - mit 20 Abbildungen,
541 Seiten, herausgegeben von Magda Kerenyi, Albert Langen-Georg Müller
Verlag GmbH, München-Wien, 1980, DM 42,- = öS 319,20
Jan de V ries ( 1890-1964 ), der angesehene niederländische Religionshistoriker
und Germanist, wies in seinem Buch „Forschungsgeschichte der Mythologie"
darauf hin, daß ,, ... von der griechischen Zeit ab bis in das neunzehnte
Jahrhundert hinein die Einstellung zur antiken Mythologie und des-
120
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halb auch zu allen anderen polytheistischen Religionen denkbar ungünstig
für ein richtiges Verständnis gewesen sei. Nur in zwei - zudem sehr kurzen
4- Perioden zeigt sich ein ernsthaftes Bemühen um den Sinn der antiken
Religion und Mythologie, dies sind die Zeit der Romantik und das
Jahrhundert, in dem wir leben. Die Grundbedingung dazu ist in beiden Fällen,
daß die Vorherrschaft der Vernunft gebrochen war und daß man erst
dadurch Zugang zu dem Wert und der Würde der Religion bekommen hatte.
Beide Perioden kennzeichnen sich deshalb durch das Bestreben, die
Mythen als Äußerungen religiöser Gefühle und Anschauungen zu verstehen
... (Zudem hat) unsere Zeit auf dem Gebiete der religiösen Erscheinungen
einen Horizont bekommen, der allen vorigen Zeiten abgeht. Die
immer genauere Erkundung der Primitiven gab jetzt die Möglichkeit, die
griechische Religion auf eine viel zweckmäßigere Weise mit jener der Na-turvölker
zu vergleichen ... Daneben steht eine ungeheuere Vertiefung der
psychologischen Einsicht ... (Man begriff), daß der Mensch von seinem
Uranfang an ein homo religiosus gewesen ist." (362 f.)
Wie wir es später sehen werden, gelten diese anschaulichen Worte von
Jan de Vries auch für die Hauptkomponenten des Mythologieverständnisses
von Karl Kerenyi (1897-1973). Das neue Buch der Werkausgabe
„Apollon und Niobe" - umsichtig betreut und sorgfältig ediert von Magda
Kerenyi - vereinigt 28 Studien und Aufsätze, von welchen 18 aus den Jahren
1932-1946 unter dem Titel „Apollon" zuletzt 1953 und 10 aus den
Jahren 1940-1948 in 1949 als „Niobe" veröffentlicht wurden. Sie behandeln
der Überschrift nach sehr verschiedene Themen, die indessen - nach
den Worten Kerenyis in der Vorrede zu Apollon (1937)-durch den „apollinischen"
Standpunkt der Behandlung miteinander eng verbunden sind.
Im Hinblick auf das Dargestellte gewähren sie darüber hinaus dem Leser einen
umfassenden Einblick in das Gesamtbild wie auch in den vielen Verästelungen
der M ythologieauffassung des großen ungarischen Gelehrten.
Es wäre für den Rezensenten ein vermessenes Unterfangen, die 28 Arbeiten
dieses Bandes einzeln schildern zu wollen. Wir werden vielmehr in diesen
Beiträgen ihre gemeinsame, zeugende Quelle, das Mythologieverständnis
von Karl Kerenyi, behutsam aufdecken und es möglichst mit seinen eigenen
Worten beschreiben.
Die Mythologie spricht die „wahre Wirklichkeit" der Welt aus (28), die
zugleich real und irreal ist; ihre Seinsgestalten gehören beiden Sphären an,
sie manifestieren sich im Reiche der Natur wie auch des Geistes (10 f). Der
Mythos, das „wahre Wort", bezeugt das Geschehen im Kosmos. Er ist ein
Strom von Bildern, oft eine Entfaltung desselben Grundmotivs, wie Variationen
eines musikalischen Themas und hat seine eigene Denkform. Die
Mythologie berichtete über die Urgründe der Welt, die „archai", die wirkenden
Mächte, nicht aber über die Ursachen; die Mythen antworten auf
121
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die Frage nach „ woher" und nicht nach „ warum". Das mythologische Geschehen
ist zeitlos; was sich einst vor der Erschaffung der Zeit ereignet hat,
das wiederholt sich ewig und ist unvergänglich.
Die wirkenden Mächte der Mythologie sind Urbilder, die sich jedoch von
den Archetypen C. G. J ungs unterscheiden; sie sind . .. ,, voller", . . ,, weherfüllte
Gestalten, machtvolle Weltaspekte, die durch Projektion seelischer
Inhalte allein ebensowenig zu gewinnen waren, wie durch - falls solches
überhaupt möglich ist - kontaktloses Beobachten" (290). Unter „Welt"
versteht hier Kerenyi immer die „Welt des Menschen".
Die Götter der Griechen sieht er als Urbilder, als „Realitäten der Seele"
und nicht als „Illusionen" an; wollte man die antike Religion verstehen, so
müßte man eine „Wissenschaft der Realitäten der Seele" fordern (23); die
Götter sind „auf griechische Art und Weise erkannte Wirklichkeiten" (54),
,,Weltwirklichkeiten" (99, 128) und als solche, sei es z.B. apollinisch, hermetisch
oder aphrodisisch, immer neu in der Seele des Menschen erlebbar,
ja, die Existenzweise des Menschen im Bild vorführend (290 f).
Die griechische Welt mit ihren Göttern ist eine „Welt des
Menschen" ... ,,Sie ist eine göttlich-menschliche Welt: selbst das Göttliche,
das Nicht-Menschliche in ihr vermag in menschlichen Formen zu erscheinen,
und auch das Menschliche in ihr, ihre dunkle Hälfte, findet den
Weg in solche Göttergestalten, deren Ort ursprünglich am Himmel war"
(272).
Kerenyi schildert in den einzelnen Studien die Erfahrungsweise, die
Aspekte, die Natur der Begegnung des Menschen mit der Gottheit, das ZuGefäß-
Werden der Seele für das Divinum. Im Mittelpunkt steht die Gestalt
des Apollon, ,,für die Griechen der Gott der geistigen Menschen" - und
nicht nur der Dichter -, ,,der reine, heilige, läuternde Gott", dessen Reinheit
ihn dem Sonnenlicht vergleichbar macht, der mit dem Klang seiner
Leier das All in Harmonie zusammenhält, die Sonnenstrahlen als Leierschläger
gebrauchend (38 f). Doch, auf einer niedrigen Stufe der Erkenntnis,
jener der primitiven Religion, zeigt Apollon auch die finsteren Seiten
seiner Wesens: er erscheint in Italien als ein tödlicher Gott, der Herr der
Unterwelt, sein Lächeln als Apollon von V eii ist das gnadenlose W olfslächeln
. .. ,,Die dunklen Vögel, Rabe und Krähe, sind samt dem Wolfe seine
heiligen Tiere, deuten sein Wesen an - wie auf der anderen Seite der
Schwan" ( 40).
Kerenyi bekennt sich, wie wir eingangs schrieben, als Wissenschaftler
zum apollinischen Standpunkt. Er sieht diesen als eine geistige Haltung: die
Selbstbesinnung und die Bewußtheit des Forschers, sein Wissen um die tiefsten
Gründe und die höchsten Forderungen an sein Gelehrtendasein.
,,Dann wird auch eine streng methodische Beschäftigung mit dem wissenschaftlichen
Gegenstand zugleich zui einer Art des Meditierens, da die
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© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017
menschliche Existenz überhaupt gleichsam als zweiter Gegenstand in sie
miteinbezogen wird" (10).
So! können auch die einzelnen Studien dieses erstaunlichen Werkes als
Meditationen besonderer Art erkannt werden; hier wollen wir einige von
ihnen noch näher besprechen.
Im Teil „Apollon" des vorliegenden Bandes wollte der Autor nach eigenen
Worten die Mythologie als einen historischen und zugleich menschlich
anziehenden Stoff darstellen und auch diese Anziehungskraft erklären. Die
Arbeiten in „Niobe" handeln vor allem über das Thema „der Mensch in
der antiken Religion". U. a. erscheint Ni9be als „Urfrau", ,,ein Urbild des
Menschen", ,,die Urmutter des menschlichen Geschlechtes" und wird im
Mythologem des Mondes als mater dolorosa erschaut (264 ff). Prometheus
tritt an ihre Seite, als der Leidende, beide „als Urbilder des Weibes und
Mannes in ihrem Streben und Dulden" (269 ff, 279 ff). Im Aufsatz „Urmensch
und Mysterium" wird das Geborenwerden auf der Erde untersucht
(293 ff). Mit der Welt der Großen Mutter beschäftigt sich Kerenyi in der
Studie „Die Göttin Natur" mit Hilfe des altorphischen Mythologems der
Höhle, die den Urgrund alles Seins in sich birgt (317 ff). ,,Die Göttin mit
der Schale" (403 ff) amplifiziert das Bild „der Frau, die der Erfüllung
harrt".
Im Ganzen betrachtet, fügen sich die einzelnen Mosaiksteine des Werkes
zu einem in höchstem Maße eindrucksvollen Gesamtbild der antiken Geistigkeit
zusammen, das den Leser einer späteren Zeit nicht nur fesselt, sondern
ihm auch eine wichtige Botschaft übermittelt: es zeigt die Wege zur
Wiederaufnahme jener Möglichkeiten des Lebens und Weltverstehens, welche
die Menschen unsere Jahrhunderte schon längst verloren haben. Es ist
nicht übertrieben, wenn noch hinzugefügt wird, daß Kerenyis Erkenntnisse
für uns von existenzieller Bedeutung sind.
Der Rezensent möchte bemerken, daß zu jedem Aufsatz des Bandes vieles
zu sagen wäre; doch würden diese Ausführungen, welche ihren Ort in
den Fachzeitschriften der Religionswissenschaft haben, den Rahmen dieser
Besprechung sprengen. Hier sei nur generell darauf hingewiesen, daß Kerenyis
Betrachtungsweise den Phänomenen, der Erscheinungen gewidmet ist,
die er liebevoll in allen Einzelheiten beschreibt und deren Individualität er
unangetastet sein läßt - dies im Gegensatz zu manchen anderen Forschern,
deren Freude in der Herstellung von Verwandtschaften, Ableitungen und
Konnexen besteht, bis zu dem Punkt, wo von der lebendigen Vielfalt der
Äußerungen der Gottheit nur noch eine theoretische Kunstfigur übrigbleibt.
,,Der heilige Bezirk der antiken Religion" war für ihn, mit den Worten
von Karl Reinhardt (1886-1958) wiedergegeben, ,,ein Temenos mit einem
Statuenwald von Urbildern, Vorbildern und Gewähren für die Gegenwart"
(Vermächtnis der Antike, 226). Sein besonderes Interesse galt eben
123
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diesen Urbildern und seine Vorliebe für das Morphologische, für die Gestaltslehre
und ihre Bildungsgesetze, verbindet sein Forschen, wie dies
schon Karoline Neubaur beobachtet hat, mit der Antikenauffassung Goethes.
Doch, neben vielen anderen Berührungspunkten hinsichtlich des Inhaltes
der Gedanken sei auch auf die gestaltende Form verwiesen: Kerenyis Aussagen
erscheinen im Gewand einer ungewöhnlich schönen, luciden Prosa,
sein Stil ist nicht der eines Fachwissenschaftler, sonderen eines von seinem
Thema ergriffenen Dichters.
In der letzten Studie von „Apollon und Niobe" wird der Mensch in griechischer
Anschauung dargestellt ( 427 ff). Die Ausführungen Kerenyis, welche
die ganze Fülle der griechischen Einsichten über diese Frage ausbreiten,
schließen mit den Worten: ,,Der Mensch ist im eigentlichen Sinne, .. . wer
mit Selbsterkenntnis Mensch wird, die gemeinsame Sache des ganzen Menschengeschlechtes
vertretend: eine gemeinsame Sache, wie es eben die Solidarität
des Menschen untereinander ist." ( 443).
,,Die gemeinsame Sache des ganzen Menschengeschlechtes" hat auch Kerenyi
beispielgebend mit seinem Lehren und Leben vertreten. Der Rezensent,
dem das Glück zuteil wurde, den großen ungarischen Gelehrten als
Vortragenden zu sehen, zu hören und zu erleben, kann bezeugen, daß Kerenyis
Wesen apollinisch geprägt war. Von seiner strahlenden Erscheinung,
aus seiner Rede ging eine reinigende, läuternde Wirkung aus. Sein Buch
,,Apollon" ist gerade in jenen Jahren entstanden, als die Welt, von Ideologien
und Diktaturen bedroht, in die Barbarei zu versinken schien. ,,Apollon"
sollte eine Waffe des Geistes gegen diese Gefährdung sein. ,,Der eigenen
geistigen Werte bewußt zu sein, Wolf zu sein der U ngeistigkeit gegen- ·
über, Schwan vor der höchsten Reinheit des Geistes: das haben wir geerbt
von der Antike als Apollonreligion" (45; geschrieben im Jahre 1933).
Nun, die Bedrohung des Menschen durch die Ungeistigkeit von damals
wich einer neuen von heute; der Ruf Kerenyis ist eine zeitlose, immer gültig
bleibende Mahnung. Hans Schavernoch
BIEDERMANN, HANS (hrsg.): St. Brandanus - der irische Odysseus.
Graz 1980. Kunstpergamentband mit 20 Seiten Einführung uhd 62 Seiten
Federzeichnungen in Tondruck aus dem „Krumauer Bildercodex" mit
Transkription und Übersetzung der Beischriften. Querformat 28,5 x 22
cm; Akadem. Druck- und Verlagsanstalt. Preis öS 280,- (ca. DM 40,-)
Timothy Severins Buch „The Brendan Voyage" (deutsch: ,,TausendJah-
124
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re vor Kolumbus", Hamburg 1979) hat als spannender Reisebericht im Stil
Thor Heyerdahls die Hypothese populär gemacht, der altirische Abt Brendan
l(ca. 484-578) habe mit 17 Mönchen in einem einfachen CurrachLederboot
nach abenteuerlichen Streifzügen durch den damals noch unerforschten
Nordatlantik Nordamerika erreicht und sei dann nach Irland
heimgekehrt. Vorkolumbische Transadantik-Reisen wurden in Form von
Hypothesen und Theorien immer wieder angenommen (z.B. von Jose Alcina
Franch in Almogaren II/1971), und auch Dominik Josef Wölfel vertrat
die Auffassung alter Kontakte zwischen den Kulturen des Mittelmeerraumes
und Mesoamerikas mit den Kanarischen Inseln als wichtigen Außenposten
der Alten Welt im Atlantik. Neuere Hypothesen auf diesem Sektor,
die zum Teil methodisch unausgegoren wirken, erwähnt Biedermann in
seinem Vorwort auf S. 12-13, neigt aber in seiner kritischen Sichtung des
legendären Traditionsgutes dann doch der Ansicht zu, die „Navigatio Sancti
Brandani" sei nicht in erster Linie als geographischer Reisebericht zu
werten - auch wenn reale Beobachtungen darin eine Rolle spielen mögen.
In erster Linie setze die Legende in christianisierter Form die Tradition der
altirischen Immrama-Seefahrtsmythen fort, die sich mit Fahrten in das
Westmeer befassen: in jenen Raum also, in dem jeden Abend die Sonne versinkt
und der in der mythischen Geographie der alten Völker Westeuropas
. das Jenseits darstellt. Erwähnt sei, daß Biedermann diesen Gesichtspunkt in
einem anderen Buch (,,Wunderwesen - Wunderwelten", Verlag für
Sammler, Graz 1980, S. 68-79) ebenfalls mythenkundlich bearbeitet hat.
Wichtig ist die Folgerung, daß die älteren irischen Immrama, deren Motive
sich in der Brandans-Legende zum Teil wiederholen, der empirischgeographischen
Deutung trotzen und daß daher „ohne die Betrachtung des
mythenkundlichen Umfeldes eine vordergründige ( d. h. erdkundliche)
Deutung problematisch bleiben muß, und zwar auch dann, wenn in nautischer
Hinsicht die Fahrt von Irland über Island nach Nordamerika durchführbar
ist." Alteuropäische Weltbild-Vorstellungen spielen daher in diesem
Rahmen offenbar die dominierende Rolle. Der Krumauer Bildercodex,
eine aus Böhmen stammende Handschrift aus der Zeit um 1360, enthält -
bisher kaum beachtet - einen in der Abfolge zwar lückenhaften und etwas
verwirrten, aber graphisch sehr ansprechenden Bilderzyklus der
Brandanus-Legende. Die altirische Heiligengeschichte wird naiv und fabulierfreudig
wiedergegeben, wobei einzelne Episoden im Sinne der kirchlichen
Gnadenlehre - etwas jene vom „Höllenurlauber" Judas - breiten
Raum einnehmen. Groteske Teufelsgestalten werfen mit Steinen, ein Greif
bedroht die Seefahrer, auf einem inselgroßen Wal wird ein Feuer entzündet
(eine auch in alten Kartenwerken oft auftauchende Episode). Zweifellos ha-.
ben wir hier ein interessantes Kulturdokument vor uns, das in der vorliegenden
bibliophilen Edition viel Aufmerksamkeit finden wird. AR
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M. FARINHA DOS SANTOS: Pre-Hist6ria de Portugal
2. neu durchgesehen und verbesserte Auflage, 175 Seiten, 158 Fotos und
Zeichnungen, davon viele in Farbe. Lissabon 1974.
Manuel Farinha dos Santos war Lehrstuhlinhaber an der Universität Lissabon
von 1960 bis 1968 und hat selbst mehrere Ausgrabungen geleitet. Sein
mit hervorragender Sachkenntnis geschriebenes Buch bietet eine kurzgefaßte
Übersicht über alles Wissenswerte der portugiesischen Vorgeschichte
und macht den Leser mit dem neuesten Stand der Forschung vertraut. In
der Darstellung der alt- und jungsteinzeitlichen Funde nimmt die Beschreibung
der Felsbilder und des Inventars der Höhle von Santiago do Escoural
(Alentejo) einen wichtigen Raum ein, auf S. 21-27 und 34-39. Die Höhle
wurde 1963 entdeckt und 1964 und 1966 durch den Autor veröffentlicht.
Ich habe die Malereien 1970 gesehen und kopiert und halte sie für jünger als
die „vorläufige" Datierung des Autors, der alle Bilder zwischen 17 000 und
13 0000 v. Ztr. ansetzt. Im vergangenen Jahr hat der Autor eine neue Ausgrabungskampagne
in der Höhle abgeschlossen, die vielleicht Klarheit über
die Datierung ergeben wird.
Die zwischen Alt- und Jungsteinzeit liegende - hier Epipaläolithikum
genannte - Periode niedriger Zivilisationsform (vielerorts eine Lücke)
wird durch Ausgrabungen von Muschelschalenhaufen (Concheiros) erhellt,
die durch das Nationalmuseum für Archäologie und Ethnologie in Lissabon
von 1955 bis 1958 und später von 1967 bis 1968 unter Leitung des Autors
stattfanden.
Als nächste Gruppe wird der Komplex der Megalithkultur vorgestellt,
der Portugals reichster Schatz vorgeschichtlicher Bauten ist. In der Fülle
der Abbildungen und Ortsnamen befinden sich einige bisher kaum beachtete
Bauten und Dekorationen. Neben rein geometrischen und schematischen
Malereien in rot und schwarz sind auch Bilder von Tieren, Menschen
und Jagdszenen in stilisierter Weise auf einigen Dolmen gefunden worden
(diese roten Malereien gleichen denen in offenen Felsüberhängen in Andalusien,
besonders in der Prov. Cadiz. Möglicherweise wurden sie nicht von
den Erbauern der Dolmen, sondern von späteren Kulturgruppen gemalt).
Die ersten Malereien auf Dolmen wurden bereits 1684 entdeckt und 1734
beschrieben, die Jagdszenen identifizierte Leite de Vasconcelos 1896. Mendes
Correia entdeckte 1924 und 1926 Malereien auf Dolmen (die ebenfalls
mit den südspanischen schematischen Malereien vergleichbar sind); es handelt
sich um Darstellungen von Menschen, Schlangen, Baummotiven etc.,
teils in Rot auf weißem Grund. Ferner haben wir hier auch Gravuren, wie
sie aus Irland, der Bretagne und aus Galizien bekannt sind. Der Autor
schreibt S. 55: ,,Abgesehen davon, daß die Kunst der Dolmengräber eine offensichtliche
Ausgewogenheit für Farbe und Geometrie und einen augen-
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scheinlichen Sinn für Raumaufteilung besitzt, bezeugt sie auch mittels ihrer
eindrucksvollen künstlerischen Gestaltung, daß sich jene Menschen, indem
sie diJ Gräber bemalten, des nebelhaften und beängstigenden Weges in die
Ewigkeit bewußt waren."
In Auswertung der Arbeiten von Leisner und Schubart u. a. wird das
Thema der befestigten Siedlungen der Kupferzeit behandelt, wobei die
zahlreichen Funde von Glockenbecherkeramik und Schieferplatten ihre
Einordnung finden. Eine ausführliche Beschreibung und farbige Wiedergabe
der Freilichtfelsbilder schließt sich an. Mit frühgeschichtlichen Stelen
und Zeugnissen der kriegerischen Eisenzeit sowie die Wiedergabe einiger
kostbarer Goldschmuckfunde schließt das Buch. Uwe Topper
KARLA. WIPF: Wanderer in der Nacht. Religionsgeschichtliche Interpretationen
zu altamerikanischen Chroniken. 230 S. mit 30 Textfiguren und
Tabellen. Burgfried-Verlag, Hallein 1980. öS 285,- (ca. DM 40,-).
Der Zürcher Religionsforscher Karl A. Wipf legt hier die Früchte seiner
langjährigen intensiven Beschäftigung mit den Wander- und U rzeitmythen
der alten Kulturvölker Mittel- und Südamerikas vor, und zwar nicht aufgrund
von Zusammenfassungen aus zweiter Hand, sondern auf der Basiseigenen
Studiums der Primärquellen. Er legt gemeinsame Grundlinien bloß:
das urzeitliche Chaos in der Dunkelheit, in der die Schöpfung erfolgt; die
Wanderung aus der Finsternis in das „verheißene Land", schließlich die
Aufrichtung der kosmischen Ordnung im zugewiesenen Bezirk. Parallelen
zu altweltlichen Mythen, vor allem zur Wanderung der Stämme Israels,
sind augenfällig und dürften Anlaß zu grundlegenden Überlegungen über
„Konvergenz oder Übertragung" geben. - Das überaus wertvolle Werk ist
nicht, wie es heute vielfach üblich ist, ,,wie ein Roman" zu lesen, sondern
glücklicherweise ein echtes Sachbuch von hohem wissenschaftlichem Standard,
dessen Studium Gewissenhaftigkeit erfordert; eine Aufgabe, die dem
seriös Interessierten jede Mühe reichlich lohnt! H. B.
F. KARLINGER, E. LASERER (Hrsg.): Baskische Märchen (in der Reihe
,,Die Märchen der Weltliteratur"). S 288,-, 1 Karte. Eugen Diederichs Verlag,
Düsseldorf 1980. Hln DM 26,-.
Die großartige Märchensammlung des traditionsreichen DiederichsVerlages
wurde 1980 wieder durch mehrere Bände bereichert, unter welchen
hier jener über die Volkstraditionen der Basken besondere Erwähnung
verdient, stellt dieses Volk doch mit großer Wahrscheinlichkeit „die
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älteste seßhaft gebliebene Bevölkerung" Europas dar (S. 253). Daß seine
Zaubermärchen, Legenden, Sagen und Tiermärchen ein vielfach sehr archaisches
Gepräge tragen, ist zu erwarten, und in der Tat lassen sich nicht
alle Stoffe in die Kategorien der üblichen Typen und Motive einordnen (A.
Aarne, St. Thompson). Im Baskenland hat einst Julia Caro Baroja das
Grundmaterial für sein Werk „Die Hexen und ihre Welt" ( dt. Stuttgart
1967) zusammengetragen, wobei alte weibliche Numina in christlicher Zeit
verteufelt worden zu sein scheinen. Hier gibt es auch die archaischen Vorstellungen
von den Laminak-Wesen, das sind ambivalente Naturdämonen;
die „Itxusiak"-Zwerge, den Waldmann Basa-Jaun, den dämonischen Tartaro
(der dem Tiroler Ork entspricht) und den Wilden Jäger Eiztari-Beltza.
Meer und Gebirge als übermächtige Naturlandschaften prägen die Umwelt
der Volkserzählung, in die freilich viele romanische Elemente eingeflossen
sind. Das vorromanische Erbe des Baskentums würde es verdienen, sorgfältig
aus dem Kompositum herausgelesen zu werden und könnte religionsarchäologisch
sicherliche manche Frage nach den Vorstellungen des vorindogermanischen
Europa beantworten. Angesichts der Tatsache, daß über das
baskische Erzählgut kaum anderweitig Basismaterial in deutscher Sprache
vorliegt, verdient das vorliegende, kenntnisreich kommentierte Buch besondere
Beachtung. H. B.
ALMGREN, BERTIL: Die schwedischen Felsbilder der Bronzezeit und ihre
Deutung. In: Lebendige Vorzeit. Felsbilder der Bronzezeit aus Schweden.
Sonderausstellung, zusammengestellt vom Archäologischen Inst»tut
der Universität Uppsala. 40 S. mit 29 Abb., Münster 1980.
Almgren macht in diesem Beitrag den interessanten Versuch, die bisher
kaum interpretierten schwedischen Felsbilder der Bronzezeit mit Hilfe von
religionsgeschichtlichen Analogien zu deuten. Seiner Meinung nach besteht
die alte Auffassung von den Felszeichnungen als ausschließlich religiöses
Dokument für die bronzezeitliche Glaubenswelt weiter, und zu der alten
Deutung als Kuhszenen - die allein nicht alle Aspekte erklärte - kommt
die Erkenntnis von der damaligen Vorstellung einer „nichtsichtbaren Gottheit"
hinzu. Dadurch meint er den größten Teil der Bildwelt in einen geschlossenen
Glaubenszusammenhang einfügen zu können.
Er möchte sogar sowohl chronologisch wie inhaltlich mehrere Epochen
in der Entwicklung der bronzezeitlichen Religion feststellen.
Als Vergleichsmaterial zu den schwedischen Felsbildern zieht Almgren
die Quellen über die zeitgenössischen Religionen des Mittelmeerraumes
und des Vorderen Orients (zwischen 1500 und 500 v. Chr., z.B. aus dem
minoischen Kreta) sowie die Idee der „Unsichtbarkeit der Götter" bei den
festländischen Germanen heran.
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Das gesammelte Material ist sehr beeindruckend, solche Versuche machen
aber immer nachdenklich. Schon die wohlklingende Vorstellung des
,,uns~chtbaren Gottes" ist in der Religionsgeschichte besonders umstritten.
Was das konkrete Beispiel der minoischen Religion betrifft: nach Ch. Picard
haben wir wirklich „noch keinen einzigen Beweis für die Existenz eines
erwachsenen männlichen Gottes". Einige Vegetationsgötter müssen
aber bekannt gewesen sein, denn die griechischen Mythen spielen auf Hierogamien
an, die auf Kreta stattgefunden haben. Ähnlich wie Almgren hat
schon - der eigentümlicherweise nicht zitierte - A. W. Persson den Versuch
gemacht, auf der Grundlage ikonographischer Darstellungen das rituelle
Schauspiel der Aufeinanderfolge von Tod und Auferstehung der Vegetation
zu rekonstruieren. Der schwedische Gelehrtß glaubte, die verschiedenen
Kultszenen in den Kreislauf der Jahreszeiten einfügen zu können. Einige
Deutungen sind bestechend, doch ist die Rekonstruktion des gesamten
Szenariums umstritten.
Aber auch einzelne Deutungen der Felsbilder sind bei Almgren fragwürdig.
Nach ihm werden zum Beispiel die über Schiffen schwebenden „Akrobaten"
nun verständlich „als virtuose Tänzer, die die Gunst der Göttlichen
Mächte gewinnen sollen, eine Vorstellung, die über die ganze Welt verbreitet
ist. (vgl. in der Bibel - David tanzt vor der Bundeslade)". Abgesehen
von den falschen theologischen Interpretation der Szene aus der Bibel:
Zeichnungen aus Knossos zeigen uns zum Beispiel Akrobaten beiderlei Geschlechts,
die über dem Stier voltigieren. Die religiöse Bedeutung der
,,Akrobatik" steht, nach M. Eliade trotz M. P. Nilssons Skepsis, außei;
Z weife!: das Springen über den Stier ist hier eine „Initiationsprüfung"
schlechthin. Ohne eine genaue Kenntnis des ganzen religiösen Korp.plexes
sind also solche allgemeine Feststellungen immer bestreitbar. Es wäre nicht
zweckdienlich, hier noch weitere Beispiele anzuführen. Wir verweisen nur
darauf, daß man bei der Feststellung analoger Vorgänge archaischer religiöser
Strukturen auf der Grundlage ikonographischer Darstellungen, die verschiedene
Interpretationen erlauben, immer besonders vorsichtig sein muß.
Der am meisten dauerhaft Wert des Beitrages liegt in der besonders reichen
Dokumentation. Tüskes Gabor (Szentendre)
DOMINIK JOSEF WÖLFEL, Die Religionen des vorindogermanischen
Europa. Nachdruck aus dem dreibändigen Werk „Christus u. d. Religionen
der Erde", Wien (Herder) 1951. Im Burgfried-Verlag, Hallein 1980.
Die Bedeutung dieses Buches steht seit seinem ersten Erscheinen vor 30
Jahren noch immer außer Zweifel. Somit ist es ein Verdienst des Verlegers,
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wenn er eine Neuauflage in Gestalt eines unveränderten Neudruckes herausgebracht
hat. Im Folgenden sollen in Hinsicht auf die Religion der Megalithiker
lediglich einige Gedanken zur Grundkonzeption des Werkes erworgen
werden, die sich dem Rezensenten in den langen Jahren seiner Beschäftigung
mit Megalithkulturen aufgezwungen haben, aber in keiner
Weise den Wert dieses Buches mindern können.
Die uns zur Verfügung stehenden archäologischen Relikte la~sen lediglich
erkennen, daß die Toten in auffallender Weise in den Bereich der Lebenden
einbezogen sind. Der Verfasser weist dabei nachdrücklich auf die Gefahr
hin, zur Rekonstruktion der Megalithreligionen eine Interpretation der archäologischen
Befunde aus den Vorstellungen der Erben vorzunehmen,
sieht aber trotz dieser Gefahr mit Recht darin eine Möglichkeit zur Erschließung
des megalithischen Totenkultes und seiner Ritualien (S.
252-253).
Das Megalithikum ist zweifellos auf einem Mutterboden vielfältiger religiöser
Vorstellungen erwachsen. In ihm hat sich dann lediglich der Totenkult
zu jenen Dimensionen ausgebildet, wie sie sich in den megalithischen
Denkmälern als Zeichen eines Willens gegen den Tod präsentieren, und hat
dabei den Charakter einer religiösen Bewegung, vielleicht mit einem gewissen
Sendungs bewußtsein, angenommen. In welchem Umfang das den gesamten
religiösen Ursprungsbereich erfaßt bzw. mit einbeschlossen haben
kann, läßt sich am Beispiel der ägyptischen Kultur ermessen, die wesentlich
vom Prinzip der Dauer (äg.: dd.t) bestimmt ist.
Die Grundkonzeption des Verfassers billigt dem Megalithiker als einzige
Gottheit den sogenannten Hochgott zu, der mit dem Himmel identifiziert
wird. Alle anderen Gottheiten stammen ihm aus der polydämonistischen
und polytheistischen Schicht jener Gebiete, die von der Megalithreligion,
die er als „vollkommen anikonisch" bezeichnet (S 321), überlagernd ergriffen
wurden. Man kann sich dabei des Gedankens nicht erwehren, daß hier
eine dogmatische Konzeption vorliegt. Für das, was damit für die Megalithreligion
vorausgesetzt wird, könnte im Endeffekt etwa das Schicksal der
Idee eines Echnaton ein Beispiel sein, die aufgrund ihres künstlichen Charakters
keinen Bestand haben konnte, weil die religiöse Vorstellungsumwelt,
in der sie entstand, mächtiger war und die isolierte Existenz einer religiösen
Bewegung nicht ertrug. Das dürfte in noch verstärktem Maße für die
zeitlich viel weiter zurückliegende megalithische Bewegung zutreffen, die
aus einem Mutterboden erwachsen ist, in dem ganz gewiß die Begegnung
mit dem Numinosen derartige Abstraktionen als Verarmung religiösen Erlebens
nicht zuließ. Die einzigen Mächte, die der Verfasser den Megalithikern
neben dem Hochgott zuerkennt, sind Baum- und Wassergeister (S.
534).
Es steht somit nach wie vor die Frage an, ob die megalithische Bewegung
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im Bereich ihrer Entstehung von jener Schicht getragen wurde, der sie entstammte,
oder ob sie diesen ihren Wurzelboden verleugnen konnte und ohne
j den lebendigen Zusammenhang mit ihm gestanden hat. Der Verfasser
betont mit Recht, wie gefährlich Rekonstruktionen aus religiösen Vorstellungen
der verschiedenen Umwelt in den Provinzen des Megalithikums
sind. Immerhin läßt sich aus dieser Umwelt der religiös vielfältige Inhalt
der regional unterschiedlichen Megalithreligionen erklären. Zur Lösung
unserer Frage kann, soweit wir über Realien verfügen, nur die Heimat der
megalithischen Bewegung dienen, soweit wir eine von diesem religiösen
Untergrund abgelöste megalithische Idee nicht akzeptieren. Noch mehr gewinnen
jene Realien an Bedeutung, die über weite Entfernunge konstant
geblieben sind, d. h. z. B. wenn eine religiöse Konzeption, etwa die Sinngebung
einer megalithischen Steinsetzung oder die Gestalt einer Gottheit,
nicht nur in untereinander verwandten Gebieten des Polytheismus, die von
der megalithischen Bewegung erfaßt sind, etwa im Bereich des Mediterraneums,
sondern auch in Gegenden mit einem davon völlig verschiedenartigen
Polytheismus und Polydämonismus im Verband des Megalithikums so
gleichartig auftritt wie im Ursprungsland der Megalithiker.
Ich will mich zur Illustrierung auf wenige Beispiele beschränken. Wenn
z. B. die Steinhaufen (Kerkur) im tibetischen Megalithikum, wo sie als Lartse
[rdsas, btsas; mong.: Obo] bekannt sind, mit den gleichen Riten bedacht
werden wie im alten Griechenland, wo sie als
oder i~r:Z-"' (=Haufen) wie in Tibet Behausung einer Gottheit mit ganz bestimmten
Funktionen waren, dann stellt sich die Frage, ob es qa noch berechtigt
ist, zur Aufrechterhaltung der Grundkonzeption die griechische
Vorstellung von der Wohnung einer Gottheit der sekundären Umwelt zuzuschreiben,
um vom Kerkur der Megalithiker lediglich als von einem
Seelen- oder Totensitz zu sprechen, wobei der Verfasser zugeben muß, daß
megalithische Steinhaufen auch ohne Begräbnis, d. h. ohne unmittelbarem
Zusammenhang mit Totenkult vorkommen (S. 187, 363); vgl. den Rezensenten
in „Das tibetische Megalithikum" (in: Ethn. Zeitschr. Zürich,
II/ 1975, S. 36, 42 f).
Ein wichtiger Faktor bei der Erschließung der Megalithreligion ist auch
das Märchen, soweit seine Themen in den verschiedensten Gebieten des
Megalithikums festzustellen sind, wobei wiederum aus besagten Gründen
dem bedeutenden tibetischen Megalithikum, dessen Zusammenhang mit
dem entfernten westmediterranen ich nachgewiesen habe, besondere Bedeutung
zukommt. Was wir diesen Märchen entnehmen können, zu denen
auch das Märchen von den Schwanenjungfrauen (auch in Tibet!) gehört,
das vielleicht die geflügelte Gestalt der etruskischen Lasen mitbestimmt hat,
ist vor allem die vermutliche Existenz einer megalithischen Gnosis mit der
stufenweisen J enseitsreise der Seele und mit der heiligen Hochzeit an ihrem
Ende, wobei die Idee vom Stufenkosmos zugleich zu einer Sinndeutung me-
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galithischer Stufenbauten, besonders über Gräbern, führen kann (S. Hummel,
1975, S. 42).
Was dann die Frage „ vollkommen anikonischer" Vorstellungen betrifft,
so fallen in den keltischen Siedlungsgebieten innerhalb des westeuropäischen
Megalithbereiches dreiköpfige Gottheiten auf, die jedoch in anderen
Gebieten, in denen Kelten gesessen haben, fehlen. Wenn nun diese Trinitäten
in einer Gestalt nicht nur im mittelmeerischen Raum verbreitet sind,
sondern auch in Tibet in Verbindung mit megalithischen Vorstellungen
vorkommen und dabei eine nicht vom Buddhismus ableitbare Sonderstellung
einnehmen, so verdichtet sich die Vermutung, daß sie zum Bestand
der ursprünglichen Religion der Megalithiker gehören.
Bei dem allen soll durchaus nicht vergessen sein, daß es wohl keine über
das gesamte Megalithgebiet Eurasiens verbreitete einheitliche Megalithreligion
gegeben hat, wohl aber im gesamten Megalithikum verbindliche
Grundvorstellungen, ein Substrat, das wir trotz unterschiedlicher Provinzen
der Megalithreligion, deren Entstehung der Verfasser untersucht und
begründet, in beschränktem Umfang zu rekonstruieren vermögen. Dieses
Substrat aber, das dem westmediterranen Mutterboden entstammt, scheint
religiös viel weniger abstrakt und viel inhaltsreicher, aber auch vielschichtiger
zu sein, als der Verfasser voraussetzt, wobei wir den Glauben an einen
Himmelsgott durchaus stehen lassen. Im Mutterboden des Megalithikums
hat der Wille zum Leben dann jene große megalithische, religiöse Bewegung
entstehen lassen, die, falls sie von einem ethnischen Substrat des Ursprungslandes
verbreitet worden sein sollte, in ethnisch verschiedenen Gebieten
angenommen wurde, eine Bewegung, deren Totenkult und deren
J enseitsglauben in den Megalith bauten ihr eindrucksvollstes Gepräge gefunden
haben.
Abschließend mögen noch einige Bemerkungen der N achbestattung oder
der Erneuerung von Grabbeigaben, praktisch als Zugang zum Grab in Verbindung
mit dem Totenkult (S. 196). Wo dieses Loch nur einen ganz geringen
Durchmesser hat (S. 365: 22 cm), wird bezweifelt, daß diese Anlage
auch wirklich ein Grab war. Ohne diese Deutung in allen Fällen anzufechten,
geben jedoch die altägyptischen Gräber mit ihrem Zugang für den Seelenvogel,
worüber wir bildliche Darstellungen haben, zur Deutung als Seelenloch
zu denken.
Die Pyramide wird lediglich als Kombination von Kistengrab, Terrasse
und gestuftem Hügel erklärt (S. 399). Hierzu sollte das v