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MAGNA MATER MEDITERRANEA 1 J Die Verehrung weiblicher Gottheiten ist mehr oder weniger über die ganze Erde verbreitet; das wäre noch nichts Außergewöhnliches; aber es gibt einen geographisch- historischen Raum, in dem es durch lange Zeit räume hindurch zu einem Übergewicht des weiblichen Numens kam: Dies ist der Raum des alten Mittelmeeres, im weitesten Sinne des Begriffs der Raum zwischen den Säulen des Herakles und dem Vorderen Orient, mit Ausstrahlungen bis nach Indien (1). Der Zusammenhang mit dem äußersten Westen dieses Raumes ist durch die Betonung des Weiblichen gegeben, die sich auf einigen der Kanarischen Inseln fand. Unsere Aufgabe ist es, diesen Befund in den weiteren Rahmen der mittelmeerischen Beziehungen zu stellen und den religionsgeschichtlichen Hintergrund zu geben (2). Die Bewohner der kleinen Insel Hierro verehrten eine mythische Stammmutter namens Moneiba/Moreiba (3). Sie war die Gefährtin des männlichen Ahnen Eraoranhan, was vielleicht "Großer Herr" bedeutet, wie Moneiba vielleicht "Herrin Mutter". Auf Tenerife kannte man eine Himmelsgöttin Chaxiraxi oder Armaxes Guaiaxiraxi (4). Chaxiraxi - phonetisch wohl eins mit Guaiaxiraxi - wird als "die Himmlische" gedeutet (5). Armaxes als "Mutter des Himmelsgottes", der Himmel und Erde aufrecht erhält, aber auch als Guaiaxiraxi (6). Auf Fuerteventura war eine Prophetin/Wahrsagerin namens Tamonante bekannt, eine Wala-Figur, wie Wölfe! sie auffasst (7) - die germanischen Walagestalten ruhen auf voridg. Grund - hinter der die Grosse Mutter wohl als Orakelgöttin steht. Auf Gran Canaria kannte man ein Kollegium heiliger Jungfrauen in einer Art Höhlenkloster, die Maguadas/Magadas/ Harimaguadas hiessen (8), wobei der Name vielleicht eher den Vorsteherinnen dieses Klosters zukam. Es bleibt durchaus fraglich, ob sie wie die römischen Vestalinnen als Hüter eines heiligen Staatsfeuers aufzufassen sind; ge- -7- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 wiss ist nur, dass sie zum Adel gehörten und in einer besonderen Beziehung zum Königtum standen. Sie waren eher ein Kollegium von Orakelpriesterinnen und sind mit den Orakelpriesterinnen auf Malta zu vergleichen oder den libyschen Prophetinnen (9). Eine solche Einrichtung ruht zuletzt auf dem Grunde, dem die Magna Mater entwuchs, aus deren Funktion als Orakelgöttin im östlichen Mittelmeer die Sibyllen entstanden. In rudimentärer Form haben wir hier alle wesentlichen Attribute der Magna Mater: die Beziehung zur Erde, zum Himmel, zum Schöpferischen, zur Prophetie, zur Jungfräulichkeit, zur Gattin eines Gottes. Zum Problem des Mutterrechts Man glaubte einst, die Verehrung der grossen Göttin oder Mutter einem besonderen Kulturkreis oder einem besonderen Entwicklungsstadium der Menschheit zuschreiben zu müssen, dessen Lebensformen als Mutterrecht, Matriachat, Mat rilinearität bezeichnet wurden. Dieser unglückliche Name, von seinem Urheber, J. J. Bachofen (1813-1887) aus juristischen Assoziationen heraus geprägt, führte sozusagen von selbst zu einer falschen Schematisierung und Verallgemeinerung. Man nahm an, dass der mutterrechtliche Zustand, von Bachofen auch gern der gynäokratische genannt, ein allgemeines Durchgangsstadium der Menschheitsentwicklung gewesen wäre, dem ein vaterrechtlicher Zustand gefolgt wäre (10). Heute wissen wir, dass weder alle Völker mutterrechtlich waren, noch, dass es eine allgemeine Stufe der Entwicklung war. Auch bedeutet Matriarchat keineswegs, dass die männliche Welt ohne Bedeutung, oder gar unterdrückt gewesen wäre. Die Verehrung der großen Mutter ist auch nicht erst durch das Mutterrecht erzeugt worden - sie gab es schon paläolithisch - wohl aber ist sie durch mutterrechtliche (und wohl auch megalithische) Zustände verstärkt, gelegentlich übersteigert worden. Bachofens grosse Leistung besteht darin, das Vorhandensein mutterrechtlicher Strukturen überhaupt erkannt zu haben; er irrte vielfach in Zuschreibungen und Deutungen, ebenso in der radikalen und zeitlichen Trennung von Mut- -8- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 terrecht und Vaterrecht. Beide können nebeneinander bestehen, z.B. in der besonderen Stellung des Mutterbruders. Auch sind niemals a 11 e Züge, die einer mutterrechtlichen Gesellschaft insgesamt zukommen könnten, in e i n e r Gesellschaft verwirklicht gewesen. Bachofen erkannte richtig den besonderen Zusammenhang zwischen Ackerbau und Mutterrecht, was von P. Wilhelm Schmidt (11) weiter präzisiert wurde: es ist nicht der Ackerbau schlechthin, sondern der Hackbau, der die besondere Beziehung schafft. Schmidt sieht eine wirtschaftlich-soziale Wurzel des Mutterrechts in der Tatsache, dass die Frau mit grosser Wahrscheinlichkeit die Schöpferin des Hackbaus ist - erst die Erfindung des Pfluges und die Zucht starker Zugtiere sind männliche Schöpfungen - womit der Mann in Abhängigkeit geriet. Der Frau fiel das Eigentumsrecht am Boden und den erzeugten Lebensmitteln zu. Der klassische Komplex, wie Bachofen ihn glaubte herausarbeiten zu können, führt auf eine Reihe z.T. apodiktischer Sätze zurück: Unwichtigkeit der männlichen Zeugung, die Mutter als alleinige Bezugsperson, die Erbfolge vollzieht sich in der weiblichen Linie, die Heirat ist stets matrilokal oder Besuchsehe, Großfamilien haben ausschliesslich Urmütter zu Ahnherrinnen, die Rolle der Fruchtbarkeit und der Fruchtbarkeitsgöttinnen wird betont, Unterweltsgottheiten und Erdmütter werden besonders verehrt, der Mond, nicht die Sonne wird verehrt; es gibt zwei Stufen, den vorausgehenden Hetärismus, der allgemeine Promiskuität bedeutet, und die Gynäokratie, die bereits strenge Regelungen, besonders der Ehe mit sich bringt, was durch die Göttin Demeter symbolisiert wird; das Vaterrecht folgt dem Mutterrecht nach und war ein Aufstand der Männer gegen die weibliche Herrschaft; das Sexuelle wird betont; ein ahnungsreiches Gottesbewustsein ist die spezifische Form der weiblichen Religiosität; es gibt Kollegien von Priesterinnen der grossen Mutter, die besonders religiös ausgerichtet und hierarchisch gegliedert sind; der bedeutendste Ausdruck der weiblichen Religiosität sind Mysterienkult und Orakelwesen; das Mutterrecht ist die erste wahrhaft fortschrittliche Tat in der Entfaltung der Menschheit, indem es den Aufstieg aus dem Ursumpf der -9- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Promiskuität und des Hetärismus darstellt. Alle Erscheinungen des Mutterrechts stehen in einem systematischen Zusammenhang; neben der "demetrischen" Regelung der Ehe gibt es die sakrale Prostitution, welche die eheliche Keuschheit bewahren hilft; der Kampf des hetärischen und des demetrischen und des matriarchalen mit dem patriarchalen Prinzip spricht sich in Mythen aus; mit dem Mutterrecht verbindet sich eine durchgängige Symbolik, z.B. der Getreideähre, des Saatkorns, der Höhle, des Seils, des Korbes; das Amazonentum ist die höchste Steigerung des Mutterrechts und zugleich dessen Entartung. Die Religion des Dionysos ist in der demetrischen Welt als Kampf gegen den Hetärismus entstanden, verfiel ihm aber später selbst; die Versinnlichung der antiken Welt durch den entarteten Dionysoskult fällt mit der Entstehung der Demokratie zusammen, die fleischliche und die politische Emanzipation sind sozusagen Zwillingsschwestern. Das Mutterrecht lässt sich, obgleich universal, aus antiken Quellen, besonders den sogenannten "pelasgischen", am besten ableiten; das Vaterrecht ist apollinisch, solarisch; dem Mutterrecht sind die linke Seite und das Dunkel wesentlich. Diese von Bachofen erschaute Komplexität ist z. T. selbst ideologisch, ja selbst mythisch. Gleichwohl ist Bachofens Leistung bedeutend: er hat uns die Antike, lange vor Nietzsche anders sehen gelehrt; er hat zuerst auf das Mutterrecht hingewiesen und damit einen völlig neuen Gedanken eingeführt: das Mutterrecht. Das ist besonders wichtig, wenn man sich . vor Augen führt, dass unser überkommenes Kulturerbe - das Orientalisch-Semitisch-Jüdische, das Griechische, das Römische und das Germanische in seinen traditionellen Ausprägungen extrem vaterrechtlich ist. Er machte zuerst auf Nichthellenisches und Nichtsemitisches im Griechischen aufmerksam. Er erkannte den Wert des Symbols und ist damit Ahnherr der Symbolforschung; er erfasste das Problem der Urreligion zum ersten Male ausserhalb der theologischen und doktrinären Vorstellungen der etablierten Kirchen; er zeigte, dass Mythologie weder Abstraktion noch blasse kindliche Phantasie ist, sondern Niederschlag psychischen Lebens. Er zeigte uns die ursprünglich religiöse Natur an- -10- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 tiker Festspiele und schärfte uns den Blick für die Rolle per Muttergöttinnen und für das Gesamtphänomen des Mediterranen, das er das "Pelasgische" nannte. Jensen (12) geht von Karl Meulis Nachwort zur Neuausgabe von Bachofens "Mutterrecht" ( 13) aus, worin Meuli feststellt, dass sich Bachofens Entdeckung als ein einheitliches Ganzes bewährt habe. Jensen stellt mit Recht fest, dass dies nur für die Entdeckung, nicht für den ganzen Komplex gelten könne. Wie Richard Thurnwald (14) stellt er fest, dass das Mutterrecht keineswegs besonders urtümlich ist, nicht uranfänglich, sondern sekundär (15). Die grossen Göttinnen sind keinesfalls nur Geschöpfe des Mutterrechts, aber sie bekamen ihre Bedeutung und volle Ausbildung in mutterrechtlich gegründeten oder beeinflussten Kulturen und erhielten vielfach ihr eigentliches Profil erst im oft ambivalenten Verhältnis zu männlichen Numina, die als Stier oder Mann, Herr, Geliebter, Begleiter, Paredros, Sohn auftraten. Die weiblichen Numina sind komplexer und vielfältiger: die grosse Göttin ist Urmutter, Herrin, Geliebte, Gattin, Jungfrau, Kriegerin, Prophetin, Erdgöttin, Herrin des Todes und der Unterwelt, Herrin der Tiere, Schöpferin, Quell und Symbol der Fruchtbarkeit. Paläolithische Vorformen der grossen Mutter Wie immer man die grosse Zahl paläolithischer, mesolithischer und neolithischer Frauenstatuetten - fast ausschliesslich Kleinstatuetten - die aus dem eurasiatischen Raum stammen, im einzelnen beurteilen mag, man kommt wieder, immer wieder auf die Grundbegriffe der Zeugung, der Fruchtbarkeit zurück, seien nun diese indirekt oder direkt gemeint. Ihre fast durchgehende Fusslosigkeit deutet darauf hin, dass sie in den Boden von Hütten, Nischen, Unterständen gesteckte Haus- und Herdgottheiten gewesen sind. Die Statuetten, zum grössten Teil üppige Frauen darstellend, sind aus verschiedenen Materialien gefertigt, sodass also das Argument fortfällt, das Material hätte keine anderen Darstellungen zugelassen. Brust, Bauch, Schenkel, Gesäss sind für unsere Begriffe übertrieben; daneben gibt es auch die Darstellung schlankerer Typen. Diese -11- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 üppigen Frauentypen, die gelegentlich auch steatopygisch sind, stellen weder ein Schönheitsideal an sich noch einen bestimmten Rassentypus, etwa von der Art der Hottentotten- oder Buschmannf rauen dar, noch sind sie Porträts - was schon durch die häufige Gesichtslosigkeit ausgeschlossen wird; sie sind numinose Symbole, die natürlich aus der Anschauung der Wirklichkeit genommen sind. Sie bedeuten natürlich nicht, dass es so etwas wie ein jägerisches Matriarchat gegeben haben müsse, wohl aber, dass natürlich auch Jägern der Gedanke der Fruchtbarkeit bedeutsam gewesen sein müsse und eben auch der Gedanke der Fruchtbarkeit der Tiere. So wird ein Teil dieser Statuetten eine Herrin der Tiere dargestellt haben. Zugleich ist aus bestimmten Fundstätten zu schliessen - etwa Willendorf in der Wachau oder Malta in Sibirien im Baikalgebiet - dass es sich um Niederlassungen von Jägern mit periodischer Sesshaftigkeit gehandelt haben muss, um feste Jägerstützpunkte oder um ein kultisches Zentrum wie beim Abri von Laussel in Südfrankreich. Im übrigen wird durch solche Hinweise sowohl Bachofens Konzept eines uranfänglichen Mutterrechts wie das Sigmund Freuds einer patriarchalen Urhorde widerlegt ( 16). In Laussel interessiert uns besonders die stehende nackte Frau, aus einer Felsplatte im Relief (17). Die erste Stufe der Deutung wird dadurch bestimmt, dass wir zweifellos ein numinoses weibliches Symbol in Gesellschaft eines Tiersymbols erblicken, hier die Verbindung eines männlichen und eines weiblichen Prinzips, wobei das Hauptgewicht auf der Darstellung des Weiblichen ruht. Der jagdmagische Aspekt kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber ebenso gewiss nicht allein bestimmend, auch wenn man nicht wie Leroi-Gourhan (18) annimmt, dass die gesamte paläolithische Bilderwelt auf der durchgehenden Polarität eines weiblichen und eines männlichen Prinzips beruhe. Jedenfalls kann der jagd- und f ruchtbarkeitsmagische und kultische Aspekt nicht ausgeschlossen werden (19). Eine andere Deutung gibt Helmuth M. Böttcher (20), für den die Ähnlichkeit des (abgebrochenen?) Horns, das die -12- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 werden, aber es ist ebenso gewiss nicht allein bestimmend, auch wenn man nicht wie Leroi-Gourhan (18) annimmt, dass die gesamte paläolithische Bildwelt auf der durchgehenden Polarität eines weiblichen und eines männlichen Prinzips beruhe. Jedenfalls kann der jagd- und f ruchtbarkeitsmagische und -kultische Aspekt nicht ausgeschlossen werden (19). Eine andere Deutung gibt Helmuth M. Böttcher (20), für den die Ähnlichkeit des (abgebrochenen) Horns, das die "Venus" von Laussel in der erhobenen Rechten hält, mit einem Wisenthorn (meist wird ja der Bison statt des Wisents eingesetzt) nur zufällig ist; in Wirklichkeit bedeutet es die Mondsichel; die dreizehn Riefungen seien die Vollmondnächte. Damit sei die nackte Göttin als Mondgöttin erwiesen, d. h. sie stelle den Mondaspekt der Grassen Mutter dar, und erst insoferne habe sie Fruchtbarkeitsbedeutung. Zugleich aber verkörpere das Horn das männliche Prinzip, womit wir auf einem Umweg zur ersten Deutung zurückgekehrt sind. Dies führt übrigens zur Nebenfrage, wieweit der paläolithische Mensch einen Zahlbegriff entwickelt hatte, ob wir sagen können, dass er etwa im ' Sinne Alexander Marshacks ein systematisches Zahlendenken besass, das auch symbolisch und kalendarisch eingesetzt werden konnte (21). In diesem Zusammenhang ist auch die verbreitete Irrmeinung zu berühren, dass der urgeschichtliche Mensch und der sogenannte "Primitive" den Zusammenhang zwischen Zeugung und Empfängnis nicht gekannt habe, weshalb nur der Begriff der Mutter für ihn wesentlich gewesen sei - eine Meinung, die noch von Böttcher vertreten wird (22). Er vertritt die groteske Meinung, dass der Vater erst etwa 4000 v. Chr. "entdeckt" worden sei, wonach alle frühere Religiosität sozusagen automatisch in den Bereich der "Mutter" fallen würde. Schlesier zeigt (23), dass dem nicht so gewesen ist. Möglicherweise ist der Zahlbegriff schon dem Homo erectus zuzuschreiben. 1982 wurde in Bilzingsleben, Bezirk Halle, auf einem Rastplatz des Homo erectus ein Knochen gefunden, der parallel eingeritzte gebündelte Linien auf wies (24). Die sogenannte Venus von Willendorf (Venus I) aus dem Aurignacien (25) weist alle wesentlichen Züge auf: üppig, steatopygisch, fuss- und gesichtslos; der ganze Kopf ist von -13- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 einer komplizierten Frisur bedeckt, die den Eindruck einer Perücke macht. Die Gesichtslosigkeit beweist allein schon, dass kein Porträt beabsichtigt war, sondern die Hinweise auf Fruchtbarkeit und Mutterschaft wurden hervorgehoben (26). Anthropologisch gesehen sind alle Vorstellungen, dass es sich bei der Willendorf er Statuette um eine besondere menschliche Rasse gehandelt habe, zurückzuweisen: jeder praktische Arzt sieht die "Venus" von Willendorf ein paar mal jährlich in seiner Sprechstunde! (27). Wohl weist die relativ einheitliche Art dieser Statuette im ganzen eurasiatischen Raum auf ähnliche Vorstellungen hin, die sich mesolithisch und neolithisch im Mittelmeerraum konzentrierten und verdichteten (28). Der Mittelmeerraum tritt im Neolithikum das Erbe der paläolithischen Muttervorstellungen an (29). Für die vorauszusetzende Kontinuität zwischen den Muttervorstellungen des Paläolithikums und dem mediterranen Neolithikum ist ein wichtiges Zeugnis <;atal Hüyük ( "Hügel an der Strassengabelung") im südl. Kleinasien, südwestlich von Konya. Hier ergibt sich, im 7. Jahrtausend v. Chr. eine klare Kontinuität zwischen jungpaläolithischen und mesolithischen Befunden. Unter Berufung auf Leroi-Gourhan stellt der Ausgräber, James Mellaart (30) fest " ..... dass man in <;atal Hüyük das Fortwirken überkommener jungpaläolithischer Einflüsse vermuten darf ..... die Bedeutung der klar geschichteten und leicht datierbaren Fundstätte von <;atal Hüyük für das Studium der Archäologie, der Kunst, der Religion und der Technik dieser von Leben durchpulsten Epoche der frühen Menschheitsgeschichte, die mit dem im allgemeinen unergiebigen Mesolithikum in Europa zeitgleich ist, braucht wohl kaum hervorgehoben werden". In <;atal Hüyük haben wir zahlreiche Statuetten der grossen Göttin und anderer ikonographische Hinweise auf ihren Kult und ihre Bedeutung. Es gibt die gesichtslose sitzende oder stehende üppige Göttin; es gibt sie in der Doppelung mit einer jüngeren Göttin, vielleicht Mutter und Tochter, eher die Göttin als Jungfrau und als Mutter; wir sehen die üppige gebärende Göttin, die von zwei Katzen - Leoparden? - gestützt wird (31). Neben Statuetten aus Ton finden sich sehr frühe, fast anikonische aus weissem Marmor wie viele der Kykladenstatuetten. Spätere Statuetten -14- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 werden naturalistischer. Die Göttin wurde sowohl allein als auch mit einem männlichen Partner oder Prinzip darge~ tellt, der durch die grossen bemalten Stiere oder durch die in die Wände eingelassenen Stierköpfe verkörpert wurde. Darüberhinaus wurde die grosse Mutter durch in die Wände eingesetzte Nachbildungen üppiger Brüste versinnbildlicht. Neben dem Stier begegnet der Leopard als charakteristisches Tier; Knaben auf Leoparden reitend verkörpern wie es scheint den jugendlichen Gott, der das Wilde und Tödliche überwindet. Auch scheint der chthonische Aspekt der grossen Mutter, der später in Griechenland eine so grosse Rolle spielte, verehrt worden zu sein - als Erdgöttin wie als Orakelgöttin, der wir gleichfalls in Griechenland wie auf Malta wieder begegnen werden. Im Gegensatz zum Paläolithikum fehlen in <;atal Hüyük phallische und vulvische Symbole völlig, während das sogenannte Geschlechtsdreieck im Paläolithikum nicht zu übersehen ist, was Marie E. König, ausgehend von Leroi-Gourhan zu einer durchgehenden kosmisch-lunaren Deutung geführt hat, die auf den polaren und komplementären Gegensatz des männlichen und weiblichen Prinzips abgestellt ist (32). Zum Fehlen der eigentlichen Geschlechtsorgane in <;atal Hüyük bemerkt Mellaart (33), dass dies gerade auf das Vorwiegen weiblicher Religiösität deute, während die eigentliche Darstellung von Phallus und Vulva mehr der männlich-eregten Symbolik zugehöre. Im übrigen zeigen die jungpaläolithischen und mesolithischen Statuetten des eurasiatischen Raumes grosse Einheitlichkeit und Kontinuität, sodass es einen weitgespannten Zusammenhang gegeben haben muss (34). In Gagarino (Ukraine) fanden sich Statuetten sowohl schlanker wie auch üppiger Göttinnen oder Ahnherrinnen, die klärlich zum Einstecken in Wohngruben oder Wandnischen bestimmt waren. Eine Statue aus Gagarino I weist eine ausserordentliche Ähnlichkeit mit Willendorf I auf, bis zur Andeutung eines ähnlichen Kopfputzes bzw. einer ähnlichen Frisur. In Kostjenki (Ukraine) (35) fanden sich sowohl Sandsteinplatten mit Vulva-Gravierungen als auch Statuetten, davon eine kopflos und schwanger, tätowiert und mit der Andeutung eines Gürtels, der vielleicht kultisch-symbo- -15- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 lische Bedeutung hatte: der Gürtel bedeutete weibliche Macht, wie noch viel später der Gürtel der Aphrodite bzw. ihrer verdunkelten Erscheinungen in den Amazonenköniginnen Omphale oder Hippolyte, deren Gürtel Herakles zu lösen und zu erringen hatte: so verlieren sie die Macht. Die Mammutjägerstationen von Jelisewitschi (Ukraine) (36) ergab die Statuette einer üppigen Frau, die Station der Rentierjäger von Malta (Sibirien) ergab meist schlanke Statuetten (37), aber auch einige üppige. Die schlanken Statuetten zeigen Anzeichen von Bekleidung, die üppigen auch eine Andeutung des Kopfputzes; Kopfschutz, Bekleidung und Gürtel scheinen jeweils verschiedene kultisch-symbolische Bedeutung gehabt zu haben, jenseits aller bloss praktischen Bezüge. Viele der Steckfiguren können auch Ahnherrinnen eines Familienverbandes gewesen sein. Übe-rhaupt ist immer mit einem komplexen Symbolismus zu rechnen, jenseits aller überholten Begriffe von Primitivität, die man einst bei Beschreibung und Deutung schriftloser oder vorgeschichtlicher Kulturen glaubte anwenden zu müssen. So werden die Hinweise auf Schwangerschaft und Geburt nicht nur das bloss gebärende, sondern auch das schöpferische Prinzip symbolisiert haben; darüberhinaus aber konnten sie natürlich auch symbolische und magische Bedeutung haben. Man denke etwa daran, dass die Darstellung schwangerer Frauen bis in die Renaissance hinein als Glückssymbol galt (38). Die grosse Mutter im vorderasiatischostmediterranen Raum In diesem Bereich gewinnt die grosse Mutter eine stärkere Beziehung zu Höhle, Stein und Berg, drei numinose Bereiche, die innig miteinander verknüpft sind, was wohl auch mit der Diffusion megalithischen Gedankenguts zusammenhängen kann, ohne dass deshalb die Magna Mater die Hauptgöttin des Megalithikums gewesen sein müsste. Dies heisst nicht, dass es sie überhaupt nicht gegeben hätte, was etwa Fleming mit der zweifelhaften Begründung verneint, dass es kein einheitliches Megalithikum gegeben habe (39). Darstellungen und später literarisch fixierte Mythen der -16- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 grossen Mutter finden sich bis in den indischen Subkontinent, der ja kulturell in einer starken Schicht noch zu den Ausstrahlungen des Mediterranen gehört. In Vorderasien aber ist ihr Kult mit besonderer Mächtigkeit ausgebildet, mit besonders starken Bezügen zu Berg, Höhle und Stein. Die Verbindung in den indischen Raum hinüber wird etwa durch die Funde in Belutschistan gekennzeichnet. So fanden sich in Kulli, in einer Fundstätte namens Shaitump, kleine Statuetten der grossen Mutter in Verbindung mit Skulturen von Rindern. Eine Statuette, aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., wies sogar einen Totenkopf auf, was kaum etwas anderes als den chthonischen und tödlichen Aspekt der grossen Mutter darstellen kann - eine Vordeutung der Kaff oder Durgä (40). Haartracht oder Schmuck werden betont, die Gesichter sind angedeutet. Beziehungen zu Elam, Mesopotamien und zur etwa gleichzeitigen Induskultur sind klar (41). In den beiden Fundorten von Ghundai (Belutschistan) fanden sich Darstellungen gewaltig übertriebener Schenkel und Schösse in Gesellschaft steinerner Phallen - Yoni und Lingam des hinduistischen Kults sind da präfiguriert, das männliche und das weibliche Prinzip stehen nebeneinander. Die steinernen Phallen Belutschistans und des indischen Raumes finden sich, in wechselnder Zuordnung und Ausgestaltung, über den ganzen ostmediterranen Raum verstreut - naturalistisch, schematisiert, verhüllt (42). Neben dem gr. Ausdruck "phallos" oder "phales" gab es den voridg. Ausdruck "herma", wonach die phallischen Hermen benannt wurden (43). Wir lesen bei Strabo (44), dass sich unter den Begleitern der grossen Mutter Kretas und Kleinasiens ein Daktylos namens "Akmön" befunden habe, worin sich ein altes mediterranes und idg. Urwort für Stein erhielt. Dies ist ein altes Hüllwort, sowohl für den steinernen Phallos als auch für die steinerne Magna Mater. Ein anderer Name des Daktylos-Däumlings war Pygmaios, der "Faustgrosse", wozu der Name des zypriotischen Urkönigs Pygmalion zu stellen ist. Der Mythos, wonach sich dieser in eine Statue der nackten Liebesgöttin verliebt habe, enthält missverstanden, verdunkelt und poetisiert die Beziehung der grossen Mutter zum Phallos (45). -17- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Damit haben wir die kleinasiatisch-phrygisch-kretische Göttermutter genannt, die unter den verschiedensten Namen verehrt wurde: Mä, Dindymene, Idaia, Artemis, Astarte, Hepat, Pessinuntia, Kybele/Kybebe/Kubaba/Kumbaba. Hesychios weist in seinen Lexikon ( 46) auf das phrygische Wort "kybela" hin, das Berg und Höhle bedeutet. Die Grundbedeutung ist wohl "gehöhlter" Stein, womit die Höhle der Geburt assoziert ist. Auch hier begegnen wir dem mediterran- idg. Grundwort, das sich in hebr. "koba/qoba" = Helm zeigt, in hethit. "kupahi", in gr. "kype" = Becher, eigentlich "ausgehöhltes", das möglichweise sogar mit dem idg. "caput", urgerm. "haubeda", nhd. "Haupt" zu verknüpfen ist, sowie mit den nasalierten gr. "kymbachos" = Helm (47). Nach Szemerenyis Deutung würde "Kubaba" mit der phrygischen substantivierenden Nachsilbe -be/ba etwa die "Behelmte" bedeuten, womit vielleicht an die Mauerkrone gedacht war, mit der die Göttin als Stadtgöttin abgebildet wurde. Schärfer glaubte Brixhe (48) die Etymologie fassen zu können, indem er einen ursprünglichen Bergnamen "Kuba" ansetzt, von dem der Name der Göttin abgeleitet wäre. Nach Zgusta (49), der auf Pausaniens hinweist, der von Höhlen der Kybele spricht (50), wäre Kybele ursprünglich der Name des Berges gewesen, auf dem ihr Heiligtum stand. Ihr ursprüngliches Bild scheint ein mehr oder weniger anikonischer Stein gewesen zu sein - noch im Omphalos fortlebend (Delphi, Paphos, Oase Siva) - der nach Vorstellungen der Gläubigen die Höhle der Geburt umschloss. Nach dem Mythographus Vaticanus III (51) wurde die phrygische "matar kubile" nach dem Bilde eines "kybos" = Würfels dargestellt (vgl. lat. cubus = Würfel, Wirbelknochen, Fingerglied). Das lässt sowohl an kubische Felsennischen denken, in denen Bilder der Göttin auf gestellt wurden, als auch an die kubischen Sitzwürfelfiguren der Ägypter. Bis auf unsere Tage erscheint die Madonna in der Nische oder in der Höhle (Geburtsgrotte in Bethlehem, Lourdes). Hieher gehört auch der Name der Magna Mater Pessinuntia, benannt nach der Stadt Pessinus, deren Name gewiss von einem numinosen Stein herkommt. Das Grundwort erhielt sich in "pessos" = "Stein", womit vermutlich auch das unerklärte Wort "petra" = "Stein" verwandt sein dürfte. -18- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 204 v. Chr. wurde der Stein der Magna Mater Pessiriuntia nach Rom überführt (52), um sich dieses besonders mächtigen Numens in der angespannten Zeit des Kampfes gegen Karthago zu versichern. Indem der Stein die Höhle der Geburt umschloss, ergibt sich die zunächst merkwürdig erscheinende Beziehung zwischen Stein und Fruchtbarkeit, die Vorstellung der petra genitrix, die den Gott gebiert, wie Mithras. Dies gilt auch für den Stein, der im syrischen Emesa die Göttin darstellte. Hier gibt es Zusammenhänge, die bis zur Ka'aba in Mekka reichen, die ursprünglich eine weibliche Gottheit darstellte (53). Die pessinuntische Göttin hiess auch Agdistis, nach dem Berge Agdos, dessen Name vermutlich eine erweichte Form desselben Grundwortes ist, das im Namen des attischen Vorgebirges "Akte" steckt und im Namen des boitischen Heros "aktaion", der als Steine werfendes Gespenst dadurch gebannt wurde, dass man sein Bild an einen Felsen heftete (54). Pausanias erzählt die Legende von Agdistis in verworrener und literarisch aufbereiteter Form, wonach Zeus der Erde des Berges beigewohnt habe (womit das alte Numen in die olympische Religion einbezogen wird), woraus Kybele-Agdistis entstand, ein ursprünglich androgynes Wesen, das von den Göttern entmannt wurde. Das selbständige Glied - man erkannte darin den Phallos als Daktylos oder Pygmaios - verwandelte sich in einen Mandelbaum, von dem ein blühender Zweig "Nana" (ein altes Lallwort für ein mütterliches Numen) die Tochter des Flussgottes Sangarious befruchtete, die hierauf den schönen Knaben Attis gebar, den man dem Adonis, dem Sohn-Geliebten der Astarte gleichsetzte. Vielleicht erhielt sich in Pessinus die Erinnerung an den Mythos vom androgynen Urwesen, an ein Zweigeschlechterwesen (55). Mithras, der persische Gott, der zum Mysteriengott der römischen Soldaten wurde und zu einem starken und gefährlichen Konkurrenten des Christentums, ist ein "Felsgeborener". Nach Porphyrios (56) weiht Zoroaster dem Mithras eine Höhle - die Mithräen waren Nachbildungen dieser Kulthöhle in mehr oder weniger unterirdischen Räumen. Man sieht wie sich noch im ausgebildeten Mysterienkult die -19- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Numina von Stein und Höhle verbinden (57). Auf Reliefs sieht man die kleinasiatische Magna Mater aus dem Felsen treten, von zwei Löwen eingerahmt - die uralte Herrin der Tiere (Felsenrelief von Aslan Kaya, dem "Löwenstein") oder man schlug ihr aus dem Felsen im Gebirge (Sipylosgebirge im Westen) einen steinernen Thron, der die thronende Göttin symbolisiert (58), die schon durch die sitzenden Statuetten des Paläolithikums vorgebildet sind. Claudius Claudianus (59) spricht von der Höhle im IdaGebirge und von ihrem erhabenen Sitz darin, der zugleich Tempel und heiliger Stein sei ("religiosa silex"). Literarisiert mischen sich alle Göttinnen Kleinasiens, die im Grunde ohnedies ein einzige Numen sind, zu einer Art komplexen Synkretismus (60). Wie uns in Nana schon eines der zahlreichen Lallwörter Kleinasiens begegnete, so im alten Lallnamen der grossen Mutter, der Ma, der auch als Frauenname erscheint und mit Bä wechselt, mit dem häufigen Wechsel zwischen anlautendem "b" zu "m ", der im phrygisch-thrakisch-kleinasiatisch- griechischen Raum des öfteren begegnet. (Bendis/ Mendis, Bolybdos/Molybdos, Tibios/Timesis, terebintos/teremintos, myrmex/bormax, Telmessos/Telebi). Bä konnte auch für Gä/Ge/Gaia stehen, die Erdgöttin, die wohl ebenfalls einen Lallnamen trägt (61). Möglicherweise steckt ihr Name auch im Namen des Stammes der Maiones und des Mausol(l)os, wenn dessen Name wirklich "Speerkämpfer der Göttin Mä" bedeuten sollte. Ihr Kult war vor allen Dingen in Phrygien, Kappadokien und dem pontischen Komana verbreitet; zur Zeit Sullas wurde sie der römischen Kriegsgöttin Bellona gleichgesetzt. Von Todesaspekt der grossen Mutter her wurde sie zur Kriegsgöttin; fosofern entspricht sie der skytaischen Oir6pata (62), deren Name iranisch als "Männerherrinnen", besser aber als "Männertöterinnen" zu deuten ist. In beiden Komana, Pontica am Iris, jetzt Yesil Irmak im Norden Kleinasiens, und in Komana Kataonica am Saros, jetzt Seyhan Nehri, wurde Mä-Enyo auch als weiblicher Aspekt des Ares, als Stadtgöttin verehrt und durch ekstatische Tänze der Frauen gefeiert. Im Namen der iranischen Anähitä (griech. als Anaitis/ Aneitis) klingt wohl nicht nur zufälligerweise Anatan; Ana- -20- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 hitä, iran. als "Unberührte" aufzufassen, könnte sehr gut eine volksetymologische Umdeutung der Anat sein. l Anähitä war in Syrien, Armenien, Iran und nördlich des Kaukasus sehr beliebt, wo sie vorzüglich, aber nicht nur, als Göttin des reinen Wasser galt. Bei den Lydiern vor allen Dingen wurde sie mit Artemis gleichgesetzt, aber auch mit Mene, dem weibliche Aspekt des Mondgottes Men und mit Ma. Dass sie keinesweg eine ursprüngliche Göttin der Reinheit war, beweisen nicht nur die eben angeführten Verschmelzungen, die nie ohne Anknüpfungsmöglichkeiten vorgenommen wurden, also nie gänzlich willkürlich, sondern auch die sakrale Prostitution, die in ihrem Haupttempel in Armavir (Nordkaukasus) üblich gewesen ist, wo man sie mit Aphrodite gleichsetzte (63). Auch wurde sie mit der taurischen Artemis gleichgesetzt, die Menschenopfer verlangte und in deren Kult es das blutige Initiationsritual der Tauropolien (ursprünglich Taurobolien) gab: der Initiand liess sich vom Blut eines geopferten Stiers überrinnen, was an den Mithrasdienst erinnert (64). Auch scheint die taurische Artemis unter dem Namen Tanais, was mit dem antiken Namens des Dons gleichlautet; hier ist sie offenbar auch Flussgöttin. Artemis/ Anaitis wurde als vielbrüstige Frau, mit der Mondsichel hinter dem Kopf und einem Hirsch zu beiden Seiten dargestellt (65). Noch immer schimmert hier die Herrin der Tiere durch, die ja auch in der griechischen Artemis in Erscheinung tritt. Anähita lebt im armenischen Volksglauben noch immer als die Fee der guten Geburt - Anahit ist noch immer ein beliebter Name für armenische Mädchen (66). Über die ägyptische Anat, in Unterägypten mit Neith/ Nith verschmolzen, in den jüdischen Militärkolonien der Perserzeit als Anat Jahu verehrt, über die libysch-punische Tanit reichen die Verbindungslinien in den nordafrikanischen Raum, in der Gestalt der Athene Tritogeneia (67) wieder mit dem griechischen Raum rückverbunden. In der lstar der Semiten begegnen wir einer Göttin, die auf demselben voridg. und vorsemit. Untergrund ruht. Bei den Nabatäern erscheint sie als Mutter und Jungfrau unter dem Namen Allat. Als Chaabou ist sie eine der vielen jungfräulichen Mütter des vorderasiatischen Raumes, hier -21- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 des Dusares (68). Später, mit dem stärkeren Hervortreten männlich bestimmter Ordnungen, tritt die Muttergöttin gelegentlich etwas zurück, besonder stark im alten Judentum, in dem die Prophetenreligion den Kult der Muttergöttin, der Aserah in ihren Pfahl- und Höhenheiligtümern bekämpft (69). In Altsüdarabien haben wir eine z. T. parallele Entwicklung: die Muttergöttin verwandelt sich in den männlichen Mondgott Athtar/ Attar (70). Dahinter steht möglicherweise ebenfalls ein verdunkeltes Zweigeschlechterwesen, dessen männliche Komponente das Übergewicht gewann. In U garit (Ras Scham ra) erscheint der Gott A ttar als männlicher Fruchtbarkeitsgott - wohl die Vermännlichung einer Göttin - und sein weibliches Pendant als Attart. In der Nebenform A tirat ist sie die Gattin Els (71). Attart wird sowohl mit Istar als auch mit Anat identifiziert. Diese Verschmelzung - Attart und Anat - ergab viel später, besonders in Baalbek, die Göttin Atargatis, die als Erscheinung der Dea Syria verehrt wurde (72). So sehr die Propheten auch eiferten, in der hebräischen Volksreligion erhielt sich die Verehrung der Muttergöttin (73). Ja, die Muttergöttin dringt sogar in die Religion der Propheten ein, als junge Frau, die eine ErlöserSohn gebären wird, den Messias (74). Die falsche Übersetzung des hehr. " 'almah" - "junge Frau, die zum erstenmal gebiert", als "Jungfrau", hat die Entstehung des Madonnenkults mit begünstigt. Altarabien dient uns als Beispiel einer andersartigen "Umkehrung": die Sonnengöttin erscheint als Muttergöttin, die Erdmutter wurde in den Himmel versetzt. Sie erhielt den männlichen Mond als Gatten und bildete mit ihm das Urpaar, aus dem Götter und Menschen hervorgingen. In Südarabien mag diese Umkehrung durch astrologisch-astral religiöse Entwicklungen begünstigt worden sein. Im nordsemitischen Bereich wird die unumschränkte Muttergöttin durch Venus symbolisiert, d.h. astral umgedeutet (75). Diese Umkehrung im Wesen des Venusgottes wurde offenbar symbolisch als Sturz des Morgensterns dargestellt, noch später als eine Höllenfahrt auf gefasst und mit dem Sturz des oberstens Engels in Beziehung gesetzt: -22- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 0 wie bist Du vom Himmelgefallen, du glänzendes Gestirn (hillel), du Sohn der Morgenröte (76). Und doch war die Herrschaft der Muttergöttin so stark, dass noch Mohammed gegen die Vorstellung wettert, dass Allah eine Genossin (Sahiba) und ein Kind (Walad) habe (77). Hier wird sowohl gegen heidnisch-arabische wie gegen christliche Vorstellungen polemisiert (78). Im alten Israel wurde der Gegensatz zwischen der Volksreligion und der Religion der Propheten nie völli~ überwunden; die Verehrung der grossen Mutter Aserah (79) blieb im Untergrunde bestehen und taucht in der kabalistischen Spekulation wieder auf als Verehrung und spekulative Entfaltung eines weiblichen Prinzips, der "Schechina", der "Einwohnung Gottes in der Welt". Wo das AT zu anthropomorph formuliert oder zu formulieren scheint, setzt das Targum des Onkelos (die aramäische Übersetzung) die Schechina ein. "Ich will unter den Kindern Israels wohnen" (80) wird "Ich will meine Schechina unter den Kindern Israels wohnen lassen". Im Talmud wird die Schechina personaler, im Sohar, im Hauptwerk der kabbalistischen Spekulationen, wird sie Königin, Braut Gottes, Braut jedes einzelnen in Israel (81). Im Sohar ist an der Stelle die Rede von der Schaffung Evas, die das weibliche Prinzip in Adam verkörpert, der selbst zugleich androgyn ist. Aber das weibliche Prinzip verkörpert sich zugleich in Lilith, der ersten Frau Adams, einer verdunkelten Muttergöttin, deren Todesaspekt dämonisiert wurde (82). Im Sohar werden die Beziehungen der göttlichen Urpotenzen untereinander, der Sefiroth, in sexuellen Bildern geschildert; aus dem jessod, dem Zeugungsgrunde Jahwes, strömen die Zeugungskräfte in die Schechina ein (83 ). Im Buch Bahir (84) wird die Braut des Hohen Liedes auf die Schechina gedeutet, als Mutter, Tochter und Schwester und die Weisheit (85) wird als König definiert, der die verborgene Königin bei sich im Gemach hat, die Matronitha, eine späte und spekulative Form der grossen Mutter (86). In der ältesten phönizischen Kolonie ausserhalb Palästinas, in Kition (87) auf Zypern (an der Ostküste, südlich -23- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 von Larnaka) wurde die neolithisch-frühbronzezeitliche grosse Mutter als Fruchtbarkeitsgöttin mit Astarte gleichgesetzt. Ihre Verehrer trugen Stiermasken im Kultus; später wurde sie mit Aphrodite gleichgesetzt und griechisiert. Deutlicher zeigt sich der alte semitische und voridg. Grund in der Aphrodite von Paphos an der Südwestküste, wo sich die Griechen später die Geburt der Göttin aus dem Schaum des Meeres dachten. Der noch immer in den Ruinen liegende anikonische Stein der Göttin, auch als Omphalos bezeichnet wie der delphische, wird noch immer von Bauern mit Öl gesalbt und junge Frauen aus dem Dorf Kouklia haben dies bis in die Gegenwart getan und dem Stein Kerzen geweiht, sogar Moslems, um Milchsegen bei der Geburt eines Kindes zu erwirken. So lebt denn die Aphrodite von Paphos noch gegenwärtig in der Verehrung der Panagia Galaktariotissa fort, der "milchgebenden Allheiligen" (88). Die ältesten Idole von Paphos sind Sitzfiguren aus Steatit (89). Im 13. Jh. v. Chr. siedelten sich hier Arkadier achäischer Herkunft an und setzten die Göttin, deren Kult sie vorfanden, mit Aphrodite gleich, die dem Meere entstieg. Man sieht, hier kreuzen sich zwei Ursprungslegenden - die eine lässt die Göttin aus dem Stein, die andere lässt sie aus dem Meer kommen. Dies vielleicht aufgrund einer alten Volksetymologie (aphros=Schaum), die durch Entstellung des alten Namens, der vielleicht doch einer Form von Astarte entstammt, entstand. Die ältesten datierbaren Spuren der grossen Mutter stammen auch dem Chirochitia des 6. Jahrtausends v. Chr. Es sind Flachidole mit viereckigem Brustkasten. Später finden sich kreuzförmige Idole, also stark abstrahierte; aus dem Erimi des 4. Jahrtausends v. Chr. stammen gleichfalls Terrakotta-Idole. Um diese Zeit sind Frauengräber oft reicher ausgestattet als Männergräber (90). Aber auch kleine konische Steine, die aus Chirokitia stammen, könnten die grosse Mutter symbolisieren. Besonders auffallend die halbschematischen Idole aus Erimi und die (91) sogenannten Brettidole aus Vounos, die verblüffend den iberischen Brettidolen aus Los Miliares gleichen (92). -24- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Die Beziehungen reichen nach U garit, nach Pessinus, nach Biblos. Kaiser Theodosios lässt um 380 n. Chr. den Tempel der Aphrodite von Paphos schliessen, aber noch im 19. Jh. wurde sie von den Bauern weitum als Pangaia Aphroditissa verehrt - · noch immer die Vanassa, die Herrin, wie ihr uralter Titel einst lautete (93). In Thrakien erscheint die grosse Mutter unter mehreren Namen, als Pangaia, als Bendis/Mend1s, als Kotytö. Der Kult der Pangaia war in dem nach der Göttin benannten Pangaion-Gebirge zentriert, die jedenfalls eine alte Erdgöttin war, die zur Allmutter geworden war (94). Bendis/Mendis wurde mit Artemis, mit Hekate, mit Perseph6ne gleichgesetzt. Als Jagdgöttin trug sie die Doppellanze und den Dolch. Trotz des vermutlich idg. Namens, der vielleicht "Binderin, Fesslerin" (als Jägerin) bedeutete, ruht ihre Verehrung auf älterem Grund, wie ihre Unterweltbezüge dartun (95). Bendis wurde sogar in Athen verehrt, angeblich auf orgiastische Weise, vielleicht ist dies ein wenig verleumderisch übertrieben, betrachtete man doch die Thraker, die eine zahlreiche Kolonie in Athen unterhielten, als Barbaren. Eine besondere Göttin war Kotyto, die Hauptgöttin des Stammes der Edones, eine selbständig gewordene Form der Bendis. Ihr Kult war eindeutig orgiastisch, ihre Priester trugen weibliche Kleidung und übten eine Art Regenzauber aus, durch Übergiessen. Sie stellte den kriegerischen Aspekt der Göttin dar (96), was auch ihr Name besagt, der wohl von der idg.-mediterranen Wurzel "kat-" abzuleiten ist, die in ahd. "haz", griech. "k6tos" = "Groll", gallo-kelt. "Cassi-, Catu-" vieler Eigennamen, alt kanarisch "catana" = "Held", zu finden ist. In Kreta ist die vielberedete Sitte, die weibliche Brust bei kultische Handlungen, Prozessionen, Opferungen zu entblössen, wohl ein Rest der Verehrung der grossen Mutter: die Priesterin stellt die Göttin dar. Picard (97) vergleicht auch die entblöste Brust der Amazonen damit: die Amazonen als jungfräulich-kriegerische Hypostasen und Begleiterinnen der Göttin. Die Mutter des kretischen Zeus - der erst nachträglich mit dem olypischen Zeus identifiziert wurde - wird zu- -25- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 nächst als Nymphe Idaia fassbar, die vom !da-Gebirge (98). Eine andere Idaia ist die Mutter der delphischen Sibylle Herophile, die in der Höhle von Erythrai, unweit Smyrnas geboren wurde (99). Im Altertum zeigte man die Zeusgrotte auf dem kretischen Ida-Gebirge, in der Zeus geboren wurde - eine gar nicht olympische oder himmlische Geburt aus dem Schoss der Erdmutter (100). Später wird die kretische Idaia umgedeutet zur Amme des Zeuskindes. Von Zeus empfängt sie später die Daktyloi, die phallischen Däumlinge als Söhne. Der kretische Zeus ist aber nicht nur Höhlengott, sondern gebietet auch über Berge, Wetter und Blitz - worin natürlich Anknüpfungspunkte für seine Identifikation mit dem olympischen Zeus liegen. Andererseits ist er aber auch als Sohn der Erdgöttin Rheia (101). Diese wird später von den Griechen mit einer anderen vorgriechischen Göttin verknüpft, mit Kybele. Das Zeuskind wird von Rheia zu Gaia geschickt, um es den Nachstellungen des "alten Gottes", des Kronos zu entziehen, der sicher ein voridg. Gott der Höhen und vielleicht auch Höhlen gewesen ist und als dessen Gattin Rheia genannt wird. Nach der idäischen Höhle zeigte man später die Höhle von Arkalochori auf dem Aigis-Berg, dem "Ziegenberg", denn das Zeuskind wird darin durch eine Ziege genährt, was eine sehr altertümliche Zuordnung darstellt, die mit einer Welt von Kleinviehhirten zu tun hat. In der späteren Antike zeigte man die Höhle von Psychr6, "die Durchblasene, die Zugige", auf dem Dikte-Gebirge, dessen grosse Mutter auch Diktynna hiess. Wir begegnen wieder der nährenden Ziege Amaltheia, die erst später als Nymphe auf gefasst wird. Eine andere Form der grossen Göttin auf Kreta wurde mit der Doppelaxt abgebildet, der Labrys, in deren Name ein Wort für Stein steckt - sollte sich dahinter ein männliches Prinzip verbergen? Ein Siegelabdruck zeigt eine Frau, die eine Doppelaxt in der Hand hält und im Begriff ist, ihr Kleid auszuziehen - wohl eine Priesterin die sich darauf vorbereitet, die Göttin im Kult darzustellen (102). Zwischen Amaltheia und Athene stellt man eine Querverbindung her, in der sich der alte gemeinsame Grund äus- -26- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sert: die Aigfa, das libysche Ziegenf eil der Göttin, wurde als Fell Amaltheias aufgefasst (103). Zugleich wird Amaltheia als eine Tochter des Okeanos betrachtet, was auf dunkel geahnte westliche Beziehungen hinweist. In diesem Zusammenhang ist es merkwürdig zu wissen, dass die Sibylle von Cumae auch den Namen Amaltheia führte (104). Hier deuten sich Beziehungen an, die quer durchs Mittelmeer bis an den westlichen Rand der Welt laufen (105). Für Kreta ist die grosse Zahl der weiblichen Gottheiten bezeichnend, die zu Königinnen oder Nymphen verblasst sind - z.B. Pasiphae oder Pasiphassa - "die Alleuchtende" und ihre Beziehung zum Stier im Minotaurus - hinter dem wohl ein Priester erscheint, der im Kult den Gott eine Stiermaske tragend vorzustellen hatte: eine grosse leuchtende Göttin und der Stier, ein fernes Echo paläolithischer Auffassungen, wie es sich auch im Mythos von Europa und dem Stier darstellt. Die boiotische Europa in einer Höhle bei Eumessos verehrt, galt als Tochter des Tityos, des unterweltlichen Büssers - Repräsentant eines gestürzten voridg. Göttergeschlechts wie die Titanen, deren Name ohnedies anklingt; die kretische als Tochter des Phoinix oder der Telphassa, der "fernhin Leuchtenden", wieder einer verdunkelt leuchtenden Göttin. Später verschmelzen die beiden Europen miteinander. Die kretische Britomartis oder Diktynna verkörpert den jungfräulichen, die Gorg5 den tödlichen und schrecklichen Aspekt der grossen Mutter; indem in Libyen Amazonen und Gorgonen miteinander kämpfen, kämpfen zwei Möglichkeiten der grossen Mutter miteinander; zugleich wird in den Gorgonen eine voridg. Schicht abgelöst ( 106). Eine weitere Form der grossen Göttin erscheint in der Geburtsgöttin Eileithya, die auf Kreta in einer Höhle zu Amnisos verehrt wurde (107). Dass ihr Name "die Kommende" oder "die zu Hilfe Kommende" bedeute erscheint angesichts der zahlreichen Varianten als unwahrscheinlich; der Name ist weiter eher voridg. und hängt vermutlich mit dem vorgr. Wortstamm zusammen, der sich im Namen des kret. Ortes Eleuthima, von Eleusis und in Elysion findet. Die Linear -B -Taf ein von Knossos lassen eine Lesung Eleuthia zu. Auf Delos führt eine der hyperboreischen Beglei- -27- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 terinnen Apollos den Namen Eileithya. Der Name kann auch im Plural auftreten (108). Ihre ursprünglichste Symbolgestalt waren die Stalaktiten der Höhle von Amnisos; die Göttin wurde besonders bei schweren Geburten angerufen; sie wurde aber auch mit einem Kind, als Kour6t rophos dargestellt: ein Stalaktit der Höhle wurde so ausgedeutet (109). Sicherlich meint eine Anzahl der Kykladen-Idole besonders auch die Geburtsgöttin (110). Im Grunde ist sie von der grossen Mutter nicht zu trennen und war sehr weit verbreitet ( 111 ). Auf Zypern erscheint sie besonders häufig mit einem Kind, in boiotischen Gräbern war sie mit einem Hakenkreuz gekennzeichnet: das Hakenkreuz ist hier wohl eine stilisierte Menschenfigur. Als Tochter Heras, die ebenfalls als Geburtsgöttin angerufen wurde, machte man sie zum Mitglied der olympischen Götterfamilie; in Delos erschien sie auch als Mutter des Eros ( 112). Auch hiess die delische und hyperboreische Eileithyia auch Lykaia, "die aus dem Lichtlande" (113). In Megara stand in ihrem Heiligtum ein roher Stein, der den Apollo Kaunios, den Blitzgott symbolisierte; hier schimmert die Erdmutter als Gattin eines Himmelsgottes durch. In Argos verehrte man sie als Mondgöttin Eiliona. Bemerkenswert sind die vielen Hundeopfer in ihrem Kult - in Hermione, Sparta, Messene, Pelene, Megalopolis, Tegea etc. (114). Sie zeigen, dass Eileithyia einst weit mehr als Geburtsgöttin gewesen ist; hier blieb der chthonische Aspekt der Erdmutter erhalten. Eine weitere Form der grossen Göttin auf Kreta war die Schlangengöttin, die in beiden Händen Schlangen hielt und ihre Brüste bloss trug. Im einzelnen können wir nicht entscheiden, ob die Göttin selbst abgebildet wurde, oder nicht vielmehr eine Priesterin, die sie darstellte. Die Schlange symbolisiert ganz besonders die Tiefe und die Fruchtbarkeit ( 115). Immer wieder begegnen wir Aufspaltungen, Doppelungen, Hypostasen, verschiedenen Aspekten der grossen Mutter - am natürlichsten aber als Mutter und Tochter: Hera-Eileithyia, Demeter-Kore/Persephone, Letö-Artemis. In Letö erscheint eine kleinasiatische Muttergöttin, deren Name sicher mit lykisch "lada" = "Herrin" zusammenhängt. Sie wurde -28- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 als Mutter Apollos und der Artemis ins olympische System eingegliedert, als Latona römische Göttin, als Letun etruskische. Verdunkelt erscheint sie als Leda, wobei der Schwanenbezug vielleicht auf hyperboreische Einflüsse verweist. Wie Letö war Artemis eine ursprüngliche vegetativ bestimmte Gottheit; in ihr mischen sich Keuchheit und Ekstase. Besonders aber ist sie mit Tieren verbunden, besonders dem Hirsch und dem Löwen. Von der ursprünglichen Herrin der Tiere wurde sie zur Jägerin (116). Aber auch zur Todesgöttin (117). Ihre Titel sind "P6tnia" = "Herrin" oder "P6tnia Theron" = "Herrin der Tiere". Ihre Beziehung zum Hirsch widerspiegelt die Aktaion-Legende. Im ursprünglich boiotischen Aktaion-Mythos scheint Aktaion ein hirschgestaltiger Berggott gewesen zu sein, der die Göttin begleitete; sein Name enthält den des felsigen Vorgebirges Akte in Attica. In Patras fuhr die Priesterin der Artemos Triklada in einem von gezähmten Hirschen gezogenen Wagen, wie die venetische Rehtia (119) oder die Göttin des Wagens von Strettweg. Wie der taurische Artemis kamen ihr ursprünglich Menschenopfer zu (118). Auf dem Kultwagen von Strettweg steht die nackte Göttin, von z. T. ithiphallischen Begleitern umgeben; sie trägt nur einen Gürtel, der zugleich Jungfräulichkeit und weibliche Macht bedeutet ( 120). Der Wagen von Strettweg gehört in die Periode Hallstatt III/Este (6.-5. Jh. v. Chr.). Eine vorkeltische, einheimische Arbeit, von einem italischen Künstler angeregt (121). Später identifizierten die Kelten Artemis mit einer Reihe von Göttinen: Ancanna, Abnoba, Nantosuelta, Icovellauna, Arduinna; die Römer mit Diana. Artemis hatte auch ein Gefolge ekstatischer Tänzerinnen wie Dionysos ( 122). Wie in Artemis und Rehtia mischen sich auch in Demeter voridg. Züge mit späteren. Ihr Name enthält vermutlich ein altes Lallwort - "dä-", das als "Erde" zu deuten ist oder auch schon "Erdmutter"; demnach wäre Demeter eine nicht mehr verstandene tautologische Bildung. Später erblickt man im ersten Bestandteil das kretische Wort "deia" = "Getreide", das gemeingriech. als "zeia" erscheint und idg. gedeutet wird. Als Getreidegöttin verlor sie nie -29- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 die Züge der Unterwelt- und Todesgöttin; so wurde sie in Sparta als Chtonfa verehrt, in Arkadien als Erinys. In Phigalia hiess sie Melaina, "Schwarze" und in der Höhle Maurospelion wurde sie, schwarz gekleidet, mit einem Pferdekopf dargestellt. Beides weist auf die ursprüngliche Erdmutter hin; die Demeter Melaina erinnert an unsere schwarzen Madonnen. Die ältere mythologische Forschung fasste sie einseitig nur als Kornmutter auf, z.B. Mannhardt und Windekens will den Namen zu "daomai" = "austeilen" ziehen und als "Gabenmutter" erklären (123). In ihrem Kult wurden junge Schweine lebend in Erdgruben oder natürliche Schlünde geworfen - bothroi oder chasmata. An ihrem Fest, den Thesmophorien, durften sich nur Frauen beteiligen. Der Grundbegriff "thesm6s" bedeutet "Niederlegung" und bezog sich ursprünglich auf die Opferung in der Erdtiefe. In Dodona hiess Demeter einfach Gä (124). Als Spenderin schlechthin hiess sie nicht Demeter, sondern Pandora, die "Allgebende", was später missverstanden wurde (125) - ein häufiger Fall von Verselbständigung (126). Wie Eileithyia erscheint auch Demeter als Kour6t rophos ( 127). In Delphi herrschte ursprünglich Ge, die Erdmutter als Orakelgöttin, die ursprünglich in der korykischen Höhle oberhalb Delphis im Parnassos verehrt wurde; erst später heftete sich die Verehrung - wohl auch wegen der leichteren Zugänglichkeit, an die Schlucht der Phaidriaden und der Erdschlund wurde im Tempel von Delphi nachgebaut: im übrigen bedeutet "Delphi" einfach "Mutterschoss" ( 128). Ge hiess in Delphi auch Pythö, womit sie in ihrer Gestalt als Schlange benannt war. Zweimal ist die Erdgöttin in Delphi durch einen Stein symbolisiert - durch den Omphalos, der jetzt im Museum zu sehen ist, und durch den Stein, auf dem die Sibylle zuerst erschien, der noch immer in situ zu sehen ist. "Zuerst verehr' ich aus der Götter Zahl die erste Seherin Gaia" - so lässt Aischylos die delphische Priesterin zu Beginn der "Eumeniden" ausrufen. Die Göttin Athene - später eingeengt auf die Stadtgöttin der nach ihr benannten Stadt - ist ebenfalls vielschichtig. Als Stehende ist sie besonders Kriegsgöttin, hinter der eine Todesgöttin steht; als Sitzende und Unbewaffnete verkörpert sie die thronende Göttin der Fruchtbarkeit. -30- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Dabei muss es sich durchaus nicht um zwei ursprünglich Vierschiedene Göttinnen handeln, die später dann verschmolzen wurden: die grosse Mutter enthält beide Möglichkeiten (129). Dies nicht zu sehen, verrät eine zu abstrakte und rationale Art des Denkens (130), die mythisch ergriffenen Menschen sehr fern war. Nach Pausanias war das "alte Bild" der Athene - die schon eine mykenische P6tnia war - vom Himmel gefallen (131). In Elis hingegen hiess sie Athene Meter ( 132). Weitere Aspekte ihrer ·Gestalt arbeitete van der Leeuw (133) heraus und ihren vorindogermanischen Beziehungen bis in den indischen Raum ging Flocke nach (134). Dieser verfolgte die Ursprünge ihrer Gestalt bis zur grossen indischen Mutter, die noch immer neben den grossen Mutterfiguren der etablierten hinduistischen Vorstellungen in unbehauenen und ungefügen Steinen in den Dörfern verehrt wird, den Mata-Steinen (135). Endlich besteht eine Beziehung zwischen Athene und der illyrisch-keltischen Noreia die sicher auf altem Grunde ruht, wie schon ihr vorindogermanischer Name beweist, der zu einem alten Wort für Stein zu stellen ist (in sardisch "nur(r )u", Nuraghe) nach Hedwig Kenner ( 136). Die südliche Gegenküste des östlichen Mittelmeeres ist der Bereich einer anderen Gruppe von Muttergöttinnen, die zuletzt noch aus demselben Grunde erwuchsen: Isis und Hathor in Ägypten (137). Isis scheint ursprünglich überhaupt libysch gewesen zu sein, wie die Göttinnen Net und Bast. Ihr echt ägyptischer Name - Isis ist die Griechisierung - war As oder Ast. Die Hieroglyphe dafür stellt die Sitzfigur einer Frau im Profil dar, was als Thron gelesen wird: die alte Muttergöttin und Herrin. Später wird sie mit Geierkopfschmuck, dem Henkelkreuz und dem Papyrusszepter dargestellt. Über dem Kopfschmuck trägt sie Hörner und zwischen den Hörnern die Sonnenscheibe. Die herkömmliche Ansicht ist, dass sie die Hörner von dem Gott Khnum oder der Hathor herbekommen hat - sie könnten ihr aber ursprünglich als Herrin der Tiere zugekommen sein. Sie gebiert ihren Sohn Horus auf einer Sumpfinsel des Nildeltas - ein Hinweis auf die libysche Herkunft. Später wird Isis mit zahlreichen lokalen weiblichen Numina verschmolzen und erhält viele Würdetitel: -31- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Herrin, Herrin der Unterwelt, Herrin der Länder des Südens, Königin, Königin der Götter, Ra in weiblicher Gestalt, die Verborgene = Ament. Nach der Eroberung Ägyptens durch die Römer verbreitet sich ihr Kult ausserordentlich rasch durch das ganze römische Reich, ja sogar in Tithorea in Phokis entstand ein Zentrum der Isis-Verehrung (138). Der letzte heidnische Tempel Ost-Roms, den Kaiser Justinian schliessen liess, war ein Tempel der Isis in Philae. Isis, besonders nachdem sie Neith und Hathor in sich auf genommen hatte, wurde so eine der Vorläuferinnen der Madonna, die ihr den Grund bereitete, zusammen mit Artemis, der Magna Mater von Ephesus. Gelegentlich erscheint Isis als doppelgeschlechtig wie Naith in Sais (139). Es ist schwer zu entscheiden, ob hier eine alte androgyne Vorstellung durchschlug oder ob es sich um späte theologische Spekulation handelt. Die etruskische Turan wurde zwar der Aphrodite bzw. der Venus gleichgesetzt, aber ikonographisch keineswegs gleich behandelt. So erscheint sie auf dem archaischen Spiegel von Praeneste als geflügelt (140). Mit Recht verweist A. J. Pfiffig die alte Etymologie zurück, die ihren Namen mit dem Stamm von Tyrannos verbinden will, wonach sie, an sich plausibel, "Herrin" hiesse; Tyrannos, als "Turan-na", "zur Turan gehörig" bezeichnete usprünglich den Begleiter, den Paredros der Göttin und bekam von daher die Bedeutung "Herr", während der Name der Turan zu etruskisch "dur/tur" = "geben" zu ziehen ist und daher die "Spenderin" bedeutet. Ihr Kult ist archäologisch nicht bezeugt, auch erscheint sie nicht auf der Bronzeleber von Piazenca. Dies ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie fragwürdig Schlüsse "e silentio" sein können, denn gerade Turan war eine der ältesten und meist verehrten Göttinnen, aber eben der Volksreligion, die nicht notwendig mit den von den Wahrsagepriestern ausgebildeten Ritualen zu tun hatten. Weit eher ist anzunehmen, dass in Turan die grosse altmediterrane Göttin sozusagen in Reinkultur erscheint. Sie ist älter als die Etrusker, gehörte der Volksreligion an und wurde vielleicht gerade deshalb von der organisierten Prie- -32- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sterschaft per distantiam betrachtet. Von etrusk. "Tur" ergibt sich auch eine brauchbare Etymologie des griech. "doron" = "Geschenk", das nicht zum Stamm von "didomai" = "geben" zu ziehen ist. Ein weiterer Grund dafür, dass Turan archäologisch unbezeugt blieb, mag in der Tatsache liegen, dass Tempel der Liebesgöttin meist ausserhalb der Städte lagen oder gegen die Häfen hin (141). Ein weiterer Aspekt, dem wir schon auf Kreta begegneten, stellt die Göttin mit der Schlange dar, die auf einer Boccaneraplatte aus Caere dargestellt ist: um den Schoss der Göttin windet sich eine Schlange, die von der Göttin um ihre Gürtellinie festgehalten wird. Dabei scheinen die Etrusker die Göttin selbst, die Kreter hingegen eine Priesterin in ihrem Dienst dargestellt zu haben. Turan und die für uns namenlose Schlangengöttin repräsentieren den Erdaspekt der grossen Göttin, Menrva hingegen war eher den himmlichen Mächten verbunden. Sie wurde von den Römern als Minerva übernommen und zwar über die Sabiner aus ihrem Heiligtum in Orvinium ( 142). Auch sie erscheint übrigens nicht auf der Bronzeleber von Piacenca. Im Gegensatz zur hergebrachten Philologenmeinung gehört der Name der "Menrva/Minverva" nicht zum idg. Stamm "*men-" = "denken, sinnen", sondern ist ein voridg. Wortstamm uns unbekannter Bedeutung, vielleicht ein Kuhtitel, der "Herrin" bedeutet haben könnte. In Veji ist sie schon im 6. Jh. v. Chr. bezeugt; auf Spiegeln erscheint sie oft in Gesellschaft von Tinia, Tu ran, Aplu, besonders aber von Herde. Wenn Servius (143) Menrva zu den Blitzgöttern rechnet, so sehen wir die Tendenz, die grosse Mutter in den Himmel zu erheben; im Grunde verbindet der Blitz Himmel und Erde. Wie Athene wurde sie mit der olympischen Religion verknüpft, indem man sie erwachsen und gewappnet dem Haupt des Zeus entspringen lässt, wobei die Geburtsgöttin Thalna Hilfe leistet. Gänzlich ungriechisch erscheint sie auf einem Spiegel mit entblösster Brust. Ihrer Verbindung mit Herde entspringt ein Kind, Maris, das oft glatzköpfig und ältlich dargestellt wird, als ob es Tages wäre. Weder Menrva noch Herde sind griechischrömisch zu interpretieren; sie sind im Grunde etruskisch- -33- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 mediterran. Bei Herde ist zu beachten, dass Herakles überhaupt keine einheitliche Figur darstellt; es gibt wenigstens vier Figuren dieses Namens: den wohlbekannten Heros der zwölf Taten, in dem sich Indogermanisches und Vorindogermanisches mischen; den Daktylos Herakles als Begleiter der grossen Mutter; den römischen Hercules, der den Cacus überwindet; und schliesslich den etruskischen Herde. In der römischen Religion lebt bemerkenswert wenig Mediterranes: die extrem patriarchalisch und juristisch-ritualistische Wesensart der Römer drängte dies zurück. Dennoch überlebt Mediterranes in Gestalt der Venus und des italischen Stiergottes. Venus, die als volkstümmliche Göttin auf altem Grunde ruht, trägt einen gut idg. zu etymologisierenden Namen. Ihr Name hängt offenbar mit dem weitverzweigten idg. Wortstamm "*ven-" zusammen, der "Liebe, Freundschaft, Verlangen, Angenehmes" bedeutet: skr. "vanas", ahd. "wini" = "der Freund", "wunni" = "Wonne", "wonen" = "zufrieden sein, Lust haben" (vgl. noch unser "beiwohnen" ="cohabitare"), mhd. "wünne" = "üppige Viehweide". Letztere Bedeutung veranlasste Trier in einer sonst anregenden Arbeit Venus als "Futterlaub" zu interpretieren ( 144 ): das heisst das Pferd beim Schwanz aufzäumen. Dazu kommt, dass Futterlaub nur Übergangs- und Notfutter war. Venus ist keine ursprüngliche "Gottheit des jungen Grüns", sondern die Wurzel hat parallele Entfaltungen - eine führt zum Namen der Göttin, die andere zum Namen der Viehweide und des Futterlaubs, mhd. "win", noch in Flurnamen der Ostalpen erhalten. Venus ist daher auch keine ursprüngliche Gartengöttin; die griechische Aphrodite der Gärten ist natürlich ebenfalls eine späte Sonderentwicklung. Der älteste italische Tempel der Venus stand in Lavinium und nach ihrem lavinischen Beinamen "Frutis" hiess er Frutinal. Frutis ist von gr. "broutis", lat. "brutis", got. "bruths", nhd. "Braut" nicht zu trennen, aber auch nicht von der kretischen Britomartis; das Wort benennt die grosse Mutter in ihrem Aspekt als junge Frau, Schwiegertochter und ist offenbar ein ostmediterranes Wanderwort, das über den Balkan zu den Germanen kam. -34- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Es könnte ganz gut "junge Frau als Kriegsbeute" bedeutet haben. überhaupt ist bei italischen Völkern mit einer starken illyrischen Komponente zu rechnen, so auch in Ardea, unweit Roms, der Stadt der Rutuli. In dieser Stadt mit alter Venus-Verehrung herrschte ein König namens Turnus, Sohn des Daunus (145). Turnus und Daunus werden für illyrisch gehalten - aber Turnus erweckt den Verdacht, nichts weiter als die Illyrisierung des männlichen Gegenstücks der Turan zu sein! In Lavinium aber landet Aeneas, heiratet die Tochter des Latinus und der Amata (ein durchsichtiger Lallname der grossen Mutter, volksetymologisch an "amare" angelehnt), die eine Tochter des Faunus war, des italischen Gegenstücks des Daunus. Wir sehen hier, wie die späte, durch Vergil literarisierte und in die Reichspropaganda des Augustus einbezogene Fassung der Sage noch immer mediterrane Bezüge widerspiegelt, unter dem Decknamen "trojanischer Herkunft". Erst um 200 v. Chr. wurde der Kult der Venus nach Rom übertragen, als man den Kult der Venus Erucina in Eryx, an der Westspitze Siziliens, kennengelernt und vereinnahmt hatte. Der alte Kult der grossen Göttin von Eryx, in deren Tempel es auch die ganz unrömische sakrale Prostitution gab, wurde später griechisiert und latinisiert; die lokale Magna Mater wurde Aphrodite und Venus, wohl nicht ohne die Absicht, während der punischen Kriege ein religiöses Gegengewicht gegen die karthagische Astarte/Tanit zu haben. Später verkündete Caesar öffentlich, dass er "Venere prognatus" sei, ein Abkömmling der Aphrodite/Venus (146). Die Erinnerung an die propagandistische Verknüpfung des julischen Hauses mit Aphrodite als Venus Erucina hielt sich bis zum heutigen Tage: der Burgberg von Erice heisst Monte Juliano! In Erice kann man die Kontinuität des weiblichen Ortsnumens sehen: eine altmediterrane Göttin - eine elymische Göttin ( wo immer die Elymer letztlich herkamen - kaum aus Elam; eher sind sie "Afrikaner", d. h. Protoligurer) - die phönikische Astarte/Tanit die griechische Aphrodite - die römische Venus - die christliche Madonna. -35- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Durchaus unrömisch waren übrigens auch die Hierodulen von Eryx, em Stamm dem Tempel zugehöriger Hintersassen ( 147). Ebenfalls auf mediterranem Grunde wohnt Ceres, die Getreidegöttin, deren Name zu "creare" gehört, "wachsen machen" ( 148). Ihre alte Wachstumsfunktion wurde erst später auf das Wachsen des Getreides übertragen. Ihr ursprünglicher Charakter als Unterweltsgöttin zeigt sich noch im Opfer junger Schweine an die Göttin, vor der Ernte, der sogenannten "porcae praecidaneae", der "vorzeitig geschlachteten". Sie erscheint auch als Tellus, als Göttin der Erde, als Ceres Mater, als Tellus Mater; sie verlor ihre mutterrechtlichen Bezüge nie ganz ( 149). In der Gestalt der Magna Mater und ihrem ursprünglich stiergestaltigen Paredros entfaltet sich das alte Erbe. Der Stiergott, von Indien bis Iberien nachweisbar - war auch auf italischem Boden beheimatet, ja der Name "ltalia" selbst geht auf den Namen des jungen Stiers zurück, des "vitellus", aus "*Vitalia". Aus Picenum, der Region zwischen Adria und Apennin, sind Stierdarstellungen bekannt, die den Stier mit Beil, Sonnenscheibe und Hakenkreuz zeigen; ähnliche Darstellungen stammen aus Sardinien, aus Anghelu Ruju (150). Der Stiergott ist schon paläolithisch präfiguriert, so in Laussel, in La Madeleine, in Tue d' Audoubert. Im Namen des Abris von Laussel erscheint übrigens das altmediterrane Wort "lausa/losa", die "Felsplatte". Die Höhle von La Madeleine wurde, wegen der nackten Göttin, einer büssenden Heiligen zugeschrieben, die gelegentlich nackt oder dürftig bekleidet in ihrer Höhle dargestellt wurde: der heiligen Magdalena. Der Stierkult lebt, verdunkelt und zum sportlichen Ereignis degradiert, ja noch heutigen Tages in einem Teil der Mediterranea fort (151). Auch der ägyptische Stierkult, losgelöst von der Magna Mater und verselbständigt, gehört in unseren Zusammenhang (152). Man erinnert sich in diesem Zusammenhang an Europa und den Stier - eine verdunkelte Magna Mater mit dem Stiergott, in dessen Rolle später Zeus schlüpfte (153). In Korsika und Sardinien zeigt es sich, dass die Magna Mater älter ist als das Megalithikum; dieses nahm die -36- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Magna Mater nur auf. Später schwächte das Heraufkommen einer kriegerischen Hirtenkultur auf beiden Inseln wohl ein wenig ihre Bedeutung, konnte sie aber nicht auslöschen. Aus der frühen Bronzezeit stammt die Steatitstatuette einer sitzenden Göttin mit schematisch angedeuteten, über der Brust gekreuzten Armen, ohne Füsse, die den kykladischen Idolen weitgehend entspricht, was aber nicht heisst, dass sie aus dem kykladischen Raum eingeführt worden sein müsste (Campu Finelli) (154). Lilliu vergleicht sie, die Korsikanerin, mit den Idolen der Kultur von San Michele in Sardinien (155). Unter den Menhiren von Filitosa, Korsika, finden sich einige wenige, die als weiblich gekennzeichnet sind. Sie mögen nun eine Ahnherrin oder eine Göttin darstellen - auf jeden Fall handelt es sich um ein weibliches Numen und nicht um ein Porträt (156). In Sardinien schliesst sich die sitzende Göttin von Decimoputzu an (157), die einzige Sitzfigur unter sonst stehenden. · Die sardinischen Statuetten betonen die Brustregion, vernachlässigen aber die Schossregion; Lilliu will daraus schliessen, dass die grosse Göttin hauptsächlich als Nährmutter verehrt worden sei. Andere Statuetten zeigen die Göttin mit einem Kind auf dem Schoss. Aus Turriga bei Senorbi (Ozierikultur um 2500 v. Chr.) haben wir kreuzförmige, gänzlich abstrahierte Alabasterstatuetten der Göttin vom Kykladentypus ( 158). Die weiblichen Idole der Ozieri-Kultur weisen die beiden Grundtypen auf, die uns vertraut sind: dicke, sitzende, kauernde Frauen - abstrahiert-schematische Idole stehender ( 159). Einen der seltenen weiblichen Menhire kennen wir aus Genna Arrele (160). Die sardische Ozieri-Kultur ist spätneolithisch-vornuraghisch und wird megalithisiert. Die Funde der OzieriHöhle entstammen der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr., für die Grotte Sa Ucca de Su Tintirriolu bei Mara (Region von Sassari) ergaben sich C-14-Daten um 3140 v. Chr. Aus dieser Zeit stammt auch ein Becherkrug mit Augenspiralen, denen wir noch auf Malta begegnen werden. Zwei deutliche Spiralen in entsprechender Position können kaum etwas anderes als Augen bedeuten und dies kann wie- -37- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 derum nur die wachsame Gegenwart der Gottheit bedeuten, der grossen Mutter als Ahnherrin, Todesgöttin, als wirkendes Numen schlechthin; wir werden dem Augensymbol noch auf Malta begegnen; man kann bis zum heutigen Tage auf Schiffen im ganzen Mittelmeerbereich sehen. Den korpulent-üppigen Göttinnen scheinen die blassen Köpfe zu entsprechen, die entweder Kopfbedeckungen oder angedeutete Haartracht haben. Sehr gross ist die Zahl von schematisch-zylindrischen Statuetten, die sich in Gräbern fanden, aus Porto Ferro, Anghelu Ruju, Su Crucifissu, Mannu etc. (161). Männliche Idole, häufig aus Ton, stellen den Begleiter der grossen Mutter dar, der in der kriegerischen Hirtenzivilisation immer mächtiger wird. Die Menhire des Sarcidano-Gebiets, oft in Reihen auf gestellt, stellen hingegen Scharen von Kriegern dar. Einer der seltenen weiblichen Menhire (162) ist schematisch-abstrakt; er stammt aus der Glockenbecherzeit. Die Glockenbecherleute scheinen eme stark männlich bestimmte Kultur gehabt zu haben. Die Kultur von Bonu-Ighinu (Ozieri) weist, besonders auch in San Michele, steatopygische Statuetten auf. Auf Malta und Gozo ist die grosse Mutter mit den megalithischen Tempeln in besonderem Masse verknüpft, sicherlich aber noch älter. Sie ist ohne Zweifel sowohl grosse Mutter als auch Orakelgöttin gewesen, ziemlich sicher auch Todesgöttin. Die Doppelspiralen der Schwellen - z. B. in Hal Tarxien - können nur auf die grosse Göttin bezogen sein und ihren innersten Bezirk schützen. Mit der gegenteiligen Auffassung Margarete Riemschneiders, die das Augenpaar auf Zwillingsgötter und heilige Hochzeit deuten will, kann man sich nicht einverstanden erklären ( 163 ). Für Malta halten w1r uns an die Aufzählung der Denkmäler bei Harrison Lewis (164). Malta, vermutlich schon seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. besiedelt, hat jedenfalls Beziehungen nach allen Seiten; nordafrikanische in der Anlage des Hypogeums, neolithische zu Stentinello (Sizilien), östliche zur Kykladenkultur, westliche und nördliche zum westlichen Megalithikum. Bernarb6 Brea meint sogar, dass das ganze westliche Megalithikum von Malta seinen Ausgang genommen habe; da das Megalithikum im We- -38- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sten bei weitem älter ist, als die frühere Forschung anm. ahm, die es unbedingt auf Ägypten oder das Ostjordanland Jurückführen wollte, ist der Ausgangspunkt im Westen, wenigstens um 4000 v. Chr. anzunehmen (165). Aus Hai Tarxien haben wir die bekannte Sitzstatue, rechts nach dem Eingang des Südtempels (166). Die sitzende Göttin, in übermenschlicher Grösse dargestellt, wird wohl die thronende bedeuten, unter Umständen auch die gebärende (167). Es handelt sich um besonders üppige und mächtige Erscheinungen, wobei die Schossregion besonders mächtig ausgebildet ist. Hier ist die Frage zu erörtern - besonders da es auf Malta auch Statuetten schlanker Frauen gibt - wie denn die gewaltige Ausbildung von Schenkeln, Gesäss, Hüften und Brüsten zu deuten sei. Meines Erachtens handelt es sich keinesfalls um eine besondere menschliche Rasse, etwa nach dem Muster der Steatopygie der Hottentottenfrauen oder Buschmannschönen! Es kann sich auch kaum um eine blasse ästhetischerotische Darstellung handeln; man benützte zwar die Anschauung wirklicher Frauen - man kann solche Frauen, oft noch sehr junge, in der heutigen Bevölkerung Maltas jeden Tag sehen - aber nicht um sie zu porträtieren, sondern weil sie dem Sinn der Darstellung besonders gut entsprachen. Im übrigen sieht sozusagen jeder Arzt die Venus von Willendorf ein paar mal jährlich in seiner Sprechstunde! Ausserdem haben wir auch Darstellungen schlanker Frauen aus denselben Materialien; die Üppigkeit kann daher nicht dem Material zugeschrieben werden, das sich nicht anders hätte behandeln lassen. Der schlanke Typus wird eben die grosse Mutter in ihrem jungfräulichem Aspekt dargestellt haben. Die Sammlungen des archäologischen Museums von La Valetta (168) zeigen alle Möglichkeiten, abstrakte, schlanke, üppige, sitzende, stehende. Dazu kommen die kopflosen Standstatuen aus dem Tempel von Hagar Qim und aus dem Hypogeum - beide aus Kalk (169). Weiters eine Sitzfigur aus Hagar Qim (170) und eine weitere, die die Göttin mit einem weiten Glockenrock darstellt und der typischen Haltung der Hände. Der Glockenrock erinnert an kretische wie -39- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 an iberische Darstellungen (Felsbilder von Cogul) ( 171 ). Anders ist die Ritzzeichnung eines tanzenden Mädchens aus Hal Tarxien zu deuten; sie trägt ein loses, flatterndes Gewand und stellt vielleicht einen kultischen Tanz dar ( 172). Am bemerkenswertesten ist die viel erwähnte und zitierte Tonstatuette einer üppigen schlafenden Frau - kaum handlang, aber viel grösser und monumentaler wirkend, die auf einem Ruhebett liegt. Als Komposition ist sie gut ausgewogen und stellt sicherlich keine gewöhnlich Schlafende dar; bei diesem Schlaf muss es sich um etwas Besonders handeln. Vermutlich wird eine Priesterin im InkubationsOrakelschlaf dargestellt: die Göttin sprach zu ihr aus der Erdtiefe im Schlaf (173). Rätselhafter ist der auf einem Ruhebett liegende Fisch, der dieselbe Stellung einnimmt wie die Schlafende (174). Mit Ridley darf man annehmen, dass es sich um irgendein Fischritual handelt, das einem Fischgott galt oder einem mythischen Urfisch der Meerestiefe. Vielleicht aber rief eine Gilde von Fischern einen Fischgott oder die grosse Göttin um reichliche Fischfänge an oder bekam im Fischorakel reiche Fanggründe geoffenbart. Für die Kelten und damit auch für die Keltiberer ist es klar, dass sie ein sehr starkes nichtidg. Substrat enthalten haben, das teilweise megalithisiert war. Von ihren süddeutsch- ost französischen Ausgangspositionen expandierten sie in der 1. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. nach Westen, Osten und Süden. Nachdem sie sich in der Urnengräberkultur kulturell, militärisch und vielleicht sogar ethnisch als "Protokelten" präfomiert und in der Hügelgräberkultur ethnisch und sprachlich formiert hatten, nehmen sie viele nichtidg., aber auch idg. Gruppen in sich auf; die idg. Gruppen sind z. B. in unseren Alpen illyrische oder venetische Reste; die nichtidg. Gruppen dürften viele lokale Populationen umfasst haben, die sich teilweise in den späteren Ligurern, Iberern, Rätern und anderen formierten, wobei wir nichts darüber sagen können, wieweit diese Gruppierungen schon geschlossene Ethnien gewesen sind. Aber schon in den letzten Jahrhunderten des 2. vorchristlichen Jahrtausends muss es idg. Vorstösse in den Westen gegeben haben, protokeltische also. -40- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Mit diesen frühen namenlosen idg. Gruppierungen - die sich vielleicht in der Urnenfelderkultur herauszusondern begonnen hatte - hängt die sogenannte alteuropäische Hydronomie zusammen, d. h. die Übereinstimmung in den Wurzeln, aber auch oft Suffixen zahlreicher west- und mitteleuropäischer Gewässernamen. In ihr haben wir die erstarrten Reste der Indogermanisierung West- und Mitteleuropas zu erblicken, die sich über zahlreiche vorindogermanische Populationen legten, die mehr oder weniger miteinander verwandt waren und deren Namensschatz, besonders Gewässernamen, mit eingeschmolzen wurde (175). Man kann daher von vornherein erwarten, dass auch die keltischen Religionen Nichtidg. enthalten und damit stärkere Reste der Verehrung der grossen Mutter. Hier gelten uns die alten I r e n als Beispiel, denn die Gunst der Überlieferung und des historischen Schicksals hat uns besonders deutliche Hinweise und Spuren aufbewahrt. Die Iren habe als Substrat ein proto-hamitisches Volkstum, das die gesamte Atlantikküste entlang siedelte. Cormac der Glossator nennt uns eine Göttermutter namens Ana/ Anu, eine mater deorum. Sie ist besonders in Munster verehrt worden. Ihr Name ist ein alter Lallname, eins mit dem ahd. "ano", mhd. "Ahne", altpreuss. "ane", hethit. "anas", lat. "anus" in den Bedeutungen zwischen "Vorfahre, Mutter, Schiegermutter" und "alte Frau" schwankend ( 176). Die Iren selbst vermischten Ana/ Anu mit Dana/Danu und der dreigestaltigen Brigid, die von Dichtern, Ärzten, Schmieden besonders verehrt wurde und deren drei Aspekte Anu, Danu und Brigid hiessen. In der Gestalt der heiligen Brigid hat sich die alte irische Göttermutter in die christliche Welt gerettet. In Macha erscheint verdunkelt eine alte Fruchtbarkeitsgöttin, die wie Aphrodite die Gattin oder Geliebte eines Sterblichen wird, eines Bauern, der aber das Geheimnis ihrer Göttlichkeit nicht zu bewahren weiss. Deshalb werden die Männer im Kriege, die Frauen im Kindbett verflucht - man sieht hier die Wirkungen der Göttin des Todes, des Krieges, der Geburt. Die drei Aspekte der Brigid erinnern an die Todesgöttinnen, die stets dreifach auftreten: Badb (Krähe als Totenvogel), Morrigan (Königin der bösen Geister), -41- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Nemain (Schrecken); ja Morrigan kann ihrerseits dreifach auftreten: Morrigna (im Plural). Die Reste dieser Mythen erscheinen im Sagenkomplex der kriegerischen Königin Medb, die mit ihren Brüdern in Geschwisterehe verheiratet war; einer ihrer Männer war Fergus (der Männliche, der Phallische - noch heute sind Fergus und Ferguson beliebte irische Namen). Der walisische Volksaberglaube kennt dämonisch-bösartige Frauen, die sogenannten Mamau, d. h. Mütter (177). In Irland wie in Gallien begegnen wir einem besonders ausgeprägten Kult der Quellen und Flüsse, was sich zuletzt auf die grosse Mutter als Spenderin des Lebens bezieht: das Wasser symbolisiert sie. Die Namen fliessender Gewässer sind daher als weiblich zu erwarten; wo sie dies nicht sind (Rhodanus, Rhenus) ist nichtkeltischer Einfluss wahrscheinlich. Dem Zusammenhang zwischen dem Quellkult und dem Kult der Matres/Matronae begegnen wir im Namen der Marne: Matrona. Die Quellen der Matrona und der Sequana (Seine) waren als Heiligtümer ausgebaut und wurden durch Versenk- Opfer geehrt. Der Name der Sequana ist entweder vorkeltisch - wegen der Erhaltung des Labiovelars - oder sonst aus einer etymologisch durchsichtig scheinenden Form, etwa Secuana/Sigunna latinisiert. In Irland galt die heutige Boyne - ir. "B6inn", antik "Buvinda" ( 178) als heiliger Fluss; der Name gehört wohl zu altir. "b6" = "Stier, Rind", womit wir uns wieder beim Stier befänden, dem männlichen Gegenstück der grossen Mutter. So gehört die Flussgöttin in den Rahmen der Muttergöttinnen; diesen Verflechtungen - mit einigen etwas spekulativen Etymologien - ging besonders Przyluski nach (179). Es ist natürlich schon lange auf gefallen, dass die Namen zahlreicher Flüsse: Don, Donau, Dnjepr; der Name der Danae, die Danaoi, die Danuna/Danauna, Adana in der Türkei, der Name des israelitischen Stammes Dan etc. zusammenklingen, nicht nur lautlich, sondern teilweise auch bedeutungsmässig. Przyluski versucht sie unter einen Hut zu bringen (180). Schon Holder hat alle möglichen Beziehungen ins Au- -42- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 ge gefasst: so zu altir. "dana" = "kräftig", anderseits altird. "danu" = "Flüssigkeit", osset. "don" = "Fluss". Die zahlreichen Formen, unter denen der antike Name der Donau überliefert ist - Danubius, Danuvis, Danuvios, Danouios etc. - zeigen, dass man mit dem zweiten Teil Schwierigkeiten hatte, den Meister ( 181) für einen Lokativ erklären will; es ist aber wenig wahrscheinlich, dass ein Lokativ zur Benennung eines Gewässers gedient hätte. Sicher ist nur, dass der Name der Dönau skythischiranischer Herkunft ist ( 182). Przyluski zieht den antiken Namen des Dons - Tanais - heran, der zugleich Name einer Stadt (Asow, noch im Mittelalter Tana) und einer Göttin oder Nymphe ist und verbindet ihn mit ir. "Dana/Danu". Das hiesse zuletzt, dass die grosse Göttin durch Vermittlung des Begriffes der Fruchtbarkeit zur Göttin des Wassers geworden wäre. Dabei hält Przyluski die Wortsippe für voridg. ( 183 ). Der Name des mythisch-vorgeschichtlichen Volkes der Tuatha De Danann - "Leute der Göttin Dana" - ist vielleicht der Reflex einer vorgeschichtlichen Wanderwelle. Nach ihrer Niederlage gegen die Fir Bolg (vielleicht "Männer der Aufgeblasenheit"), hinter denen sich die erste keltische Einwanderungswelle verbergen dürfte, ziehen sich die Tuatha De Danann in die "Sid" = "Zauberhügel" zurück. Die Sage fasst sie als Riesen auf - viele Vorbevölkerungen werden später als Riesen (oder Zwerge) aufgefasst ( 184 ). Danann erinnert nun an zwei antike Volksnamen: Danaoi und Danauna - Danuna, eines der Seevölker, die dem Pharao Ramses III. (1195 - 1164 v. Chr.) so zu schaffen machten. Und endlich gehört möglicherweise der Name des nördlichsten aller klassischen Stämme des alten Israel Dan - in unsere Reihe. Der Stamm Dan dürfte ein Rest oder Zweig der Danuna gewesen sein, vielleicht kleinasiatischer Herkunft, achäisch überschichtet, der sich im nördlichen Palästina niederliess und mit Israel verschmolz, wie dies auch mit den wohl idg. Philistern geschah (185). Aus der Genesis (49, 16) geht ein verdunkelter Gegensatz Dans zu anderen Stämmen Israels hervor, wenn es heisst: -43- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 "Dan wird sein Volk richten wie irgendeiner der Stämme Israels". Das kann nur heissen, einst war Dan den Stämmen Israels nicht gleich zu achten - andersartiger Herkunft wegen! - aber nun ist Dan den Stämmen Israels ebenbürtig. Eine weitere Stelle (Ri 5, 17) verrät einen noch fremda rtigeren Hintergrund: "Warum blieb Dan bei den Schiffen?" wird in Deborahs Siegeslied gefragt. Das kann nur heissen, dass die Vorfahren Dans zu Schiff kamen, also wohl eine versprengte Gruppe der Seevölker waren. So könnten sie ein abgesprengter Zweig der Denyen, der Danuna/ Danauna der Seevölkerinvasion gewesen sein. Die Danaoi hingegen, deren Führungsschicht ebenfalls von dieser Seevölkergruppe stammen könnte, waren später so sehr achäisiert, dass Homer den Namen als synonym mit Achaioi verwendet. Ein vermutlich weniger griechisierter Zweig s a ss in Kilikien und Nordsyrien, entsandte eine Gruppe nach Süden und hinterliess den Ortnamen Adana. Ursprünglich also könnte Dana/Danu eine Flussgöttin gewesen sein und so einen besonderen Aspekt der grossen Göttin bezeichnet haben. Gilt diese weitgespannte Kombination, so könnte sogar der Name der Dänen hierhergehören, etymologisch natürlich, wenn er zu niederd. "Dehne/Da hne" zu ziehen wäre, das eine flache, sumpfige, wassererfüllte Niederung bedeutet. Der vermutlich voridg. und idg. Stamm steckt auch im Namen des engl. Flusses Dene und de r westfäl. Deine (186). Zuletzt könnte an eine Verbindung mit dem voridg. Reliktwort "tana/dana" = "Höhle" gedacht werden (187). Und endlich könnte auch das kent. Dialektwort "dene" herangezogen werden, das Erdfall, Burgstall bedeutet. Damit hätten wir eine Wortfamilie und deren semantische Weiterungen eruiert, die den weiten Bogen von Irland bis Indien überspannt. Der Wasserbezug erscheint auch dunkel in der Legende von den Danaiden, den Töchtern des Danaos, die bekanntlich in der Unterwelt bodenlose Fässer mit Wasser füllen müssen. Dahinter scheint ein missverstandenes Bild zu stehen, das Quellgöttinnen zeigte, wie sie Wasser aus Quellgefässen fliessen lassen. Auch bei den Picten des nördlichen Schottland - die -44- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 den Römern solche Schwierigeiten machten und deren Name sicherlich voridg. Herkunft ist und nur volksetymologisch als die "Bemalten" oder "Tätowierten" , auf gefasst wurde - erhielten sich stark mutterrechtliche Erscheinungen, auch als sie schon längst keltisiert waren ( 188). Deutlicher ist dies noch in Irland; der irische Sagenheld Cuchullin - sein Name bedeutet "Hund des Chullin" - zeigt deutlich den Boden, dem er entwachsen ist. Gerät er in Raserei, müssen drei Fässer kalten Wassers vor ihm auf gestellt werden und die Königin tritt vor ihn hin, indem sie Brust und Schoss entblöst. Erst daraufhin kann er gebändigt und in die Fässer zur Abkühlung gesteckt werden. Unter der grotesk-derben Literarisierung verbirgt sich der alte Grund (189). Die einstige Gruppenehe, die auch den Caledoniern - dem nichtidg. Substrat der Picten zugeschreiben wird (190) - schimmert noch deutlich durch in der Geschichte der irischen Clothru: sie lebt mit ihren drei Brüdern in Gruppen- und Geschwisterehe; sie ist eine ursprüngliche Flussgöttin, deren älteste Namensform als Clota überliefert ist (191). Clothru hat Nachkommen von allen ihren Brüdern und ist Schwester der Medb. Ihr Sohn Lugaid wird irischer Oberkönig und hat seinerseits mit seiner Mutter den Sohn Crinthann Mac Luigdech, der ebenfalls Oberkönig wird ( 192). Diese Inzestehen erinnern an die kanarischen Inseln, an Altkleinasien, an Iran. Wie stark die Muttergöttin 1m keltischen Raum fortlebte, zeigt im österreichischen Raum noch eine synkretistische Gottheit wie Isis Noreia, die voridg. Züge mit illyrischen, keltischen, venetischen und römischen Zügen verbindet, die ihrerseits schon zum Teil Interpretation der ägyptischen Isis waren (193). Isis Noreia wird, gewiss ein altertümlicher Zug, mit Wasserzeremonien geehrt. Diesem Zwecke dienten die Wasserbecken auf dem Frauenberg bei Leibnitz m der Steiermark und auf dem Ulrichsberg in Kärnten. Auf dem Seckauer Frauenberg mündete das uralte weibliche Numen endlich in die christliche Madonna aus. In Hispanien, im keltiberischen Bereich, mischen sich Voridogermanisches und Indogermanisches. -45- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Das Volkstum der Keltiberer ist nach wie vor umstritten. überwiegt in ihnen das Nicht-Indogermanische? Forscher wie Blazquez (194) scheinen dies vorauszusetzen; Waren sie reine Kelten? Schmoll vertritt diese Ansicht ( 195). Doch scheint es eher so zu sein, dass die vorkeltischen, aber idg. Gruppen, die Schmoll sprachlich nachgewiesen hat, voridg. Bevölkerungen - "echte" Iberer - überschichteten, die ihrerseits für uns namenlose Bevölkerungen schon in sich aufgenommen haben müssen; erst diese Gruppierungen wurden - örtlich in verschiedener Stärke - von Kelten überformt. Sekundär scheinen sie wieder von Iberern überschichtet worden zu sein, die vor Karthagern und Taressiern zurückwichen (196). Wie in Kleinasien begegnen wir Lallnamen der grossen Mutter, so z. B. einer Amma, der eine Inschrift auf einem Altar von Seg6briga (Cuenca) gilt. Es handelt sich um eine Flussgöttin, die zugleich Muttergöttin ist und auch aus anderen Inschriften bekannt ist. Als Flussname erscheint der Stamm m Dalmatien, Norddeutschland und in Frankreich: die Ems hiess einst Amasia/ Amisia (197); wir haben die Amance (zur Aube) aus * Amantia und den Namen der Amantini, eines keltischen Stammes zwischen Save und Drau (198). Natürlich gab es auch die interpretatio Punica der Muttergöttin, als Astarte, die zum Teil zugleich mit ägyptisierenden Merkmalen ausgestattet wird: z. B. die Bronzefiguren von Berrueco (Salamanca) aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Sie haben die Haartracht der Hathor, die Strahlenscheibe auf dem Haupt, den Lotos in der Hand und sind viergeflügelt - die vier Flügel finden sich auch auf zyprischen Figuren. Ähnliche Figuren aus Castulo (Jaen) sind auf Schöpfeimern zusammen mit Pferden abgebildet: sie haben Haartracht und Kuhohren Hathors und erinnern sehr an zyprische Figuren aus Kition. Ein anderer mediterraner Synkretismus findet sich bei den fünf geflügelten Göttinnen von Elche - auf Vasen - eine iberische Magna Mater, punisch interpretiert und mit Zügen der ephesischen Artemis versehen, die über Massilia kamen. -46- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Entlang der Küsten hatte die grosse Mutter eine bes~ mdere Beziehung zum Meer. Ihr waren Inseln heilig, so die beiden Inseln, auf denen die Städte Julia Gaditana - das heutige Cadiz - und Tartessos lagen - punisch Gadir. Die Insel, auf der Julia Gaditana lag, hiess auch Erythea, Aphrodisias oder Insel der Juno (199): "ab indigenis Junonis". Avienus kennt eine Insel - vielleicht ebendiese - die der Venus maritima geweiht ist; auf ihr befinden sich ein Tempel und eine Höhle der Göttin, in der sie Orakel gibt. Pomponius Mela (200) kennt vor der bretonischen Küste die Insel Sena - heute Sein (vielleicht aber auch Quessant) - auf der sich eine Orakelstätte befand, die von einem Kollegium jungfräulicher Priesterinnen betreut wurde, die "gallisenae" hiessen. "Sena", vielleicht verwandt mit ir. "senach" = "alt", lat. "senis, senex", heisst wohl weniger "die Alte" als vielmehr "die Ehrwürdige". Die Priesterinnen konnten Stürme erregen oder legen und für Seeleute die Zukunft voraussagen. Merkwürdigerweise will de Vries die Gottheit von Sena für einen ehrwürdigen Greis erklären - schon das Kollegium der Priesterinnen, die den Seeleuten weissagen, deutet klärlich auf eine Venus maritima hin. Sena könnte direkt eben auch eine Wassergottheit bezeichnet haben - der irische Hauptfluss, der Shannon, hiess altir. Sinna. Auch erinnert der Flussname Senona, heute Selune (Manche) an den Wortstamm, dem auch der Name der Senne (Teutoburgerwald) angehören könnte, wie auch der umbrische Fluss Sena. Den Unterweltsaspekt der grossen Mutter verkörpert die Göttin Ataecina, mit Persephone/Proserpina gleichgesetzt und besonders häufig zwischen Tajo und Guadalquivir verehrt. Arbois de Jubainville (201) will den Namen als keltisch erklären, als " Die Wiedergeborene". Eher scheint mir, dass der Name von einem Flussnamen des Typs Atax abzuleiten sei - z. B. in der Gallia Narbonensis, heute Aude und so das weibliche Gegenstück zu Flussnamen des Typs Aturro, heute Adour darstellen könnte. Wie im Rheinland, Ostfrankreich, Ostalpen, Britannien gab es den Kult der Matrones/Matres auch im hispanischen Bereich - so die Aufaniae matres, die auch aus dem Rheinland bekannt sind, und die Brigeaceae matres aus der Gegend von -47- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Burgos, die an den Gott Brigus erinnern, kelt. "der Erhabene" oder direkt an die irische Brigid. Die grosse Gegenwelt ist natürlich der Kult eines männlichen Prinzips (202) , des Stiers, der Iberien mit Kret a und dem nahen Osten verbindet. Schon die Sage von den Rindern des Geryoneus, dem Herakles im äussersten Westen die Rinder raubt, deutet darauf hin (203). Im Kult der Matrones/Matres stellt sich eine späte und verdunkelte Ausgestaltung der Möglichkeiten dar, die im Prinzip der grossen Mutter stecken. Er war am volkstümlichsten der Römerzeit der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. Die meisten Weihungen stammen von einfachen Soldaten, waren aber, nach Ausweis der vielen weder keltisch noch germanisch etymologisierbaren Namen die Entfaltung eines älteren Numens (204). Die "Mütter" sind meist dreifach und oft Segensgöttinnen einzelner Familien, gelegentlich mit Kindern auf dem Schoss. Sie tragen mitunter merkwürdige kugelige Hauben und sind mit Vögeln, Fischen, Schweinen, Bäumen, Girlanden dargestellt. Ihre Verehrung war tief verwurzelt, denn sie leben in den drei Marien und den drei Beten des Rheinlands und den drei Beten Tirols weiter unter christlicher Decke fort. Den Wormser "Beden": Embede, Worbede , Wilbede entsprechen die stärker verballhornten von Meransen in Südtirol: Aubet, Cubet, Quere (205). In Bede/Bete/Bötle(r) scheint sich ein keltisches Wort erhalten zu haben, das auch · im Namen der irischen K riegsgöttin Bodb steckt, deren männliches Gegenstück in Maro-bodus , Teuto-bodus, Ate-bodus etc. steckt. Als german. Verwandte wä re die friesische Göttin Baduhenna (206) hierherzustellen; sie lassen sich auf eine idg. Wurzel * badh- vereinigen, die etwa "schlagen" bedeutet, wozu altir. "buaid" = "Sieg, Glück" zu stellen wäre, ebenso der Name der britannischen Königin Boudicca/Boadicea (207). Auch die beiden tirol. Orte Matrei könnten, folgt man Kranzmayr (208) auf den Matronenkult zu beziehen sein. Dem steht freilich entgegen, dass lat. "materies" alpenromanisch einfach "Holzlagerplatz" bedeutet haben kann; romanische Abkömmlinge des Wortes bedeuten Bauholz/Holz wie spanisch "madera", portug. "madeira" (209). -48- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Zu den Beten/Beden gehören wohl auch die sogenannten Bötler-Relikte auf dem Mieminger Plateau (Nordtirol), Jo es Bötlersteige, -höhlen, -brunnen gibt, die das Volk als Bettlersteige etc. missverstand (210). Auch die Göttin Beda könnte hierher gehören (211). Die mannigfachen Beziehungen Griechenlands zum libyschen Raum beruhen keineswegs nur auf dem Verhältnis Thera-Kyrene (212), sondern eben auf einem letztlich gemeinsamen Substratgrund, der in der Gestalt der Athene Tritogeneia zutagetritt. Die Stadt Tritteia, der Flussname Triton auf südgriech. Boden gehören hierher. Herodots Feststellung, dass die Libyer nur die weiblichen Vorfahren zählen (213), lässt uns ebenfalls auf diesen Grund blicken. Die ursprünglich libysche, dann ägyptisch umgedeutete Neith erscheint wieder in der punischen Tanit (deren Name vielleicht nur volksetymologisch als semitisch aufzufassen wäre, vielleicht aber Neith mit einem berberischen Femininpräfix ist), die wiederum mit Astarte und der Athene Tritogeneia gleichgesetzt wurde. Wenn Wolff den Namen der Tanit als die "Ausgiessende" deutet und auf das Mondlicht bezieht (214), so hat er recht und unrecht zugleich: viel ansprechender wäre es, den Namen der Göttin sogleich vom Wasserbezug her zu deuten. In der Athene (215) erscheint die grosse Mutter durch alle Interpretationen hindurch, wie sie auch in Athene selbst erscheint, deren vorgriech. Name schon ihre voridg. Herkunft verrät. In ihrem Beinamen Pallas erscheint ein voridg. Wort für Jungfrau, das sich bis ins Drawida verfolgen lässt (216). Noch spät wird eine Pallene als Gattin des Dionysos genannt (217). Albert Herrmann (218) hat schlüssig gezeigt, dass der ursprüngliche Bereich der Athene Tritogeneia das Gebiet zwischen der kleinen Syrte und den sogenannten Schotts war. In jenen Zeiten nämlich, als die Schotts noch eine Meeresbucht darstellten, in die vom Ahaggar-Massiv herkommend, ein grosser Strom mündete. Auf einer Insel befand sich das libysche Tartessos, das man später mit dem hispanischen Tartessos und dem kilikischen Tarsos verwechselte. Auf dieser Insel scheint Athene Tritogeneia als Meeresgöttin, als Venus maritima verehrt worden zu sein. -49- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Übrigens lebt der Vorstellungskomplex der meerbezogene grossen Mutter noch heute fort im Kulttitel der Madonna: Stella maris. Apollonios Rhodios ahnt noch die alten Beziehungen (219), wenn er eine fiktive Genealogie aufstellt, wonach Garamas, ein Sohn Apollons und einer Tochter des Minos, mit einer Nymphe Tritonis den Nasamon, den Stammvater der Nasamonen zeugt: hier sind die Garamanten, die Nasamonen, Kreta und Libyen miteinander verknüpft. Übrigens ein Beispiel dafür, dass die fiktiven Götter- und Heroenmythologien sehr wohl in symbolischer Verdichtung historische Nachrichten enthalten können (220). Verschiedentlich kamen wir schon auf die grosse Mutter in ihrer Erscheinungsform als Orakelgöttin zu sprechen. In der Gestalt der Sibylle erscheint sie verselbständigt. Hier ist vor allem Dingen auf die libysche Sibylle zu verweisen, die eben im Rahmen unseres Bezugsfeldes keineswegs nur eine systematische Neuschöpfung ist, wie die ältere Philologie meinte, weil man jedem Bereich eine Sibylle zuteilen und ihre Zahl auf zehn oder zwölf bringen wollte (221). Zwei getrennte Überlieferungen über eine andere Sibylle, die delphische - von vielen für die ältere gehalten - zeigen das Beziehungsgefüge, in dem sie steht. Pausanias (222) sagt von der delphischen Sibylle - Herophile - sie sei eine Tochter des Zeus und der Lamia gewesen, die eine Tochter Poseidons war; dieser war nach Herodot ein libyscher Gott. Ihr Name aber sei ihr, vor dem trojanischen Krieg, von den Libyern gegeben worden. Clemens v. Alexandrien sagt (223), die Sibylle ist älter als Orpheus, sie kam aus Phrygien und hiess ursprünglich Artemis. Hinter der Sibylle erscheint die grosse Mutter und eine irdische Orakelpriesterin, eine Art Wala, wie sie die Berber kannten (224). Prokopios (25) spricht davon, dass bei den Libyern nur die Frauen prophezeien. Noch sehen wir, als die Araber in Nordafrika erobernd vordringen, eine libysche Wala und "Ric hterin" von der Art Deborahs; ihren wahren Namen kennen wir nicht, die Araber nannten sie halb ehrfürchtig, halb herabsetzend, die Kahinna, im Sinne von Hexe oder Zauberin (226). -50- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Zuletzt ein Wort über die Amazonen; die Amazonen\ Jberlieferungen sind kein Phantasiegebilde - wofür sie Schreibtisch-Philologen gerne halten, weil man damit eine Menge von Problemen listig aus der Welt schafft - sondern widerspiegeln, sagenhaft und legendär entstellt, historische, ethnische, religionsgeschichtliche Wirklichkeiten. In den beiden antiken Amazonenüberlieferungen - der kleinasiatischen und der libyschen, die keineswegs blass eine spätere Verdopplung der kleinasiatischen ist - treffen sich in Wirklichkeit zwei unabhängige Überlieferungen, die kleinasiatische und die libysche, die aber einen gemeinsamen Untergrund haben: den kriegerischen Aspekt der grossen Mutter, der sich in Verehrerinnen auswirkte. Die kleinasiatisch-südrussische Überlieferung geht von Skythenstäm men aus (227), die andere von libyschen Stämmen (228). Diodorus Siculus schildert sie nicht nur als männerfeindliche Kämpferinnen, sondern auch als Gründerinnen einer Reihe von Städten: Myrine, Kyme, Ephesos, Smyrna etc. (229). Hier erscheint eine dunkle Ahnung eines gemeinsamen Hintergrunds, eines gemeinsamen Substrats, wie wir heute sagen würden (230). Die libyschen Amazonen seien, meint Diodor, älter als die vom Thermodon und hätten auf der Insel Hespera im Tritonsee, unweit des Atlas, ihre Hauptstadt gehabt; Hespera, "die Westliche" , ist wohl identisch mit der Insel der Athene Tritogeneia. Von da aus wären die Amazonen bis zum Atlantik nach Westen und bis Phrygien nach Osten ausgeschwärmt: ein mediterranes Bezugsfeld. Besonders auf fallend ist Diodors Bemerkung, dass die Amazonenkönigin Myrina, die nach ihr benannte Städte gründete, die heilige Stadt Samothrake auf der gleichnamigen Insel gegründet hätte, um die Mutter der Götter zu ehren; Samothrake aber hiesse, übersetzt, "heilige Insel", - tatsächlich aber so etwas wie "Hochland der thrakischen Göttin". Man sieht, wie sich eine verdunkelte, aber richtige Nachricht von einer Insel der grossen Mutter mit einer falschen Etymologie mischt. Sicher ist, dass es eben einen ethnischen Hintergrund gab, einen religionsgeschichtlichen und sozialen (231). Auch in Kleinasien gibt es Verbindungen zu einer krie- -51- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 gerischen Göttin, der Mä. Der Name der kleinasiatischskythischen Amazonen erklärt sich am besten aus iran. "hamazana" = Kriegerin (232). Die alte Ausdeutung "Brustlose" - ist nichts als eine ziemlich läppische Volksetymologie, die durch keinerlei ikonographisches Zeugnis gestützt wird. In der Marienverehrung bricht die grosse Mutter im Christentum wieder durch; was um so bemerkenswerter ist, als das frühe Christentum seit dem hl. Paulus sich durchaus f rauenfeindlich gab, trotz Jesu persönlicher Wertschätzung der Frauen, was allerdings gerade seiner Mutter gegenüber nicht galt. Kennzeichnenderweise brach gerade in Ephesus die Verehrung der grossen Mutter wieder durch und dies ohne die geringste biblische Grundlage, ja gegen sie: die Magna Mater Ephesia verwandelte sich in die unbefleckte Gottesgebärerin, sie kehrt wieder als Theot6kos und Kour6t rophos. Der Goldschmied Dem et rios - dessen Name von dem der Demeter, einer grossen Mutter abgeleitet ist - hat nachträglich über den hl. Paulus gesiegt. Unsere Übersicht zeigte, dass die wenigen aber deutlichen Spuren der Verehrung eines weiblichen Prinzips auf den K a n a r i s c h e n I n s e l n nicht isoliert sind, sondern in den weiten Rahmen der Verehrung der M a g n a M a t e r M e d i t e r r a n e a einzubeziehen sind, die wir rings um das Mittelmeer in ihren verschiedenen Hypostasen und Gestalten verfolgen konnten: als weibliches Prinzip, als Fruchtbarkeitsgöttin, als Erdgöttin, als Herrin schlechthin, als Herrin der Unterwelt, als Orakelgöttin, als Schlangenherrin, als Kriegerin, als Todesgöttin, als Vorbild von Kollegien von Priesterinnen, Jungfrauen, Sibyllen und Amazonen. Und auch für heute gilt: die grosse Mutter lebt noch immer. Anmerkungen: (1) - Josef Wiesner, Vor- und Frühzeit der Mittelmeerländer 1-2, Berlin 1943 (Göschen); ders. Die Vorzeit des Mittelmeerraums, in: Kleine Kunstgeschichte der Vorzeit und der Naturvölker, ed. Hans Weigert, Stuttgart 1956, pp. 53-84; Friedr. Karl Kienitz, Völker im Schatten. Die Gegenspieler der Griechen und Römer von 1200 v. Chr. - -52- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 200 v. Chr., München 1981; Abriss der Vorgeschichte, in: Oldenbourgs Abriss der Weltgeschichte, München 1957, ßes. Karl J. Narr, Vorderasien, Nordafrika und Europa, pp.1-79; ibidem: Abriss der Geschichte antiker Randkulturen, München 1961, darin P. Lambrecht, Geschichte der Westkelten und der Iberer, pp. 1-6; J. D. Wölfel, Weissafrika von den Anfängen bis zur Eroberung durch die Araber, pp. 194-239; ders. Die Hauptprobleme Weissafrikas, in: Archiv für Anthropologie, Völkerforschung und kolonialen Kulturwandel, N.F. 27, 1942, pp. 89-140. (2) Vgl. Verfasser: Zur Religion der Berber. Spuren und Reste der libysch-berberischen Religion, in: Sahara-Studien, Hallein 1988, pp. 113-158 (3) J. D. Wölfel, Monumenta Linguae Canariae, ed. Alois Closs, Graz 1965 = MLC p. 438. (4) MLC p. 441 (5) nach Torriani, MLC p. 441 (6) MLC p. 365 und 442 (7) MLC p. 456 (8) MLC p. 457- 460 (9) Vgl. auch Karl Wipf. Die Religion der Ureinwohner der Insel Hierro, in: Almogaren XIII-XIV /1982-1983 (10) Johann Jakob Bachofen, Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt und ihrer religiösen und rechtlichen Natur, Basel 1861/1, 1897 /2, 1948/3 ed. Karl Meuli; dazu Lewis Henry Morgan, Ancient Society or Researches in the Lines of Human Progress f rom Savagery through Barbarism to Civilization, London 1877, dt. durch Karl Kautsky und Eichhoff Stuttgart 1891 als "Die Urgesellschaft"; John Ferguson McDennan, Primitive Marriage, London 1876, erweitert in "Studies in Ancient History, Comprising a Reprint of Ancient Marriage", London 1886; Robert Briffault, The Mothers, London 1959, zuerst New York 1927. (11) P. Wilhelm Schmidt, Das Mutterrecht, in Studia Instituti Anthropos X, Wien 1955. ( 12) Adolf Ellegard Jensen, Gab es eine mutterrechtliche Kultur? in: Studium Generale 3, 8, 1950, pp. 418- 433. (13) Bd. 3, Basel 1948, pp. 1011-1028. (14) s. v. "Mutterrecht" in Eberts Reallexikon der Vorge- -53- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 schichte VIII, 1927, pp. 360-380. ( 15) Josef Haekel, Zum Problem des Mutterrechts, in: Paideuma 5, 1953/54, pp.298-322, 481-508; Hermann Baumann, W. Schmidt und das Mutterrecht, in: Anthropos 53, 1958, pp. 212-228 (16) Sigmund Freud, Totem und Tabu, zuerst 1912/1913 in: Imago I und II, Wien, als Buch Wien 1913, London 1940, Gesammelte Werke IX; als Fischer-Taschenbuch 147, 1951. (17) Abb. z.B. bei Herbert Kühn, Die Felsbilder Europas, Stuttgart 1952, p. 241 ( 18) Andre Leroi-Gourhan, Les Religions de la Prehistoire, Paris 1971, in : Mythes et Religions 51 (19) etwa 15.000-10.000 v. Chr. Vgl. auch Karl Wipf, Die Phänomene des Göttlichen in urgeschichtlicher Zeit, in: Mannus 52, 1986, pp. 164-222 (20) Helmuth M. Böttcher, Die grosse Mutter, Zeugungsmythen der Frühgeschichte, Düsseldorf/Wien 1968, pp.5-15 (21) A. Marshack, Cognitive Aspects of Upper Paleolithic Engraving, in: Current Anthropology 13, 1972, pp. 445-477 (22) Böttcher op. cit. pp. 20-21 (23) Erhard Schlesier, Meudama. Die Empfängnistheorien und ihre Auswirkungen, in: Curare 2, 1979, pp. 97-104 (24) Hallenser Landesmuseum für Vorgeschichte, Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 6.10.1982, p. 48, laut Berlin AP (25) Aufnahme von drei Seiten bei Jellinek, Das grosse Bilderlexikon des Menschen der Vorzeit, Prag, dann Berlin/Wien/München 1972, p. 375 (26) Franz Eppel, Die Herkunft der Venus von Willendorf, in: La Nouvelle Clio 3, 1951, pp. 149-163 (27) Zu den Statuetten vgl. auch E. 0. James, Religionen der Vorzeit, Köln 1960, pp. 99-122; ders. The Cult of the Mothergoddess, London 1959 (28) Sibylle von Reden, Die Bedeutung der Muttergottheit in den frühen Kulturen der alten Welt, in: Karl Gutbrod, Geschichte der frühen Kulturen der alten Welt, Köln 1975, pp. 57-61 (29) Erich Neumann, Die grosse Mutter. Der Archetyp des grossen Weiblichen, Zürich 1956, pp. 99-122 "Die Vorzeitgöttin"; Richard Pittioni, Urgeschichte des österr. Raumes, -54- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Willendorf I, pp. 97-98 Willendorf II; Max Eberts Reallexikon 9p. cit. VII, 1926, pp. 139-139 ~30) James Mellaart, <;atal Hüyük, Stadt aus der Steinzeit, Bergisch-Gladbach 1967, pp. 32-33 (31) Mellaart op. cit. Tafel IX, Tafel 67, 68 (32) Marie E. P. König, Unsere Vergangenheit ist älter, Höhlenkulte Alteuropas, Frankfurt/M. 1980; dieselbe, Am Anfang der Kultur, die Zeichensprache des frühen Menschen, Berlin 19732 (33) Mellaart, op. cit. pp. 237-238 (34) Franz Harn~ar, Zum Problem der Venusstatuetten im eurasischen Jungpaläolithikum, in: Prähistorische Zeitschrift 30/31, 1939/1940, pp. 86-156. Gagarino pp. 98-105 (35) Hancar, op. cit. pp. 93-98 (36) Hancar pp. 105-106 (37) Hanc':ar pp. 106-124. Vgl. auch (allgemein) Karl Jettmar, Die Aussage der Archäologie zur Religionsgeschichte Eurasiens, in: Die Religionen Nordeurasiens und der amerikanischen Arktis, Stuttgart 1962, p. 308: Paulsson/ Hul tkranz/ Jett mar (38) Leonhard Franz, Frauenidole des vorderasiatischen Kulturkreises, in: Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft Wien 56, pp. 399-406; ders., Die Muttergöttin im Vorderen Orient und Europa, in: Der alte Orient, 35, 3, 1937, pp. 1-28 (39) Andrew Fleming, The Myth of the Mother-Goddess, in: World-Archaeololgy 1969, 1, pp. 247-261 (40) Stuart Piggot, Prehistoric India, Pelican Books 1950, pp. 105-109, 126-127 (41) Piggot, op. cot. pp. 201-202 (42) Zum Phallos vgl. den "Kleinen Pauly" 4, DTV 1979 s.v. Altertumswissenschaft = RE XIX, coll. 837, 1666- 1668, 1670-1748 nach Hans Herter; ders., "Hermes", in: Rheinisches Museum für Philologie, N.F. 119, 1976, pp. 193-241: Zum steinernen Phallos/Hermes; Joseph Wiesner, Die Thraker, Stuttgart 1963, p. ·113 (44) Strabo X, 3, 22 (Loeb Classical Library) (45) Gr. "phall6s" oder "phales", eigentlich das "Schwellende", besonders das künstliche Glied an Statuen und bei Ritualen. -55- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (46) Lexikon des Hesychios, 5.-6. Jh. n. Chr. Alexandrien, Ausgabe von M. Schmidt, Jena 1858-1868, s. v. Kybele (47) Dazu Oswald Szemerenyi, Etyma Graeca, m: Die Sprache XI, 1965, pp. 3-4 ( 48) Claude Brixhe, Le nom de Cybele, in: Die Sprache XXV, 1979, pp. 40-45 (49) Ladislaus Agusta, in: Die Sprache XXVIII, 1982, pp. 171-172 (50) Pausanias (Loeb Classical Library) X, 32, 3 (51) Drei mythographische Sammlungen, davon wichtig besonders die dritte, aus dem 9. Jh. n. Chr. P. J. Elder, A critical edition of the Vatican mythographers, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association, New York, 78, 1948, pp. 189-298 = III, 22 (52) Livius 29, 10, 11: der Stein fiel vom Himmel, ist Mutter der Götter; vgl. Ovid, Fasti IV, 327 (53) Für diese und noch weiter gespannte Zusammenhänge, bis zur Ka'aba in Mekka als einem ursprünglichen Symbol einer weiblichen Gottheit vgl. Robert Eisler, Kuba, Kybele, in: Philologus 68, 1909, pp. 118-151, 161-209 (54) Pausanias VII, 17, 9, zu Aktaion ibidem III, 28, 5 (55) Hermann Baumann, Das doppelte Geschlecht, Berlin 1955; J. Winthuis, Mythos und Kult der Steinzeit, Stuttgart 1935 (etwas spekulativ); Ernst Benz, Adam, der Mythus vom Urmenschen, München-Planegg, 1955 (religionsphilosophisch- theologisch); Robert Merle, L 'homme, le rhythme et la symmetrie 1955 (biblisch-spekulativ); zum antiken spekulativen Mythos über den Urandrogyn vgl. Plato, Symposion 189e; zum androgynen Juppiter vgl. Augustinus, De civitate Dei VII, 11, nach Valerius Soranus; zur gnostischen Spekulation über den Urandrogyn vgl. Hippolytos, Adversus haereses V, 8 (56) Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum cp. 20; Justinus Martyr, Dialogus cum Judaeo Tryphone cp. 70; dazu Franz Cumont, Die Mysterien des Mithra, Leipzig/Berlin 1923/3, pp. 118-119; zur mythräischen Höhle vgl. Porphyrios, De antro nympharum VI, 20 (57) Vgl. auch J. Vermaseren, Mithras, Stuttgart 1956; Leo Widengren, Die Religionen Irans, Stuttgart 1965, pp. 222-223 (58) Otto Kern, Die Religionen der Griechen I, 1926, 34-35 -56- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (59) Claudius Claudianus, De raptu Proserpinae I, 201-202, fd. Ludwig Jeep, Leipzig 1876, vol. II (60) Arnobius, Adversus Nationes V, 5, ed. Aug. Reifferscheidt, Wien 1875, in: Corpus Ecclesiasticorum Scriptorum Latinorum IV; dazu RE I, Stuttgart 1894, coll. 767- 768; RE 37, Stuttgart 1937, coll. 1104-1113 (Stein von Pessinus); RE 11, Stuttgart 1922, coll. 2250-2298 (Kybele) (61) Otto Haas, Neue spätphrygische Texte, in: Die Sprache 6,1960, pp.27-28; dazu s. V. Ma in "Kleinen Pauly III" (62) Herodot IV, 110. Zu den Lallnamen vgl. noch Fritz Schachermayr, Podeidon und die Entstehung des griechischen Götterglaubens, Salzburg 1950, p. 64 Anm.; Paul Kretschmer, Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache, Göttingen, 1896, pp. 334-357; derselbe, Altindisch 'anba', in: Kuhns Zeitschrift für vergl. Sprachforschung auf dem Gebiet der idg. Sprachen 57, 1930, pp. 251-255 (63) Herodot I, 131; Pausanias VIII, 6, 6 (Persische Artemis) (64) Pausanias III, 16, 8 (65) Franz Cumont in Hastings Encyclopaedia of Ethics and Religion I, Edinburgh 1908, pp. 414-415 (66) Widengren, op. cit., pp. 18-19 (67) Vgl. dazu Verfasser, Zur Religion der Berber. Spuren und Reste der libysch-berberischen Religion, m: SaharaStudien, Hallein 1988, pp. 113-158 (68) Epiphanius, Adversus haereses, op. cit, II, 51 (69) 1 Kön. 15, 13; Ri 6, 26 (70) Maria Häfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens, in: Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer, Stuttgart 1970, pp. 268-272 (71) Hartmut Gese, Die Religionen Altsysriens, op. cit., pp. 149-155 (72) Gese, op. cit., pp. 156-164 (73) Alfred Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, Leipzig 1930/4, pp. 691-692; dazu Der Prophet Jeremias=Jer. 7 ,18; 44, 17-19 (74) Is. 7, 14. Zum semitischen Bereich vgl. allgemein noch immer mit Gewinn W. Robertson Smith, Die Religion der Semiten, zuerst dt. Tübingen 1899; Nachdruck Darmstadt 1967 (75) Ditlef Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin, in: Zeit- -57- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 schrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft 92 = N.F. 17, pp. 504-551 (76) Is. 14, 12 (77) Sure 72, 3 (78) Rudi Paret, Der Koran (Übersetzung) Bd. 1, Stuttgart etc. 1962, Bd. 2, Stuttgart 1971 (Korankommentar und Konkordanz, zu Sure 72,3 und 2,116 (79) Ri 3, 5-7; 6, 25-32 (80) Exodus 29, 45 (81) Sohar 1, 34b; vgl. dazu: The Zohar, transl. by Harry Sperling and Maurice Simon, vol.1, London 19563 , pp.130-131 (82) Raphael Patai, The Goddess-Cult in the Hebrew-Jewish Religion, in: The Realm of the Extra-Human, Agents and Audiences, The Hague/Paris 1976, ed. Aghenanda Bharati, pp. 197-210 (83) Gerschom Schalem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Zürich 1957, pp. 248-251; derselbe, Von der mystischen Gestalt der Gottheit. Studien zu Grundbegriffen der Kabbala, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 209, 1962/1, 19722 , pp. 135-191 (84) Gerschom Schalem, Das Buch Bahir, Darmstadt 1970 (zuerst Leipzig 1923), pp. 44-45 = Kapitel 43 (85) Buch Bahir, Kap. 90 (86) The Zohar, op. cit., vol. 1, 162ab (87) Kition im Gebiet des heutigen Larnaka und südlich davon am Salzsee von Larnaka. Vgl. Vassos Karagheorghios, Kition, Bayrisch-Gladbach 1976, bes. 205-210 (88) Colin Thubron, Zypern, München 1976, pp. 21-22. Zuerst engl. London 1975 (89) Vassos Karagheorghios, Zypern, München 1978, Archaeologia Mundi, zuerst Genf 1968, p. 64, Abb. 49; Abb. 47 (90) Sibylle von Reden, Die Insel der Aphrodite. Vergangenheit und Gegenwart Zyperns, Köln 1969, p. 31, pp. 48-59; Abb. 6, 9, 10 ( 91) Reden, op. cit., pp. 48-59 (92) Reden, op. cit., pp. 68-112 (93) Odysssee VIII, 363; III, 380 Athene als Vanassa (94) P. Perdriset, Cultes et Mythes de Pangee, in: Annales de l 'Est 24, 1910. Zu Bendis/Mendis Herodot IV, 33 (95) G. Kazarow in RE Reihe 2, 11, 1896, coll. 472-551; -58- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Zlatozara Goeeva, Die Religion der Thraker, m Klio 68, ~918, pp. 84-91 (;96) Strabo X, 3, 16 (97) Charles Picard, Die Ephesia von Anatolien, in: EranosJahrbuch 6, 1938, Zürich, p. 62 (98) Diodorus Siculus III, 61 (99) Pausanias X, 12, 3-7 ( 100) Diodorus Siculus V, 70, 2; Strabo X, 4, 8; Pausanias V, 7, 6 (101) Hesiod, Theogenie 453 ( 102) Friedrich Matz, Kreta, Mykene, Troja, Stuttgart 19573 ' p. 85 ( 103) Apollodoros, Bibliotheke I, 5; Kallimachos, Hymnus I, 46 (104) Tibullus II, 5, 67; Lactantius, Divinae Institutiones I, 6, 10, Lactantius zitiert Varro ( 105) Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen 1, DTV 19662 , zuerst Zürich 1951, pp. 75-77; Robert Graves, The Greek Myths, Penguin Books 1955, vol. 1, p. 42 (Graves will Amaltheria als die "Zarte" erklären, weil er sie als einen jungfräulichen Aspekt der grossen Mutter auf fasst. (106) Pausanias II, 32, 8 ( 107) Odyssee IX, 188 ( 108) Ilias XI, 270 ( 109) Stylianos Alexiou, Minoische Kultur, Göttingen 1976, p. 92 (110) Friedrich Matz, Kreta und frühes Griechenland, Baden- Baden 1962, pp. 58-62 ( 111) Paul Baur, Eileithyia, in: Philologus, Supplement 8, Leipzig 1899-1901, pp. 451-512 ( 112) Pausanias IX, 27, 2 (113) Pausanias VIII, 21, 3 (114) In Hermione, Sparta, Messene, Olympia, Agion, Pellene, Megalopolis, Tegea etc. Baur, op. cit., p. 467 (115) Hans Egli, Das Schlangensymbol. Geschichte, Märchen, Mythos, Olten etc. 1984, pp. 169-174 (Die Magna Mater und die Schlange) (116) Odyssee VI, 102 (117) Odyssee XV, 409 (118) Pausanias VII, 19, 1 (119) Der kleine Pauly I, s.v. Artemis -59- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (120) Walter Schmid, Der Kultwagen von Strettweg, m: Führer zur Urgeschichte 12, Leipzig 1934 (121) Ferdinand Tremmel. Land an der Grenze. Eine Geschichte der Steiermark, Graz 1966, pp. 10-20; Richard Pittioni, Urgeschichte des österr. Raumes, Wien 1954, p. 621 ( 122) Karl Kerenyi, Das göttliche Mädchen, in: Albae Vigilae 8/9, Zürich 1941; Hans Peter Duerr, Traumzeit, Über die Grenze von Wildnis und Zivilisation, edition suhrkamp 19852 , N.F. 345, bes. pp.33-38, 39-67, 257-356 ( 123) Wilhelm Mannhardt, Mythologische Forschungen, Strassburg 1984, pp. 202-350. Zur Ansicht, dass der Name der Demeter keine Zusammensetzung sei, vgl. Sonne in der Zeitschrift für vgl. Sprachforschung X, 1933, der es von "demos"= Volk ableitet. A. J. van Windekens, Demeter, nom grec d'une deesse egenne, in: Die Sprache XII, 1966, pp. 94-97 will den Namen als "Gabenmutter" erklären, zur Wurzel von gr. daomai, lat. dare (124) Pausanias X, 12, 10; Carl Robert, Pandora, Hermes 49, 1914, pp.17-38; Jane Harrison, Prolegomena to the study of Greek Religion, 1955/4, pp. 267-271 (125) Harrison, op. cit., pp. 283-285 (126) Imre Trencsenyi-Holzapfel, Pandora-Mythen, in: Untersuchungen zur Religionsgeschichte, Budapest 1966, pp. 49-75 (127) Pandora, Demeter etc. sind offensichtliche Neubenennungen aus idg. Wortgut für ältere voridg. weibliche Ortsnumina, die vielleicht einst Lallnamen trugen wie Ge oder Mä (128) RE IV, coll. 2517-2700; dazu Suppl. IV, coll. 1189- 1432, Suppl. V, coll. 61-152 ( 129) Robert Luyster, Symbolic Elements in the Cult of Athena, in: History of Religions 5, pp. 133-163; Harrison, op. cit, pp. 300-307 ( 130) C. J. Herrington, Athena Parthenos and Athena Polias, Manchester 1955, pp. 43-47 (131) Pausanias I, 26, 6 ( 132) Pausanias V, 3, 2 (133) G. van der Leeuw, The Form of the Mother, in: Religion in Essence and Manifestation, New York 1963, vol. 1, pp. 91-101 -60- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (134) Friedr. Focke, Pallas Athene, in: Saeculum 4, 398 ff. ~135) Walter Ruben, Eisenschmiede und Dämonen in Indien, in: Intern. Archiv für Ethnographie 37, 1939, pp. 215-233. Dazu Heinrich Zimmer, Die indische Weltmutter, in: Eranos-Jahrbuch VI, 1938, pp. 175-220. Für ältere Ansichten vgl. auch RE IV. 1896, coll. 1941-2020 ( 136) Hedwig Kenner, Athena und die Götterwelt der Austria Romana, in: Jahreshefte des österr. archäol. Instituts in Wien 51, 1976/77, pp. 107-140 ( 139) E. A. Wallis Budge, The Gods of the Egyptians or Studies in Egyption Mythology, vol. 2, New York 1969/2, zuerst London 1904, pp. 201-221 (138) Pausanias X, 32, 8-19 ( 139) Hermann Kees, Der Götterglaube der alten Ägypter, Leipzig 1941 , pp. 162-163 ( 140) Ambras J. Pfiffig, Religio Etrusca, Graz 1975, pp. 255-258 (141) Vitruvius, De architectura (Loeb Classical Library), vol. I, I, 7 (142) Pfiffig, op. cit., pp. 255-258 (143) Zu Aeneis XI, 259 (144) Jost Trier, Etymologien um das Futterlaub, in: Münsterische Forschungen 15, Köln/Graz 1963 ( 145) Aeneis VII, 372; dazu Servius, Plinius n.h. (Loeb Classical Library) III, 56 (146) Suetonius, Caesar VI, 6 (Loeb Classical Library) (147) Diodorus Siculus, IV, 83; Strabo VI, 272 (148) Servius zu Vergils Georgica I, 7 ( 149) Uberto Pestalozza, I Carratteri indigeni de Cerere, Milane 1897 (150) Anghelu Ruju; Franz Altheim, Römische Religionsgeschichte, vol. 1, Baden-Baden 1951, pp. 17-41 (151) Vgl. besonders Johannes Maringer, Vorgeschichtliche Religion, Zürich/Köln 1952, pp. 245-247: der Stier paläolithisch (152) Lauth, Der Apiskreis, in: Sitzungsbericht der Bayr. Akademie der Wissenschaften, Phil.-Histor. Classe, 1879, pp. 193-265 (153) Winfr. Bühler, Europa. Ein Überblick über die Zeugnisse des Mythos i. d. antiken Literatur u. Kunst, München 1968 -61- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (154) Giovanni Lilliu über Korsika in: Frühe Randkulturen des Mittelmeers, Baden-Baden 1967, p. 10 (155) Lilliu, op. cit., p. 12 (156) Lilliu, op. cit., p. 10 (157) Lilliu, op. cit., p. 53 (158) Lilliu, op. cit., Tafel VI; Kunst und Kultur Sardiniens, Ausstellungskatalog Karlsruhe 1980, Farbtafel 1, p. 225; pp. 20-25, 33-36; weibliche Menhire Tafel IV, p. 43, p. 97 aus der Nuraghenzeit, etwa 2000 v. Chr. (159) Kunst und Kultur etc., op. cit., p. 29 (160) Kunst und Kultur, op. cit., p. 41, Abb. 30 (161) Kunst und Kultur, op. cit., p. 28 (162) Kunst und Kultur, op. cit., p. 41, Abb. 30 (163) Die gegenteilige Auffassung bei Margarete Riemschneider, Augengott und heilige Hochzeit. Fragen zur vorgeschichtlichen Religion 1, Leipzig 1953, die das Augenpaar auf Zwillingsgötter und hl. Hochzeit deuten will. Für die Deutung auf die grosse Mutter vgl. O.G.S. Crawford, The Eye Goddess, London 1957 (154) Harrison Lewis, Ancient Malta, A Study of Antiquities, Gerrards Cross, Bucks. 1977; Michael Ridley. The Megalithic Art of the Maltese Islands, Poole, Dors. 1976; John D. Evans, Malta, Köln 1959, pp. 48-65 (Abb.); ders. Prehistoric Antiquities of the Maltese Islands, London 1970; Encyclopaedia of World Art IX, New York etc. 1954, coll. 4111-419, 673-674; T. Zammit, The Prehistoric Remains of the Maltese Islands, in. Antiquity IV, 1930, pp. 55 - 79; Bernab6 Brea, Malta and the Mediterranean, in: Antiquitiy XXXIV, 1960, pp. 132-137 (195) C. Renfrew, Carbon 14 and the Prehistory of Europe, in: Scientific American 25, 1971, pp. 63-72; dazu Barthel H rouda, ed. Methoden der Archäologie. Eine Einführung in ihre naturwisschaftlichen Techniken, München 1978; darin Werner Rauert, Die Kohlenstoff-14 Datierungsmethode, pp. 111-124 (166) Lewis, op. cit., p. 29 (167) Ridley, op. cit., p. 77 (+ Abb.) (168) Evans, op. cit., bes. Abb. 48-65 (169) Evans, op. cit., Abb. 49 (170) Evans, op. cit., Abb. 50 -62- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (171) Antonio Beitran, Felskunst der spanischen Levante, Ij3ayrisch-Gladbach 1982, p. 43 (Aus der Reihe "Frühe Spuren des Menschen", ed. Emmanuele Anati) (172) Evans, op. cit., p. 123, Abb. 22 (173) Evans, op. cit., Abb. 57. Vgl. Ingeborg Tetzlaff, Malta und Gozo, Köln 1977, Abb. 45 (174) Ridley, op. cit., p. 30 (175) Jan Filip, Die keltische Zivilisation und ihr Erbe, Prag 1961; Julius Pokorny, Das nichtindg. Substrat im Irischen, in: Zeitschrift für keltische Philologie 16, 1927; 17, 1928; 18, 1930; ders., Keltisch-Baskisches-Hamitisches, ibidem 18, 1930; Reche in Eberts Reallexikon der Vorgeschichte VI, 1926, pp. 280-301; Rudolf Pittioni, Zum Herkunftsgebiet der Kelten, in: Sitzungsbericht der österr. Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse 233, 1959; J. Pokorny, Keltische Urgeschichte und Sprachwissenschaft, in: Die Sprache V, 1959, pp. 152-164 ( 176) Marie Luise Sjoestadt, Gods and Heroes of the Celts, London 1949; Jan de Vries, Kelt. Religion, op. cit., pp. 119-120 (177) Zu Medb vgl. bes. Josef Weisweiler, Keltische Frauentypen, in: Paideuma 2, 1941, pp. 1-19 (178) Klaudios Ptolemaios, Geographias Hyphegesis II, 2, 7 (179) Jan Przyluski, Ursprünge und Entwicklung des Kultes der Muttergöttin, in: Eranos-Jahrbuch 6, 1939, besonders pp. 13-14 (180) Alfred Holder, Altceltischer Sprachschatz, 3 Bände, 1896/1, Leipzig, Nachdruck 1961 Graz, vol.1, coll.1225-1239 (181) Richard Meister, Der Name der Donau, Zeitschrift für vgl. Sprachforschung N.F. 78, 1963, pp. 52-54 ( 182) Paul Kretschmer, Zum Balkanskythischen, in: Glotta 24, 1936, pp. 1-35 (183) de Vries, Keltische Religion, op. cit., p. 82 (184) Vgl. z. Bsp. die hebräischen Rephaim, die Enakiter, Og von Basan; Josua 12,4-5 (Rephaim), Josua 11, 21-22 (Enakiter), 5 Mos. 1, 4 (Og von Basan), 2 Sam. 21, 19 (Goliath aus Gath.) (185) N. K. Sandrars, The Sea Peoples. Warriors of the Eastern Mediteranean, London 1978, pp. 161-164; R. Stadelmann, Die Abwehr der Seevölker unter Ramses III, in: -63- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Saeculum 19,
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Calificación | |
Colección | Almogaren |
Título y subtítulo | Magna Mater Mediterranea |
Autor principal | Stumfohl, Helmut |
Entidad | Institutum Canarium |
Publicación fuente | Almogaren |
Numeración | Número 17 |
Tipo de documento | Artículo |
Lugar de publicación | Hallein (Austria) |
Editorial | Institutum Canarium |
Fecha | 1986 |
Páginas | pp. 007-066 |
Materias | Prehistoria ; Islas Canarias ; Arqueología |
Enlaces relacionados | http://www.almogaren.org/almo_contents_d.html |
Copyright | http://biblioteca.ulpgc.es/avisomdc |
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Texto | MAGNA MATER MEDITERRANEA 1 J Die Verehrung weiblicher Gottheiten ist mehr oder weniger über die ganze Erde verbreitet; das wäre noch nichts Außergewöhnliches; aber es gibt einen geographisch- historischen Raum, in dem es durch lange Zeit räume hindurch zu einem Übergewicht des weiblichen Numens kam: Dies ist der Raum des alten Mittelmeeres, im weitesten Sinne des Begriffs der Raum zwischen den Säulen des Herakles und dem Vorderen Orient, mit Ausstrahlungen bis nach Indien (1). Der Zusammenhang mit dem äußersten Westen dieses Raumes ist durch die Betonung des Weiblichen gegeben, die sich auf einigen der Kanarischen Inseln fand. Unsere Aufgabe ist es, diesen Befund in den weiteren Rahmen der mittelmeerischen Beziehungen zu stellen und den religionsgeschichtlichen Hintergrund zu geben (2). Die Bewohner der kleinen Insel Hierro verehrten eine mythische Stammmutter namens Moneiba/Moreiba (3). Sie war die Gefährtin des männlichen Ahnen Eraoranhan, was vielleicht "Großer Herr" bedeutet, wie Moneiba vielleicht "Herrin Mutter". Auf Tenerife kannte man eine Himmelsgöttin Chaxiraxi oder Armaxes Guaiaxiraxi (4). Chaxiraxi - phonetisch wohl eins mit Guaiaxiraxi - wird als "die Himmlische" gedeutet (5). Armaxes als "Mutter des Himmelsgottes", der Himmel und Erde aufrecht erhält, aber auch als Guaiaxiraxi (6). Auf Fuerteventura war eine Prophetin/Wahrsagerin namens Tamonante bekannt, eine Wala-Figur, wie Wölfe! sie auffasst (7) - die germanischen Walagestalten ruhen auf voridg. Grund - hinter der die Grosse Mutter wohl als Orakelgöttin steht. Auf Gran Canaria kannte man ein Kollegium heiliger Jungfrauen in einer Art Höhlenkloster, die Maguadas/Magadas/ Harimaguadas hiessen (8), wobei der Name vielleicht eher den Vorsteherinnen dieses Klosters zukam. Es bleibt durchaus fraglich, ob sie wie die römischen Vestalinnen als Hüter eines heiligen Staatsfeuers aufzufassen sind; ge- -7- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 wiss ist nur, dass sie zum Adel gehörten und in einer besonderen Beziehung zum Königtum standen. Sie waren eher ein Kollegium von Orakelpriesterinnen und sind mit den Orakelpriesterinnen auf Malta zu vergleichen oder den libyschen Prophetinnen (9). Eine solche Einrichtung ruht zuletzt auf dem Grunde, dem die Magna Mater entwuchs, aus deren Funktion als Orakelgöttin im östlichen Mittelmeer die Sibyllen entstanden. In rudimentärer Form haben wir hier alle wesentlichen Attribute der Magna Mater: die Beziehung zur Erde, zum Himmel, zum Schöpferischen, zur Prophetie, zur Jungfräulichkeit, zur Gattin eines Gottes. Zum Problem des Mutterrechts Man glaubte einst, die Verehrung der grossen Göttin oder Mutter einem besonderen Kulturkreis oder einem besonderen Entwicklungsstadium der Menschheit zuschreiben zu müssen, dessen Lebensformen als Mutterrecht, Matriachat, Mat rilinearität bezeichnet wurden. Dieser unglückliche Name, von seinem Urheber, J. J. Bachofen (1813-1887) aus juristischen Assoziationen heraus geprägt, führte sozusagen von selbst zu einer falschen Schematisierung und Verallgemeinerung. Man nahm an, dass der mutterrechtliche Zustand, von Bachofen auch gern der gynäokratische genannt, ein allgemeines Durchgangsstadium der Menschheitsentwicklung gewesen wäre, dem ein vaterrechtlicher Zustand gefolgt wäre (10). Heute wissen wir, dass weder alle Völker mutterrechtlich waren, noch, dass es eine allgemeine Stufe der Entwicklung war. Auch bedeutet Matriarchat keineswegs, dass die männliche Welt ohne Bedeutung, oder gar unterdrückt gewesen wäre. Die Verehrung der großen Mutter ist auch nicht erst durch das Mutterrecht erzeugt worden - sie gab es schon paläolithisch - wohl aber ist sie durch mutterrechtliche (und wohl auch megalithische) Zustände verstärkt, gelegentlich übersteigert worden. Bachofens grosse Leistung besteht darin, das Vorhandensein mutterrechtlicher Strukturen überhaupt erkannt zu haben; er irrte vielfach in Zuschreibungen und Deutungen, ebenso in der radikalen und zeitlichen Trennung von Mut- -8- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 terrecht und Vaterrecht. Beide können nebeneinander bestehen, z.B. in der besonderen Stellung des Mutterbruders. Auch sind niemals a 11 e Züge, die einer mutterrechtlichen Gesellschaft insgesamt zukommen könnten, in e i n e r Gesellschaft verwirklicht gewesen. Bachofen erkannte richtig den besonderen Zusammenhang zwischen Ackerbau und Mutterrecht, was von P. Wilhelm Schmidt (11) weiter präzisiert wurde: es ist nicht der Ackerbau schlechthin, sondern der Hackbau, der die besondere Beziehung schafft. Schmidt sieht eine wirtschaftlich-soziale Wurzel des Mutterrechts in der Tatsache, dass die Frau mit grosser Wahrscheinlichkeit die Schöpferin des Hackbaus ist - erst die Erfindung des Pfluges und die Zucht starker Zugtiere sind männliche Schöpfungen - womit der Mann in Abhängigkeit geriet. Der Frau fiel das Eigentumsrecht am Boden und den erzeugten Lebensmitteln zu. Der klassische Komplex, wie Bachofen ihn glaubte herausarbeiten zu können, führt auf eine Reihe z.T. apodiktischer Sätze zurück: Unwichtigkeit der männlichen Zeugung, die Mutter als alleinige Bezugsperson, die Erbfolge vollzieht sich in der weiblichen Linie, die Heirat ist stets matrilokal oder Besuchsehe, Großfamilien haben ausschliesslich Urmütter zu Ahnherrinnen, die Rolle der Fruchtbarkeit und der Fruchtbarkeitsgöttinnen wird betont, Unterweltsgottheiten und Erdmütter werden besonders verehrt, der Mond, nicht die Sonne wird verehrt; es gibt zwei Stufen, den vorausgehenden Hetärismus, der allgemeine Promiskuität bedeutet, und die Gynäokratie, die bereits strenge Regelungen, besonders der Ehe mit sich bringt, was durch die Göttin Demeter symbolisiert wird; das Vaterrecht folgt dem Mutterrecht nach und war ein Aufstand der Männer gegen die weibliche Herrschaft; das Sexuelle wird betont; ein ahnungsreiches Gottesbewustsein ist die spezifische Form der weiblichen Religiosität; es gibt Kollegien von Priesterinnen der grossen Mutter, die besonders religiös ausgerichtet und hierarchisch gegliedert sind; der bedeutendste Ausdruck der weiblichen Religiosität sind Mysterienkult und Orakelwesen; das Mutterrecht ist die erste wahrhaft fortschrittliche Tat in der Entfaltung der Menschheit, indem es den Aufstieg aus dem Ursumpf der -9- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Promiskuität und des Hetärismus darstellt. Alle Erscheinungen des Mutterrechts stehen in einem systematischen Zusammenhang; neben der "demetrischen" Regelung der Ehe gibt es die sakrale Prostitution, welche die eheliche Keuschheit bewahren hilft; der Kampf des hetärischen und des demetrischen und des matriarchalen mit dem patriarchalen Prinzip spricht sich in Mythen aus; mit dem Mutterrecht verbindet sich eine durchgängige Symbolik, z.B. der Getreideähre, des Saatkorns, der Höhle, des Seils, des Korbes; das Amazonentum ist die höchste Steigerung des Mutterrechts und zugleich dessen Entartung. Die Religion des Dionysos ist in der demetrischen Welt als Kampf gegen den Hetärismus entstanden, verfiel ihm aber später selbst; die Versinnlichung der antiken Welt durch den entarteten Dionysoskult fällt mit der Entstehung der Demokratie zusammen, die fleischliche und die politische Emanzipation sind sozusagen Zwillingsschwestern. Das Mutterrecht lässt sich, obgleich universal, aus antiken Quellen, besonders den sogenannten "pelasgischen", am besten ableiten; das Vaterrecht ist apollinisch, solarisch; dem Mutterrecht sind die linke Seite und das Dunkel wesentlich. Diese von Bachofen erschaute Komplexität ist z. T. selbst ideologisch, ja selbst mythisch. Gleichwohl ist Bachofens Leistung bedeutend: er hat uns die Antike, lange vor Nietzsche anders sehen gelehrt; er hat zuerst auf das Mutterrecht hingewiesen und damit einen völlig neuen Gedanken eingeführt: das Mutterrecht. Das ist besonders wichtig, wenn man sich . vor Augen führt, dass unser überkommenes Kulturerbe - das Orientalisch-Semitisch-Jüdische, das Griechische, das Römische und das Germanische in seinen traditionellen Ausprägungen extrem vaterrechtlich ist. Er machte zuerst auf Nichthellenisches und Nichtsemitisches im Griechischen aufmerksam. Er erkannte den Wert des Symbols und ist damit Ahnherr der Symbolforschung; er erfasste das Problem der Urreligion zum ersten Male ausserhalb der theologischen und doktrinären Vorstellungen der etablierten Kirchen; er zeigte, dass Mythologie weder Abstraktion noch blasse kindliche Phantasie ist, sondern Niederschlag psychischen Lebens. Er zeigte uns die ursprünglich religiöse Natur an- -10- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 tiker Festspiele und schärfte uns den Blick für die Rolle per Muttergöttinnen und für das Gesamtphänomen des Mediterranen, das er das "Pelasgische" nannte. Jensen (12) geht von Karl Meulis Nachwort zur Neuausgabe von Bachofens "Mutterrecht" ( 13) aus, worin Meuli feststellt, dass sich Bachofens Entdeckung als ein einheitliches Ganzes bewährt habe. Jensen stellt mit Recht fest, dass dies nur für die Entdeckung, nicht für den ganzen Komplex gelten könne. Wie Richard Thurnwald (14) stellt er fest, dass das Mutterrecht keineswegs besonders urtümlich ist, nicht uranfänglich, sondern sekundär (15). Die grossen Göttinnen sind keinesfalls nur Geschöpfe des Mutterrechts, aber sie bekamen ihre Bedeutung und volle Ausbildung in mutterrechtlich gegründeten oder beeinflussten Kulturen und erhielten vielfach ihr eigentliches Profil erst im oft ambivalenten Verhältnis zu männlichen Numina, die als Stier oder Mann, Herr, Geliebter, Begleiter, Paredros, Sohn auftraten. Die weiblichen Numina sind komplexer und vielfältiger: die grosse Göttin ist Urmutter, Herrin, Geliebte, Gattin, Jungfrau, Kriegerin, Prophetin, Erdgöttin, Herrin des Todes und der Unterwelt, Herrin der Tiere, Schöpferin, Quell und Symbol der Fruchtbarkeit. Paläolithische Vorformen der grossen Mutter Wie immer man die grosse Zahl paläolithischer, mesolithischer und neolithischer Frauenstatuetten - fast ausschliesslich Kleinstatuetten - die aus dem eurasiatischen Raum stammen, im einzelnen beurteilen mag, man kommt wieder, immer wieder auf die Grundbegriffe der Zeugung, der Fruchtbarkeit zurück, seien nun diese indirekt oder direkt gemeint. Ihre fast durchgehende Fusslosigkeit deutet darauf hin, dass sie in den Boden von Hütten, Nischen, Unterständen gesteckte Haus- und Herdgottheiten gewesen sind. Die Statuetten, zum grössten Teil üppige Frauen darstellend, sind aus verschiedenen Materialien gefertigt, sodass also das Argument fortfällt, das Material hätte keine anderen Darstellungen zugelassen. Brust, Bauch, Schenkel, Gesäss sind für unsere Begriffe übertrieben; daneben gibt es auch die Darstellung schlankerer Typen. Diese -11- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 üppigen Frauentypen, die gelegentlich auch steatopygisch sind, stellen weder ein Schönheitsideal an sich noch einen bestimmten Rassentypus, etwa von der Art der Hottentotten- oder Buschmannf rauen dar, noch sind sie Porträts - was schon durch die häufige Gesichtslosigkeit ausgeschlossen wird; sie sind numinose Symbole, die natürlich aus der Anschauung der Wirklichkeit genommen sind. Sie bedeuten natürlich nicht, dass es so etwas wie ein jägerisches Matriarchat gegeben haben müsse, wohl aber, dass natürlich auch Jägern der Gedanke der Fruchtbarkeit bedeutsam gewesen sein müsse und eben auch der Gedanke der Fruchtbarkeit der Tiere. So wird ein Teil dieser Statuetten eine Herrin der Tiere dargestellt haben. Zugleich ist aus bestimmten Fundstätten zu schliessen - etwa Willendorf in der Wachau oder Malta in Sibirien im Baikalgebiet - dass es sich um Niederlassungen von Jägern mit periodischer Sesshaftigkeit gehandelt haben muss, um feste Jägerstützpunkte oder um ein kultisches Zentrum wie beim Abri von Laussel in Südfrankreich. Im übrigen wird durch solche Hinweise sowohl Bachofens Konzept eines uranfänglichen Mutterrechts wie das Sigmund Freuds einer patriarchalen Urhorde widerlegt ( 16). In Laussel interessiert uns besonders die stehende nackte Frau, aus einer Felsplatte im Relief (17). Die erste Stufe der Deutung wird dadurch bestimmt, dass wir zweifellos ein numinoses weibliches Symbol in Gesellschaft eines Tiersymbols erblicken, hier die Verbindung eines männlichen und eines weiblichen Prinzips, wobei das Hauptgewicht auf der Darstellung des Weiblichen ruht. Der jagdmagische Aspekt kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber ebenso gewiss nicht allein bestimmend, auch wenn man nicht wie Leroi-Gourhan (18) annimmt, dass die gesamte paläolithische Bilderwelt auf der durchgehenden Polarität eines weiblichen und eines männlichen Prinzips beruhe. Jedenfalls kann der jagd- und f ruchtbarkeitsmagische und kultische Aspekt nicht ausgeschlossen werden (19). Eine andere Deutung gibt Helmuth M. Böttcher (20), für den die Ähnlichkeit des (abgebrochenen?) Horns, das die -12- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 werden, aber es ist ebenso gewiss nicht allein bestimmend, auch wenn man nicht wie Leroi-Gourhan (18) annimmt, dass die gesamte paläolithische Bildwelt auf der durchgehenden Polarität eines weiblichen und eines männlichen Prinzips beruhe. Jedenfalls kann der jagd- und f ruchtbarkeitsmagische und -kultische Aspekt nicht ausgeschlossen werden (19). Eine andere Deutung gibt Helmuth M. Böttcher (20), für den die Ähnlichkeit des (abgebrochenen) Horns, das die "Venus" von Laussel in der erhobenen Rechten hält, mit einem Wisenthorn (meist wird ja der Bison statt des Wisents eingesetzt) nur zufällig ist; in Wirklichkeit bedeutet es die Mondsichel; die dreizehn Riefungen seien die Vollmondnächte. Damit sei die nackte Göttin als Mondgöttin erwiesen, d. h. sie stelle den Mondaspekt der Grassen Mutter dar, und erst insoferne habe sie Fruchtbarkeitsbedeutung. Zugleich aber verkörpere das Horn das männliche Prinzip, womit wir auf einem Umweg zur ersten Deutung zurückgekehrt sind. Dies führt übrigens zur Nebenfrage, wieweit der paläolithische Mensch einen Zahlbegriff entwickelt hatte, ob wir sagen können, dass er etwa im ' Sinne Alexander Marshacks ein systematisches Zahlendenken besass, das auch symbolisch und kalendarisch eingesetzt werden konnte (21). In diesem Zusammenhang ist auch die verbreitete Irrmeinung zu berühren, dass der urgeschichtliche Mensch und der sogenannte "Primitive" den Zusammenhang zwischen Zeugung und Empfängnis nicht gekannt habe, weshalb nur der Begriff der Mutter für ihn wesentlich gewesen sei - eine Meinung, die noch von Böttcher vertreten wird (22). Er vertritt die groteske Meinung, dass der Vater erst etwa 4000 v. Chr. "entdeckt" worden sei, wonach alle frühere Religiosität sozusagen automatisch in den Bereich der "Mutter" fallen würde. Schlesier zeigt (23), dass dem nicht so gewesen ist. Möglicherweise ist der Zahlbegriff schon dem Homo erectus zuzuschreiben. 1982 wurde in Bilzingsleben, Bezirk Halle, auf einem Rastplatz des Homo erectus ein Knochen gefunden, der parallel eingeritzte gebündelte Linien auf wies (24). Die sogenannte Venus von Willendorf (Venus I) aus dem Aurignacien (25) weist alle wesentlichen Züge auf: üppig, steatopygisch, fuss- und gesichtslos; der ganze Kopf ist von -13- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 einer komplizierten Frisur bedeckt, die den Eindruck einer Perücke macht. Die Gesichtslosigkeit beweist allein schon, dass kein Porträt beabsichtigt war, sondern die Hinweise auf Fruchtbarkeit und Mutterschaft wurden hervorgehoben (26). Anthropologisch gesehen sind alle Vorstellungen, dass es sich bei der Willendorf er Statuette um eine besondere menschliche Rasse gehandelt habe, zurückzuweisen: jeder praktische Arzt sieht die "Venus" von Willendorf ein paar mal jährlich in seiner Sprechstunde! (27). Wohl weist die relativ einheitliche Art dieser Statuette im ganzen eurasiatischen Raum auf ähnliche Vorstellungen hin, die sich mesolithisch und neolithisch im Mittelmeerraum konzentrierten und verdichteten (28). Der Mittelmeerraum tritt im Neolithikum das Erbe der paläolithischen Muttervorstellungen an (29). Für die vorauszusetzende Kontinuität zwischen den Muttervorstellungen des Paläolithikums und dem mediterranen Neolithikum ist ein wichtiges Zeugnis <;atal Hüyük ( "Hügel an der Strassengabelung") im südl. Kleinasien, südwestlich von Konya. Hier ergibt sich, im 7. Jahrtausend v. Chr. eine klare Kontinuität zwischen jungpaläolithischen und mesolithischen Befunden. Unter Berufung auf Leroi-Gourhan stellt der Ausgräber, James Mellaart (30) fest " ..... dass man in <;atal Hüyük das Fortwirken überkommener jungpaläolithischer Einflüsse vermuten darf ..... die Bedeutung der klar geschichteten und leicht datierbaren Fundstätte von <;atal Hüyük für das Studium der Archäologie, der Kunst, der Religion und der Technik dieser von Leben durchpulsten Epoche der frühen Menschheitsgeschichte, die mit dem im allgemeinen unergiebigen Mesolithikum in Europa zeitgleich ist, braucht wohl kaum hervorgehoben werden". In <;atal Hüyük haben wir zahlreiche Statuetten der grossen Göttin und anderer ikonographische Hinweise auf ihren Kult und ihre Bedeutung. Es gibt die gesichtslose sitzende oder stehende üppige Göttin; es gibt sie in der Doppelung mit einer jüngeren Göttin, vielleicht Mutter und Tochter, eher die Göttin als Jungfrau und als Mutter; wir sehen die üppige gebärende Göttin, die von zwei Katzen - Leoparden? - gestützt wird (31). Neben Statuetten aus Ton finden sich sehr frühe, fast anikonische aus weissem Marmor wie viele der Kykladenstatuetten. Spätere Statuetten -14- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 werden naturalistischer. Die Göttin wurde sowohl allein als auch mit einem männlichen Partner oder Prinzip darge~ tellt, der durch die grossen bemalten Stiere oder durch die in die Wände eingelassenen Stierköpfe verkörpert wurde. Darüberhinaus wurde die grosse Mutter durch in die Wände eingesetzte Nachbildungen üppiger Brüste versinnbildlicht. Neben dem Stier begegnet der Leopard als charakteristisches Tier; Knaben auf Leoparden reitend verkörpern wie es scheint den jugendlichen Gott, der das Wilde und Tödliche überwindet. Auch scheint der chthonische Aspekt der grossen Mutter, der später in Griechenland eine so grosse Rolle spielte, verehrt worden zu sein - als Erdgöttin wie als Orakelgöttin, der wir gleichfalls in Griechenland wie auf Malta wieder begegnen werden. Im Gegensatz zum Paläolithikum fehlen in <;atal Hüyük phallische und vulvische Symbole völlig, während das sogenannte Geschlechtsdreieck im Paläolithikum nicht zu übersehen ist, was Marie E. König, ausgehend von Leroi-Gourhan zu einer durchgehenden kosmisch-lunaren Deutung geführt hat, die auf den polaren und komplementären Gegensatz des männlichen und weiblichen Prinzips abgestellt ist (32). Zum Fehlen der eigentlichen Geschlechtsorgane in <;atal Hüyük bemerkt Mellaart (33), dass dies gerade auf das Vorwiegen weiblicher Religiösität deute, während die eigentliche Darstellung von Phallus und Vulva mehr der männlich-eregten Symbolik zugehöre. Im übrigen zeigen die jungpaläolithischen und mesolithischen Statuetten des eurasiatischen Raumes grosse Einheitlichkeit und Kontinuität, sodass es einen weitgespannten Zusammenhang gegeben haben muss (34). In Gagarino (Ukraine) fanden sich Statuetten sowohl schlanker wie auch üppiger Göttinnen oder Ahnherrinnen, die klärlich zum Einstecken in Wohngruben oder Wandnischen bestimmt waren. Eine Statue aus Gagarino I weist eine ausserordentliche Ähnlichkeit mit Willendorf I auf, bis zur Andeutung eines ähnlichen Kopfputzes bzw. einer ähnlichen Frisur. In Kostjenki (Ukraine) (35) fanden sich sowohl Sandsteinplatten mit Vulva-Gravierungen als auch Statuetten, davon eine kopflos und schwanger, tätowiert und mit der Andeutung eines Gürtels, der vielleicht kultisch-symbo- -15- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 lische Bedeutung hatte: der Gürtel bedeutete weibliche Macht, wie noch viel später der Gürtel der Aphrodite bzw. ihrer verdunkelten Erscheinungen in den Amazonenköniginnen Omphale oder Hippolyte, deren Gürtel Herakles zu lösen und zu erringen hatte: so verlieren sie die Macht. Die Mammutjägerstationen von Jelisewitschi (Ukraine) (36) ergab die Statuette einer üppigen Frau, die Station der Rentierjäger von Malta (Sibirien) ergab meist schlanke Statuetten (37), aber auch einige üppige. Die schlanken Statuetten zeigen Anzeichen von Bekleidung, die üppigen auch eine Andeutung des Kopfputzes; Kopfschutz, Bekleidung und Gürtel scheinen jeweils verschiedene kultisch-symbolische Bedeutung gehabt zu haben, jenseits aller bloss praktischen Bezüge. Viele der Steckfiguren können auch Ahnherrinnen eines Familienverbandes gewesen sein. Übe-rhaupt ist immer mit einem komplexen Symbolismus zu rechnen, jenseits aller überholten Begriffe von Primitivität, die man einst bei Beschreibung und Deutung schriftloser oder vorgeschichtlicher Kulturen glaubte anwenden zu müssen. So werden die Hinweise auf Schwangerschaft und Geburt nicht nur das bloss gebärende, sondern auch das schöpferische Prinzip symbolisiert haben; darüberhinaus aber konnten sie natürlich auch symbolische und magische Bedeutung haben. Man denke etwa daran, dass die Darstellung schwangerer Frauen bis in die Renaissance hinein als Glückssymbol galt (38). Die grosse Mutter im vorderasiatischostmediterranen Raum In diesem Bereich gewinnt die grosse Mutter eine stärkere Beziehung zu Höhle, Stein und Berg, drei numinose Bereiche, die innig miteinander verknüpft sind, was wohl auch mit der Diffusion megalithischen Gedankenguts zusammenhängen kann, ohne dass deshalb die Magna Mater die Hauptgöttin des Megalithikums gewesen sein müsste. Dies heisst nicht, dass es sie überhaupt nicht gegeben hätte, was etwa Fleming mit der zweifelhaften Begründung verneint, dass es kein einheitliches Megalithikum gegeben habe (39). Darstellungen und später literarisch fixierte Mythen der -16- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 grossen Mutter finden sich bis in den indischen Subkontinent, der ja kulturell in einer starken Schicht noch zu den Ausstrahlungen des Mediterranen gehört. In Vorderasien aber ist ihr Kult mit besonderer Mächtigkeit ausgebildet, mit besonders starken Bezügen zu Berg, Höhle und Stein. Die Verbindung in den indischen Raum hinüber wird etwa durch die Funde in Belutschistan gekennzeichnet. So fanden sich in Kulli, in einer Fundstätte namens Shaitump, kleine Statuetten der grossen Mutter in Verbindung mit Skulturen von Rindern. Eine Statuette, aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., wies sogar einen Totenkopf auf, was kaum etwas anderes als den chthonischen und tödlichen Aspekt der grossen Mutter darstellen kann - eine Vordeutung der Kaff oder Durgä (40). Haartracht oder Schmuck werden betont, die Gesichter sind angedeutet. Beziehungen zu Elam, Mesopotamien und zur etwa gleichzeitigen Induskultur sind klar (41). In den beiden Fundorten von Ghundai (Belutschistan) fanden sich Darstellungen gewaltig übertriebener Schenkel und Schösse in Gesellschaft steinerner Phallen - Yoni und Lingam des hinduistischen Kults sind da präfiguriert, das männliche und das weibliche Prinzip stehen nebeneinander. Die steinernen Phallen Belutschistans und des indischen Raumes finden sich, in wechselnder Zuordnung und Ausgestaltung, über den ganzen ostmediterranen Raum verstreut - naturalistisch, schematisiert, verhüllt (42). Neben dem gr. Ausdruck "phallos" oder "phales" gab es den voridg. Ausdruck "herma", wonach die phallischen Hermen benannt wurden (43). Wir lesen bei Strabo (44), dass sich unter den Begleitern der grossen Mutter Kretas und Kleinasiens ein Daktylos namens "Akmön" befunden habe, worin sich ein altes mediterranes und idg. Urwort für Stein erhielt. Dies ist ein altes Hüllwort, sowohl für den steinernen Phallos als auch für die steinerne Magna Mater. Ein anderer Name des Daktylos-Däumlings war Pygmaios, der "Faustgrosse", wozu der Name des zypriotischen Urkönigs Pygmalion zu stellen ist. Der Mythos, wonach sich dieser in eine Statue der nackten Liebesgöttin verliebt habe, enthält missverstanden, verdunkelt und poetisiert die Beziehung der grossen Mutter zum Phallos (45). -17- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Damit haben wir die kleinasiatisch-phrygisch-kretische Göttermutter genannt, die unter den verschiedensten Namen verehrt wurde: Mä, Dindymene, Idaia, Artemis, Astarte, Hepat, Pessinuntia, Kybele/Kybebe/Kubaba/Kumbaba. Hesychios weist in seinen Lexikon ( 46) auf das phrygische Wort "kybela" hin, das Berg und Höhle bedeutet. Die Grundbedeutung ist wohl "gehöhlter" Stein, womit die Höhle der Geburt assoziert ist. Auch hier begegnen wir dem mediterran- idg. Grundwort, das sich in hebr. "koba/qoba" = Helm zeigt, in hethit. "kupahi", in gr. "kype" = Becher, eigentlich "ausgehöhltes", das möglichweise sogar mit dem idg. "caput", urgerm. "haubeda", nhd. "Haupt" zu verknüpfen ist, sowie mit den nasalierten gr. "kymbachos" = Helm (47). Nach Szemerenyis Deutung würde "Kubaba" mit der phrygischen substantivierenden Nachsilbe -be/ba etwa die "Behelmte" bedeuten, womit vielleicht an die Mauerkrone gedacht war, mit der die Göttin als Stadtgöttin abgebildet wurde. Schärfer glaubte Brixhe (48) die Etymologie fassen zu können, indem er einen ursprünglichen Bergnamen "Kuba" ansetzt, von dem der Name der Göttin abgeleitet wäre. Nach Zgusta (49), der auf Pausaniens hinweist, der von Höhlen der Kybele spricht (50), wäre Kybele ursprünglich der Name des Berges gewesen, auf dem ihr Heiligtum stand. Ihr ursprüngliches Bild scheint ein mehr oder weniger anikonischer Stein gewesen zu sein - noch im Omphalos fortlebend (Delphi, Paphos, Oase Siva) - der nach Vorstellungen der Gläubigen die Höhle der Geburt umschloss. Nach dem Mythographus Vaticanus III (51) wurde die phrygische "matar kubile" nach dem Bilde eines "kybos" = Würfels dargestellt (vgl. lat. cubus = Würfel, Wirbelknochen, Fingerglied). Das lässt sowohl an kubische Felsennischen denken, in denen Bilder der Göttin auf gestellt wurden, als auch an die kubischen Sitzwürfelfiguren der Ägypter. Bis auf unsere Tage erscheint die Madonna in der Nische oder in der Höhle (Geburtsgrotte in Bethlehem, Lourdes). Hieher gehört auch der Name der Magna Mater Pessinuntia, benannt nach der Stadt Pessinus, deren Name gewiss von einem numinosen Stein herkommt. Das Grundwort erhielt sich in "pessos" = "Stein", womit vermutlich auch das unerklärte Wort "petra" = "Stein" verwandt sein dürfte. -18- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 204 v. Chr. wurde der Stein der Magna Mater Pessiriuntia nach Rom überführt (52), um sich dieses besonders mächtigen Numens in der angespannten Zeit des Kampfes gegen Karthago zu versichern. Indem der Stein die Höhle der Geburt umschloss, ergibt sich die zunächst merkwürdig erscheinende Beziehung zwischen Stein und Fruchtbarkeit, die Vorstellung der petra genitrix, die den Gott gebiert, wie Mithras. Dies gilt auch für den Stein, der im syrischen Emesa die Göttin darstellte. Hier gibt es Zusammenhänge, die bis zur Ka'aba in Mekka reichen, die ursprünglich eine weibliche Gottheit darstellte (53). Die pessinuntische Göttin hiess auch Agdistis, nach dem Berge Agdos, dessen Name vermutlich eine erweichte Form desselben Grundwortes ist, das im Namen des attischen Vorgebirges "Akte" steckt und im Namen des boitischen Heros "aktaion", der als Steine werfendes Gespenst dadurch gebannt wurde, dass man sein Bild an einen Felsen heftete (54). Pausanias erzählt die Legende von Agdistis in verworrener und literarisch aufbereiteter Form, wonach Zeus der Erde des Berges beigewohnt habe (womit das alte Numen in die olympische Religion einbezogen wird), woraus Kybele-Agdistis entstand, ein ursprünglich androgynes Wesen, das von den Göttern entmannt wurde. Das selbständige Glied - man erkannte darin den Phallos als Daktylos oder Pygmaios - verwandelte sich in einen Mandelbaum, von dem ein blühender Zweig "Nana" (ein altes Lallwort für ein mütterliches Numen) die Tochter des Flussgottes Sangarious befruchtete, die hierauf den schönen Knaben Attis gebar, den man dem Adonis, dem Sohn-Geliebten der Astarte gleichsetzte. Vielleicht erhielt sich in Pessinus die Erinnerung an den Mythos vom androgynen Urwesen, an ein Zweigeschlechterwesen (55). Mithras, der persische Gott, der zum Mysteriengott der römischen Soldaten wurde und zu einem starken und gefährlichen Konkurrenten des Christentums, ist ein "Felsgeborener". Nach Porphyrios (56) weiht Zoroaster dem Mithras eine Höhle - die Mithräen waren Nachbildungen dieser Kulthöhle in mehr oder weniger unterirdischen Räumen. Man sieht wie sich noch im ausgebildeten Mysterienkult die -19- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Numina von Stein und Höhle verbinden (57). Auf Reliefs sieht man die kleinasiatische Magna Mater aus dem Felsen treten, von zwei Löwen eingerahmt - die uralte Herrin der Tiere (Felsenrelief von Aslan Kaya, dem "Löwenstein") oder man schlug ihr aus dem Felsen im Gebirge (Sipylosgebirge im Westen) einen steinernen Thron, der die thronende Göttin symbolisiert (58), die schon durch die sitzenden Statuetten des Paläolithikums vorgebildet sind. Claudius Claudianus (59) spricht von der Höhle im IdaGebirge und von ihrem erhabenen Sitz darin, der zugleich Tempel und heiliger Stein sei ("religiosa silex"). Literarisiert mischen sich alle Göttinnen Kleinasiens, die im Grunde ohnedies ein einzige Numen sind, zu einer Art komplexen Synkretismus (60). Wie uns in Nana schon eines der zahlreichen Lallwörter Kleinasiens begegnete, so im alten Lallnamen der grossen Mutter, der Ma, der auch als Frauenname erscheint und mit Bä wechselt, mit dem häufigen Wechsel zwischen anlautendem "b" zu "m ", der im phrygisch-thrakisch-kleinasiatisch- griechischen Raum des öfteren begegnet. (Bendis/ Mendis, Bolybdos/Molybdos, Tibios/Timesis, terebintos/teremintos, myrmex/bormax, Telmessos/Telebi). Bä konnte auch für Gä/Ge/Gaia stehen, die Erdgöttin, die wohl ebenfalls einen Lallnamen trägt (61). Möglicherweise steckt ihr Name auch im Namen des Stammes der Maiones und des Mausol(l)os, wenn dessen Name wirklich "Speerkämpfer der Göttin Mä" bedeuten sollte. Ihr Kult war vor allen Dingen in Phrygien, Kappadokien und dem pontischen Komana verbreitet; zur Zeit Sullas wurde sie der römischen Kriegsgöttin Bellona gleichgesetzt. Von Todesaspekt der grossen Mutter her wurde sie zur Kriegsgöttin; fosofern entspricht sie der skytaischen Oir6pata (62), deren Name iranisch als "Männerherrinnen", besser aber als "Männertöterinnen" zu deuten ist. In beiden Komana, Pontica am Iris, jetzt Yesil Irmak im Norden Kleinasiens, und in Komana Kataonica am Saros, jetzt Seyhan Nehri, wurde Mä-Enyo auch als weiblicher Aspekt des Ares, als Stadtgöttin verehrt und durch ekstatische Tänze der Frauen gefeiert. Im Namen der iranischen Anähitä (griech. als Anaitis/ Aneitis) klingt wohl nicht nur zufälligerweise Anatan; Ana- -20- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 hitä, iran. als "Unberührte" aufzufassen, könnte sehr gut eine volksetymologische Umdeutung der Anat sein. l Anähitä war in Syrien, Armenien, Iran und nördlich des Kaukasus sehr beliebt, wo sie vorzüglich, aber nicht nur, als Göttin des reinen Wasser galt. Bei den Lydiern vor allen Dingen wurde sie mit Artemis gleichgesetzt, aber auch mit Mene, dem weibliche Aspekt des Mondgottes Men und mit Ma. Dass sie keinesweg eine ursprüngliche Göttin der Reinheit war, beweisen nicht nur die eben angeführten Verschmelzungen, die nie ohne Anknüpfungsmöglichkeiten vorgenommen wurden, also nie gänzlich willkürlich, sondern auch die sakrale Prostitution, die in ihrem Haupttempel in Armavir (Nordkaukasus) üblich gewesen ist, wo man sie mit Aphrodite gleichsetzte (63). Auch wurde sie mit der taurischen Artemis gleichgesetzt, die Menschenopfer verlangte und in deren Kult es das blutige Initiationsritual der Tauropolien (ursprünglich Taurobolien) gab: der Initiand liess sich vom Blut eines geopferten Stiers überrinnen, was an den Mithrasdienst erinnert (64). Auch scheint die taurische Artemis unter dem Namen Tanais, was mit dem antiken Namens des Dons gleichlautet; hier ist sie offenbar auch Flussgöttin. Artemis/ Anaitis wurde als vielbrüstige Frau, mit der Mondsichel hinter dem Kopf und einem Hirsch zu beiden Seiten dargestellt (65). Noch immer schimmert hier die Herrin der Tiere durch, die ja auch in der griechischen Artemis in Erscheinung tritt. Anähita lebt im armenischen Volksglauben noch immer als die Fee der guten Geburt - Anahit ist noch immer ein beliebter Name für armenische Mädchen (66). Über die ägyptische Anat, in Unterägypten mit Neith/ Nith verschmolzen, in den jüdischen Militärkolonien der Perserzeit als Anat Jahu verehrt, über die libysch-punische Tanit reichen die Verbindungslinien in den nordafrikanischen Raum, in der Gestalt der Athene Tritogeneia (67) wieder mit dem griechischen Raum rückverbunden. In der lstar der Semiten begegnen wir einer Göttin, die auf demselben voridg. und vorsemit. Untergrund ruht. Bei den Nabatäern erscheint sie als Mutter und Jungfrau unter dem Namen Allat. Als Chaabou ist sie eine der vielen jungfräulichen Mütter des vorderasiatischen Raumes, hier -21- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 des Dusares (68). Später, mit dem stärkeren Hervortreten männlich bestimmter Ordnungen, tritt die Muttergöttin gelegentlich etwas zurück, besonder stark im alten Judentum, in dem die Prophetenreligion den Kult der Muttergöttin, der Aserah in ihren Pfahl- und Höhenheiligtümern bekämpft (69). In Altsüdarabien haben wir eine z. T. parallele Entwicklung: die Muttergöttin verwandelt sich in den männlichen Mondgott Athtar/ Attar (70). Dahinter steht möglicherweise ebenfalls ein verdunkeltes Zweigeschlechterwesen, dessen männliche Komponente das Übergewicht gewann. In U garit (Ras Scham ra) erscheint der Gott A ttar als männlicher Fruchtbarkeitsgott - wohl die Vermännlichung einer Göttin - und sein weibliches Pendant als Attart. In der Nebenform A tirat ist sie die Gattin Els (71). Attart wird sowohl mit Istar als auch mit Anat identifiziert. Diese Verschmelzung - Attart und Anat - ergab viel später, besonders in Baalbek, die Göttin Atargatis, die als Erscheinung der Dea Syria verehrt wurde (72). So sehr die Propheten auch eiferten, in der hebräischen Volksreligion erhielt sich die Verehrung der Muttergöttin (73). Ja, die Muttergöttin dringt sogar in die Religion der Propheten ein, als junge Frau, die eine ErlöserSohn gebären wird, den Messias (74). Die falsche Übersetzung des hehr. " 'almah" - "junge Frau, die zum erstenmal gebiert", als "Jungfrau", hat die Entstehung des Madonnenkults mit begünstigt. Altarabien dient uns als Beispiel einer andersartigen "Umkehrung": die Sonnengöttin erscheint als Muttergöttin, die Erdmutter wurde in den Himmel versetzt. Sie erhielt den männlichen Mond als Gatten und bildete mit ihm das Urpaar, aus dem Götter und Menschen hervorgingen. In Südarabien mag diese Umkehrung durch astrologisch-astral religiöse Entwicklungen begünstigt worden sein. Im nordsemitischen Bereich wird die unumschränkte Muttergöttin durch Venus symbolisiert, d.h. astral umgedeutet (75). Diese Umkehrung im Wesen des Venusgottes wurde offenbar symbolisch als Sturz des Morgensterns dargestellt, noch später als eine Höllenfahrt auf gefasst und mit dem Sturz des oberstens Engels in Beziehung gesetzt: -22- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 0 wie bist Du vom Himmelgefallen, du glänzendes Gestirn (hillel), du Sohn der Morgenröte (76). Und doch war die Herrschaft der Muttergöttin so stark, dass noch Mohammed gegen die Vorstellung wettert, dass Allah eine Genossin (Sahiba) und ein Kind (Walad) habe (77). Hier wird sowohl gegen heidnisch-arabische wie gegen christliche Vorstellungen polemisiert (78). Im alten Israel wurde der Gegensatz zwischen der Volksreligion und der Religion der Propheten nie völli~ überwunden; die Verehrung der grossen Mutter Aserah (79) blieb im Untergrunde bestehen und taucht in der kabalistischen Spekulation wieder auf als Verehrung und spekulative Entfaltung eines weiblichen Prinzips, der "Schechina", der "Einwohnung Gottes in der Welt". Wo das AT zu anthropomorph formuliert oder zu formulieren scheint, setzt das Targum des Onkelos (die aramäische Übersetzung) die Schechina ein. "Ich will unter den Kindern Israels wohnen" (80) wird "Ich will meine Schechina unter den Kindern Israels wohnen lassen". Im Talmud wird die Schechina personaler, im Sohar, im Hauptwerk der kabbalistischen Spekulationen, wird sie Königin, Braut Gottes, Braut jedes einzelnen in Israel (81). Im Sohar ist an der Stelle die Rede von der Schaffung Evas, die das weibliche Prinzip in Adam verkörpert, der selbst zugleich androgyn ist. Aber das weibliche Prinzip verkörpert sich zugleich in Lilith, der ersten Frau Adams, einer verdunkelten Muttergöttin, deren Todesaspekt dämonisiert wurde (82). Im Sohar werden die Beziehungen der göttlichen Urpotenzen untereinander, der Sefiroth, in sexuellen Bildern geschildert; aus dem jessod, dem Zeugungsgrunde Jahwes, strömen die Zeugungskräfte in die Schechina ein (83 ). Im Buch Bahir (84) wird die Braut des Hohen Liedes auf die Schechina gedeutet, als Mutter, Tochter und Schwester und die Weisheit (85) wird als König definiert, der die verborgene Königin bei sich im Gemach hat, die Matronitha, eine späte und spekulative Form der grossen Mutter (86). In der ältesten phönizischen Kolonie ausserhalb Palästinas, in Kition (87) auf Zypern (an der Ostküste, südlich -23- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 von Larnaka) wurde die neolithisch-frühbronzezeitliche grosse Mutter als Fruchtbarkeitsgöttin mit Astarte gleichgesetzt. Ihre Verehrer trugen Stiermasken im Kultus; später wurde sie mit Aphrodite gleichgesetzt und griechisiert. Deutlicher zeigt sich der alte semitische und voridg. Grund in der Aphrodite von Paphos an der Südwestküste, wo sich die Griechen später die Geburt der Göttin aus dem Schaum des Meeres dachten. Der noch immer in den Ruinen liegende anikonische Stein der Göttin, auch als Omphalos bezeichnet wie der delphische, wird noch immer von Bauern mit Öl gesalbt und junge Frauen aus dem Dorf Kouklia haben dies bis in die Gegenwart getan und dem Stein Kerzen geweiht, sogar Moslems, um Milchsegen bei der Geburt eines Kindes zu erwirken. So lebt denn die Aphrodite von Paphos noch gegenwärtig in der Verehrung der Panagia Galaktariotissa fort, der "milchgebenden Allheiligen" (88). Die ältesten Idole von Paphos sind Sitzfiguren aus Steatit (89). Im 13. Jh. v. Chr. siedelten sich hier Arkadier achäischer Herkunft an und setzten die Göttin, deren Kult sie vorfanden, mit Aphrodite gleich, die dem Meere entstieg. Man sieht, hier kreuzen sich zwei Ursprungslegenden - die eine lässt die Göttin aus dem Stein, die andere lässt sie aus dem Meer kommen. Dies vielleicht aufgrund einer alten Volksetymologie (aphros=Schaum), die durch Entstellung des alten Namens, der vielleicht doch einer Form von Astarte entstammt, entstand. Die ältesten datierbaren Spuren der grossen Mutter stammen auch dem Chirochitia des 6. Jahrtausends v. Chr. Es sind Flachidole mit viereckigem Brustkasten. Später finden sich kreuzförmige Idole, also stark abstrahierte; aus dem Erimi des 4. Jahrtausends v. Chr. stammen gleichfalls Terrakotta-Idole. Um diese Zeit sind Frauengräber oft reicher ausgestattet als Männergräber (90). Aber auch kleine konische Steine, die aus Chirokitia stammen, könnten die grosse Mutter symbolisieren. Besonders auffallend die halbschematischen Idole aus Erimi und die (91) sogenannten Brettidole aus Vounos, die verblüffend den iberischen Brettidolen aus Los Miliares gleichen (92). -24- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Die Beziehungen reichen nach U garit, nach Pessinus, nach Biblos. Kaiser Theodosios lässt um 380 n. Chr. den Tempel der Aphrodite von Paphos schliessen, aber noch im 19. Jh. wurde sie von den Bauern weitum als Pangaia Aphroditissa verehrt - · noch immer die Vanassa, die Herrin, wie ihr uralter Titel einst lautete (93). In Thrakien erscheint die grosse Mutter unter mehreren Namen, als Pangaia, als Bendis/Mend1s, als Kotytö. Der Kult der Pangaia war in dem nach der Göttin benannten Pangaion-Gebirge zentriert, die jedenfalls eine alte Erdgöttin war, die zur Allmutter geworden war (94). Bendis/Mendis wurde mit Artemis, mit Hekate, mit Perseph6ne gleichgesetzt. Als Jagdgöttin trug sie die Doppellanze und den Dolch. Trotz des vermutlich idg. Namens, der vielleicht "Binderin, Fesslerin" (als Jägerin) bedeutete, ruht ihre Verehrung auf älterem Grund, wie ihre Unterweltbezüge dartun (95). Bendis wurde sogar in Athen verehrt, angeblich auf orgiastische Weise, vielleicht ist dies ein wenig verleumderisch übertrieben, betrachtete man doch die Thraker, die eine zahlreiche Kolonie in Athen unterhielten, als Barbaren. Eine besondere Göttin war Kotyto, die Hauptgöttin des Stammes der Edones, eine selbständig gewordene Form der Bendis. Ihr Kult war eindeutig orgiastisch, ihre Priester trugen weibliche Kleidung und übten eine Art Regenzauber aus, durch Übergiessen. Sie stellte den kriegerischen Aspekt der Göttin dar (96), was auch ihr Name besagt, der wohl von der idg.-mediterranen Wurzel "kat-" abzuleiten ist, die in ahd. "haz", griech. "k6tos" = "Groll", gallo-kelt. "Cassi-, Catu-" vieler Eigennamen, alt kanarisch "catana" = "Held", zu finden ist. In Kreta ist die vielberedete Sitte, die weibliche Brust bei kultische Handlungen, Prozessionen, Opferungen zu entblössen, wohl ein Rest der Verehrung der grossen Mutter: die Priesterin stellt die Göttin dar. Picard (97) vergleicht auch die entblöste Brust der Amazonen damit: die Amazonen als jungfräulich-kriegerische Hypostasen und Begleiterinnen der Göttin. Die Mutter des kretischen Zeus - der erst nachträglich mit dem olypischen Zeus identifiziert wurde - wird zu- -25- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 nächst als Nymphe Idaia fassbar, die vom !da-Gebirge (98). Eine andere Idaia ist die Mutter der delphischen Sibylle Herophile, die in der Höhle von Erythrai, unweit Smyrnas geboren wurde (99). Im Altertum zeigte man die Zeusgrotte auf dem kretischen Ida-Gebirge, in der Zeus geboren wurde - eine gar nicht olympische oder himmlische Geburt aus dem Schoss der Erdmutter (100). Später wird die kretische Idaia umgedeutet zur Amme des Zeuskindes. Von Zeus empfängt sie später die Daktyloi, die phallischen Däumlinge als Söhne. Der kretische Zeus ist aber nicht nur Höhlengott, sondern gebietet auch über Berge, Wetter und Blitz - worin natürlich Anknüpfungspunkte für seine Identifikation mit dem olympischen Zeus liegen. Andererseits ist er aber auch als Sohn der Erdgöttin Rheia (101). Diese wird später von den Griechen mit einer anderen vorgriechischen Göttin verknüpft, mit Kybele. Das Zeuskind wird von Rheia zu Gaia geschickt, um es den Nachstellungen des "alten Gottes", des Kronos zu entziehen, der sicher ein voridg. Gott der Höhen und vielleicht auch Höhlen gewesen ist und als dessen Gattin Rheia genannt wird. Nach der idäischen Höhle zeigte man später die Höhle von Arkalochori auf dem Aigis-Berg, dem "Ziegenberg", denn das Zeuskind wird darin durch eine Ziege genährt, was eine sehr altertümliche Zuordnung darstellt, die mit einer Welt von Kleinviehhirten zu tun hat. In der späteren Antike zeigte man die Höhle von Psychr6, "die Durchblasene, die Zugige", auf dem Dikte-Gebirge, dessen grosse Mutter auch Diktynna hiess. Wir begegnen wieder der nährenden Ziege Amaltheia, die erst später als Nymphe auf gefasst wird. Eine andere Form der grossen Göttin auf Kreta wurde mit der Doppelaxt abgebildet, der Labrys, in deren Name ein Wort für Stein steckt - sollte sich dahinter ein männliches Prinzip verbergen? Ein Siegelabdruck zeigt eine Frau, die eine Doppelaxt in der Hand hält und im Begriff ist, ihr Kleid auszuziehen - wohl eine Priesterin die sich darauf vorbereitet, die Göttin im Kult darzustellen (102). Zwischen Amaltheia und Athene stellt man eine Querverbindung her, in der sich der alte gemeinsame Grund äus- -26- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sert: die Aigfa, das libysche Ziegenf eil der Göttin, wurde als Fell Amaltheias aufgefasst (103). Zugleich wird Amaltheia als eine Tochter des Okeanos betrachtet, was auf dunkel geahnte westliche Beziehungen hinweist. In diesem Zusammenhang ist es merkwürdig zu wissen, dass die Sibylle von Cumae auch den Namen Amaltheia führte (104). Hier deuten sich Beziehungen an, die quer durchs Mittelmeer bis an den westlichen Rand der Welt laufen (105). Für Kreta ist die grosse Zahl der weiblichen Gottheiten bezeichnend, die zu Königinnen oder Nymphen verblasst sind - z.B. Pasiphae oder Pasiphassa - "die Alleuchtende" und ihre Beziehung zum Stier im Minotaurus - hinter dem wohl ein Priester erscheint, der im Kult den Gott eine Stiermaske tragend vorzustellen hatte: eine grosse leuchtende Göttin und der Stier, ein fernes Echo paläolithischer Auffassungen, wie es sich auch im Mythos von Europa und dem Stier darstellt. Die boiotische Europa in einer Höhle bei Eumessos verehrt, galt als Tochter des Tityos, des unterweltlichen Büssers - Repräsentant eines gestürzten voridg. Göttergeschlechts wie die Titanen, deren Name ohnedies anklingt; die kretische als Tochter des Phoinix oder der Telphassa, der "fernhin Leuchtenden", wieder einer verdunkelt leuchtenden Göttin. Später verschmelzen die beiden Europen miteinander. Die kretische Britomartis oder Diktynna verkörpert den jungfräulichen, die Gorg5 den tödlichen und schrecklichen Aspekt der grossen Mutter; indem in Libyen Amazonen und Gorgonen miteinander kämpfen, kämpfen zwei Möglichkeiten der grossen Mutter miteinander; zugleich wird in den Gorgonen eine voridg. Schicht abgelöst ( 106). Eine weitere Form der grossen Göttin erscheint in der Geburtsgöttin Eileithya, die auf Kreta in einer Höhle zu Amnisos verehrt wurde (107). Dass ihr Name "die Kommende" oder "die zu Hilfe Kommende" bedeute erscheint angesichts der zahlreichen Varianten als unwahrscheinlich; der Name ist weiter eher voridg. und hängt vermutlich mit dem vorgr. Wortstamm zusammen, der sich im Namen des kret. Ortes Eleuthima, von Eleusis und in Elysion findet. Die Linear -B -Taf ein von Knossos lassen eine Lesung Eleuthia zu. Auf Delos führt eine der hyperboreischen Beglei- -27- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 terinnen Apollos den Namen Eileithya. Der Name kann auch im Plural auftreten (108). Ihre ursprünglichste Symbolgestalt waren die Stalaktiten der Höhle von Amnisos; die Göttin wurde besonders bei schweren Geburten angerufen; sie wurde aber auch mit einem Kind, als Kour6t rophos dargestellt: ein Stalaktit der Höhle wurde so ausgedeutet (109). Sicherlich meint eine Anzahl der Kykladen-Idole besonders auch die Geburtsgöttin (110). Im Grunde ist sie von der grossen Mutter nicht zu trennen und war sehr weit verbreitet ( 111 ). Auf Zypern erscheint sie besonders häufig mit einem Kind, in boiotischen Gräbern war sie mit einem Hakenkreuz gekennzeichnet: das Hakenkreuz ist hier wohl eine stilisierte Menschenfigur. Als Tochter Heras, die ebenfalls als Geburtsgöttin angerufen wurde, machte man sie zum Mitglied der olympischen Götterfamilie; in Delos erschien sie auch als Mutter des Eros ( 112). Auch hiess die delische und hyperboreische Eileithyia auch Lykaia, "die aus dem Lichtlande" (113). In Megara stand in ihrem Heiligtum ein roher Stein, der den Apollo Kaunios, den Blitzgott symbolisierte; hier schimmert die Erdmutter als Gattin eines Himmelsgottes durch. In Argos verehrte man sie als Mondgöttin Eiliona. Bemerkenswert sind die vielen Hundeopfer in ihrem Kult - in Hermione, Sparta, Messene, Pelene, Megalopolis, Tegea etc. (114). Sie zeigen, dass Eileithyia einst weit mehr als Geburtsgöttin gewesen ist; hier blieb der chthonische Aspekt der Erdmutter erhalten. Eine weitere Form der grossen Göttin auf Kreta war die Schlangengöttin, die in beiden Händen Schlangen hielt und ihre Brüste bloss trug. Im einzelnen können wir nicht entscheiden, ob die Göttin selbst abgebildet wurde, oder nicht vielmehr eine Priesterin, die sie darstellte. Die Schlange symbolisiert ganz besonders die Tiefe und die Fruchtbarkeit ( 115). Immer wieder begegnen wir Aufspaltungen, Doppelungen, Hypostasen, verschiedenen Aspekten der grossen Mutter - am natürlichsten aber als Mutter und Tochter: Hera-Eileithyia, Demeter-Kore/Persephone, Letö-Artemis. In Letö erscheint eine kleinasiatische Muttergöttin, deren Name sicher mit lykisch "lada" = "Herrin" zusammenhängt. Sie wurde -28- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 als Mutter Apollos und der Artemis ins olympische System eingegliedert, als Latona römische Göttin, als Letun etruskische. Verdunkelt erscheint sie als Leda, wobei der Schwanenbezug vielleicht auf hyperboreische Einflüsse verweist. Wie Letö war Artemis eine ursprüngliche vegetativ bestimmte Gottheit; in ihr mischen sich Keuchheit und Ekstase. Besonders aber ist sie mit Tieren verbunden, besonders dem Hirsch und dem Löwen. Von der ursprünglichen Herrin der Tiere wurde sie zur Jägerin (116). Aber auch zur Todesgöttin (117). Ihre Titel sind "P6tnia" = "Herrin" oder "P6tnia Theron" = "Herrin der Tiere". Ihre Beziehung zum Hirsch widerspiegelt die Aktaion-Legende. Im ursprünglich boiotischen Aktaion-Mythos scheint Aktaion ein hirschgestaltiger Berggott gewesen zu sein, der die Göttin begleitete; sein Name enthält den des felsigen Vorgebirges Akte in Attica. In Patras fuhr die Priesterin der Artemos Triklada in einem von gezähmten Hirschen gezogenen Wagen, wie die venetische Rehtia (119) oder die Göttin des Wagens von Strettweg. Wie der taurische Artemis kamen ihr ursprünglich Menschenopfer zu (118). Auf dem Kultwagen von Strettweg steht die nackte Göttin, von z. T. ithiphallischen Begleitern umgeben; sie trägt nur einen Gürtel, der zugleich Jungfräulichkeit und weibliche Macht bedeutet ( 120). Der Wagen von Strettweg gehört in die Periode Hallstatt III/Este (6.-5. Jh. v. Chr.). Eine vorkeltische, einheimische Arbeit, von einem italischen Künstler angeregt (121). Später identifizierten die Kelten Artemis mit einer Reihe von Göttinen: Ancanna, Abnoba, Nantosuelta, Icovellauna, Arduinna; die Römer mit Diana. Artemis hatte auch ein Gefolge ekstatischer Tänzerinnen wie Dionysos ( 122). Wie in Artemis und Rehtia mischen sich auch in Demeter voridg. Züge mit späteren. Ihr Name enthält vermutlich ein altes Lallwort - "dä-", das als "Erde" zu deuten ist oder auch schon "Erdmutter"; demnach wäre Demeter eine nicht mehr verstandene tautologische Bildung. Später erblickt man im ersten Bestandteil das kretische Wort "deia" = "Getreide", das gemeingriech. als "zeia" erscheint und idg. gedeutet wird. Als Getreidegöttin verlor sie nie -29- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 die Züge der Unterwelt- und Todesgöttin; so wurde sie in Sparta als Chtonfa verehrt, in Arkadien als Erinys. In Phigalia hiess sie Melaina, "Schwarze" und in der Höhle Maurospelion wurde sie, schwarz gekleidet, mit einem Pferdekopf dargestellt. Beides weist auf die ursprüngliche Erdmutter hin; die Demeter Melaina erinnert an unsere schwarzen Madonnen. Die ältere mythologische Forschung fasste sie einseitig nur als Kornmutter auf, z.B. Mannhardt und Windekens will den Namen zu "daomai" = "austeilen" ziehen und als "Gabenmutter" erklären (123). In ihrem Kult wurden junge Schweine lebend in Erdgruben oder natürliche Schlünde geworfen - bothroi oder chasmata. An ihrem Fest, den Thesmophorien, durften sich nur Frauen beteiligen. Der Grundbegriff "thesm6s" bedeutet "Niederlegung" und bezog sich ursprünglich auf die Opferung in der Erdtiefe. In Dodona hiess Demeter einfach Gä (124). Als Spenderin schlechthin hiess sie nicht Demeter, sondern Pandora, die "Allgebende", was später missverstanden wurde (125) - ein häufiger Fall von Verselbständigung (126). Wie Eileithyia erscheint auch Demeter als Kour6t rophos ( 127). In Delphi herrschte ursprünglich Ge, die Erdmutter als Orakelgöttin, die ursprünglich in der korykischen Höhle oberhalb Delphis im Parnassos verehrt wurde; erst später heftete sich die Verehrung - wohl auch wegen der leichteren Zugänglichkeit, an die Schlucht der Phaidriaden und der Erdschlund wurde im Tempel von Delphi nachgebaut: im übrigen bedeutet "Delphi" einfach "Mutterschoss" ( 128). Ge hiess in Delphi auch Pythö, womit sie in ihrer Gestalt als Schlange benannt war. Zweimal ist die Erdgöttin in Delphi durch einen Stein symbolisiert - durch den Omphalos, der jetzt im Museum zu sehen ist, und durch den Stein, auf dem die Sibylle zuerst erschien, der noch immer in situ zu sehen ist. "Zuerst verehr' ich aus der Götter Zahl die erste Seherin Gaia" - so lässt Aischylos die delphische Priesterin zu Beginn der "Eumeniden" ausrufen. Die Göttin Athene - später eingeengt auf die Stadtgöttin der nach ihr benannten Stadt - ist ebenfalls vielschichtig. Als Stehende ist sie besonders Kriegsgöttin, hinter der eine Todesgöttin steht; als Sitzende und Unbewaffnete verkörpert sie die thronende Göttin der Fruchtbarkeit. -30- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Dabei muss es sich durchaus nicht um zwei ursprünglich Vierschiedene Göttinnen handeln, die später dann verschmolzen wurden: die grosse Mutter enthält beide Möglichkeiten (129). Dies nicht zu sehen, verrät eine zu abstrakte und rationale Art des Denkens (130), die mythisch ergriffenen Menschen sehr fern war. Nach Pausanias war das "alte Bild" der Athene - die schon eine mykenische P6tnia war - vom Himmel gefallen (131). In Elis hingegen hiess sie Athene Meter ( 132). Weitere Aspekte ihrer ·Gestalt arbeitete van der Leeuw (133) heraus und ihren vorindogermanischen Beziehungen bis in den indischen Raum ging Flocke nach (134). Dieser verfolgte die Ursprünge ihrer Gestalt bis zur grossen indischen Mutter, die noch immer neben den grossen Mutterfiguren der etablierten hinduistischen Vorstellungen in unbehauenen und ungefügen Steinen in den Dörfern verehrt wird, den Mata-Steinen (135). Endlich besteht eine Beziehung zwischen Athene und der illyrisch-keltischen Noreia die sicher auf altem Grunde ruht, wie schon ihr vorindogermanischer Name beweist, der zu einem alten Wort für Stein zu stellen ist (in sardisch "nur(r )u", Nuraghe) nach Hedwig Kenner ( 136). Die südliche Gegenküste des östlichen Mittelmeeres ist der Bereich einer anderen Gruppe von Muttergöttinnen, die zuletzt noch aus demselben Grunde erwuchsen: Isis und Hathor in Ägypten (137). Isis scheint ursprünglich überhaupt libysch gewesen zu sein, wie die Göttinnen Net und Bast. Ihr echt ägyptischer Name - Isis ist die Griechisierung - war As oder Ast. Die Hieroglyphe dafür stellt die Sitzfigur einer Frau im Profil dar, was als Thron gelesen wird: die alte Muttergöttin und Herrin. Später wird sie mit Geierkopfschmuck, dem Henkelkreuz und dem Papyrusszepter dargestellt. Über dem Kopfschmuck trägt sie Hörner und zwischen den Hörnern die Sonnenscheibe. Die herkömmliche Ansicht ist, dass sie die Hörner von dem Gott Khnum oder der Hathor herbekommen hat - sie könnten ihr aber ursprünglich als Herrin der Tiere zugekommen sein. Sie gebiert ihren Sohn Horus auf einer Sumpfinsel des Nildeltas - ein Hinweis auf die libysche Herkunft. Später wird Isis mit zahlreichen lokalen weiblichen Numina verschmolzen und erhält viele Würdetitel: -31- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Herrin, Herrin der Unterwelt, Herrin der Länder des Südens, Königin, Königin der Götter, Ra in weiblicher Gestalt, die Verborgene = Ament. Nach der Eroberung Ägyptens durch die Römer verbreitet sich ihr Kult ausserordentlich rasch durch das ganze römische Reich, ja sogar in Tithorea in Phokis entstand ein Zentrum der Isis-Verehrung (138). Der letzte heidnische Tempel Ost-Roms, den Kaiser Justinian schliessen liess, war ein Tempel der Isis in Philae. Isis, besonders nachdem sie Neith und Hathor in sich auf genommen hatte, wurde so eine der Vorläuferinnen der Madonna, die ihr den Grund bereitete, zusammen mit Artemis, der Magna Mater von Ephesus. Gelegentlich erscheint Isis als doppelgeschlechtig wie Naith in Sais (139). Es ist schwer zu entscheiden, ob hier eine alte androgyne Vorstellung durchschlug oder ob es sich um späte theologische Spekulation handelt. Die etruskische Turan wurde zwar der Aphrodite bzw. der Venus gleichgesetzt, aber ikonographisch keineswegs gleich behandelt. So erscheint sie auf dem archaischen Spiegel von Praeneste als geflügelt (140). Mit Recht verweist A. J. Pfiffig die alte Etymologie zurück, die ihren Namen mit dem Stamm von Tyrannos verbinden will, wonach sie, an sich plausibel, "Herrin" hiesse; Tyrannos, als "Turan-na", "zur Turan gehörig" bezeichnete usprünglich den Begleiter, den Paredros der Göttin und bekam von daher die Bedeutung "Herr", während der Name der Turan zu etruskisch "dur/tur" = "geben" zu ziehen ist und daher die "Spenderin" bedeutet. Ihr Kult ist archäologisch nicht bezeugt, auch erscheint sie nicht auf der Bronzeleber von Piazenca. Dies ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie fragwürdig Schlüsse "e silentio" sein können, denn gerade Turan war eine der ältesten und meist verehrten Göttinnen, aber eben der Volksreligion, die nicht notwendig mit den von den Wahrsagepriestern ausgebildeten Ritualen zu tun hatten. Weit eher ist anzunehmen, dass in Turan die grosse altmediterrane Göttin sozusagen in Reinkultur erscheint. Sie ist älter als die Etrusker, gehörte der Volksreligion an und wurde vielleicht gerade deshalb von der organisierten Prie- -32- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sterschaft per distantiam betrachtet. Von etrusk. "Tur" ergibt sich auch eine brauchbare Etymologie des griech. "doron" = "Geschenk", das nicht zum Stamm von "didomai" = "geben" zu ziehen ist. Ein weiterer Grund dafür, dass Turan archäologisch unbezeugt blieb, mag in der Tatsache liegen, dass Tempel der Liebesgöttin meist ausserhalb der Städte lagen oder gegen die Häfen hin (141). Ein weiterer Aspekt, dem wir schon auf Kreta begegneten, stellt die Göttin mit der Schlange dar, die auf einer Boccaneraplatte aus Caere dargestellt ist: um den Schoss der Göttin windet sich eine Schlange, die von der Göttin um ihre Gürtellinie festgehalten wird. Dabei scheinen die Etrusker die Göttin selbst, die Kreter hingegen eine Priesterin in ihrem Dienst dargestellt zu haben. Turan und die für uns namenlose Schlangengöttin repräsentieren den Erdaspekt der grossen Göttin, Menrva hingegen war eher den himmlichen Mächten verbunden. Sie wurde von den Römern als Minerva übernommen und zwar über die Sabiner aus ihrem Heiligtum in Orvinium ( 142). Auch sie erscheint übrigens nicht auf der Bronzeleber von Piacenca. Im Gegensatz zur hergebrachten Philologenmeinung gehört der Name der "Menrva/Minverva" nicht zum idg. Stamm "*men-" = "denken, sinnen", sondern ist ein voridg. Wortstamm uns unbekannter Bedeutung, vielleicht ein Kuhtitel, der "Herrin" bedeutet haben könnte. In Veji ist sie schon im 6. Jh. v. Chr. bezeugt; auf Spiegeln erscheint sie oft in Gesellschaft von Tinia, Tu ran, Aplu, besonders aber von Herde. Wenn Servius (143) Menrva zu den Blitzgöttern rechnet, so sehen wir die Tendenz, die grosse Mutter in den Himmel zu erheben; im Grunde verbindet der Blitz Himmel und Erde. Wie Athene wurde sie mit der olympischen Religion verknüpft, indem man sie erwachsen und gewappnet dem Haupt des Zeus entspringen lässt, wobei die Geburtsgöttin Thalna Hilfe leistet. Gänzlich ungriechisch erscheint sie auf einem Spiegel mit entblösster Brust. Ihrer Verbindung mit Herde entspringt ein Kind, Maris, das oft glatzköpfig und ältlich dargestellt wird, als ob es Tages wäre. Weder Menrva noch Herde sind griechischrömisch zu interpretieren; sie sind im Grunde etruskisch- -33- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 mediterran. Bei Herde ist zu beachten, dass Herakles überhaupt keine einheitliche Figur darstellt; es gibt wenigstens vier Figuren dieses Namens: den wohlbekannten Heros der zwölf Taten, in dem sich Indogermanisches und Vorindogermanisches mischen; den Daktylos Herakles als Begleiter der grossen Mutter; den römischen Hercules, der den Cacus überwindet; und schliesslich den etruskischen Herde. In der römischen Religion lebt bemerkenswert wenig Mediterranes: die extrem patriarchalisch und juristisch-ritualistische Wesensart der Römer drängte dies zurück. Dennoch überlebt Mediterranes in Gestalt der Venus und des italischen Stiergottes. Venus, die als volkstümmliche Göttin auf altem Grunde ruht, trägt einen gut idg. zu etymologisierenden Namen. Ihr Name hängt offenbar mit dem weitverzweigten idg. Wortstamm "*ven-" zusammen, der "Liebe, Freundschaft, Verlangen, Angenehmes" bedeutet: skr. "vanas", ahd. "wini" = "der Freund", "wunni" = "Wonne", "wonen" = "zufrieden sein, Lust haben" (vgl. noch unser "beiwohnen" ="cohabitare"), mhd. "wünne" = "üppige Viehweide". Letztere Bedeutung veranlasste Trier in einer sonst anregenden Arbeit Venus als "Futterlaub" zu interpretieren ( 144 ): das heisst das Pferd beim Schwanz aufzäumen. Dazu kommt, dass Futterlaub nur Übergangs- und Notfutter war. Venus ist keine ursprüngliche "Gottheit des jungen Grüns", sondern die Wurzel hat parallele Entfaltungen - eine führt zum Namen der Göttin, die andere zum Namen der Viehweide und des Futterlaubs, mhd. "win", noch in Flurnamen der Ostalpen erhalten. Venus ist daher auch keine ursprüngliche Gartengöttin; die griechische Aphrodite der Gärten ist natürlich ebenfalls eine späte Sonderentwicklung. Der älteste italische Tempel der Venus stand in Lavinium und nach ihrem lavinischen Beinamen "Frutis" hiess er Frutinal. Frutis ist von gr. "broutis", lat. "brutis", got. "bruths", nhd. "Braut" nicht zu trennen, aber auch nicht von der kretischen Britomartis; das Wort benennt die grosse Mutter in ihrem Aspekt als junge Frau, Schwiegertochter und ist offenbar ein ostmediterranes Wanderwort, das über den Balkan zu den Germanen kam. -34- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Es könnte ganz gut "junge Frau als Kriegsbeute" bedeutet haben. überhaupt ist bei italischen Völkern mit einer starken illyrischen Komponente zu rechnen, so auch in Ardea, unweit Roms, der Stadt der Rutuli. In dieser Stadt mit alter Venus-Verehrung herrschte ein König namens Turnus, Sohn des Daunus (145). Turnus und Daunus werden für illyrisch gehalten - aber Turnus erweckt den Verdacht, nichts weiter als die Illyrisierung des männlichen Gegenstücks der Turan zu sein! In Lavinium aber landet Aeneas, heiratet die Tochter des Latinus und der Amata (ein durchsichtiger Lallname der grossen Mutter, volksetymologisch an "amare" angelehnt), die eine Tochter des Faunus war, des italischen Gegenstücks des Daunus. Wir sehen hier, wie die späte, durch Vergil literarisierte und in die Reichspropaganda des Augustus einbezogene Fassung der Sage noch immer mediterrane Bezüge widerspiegelt, unter dem Decknamen "trojanischer Herkunft". Erst um 200 v. Chr. wurde der Kult der Venus nach Rom übertragen, als man den Kult der Venus Erucina in Eryx, an der Westspitze Siziliens, kennengelernt und vereinnahmt hatte. Der alte Kult der grossen Göttin von Eryx, in deren Tempel es auch die ganz unrömische sakrale Prostitution gab, wurde später griechisiert und latinisiert; die lokale Magna Mater wurde Aphrodite und Venus, wohl nicht ohne die Absicht, während der punischen Kriege ein religiöses Gegengewicht gegen die karthagische Astarte/Tanit zu haben. Später verkündete Caesar öffentlich, dass er "Venere prognatus" sei, ein Abkömmling der Aphrodite/Venus (146). Die Erinnerung an die propagandistische Verknüpfung des julischen Hauses mit Aphrodite als Venus Erucina hielt sich bis zum heutigen Tage: der Burgberg von Erice heisst Monte Juliano! In Erice kann man die Kontinuität des weiblichen Ortsnumens sehen: eine altmediterrane Göttin - eine elymische Göttin ( wo immer die Elymer letztlich herkamen - kaum aus Elam; eher sind sie "Afrikaner", d. h. Protoligurer) - die phönikische Astarte/Tanit die griechische Aphrodite - die römische Venus - die christliche Madonna. -35- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Durchaus unrömisch waren übrigens auch die Hierodulen von Eryx, em Stamm dem Tempel zugehöriger Hintersassen ( 147). Ebenfalls auf mediterranem Grunde wohnt Ceres, die Getreidegöttin, deren Name zu "creare" gehört, "wachsen machen" ( 148). Ihre alte Wachstumsfunktion wurde erst später auf das Wachsen des Getreides übertragen. Ihr ursprünglicher Charakter als Unterweltsgöttin zeigt sich noch im Opfer junger Schweine an die Göttin, vor der Ernte, der sogenannten "porcae praecidaneae", der "vorzeitig geschlachteten". Sie erscheint auch als Tellus, als Göttin der Erde, als Ceres Mater, als Tellus Mater; sie verlor ihre mutterrechtlichen Bezüge nie ganz ( 149). In der Gestalt der Magna Mater und ihrem ursprünglich stiergestaltigen Paredros entfaltet sich das alte Erbe. Der Stiergott, von Indien bis Iberien nachweisbar - war auch auf italischem Boden beheimatet, ja der Name "ltalia" selbst geht auf den Namen des jungen Stiers zurück, des "vitellus", aus "*Vitalia". Aus Picenum, der Region zwischen Adria und Apennin, sind Stierdarstellungen bekannt, die den Stier mit Beil, Sonnenscheibe und Hakenkreuz zeigen; ähnliche Darstellungen stammen aus Sardinien, aus Anghelu Ruju (150). Der Stiergott ist schon paläolithisch präfiguriert, so in Laussel, in La Madeleine, in Tue d' Audoubert. Im Namen des Abris von Laussel erscheint übrigens das altmediterrane Wort "lausa/losa", die "Felsplatte". Die Höhle von La Madeleine wurde, wegen der nackten Göttin, einer büssenden Heiligen zugeschrieben, die gelegentlich nackt oder dürftig bekleidet in ihrer Höhle dargestellt wurde: der heiligen Magdalena. Der Stierkult lebt, verdunkelt und zum sportlichen Ereignis degradiert, ja noch heutigen Tages in einem Teil der Mediterranea fort (151). Auch der ägyptische Stierkult, losgelöst von der Magna Mater und verselbständigt, gehört in unseren Zusammenhang (152). Man erinnert sich in diesem Zusammenhang an Europa und den Stier - eine verdunkelte Magna Mater mit dem Stiergott, in dessen Rolle später Zeus schlüpfte (153). In Korsika und Sardinien zeigt es sich, dass die Magna Mater älter ist als das Megalithikum; dieses nahm die -36- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Magna Mater nur auf. Später schwächte das Heraufkommen einer kriegerischen Hirtenkultur auf beiden Inseln wohl ein wenig ihre Bedeutung, konnte sie aber nicht auslöschen. Aus der frühen Bronzezeit stammt die Steatitstatuette einer sitzenden Göttin mit schematisch angedeuteten, über der Brust gekreuzten Armen, ohne Füsse, die den kykladischen Idolen weitgehend entspricht, was aber nicht heisst, dass sie aus dem kykladischen Raum eingeführt worden sein müsste (Campu Finelli) (154). Lilliu vergleicht sie, die Korsikanerin, mit den Idolen der Kultur von San Michele in Sardinien (155). Unter den Menhiren von Filitosa, Korsika, finden sich einige wenige, die als weiblich gekennzeichnet sind. Sie mögen nun eine Ahnherrin oder eine Göttin darstellen - auf jeden Fall handelt es sich um ein weibliches Numen und nicht um ein Porträt (156). In Sardinien schliesst sich die sitzende Göttin von Decimoputzu an (157), die einzige Sitzfigur unter sonst stehenden. · Die sardinischen Statuetten betonen die Brustregion, vernachlässigen aber die Schossregion; Lilliu will daraus schliessen, dass die grosse Göttin hauptsächlich als Nährmutter verehrt worden sei. Andere Statuetten zeigen die Göttin mit einem Kind auf dem Schoss. Aus Turriga bei Senorbi (Ozierikultur um 2500 v. Chr.) haben wir kreuzförmige, gänzlich abstrahierte Alabasterstatuetten der Göttin vom Kykladentypus ( 158). Die weiblichen Idole der Ozieri-Kultur weisen die beiden Grundtypen auf, die uns vertraut sind: dicke, sitzende, kauernde Frauen - abstrahiert-schematische Idole stehender ( 159). Einen der seltenen weiblichen Menhire kennen wir aus Genna Arrele (160). Die sardische Ozieri-Kultur ist spätneolithisch-vornuraghisch und wird megalithisiert. Die Funde der OzieriHöhle entstammen der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr., für die Grotte Sa Ucca de Su Tintirriolu bei Mara (Region von Sassari) ergaben sich C-14-Daten um 3140 v. Chr. Aus dieser Zeit stammt auch ein Becherkrug mit Augenspiralen, denen wir noch auf Malta begegnen werden. Zwei deutliche Spiralen in entsprechender Position können kaum etwas anderes als Augen bedeuten und dies kann wie- -37- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 derum nur die wachsame Gegenwart der Gottheit bedeuten, der grossen Mutter als Ahnherrin, Todesgöttin, als wirkendes Numen schlechthin; wir werden dem Augensymbol noch auf Malta begegnen; man kann bis zum heutigen Tage auf Schiffen im ganzen Mittelmeerbereich sehen. Den korpulent-üppigen Göttinnen scheinen die blassen Köpfe zu entsprechen, die entweder Kopfbedeckungen oder angedeutete Haartracht haben. Sehr gross ist die Zahl von schematisch-zylindrischen Statuetten, die sich in Gräbern fanden, aus Porto Ferro, Anghelu Ruju, Su Crucifissu, Mannu etc. (161). Männliche Idole, häufig aus Ton, stellen den Begleiter der grossen Mutter dar, der in der kriegerischen Hirtenzivilisation immer mächtiger wird. Die Menhire des Sarcidano-Gebiets, oft in Reihen auf gestellt, stellen hingegen Scharen von Kriegern dar. Einer der seltenen weiblichen Menhire (162) ist schematisch-abstrakt; er stammt aus der Glockenbecherzeit. Die Glockenbecherleute scheinen eme stark männlich bestimmte Kultur gehabt zu haben. Die Kultur von Bonu-Ighinu (Ozieri) weist, besonders auch in San Michele, steatopygische Statuetten auf. Auf Malta und Gozo ist die grosse Mutter mit den megalithischen Tempeln in besonderem Masse verknüpft, sicherlich aber noch älter. Sie ist ohne Zweifel sowohl grosse Mutter als auch Orakelgöttin gewesen, ziemlich sicher auch Todesgöttin. Die Doppelspiralen der Schwellen - z. B. in Hal Tarxien - können nur auf die grosse Göttin bezogen sein und ihren innersten Bezirk schützen. Mit der gegenteiligen Auffassung Margarete Riemschneiders, die das Augenpaar auf Zwillingsgötter und heilige Hochzeit deuten will, kann man sich nicht einverstanden erklären ( 163 ). Für Malta halten w1r uns an die Aufzählung der Denkmäler bei Harrison Lewis (164). Malta, vermutlich schon seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. besiedelt, hat jedenfalls Beziehungen nach allen Seiten; nordafrikanische in der Anlage des Hypogeums, neolithische zu Stentinello (Sizilien), östliche zur Kykladenkultur, westliche und nördliche zum westlichen Megalithikum. Bernarb6 Brea meint sogar, dass das ganze westliche Megalithikum von Malta seinen Ausgang genommen habe; da das Megalithikum im We- -38- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sten bei weitem älter ist, als die frühere Forschung anm. ahm, die es unbedingt auf Ägypten oder das Ostjordanland Jurückführen wollte, ist der Ausgangspunkt im Westen, wenigstens um 4000 v. Chr. anzunehmen (165). Aus Hai Tarxien haben wir die bekannte Sitzstatue, rechts nach dem Eingang des Südtempels (166). Die sitzende Göttin, in übermenschlicher Grösse dargestellt, wird wohl die thronende bedeuten, unter Umständen auch die gebärende (167). Es handelt sich um besonders üppige und mächtige Erscheinungen, wobei die Schossregion besonders mächtig ausgebildet ist. Hier ist die Frage zu erörtern - besonders da es auf Malta auch Statuetten schlanker Frauen gibt - wie denn die gewaltige Ausbildung von Schenkeln, Gesäss, Hüften und Brüsten zu deuten sei. Meines Erachtens handelt es sich keinesfalls um eine besondere menschliche Rasse, etwa nach dem Muster der Steatopygie der Hottentottenfrauen oder Buschmannschönen! Es kann sich auch kaum um eine blasse ästhetischerotische Darstellung handeln; man benützte zwar die Anschauung wirklicher Frauen - man kann solche Frauen, oft noch sehr junge, in der heutigen Bevölkerung Maltas jeden Tag sehen - aber nicht um sie zu porträtieren, sondern weil sie dem Sinn der Darstellung besonders gut entsprachen. Im übrigen sieht sozusagen jeder Arzt die Venus von Willendorf ein paar mal jährlich in seiner Sprechstunde! Ausserdem haben wir auch Darstellungen schlanker Frauen aus denselben Materialien; die Üppigkeit kann daher nicht dem Material zugeschrieben werden, das sich nicht anders hätte behandeln lassen. Der schlanke Typus wird eben die grosse Mutter in ihrem jungfräulichem Aspekt dargestellt haben. Die Sammlungen des archäologischen Museums von La Valetta (168) zeigen alle Möglichkeiten, abstrakte, schlanke, üppige, sitzende, stehende. Dazu kommen die kopflosen Standstatuen aus dem Tempel von Hagar Qim und aus dem Hypogeum - beide aus Kalk (169). Weiters eine Sitzfigur aus Hagar Qim (170) und eine weitere, die die Göttin mit einem weiten Glockenrock darstellt und der typischen Haltung der Hände. Der Glockenrock erinnert an kretische wie -39- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 an iberische Darstellungen (Felsbilder von Cogul) ( 171 ). Anders ist die Ritzzeichnung eines tanzenden Mädchens aus Hal Tarxien zu deuten; sie trägt ein loses, flatterndes Gewand und stellt vielleicht einen kultischen Tanz dar ( 172). Am bemerkenswertesten ist die viel erwähnte und zitierte Tonstatuette einer üppigen schlafenden Frau - kaum handlang, aber viel grösser und monumentaler wirkend, die auf einem Ruhebett liegt. Als Komposition ist sie gut ausgewogen und stellt sicherlich keine gewöhnlich Schlafende dar; bei diesem Schlaf muss es sich um etwas Besonders handeln. Vermutlich wird eine Priesterin im InkubationsOrakelschlaf dargestellt: die Göttin sprach zu ihr aus der Erdtiefe im Schlaf (173). Rätselhafter ist der auf einem Ruhebett liegende Fisch, der dieselbe Stellung einnimmt wie die Schlafende (174). Mit Ridley darf man annehmen, dass es sich um irgendein Fischritual handelt, das einem Fischgott galt oder einem mythischen Urfisch der Meerestiefe. Vielleicht aber rief eine Gilde von Fischern einen Fischgott oder die grosse Göttin um reichliche Fischfänge an oder bekam im Fischorakel reiche Fanggründe geoffenbart. Für die Kelten und damit auch für die Keltiberer ist es klar, dass sie ein sehr starkes nichtidg. Substrat enthalten haben, das teilweise megalithisiert war. Von ihren süddeutsch- ost französischen Ausgangspositionen expandierten sie in der 1. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. nach Westen, Osten und Süden. Nachdem sie sich in der Urnengräberkultur kulturell, militärisch und vielleicht sogar ethnisch als "Protokelten" präfomiert und in der Hügelgräberkultur ethnisch und sprachlich formiert hatten, nehmen sie viele nichtidg., aber auch idg. Gruppen in sich auf; die idg. Gruppen sind z. B. in unseren Alpen illyrische oder venetische Reste; die nichtidg. Gruppen dürften viele lokale Populationen umfasst haben, die sich teilweise in den späteren Ligurern, Iberern, Rätern und anderen formierten, wobei wir nichts darüber sagen können, wieweit diese Gruppierungen schon geschlossene Ethnien gewesen sind. Aber schon in den letzten Jahrhunderten des 2. vorchristlichen Jahrtausends muss es idg. Vorstösse in den Westen gegeben haben, protokeltische also. -40- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Mit diesen frühen namenlosen idg. Gruppierungen - die sich vielleicht in der Urnenfelderkultur herauszusondern begonnen hatte - hängt die sogenannte alteuropäische Hydronomie zusammen, d. h. die Übereinstimmung in den Wurzeln, aber auch oft Suffixen zahlreicher west- und mitteleuropäischer Gewässernamen. In ihr haben wir die erstarrten Reste der Indogermanisierung West- und Mitteleuropas zu erblicken, die sich über zahlreiche vorindogermanische Populationen legten, die mehr oder weniger miteinander verwandt waren und deren Namensschatz, besonders Gewässernamen, mit eingeschmolzen wurde (175). Man kann daher von vornherein erwarten, dass auch die keltischen Religionen Nichtidg. enthalten und damit stärkere Reste der Verehrung der grossen Mutter. Hier gelten uns die alten I r e n als Beispiel, denn die Gunst der Überlieferung und des historischen Schicksals hat uns besonders deutliche Hinweise und Spuren aufbewahrt. Die Iren habe als Substrat ein proto-hamitisches Volkstum, das die gesamte Atlantikküste entlang siedelte. Cormac der Glossator nennt uns eine Göttermutter namens Ana/ Anu, eine mater deorum. Sie ist besonders in Munster verehrt worden. Ihr Name ist ein alter Lallname, eins mit dem ahd. "ano", mhd. "Ahne", altpreuss. "ane", hethit. "anas", lat. "anus" in den Bedeutungen zwischen "Vorfahre, Mutter, Schiegermutter" und "alte Frau" schwankend ( 176). Die Iren selbst vermischten Ana/ Anu mit Dana/Danu und der dreigestaltigen Brigid, die von Dichtern, Ärzten, Schmieden besonders verehrt wurde und deren drei Aspekte Anu, Danu und Brigid hiessen. In der Gestalt der heiligen Brigid hat sich die alte irische Göttermutter in die christliche Welt gerettet. In Macha erscheint verdunkelt eine alte Fruchtbarkeitsgöttin, die wie Aphrodite die Gattin oder Geliebte eines Sterblichen wird, eines Bauern, der aber das Geheimnis ihrer Göttlichkeit nicht zu bewahren weiss. Deshalb werden die Männer im Kriege, die Frauen im Kindbett verflucht - man sieht hier die Wirkungen der Göttin des Todes, des Krieges, der Geburt. Die drei Aspekte der Brigid erinnern an die Todesgöttinnen, die stets dreifach auftreten: Badb (Krähe als Totenvogel), Morrigan (Königin der bösen Geister), -41- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Nemain (Schrecken); ja Morrigan kann ihrerseits dreifach auftreten: Morrigna (im Plural). Die Reste dieser Mythen erscheinen im Sagenkomplex der kriegerischen Königin Medb, die mit ihren Brüdern in Geschwisterehe verheiratet war; einer ihrer Männer war Fergus (der Männliche, der Phallische - noch heute sind Fergus und Ferguson beliebte irische Namen). Der walisische Volksaberglaube kennt dämonisch-bösartige Frauen, die sogenannten Mamau, d. h. Mütter (177). In Irland wie in Gallien begegnen wir einem besonders ausgeprägten Kult der Quellen und Flüsse, was sich zuletzt auf die grosse Mutter als Spenderin des Lebens bezieht: das Wasser symbolisiert sie. Die Namen fliessender Gewässer sind daher als weiblich zu erwarten; wo sie dies nicht sind (Rhodanus, Rhenus) ist nichtkeltischer Einfluss wahrscheinlich. Dem Zusammenhang zwischen dem Quellkult und dem Kult der Matres/Matronae begegnen wir im Namen der Marne: Matrona. Die Quellen der Matrona und der Sequana (Seine) waren als Heiligtümer ausgebaut und wurden durch Versenk- Opfer geehrt. Der Name der Sequana ist entweder vorkeltisch - wegen der Erhaltung des Labiovelars - oder sonst aus einer etymologisch durchsichtig scheinenden Form, etwa Secuana/Sigunna latinisiert. In Irland galt die heutige Boyne - ir. "B6inn", antik "Buvinda" ( 178) als heiliger Fluss; der Name gehört wohl zu altir. "b6" = "Stier, Rind", womit wir uns wieder beim Stier befänden, dem männlichen Gegenstück der grossen Mutter. So gehört die Flussgöttin in den Rahmen der Muttergöttinnen; diesen Verflechtungen - mit einigen etwas spekulativen Etymologien - ging besonders Przyluski nach (179). Es ist natürlich schon lange auf gefallen, dass die Namen zahlreicher Flüsse: Don, Donau, Dnjepr; der Name der Danae, die Danaoi, die Danuna/Danauna, Adana in der Türkei, der Name des israelitischen Stammes Dan etc. zusammenklingen, nicht nur lautlich, sondern teilweise auch bedeutungsmässig. Przyluski versucht sie unter einen Hut zu bringen (180). Schon Holder hat alle möglichen Beziehungen ins Au- -42- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 ge gefasst: so zu altir. "dana" = "kräftig", anderseits altird. "danu" = "Flüssigkeit", osset. "don" = "Fluss". Die zahlreichen Formen, unter denen der antike Name der Donau überliefert ist - Danubius, Danuvis, Danuvios, Danouios etc. - zeigen, dass man mit dem zweiten Teil Schwierigkeiten hatte, den Meister ( 181) für einen Lokativ erklären will; es ist aber wenig wahrscheinlich, dass ein Lokativ zur Benennung eines Gewässers gedient hätte. Sicher ist nur, dass der Name der Dönau skythischiranischer Herkunft ist ( 182). Przyluski zieht den antiken Namen des Dons - Tanais - heran, der zugleich Name einer Stadt (Asow, noch im Mittelalter Tana) und einer Göttin oder Nymphe ist und verbindet ihn mit ir. "Dana/Danu". Das hiesse zuletzt, dass die grosse Göttin durch Vermittlung des Begriffes der Fruchtbarkeit zur Göttin des Wassers geworden wäre. Dabei hält Przyluski die Wortsippe für voridg. ( 183 ). Der Name des mythisch-vorgeschichtlichen Volkes der Tuatha De Danann - "Leute der Göttin Dana" - ist vielleicht der Reflex einer vorgeschichtlichen Wanderwelle. Nach ihrer Niederlage gegen die Fir Bolg (vielleicht "Männer der Aufgeblasenheit"), hinter denen sich die erste keltische Einwanderungswelle verbergen dürfte, ziehen sich die Tuatha De Danann in die "Sid" = "Zauberhügel" zurück. Die Sage fasst sie als Riesen auf - viele Vorbevölkerungen werden später als Riesen (oder Zwerge) aufgefasst ( 184 ). Danann erinnert nun an zwei antike Volksnamen: Danaoi und Danauna - Danuna, eines der Seevölker, die dem Pharao Ramses III. (1195 - 1164 v. Chr.) so zu schaffen machten. Und endlich gehört möglicherweise der Name des nördlichsten aller klassischen Stämme des alten Israel Dan - in unsere Reihe. Der Stamm Dan dürfte ein Rest oder Zweig der Danuna gewesen sein, vielleicht kleinasiatischer Herkunft, achäisch überschichtet, der sich im nördlichen Palästina niederliess und mit Israel verschmolz, wie dies auch mit den wohl idg. Philistern geschah (185). Aus der Genesis (49, 16) geht ein verdunkelter Gegensatz Dans zu anderen Stämmen Israels hervor, wenn es heisst: -43- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 "Dan wird sein Volk richten wie irgendeiner der Stämme Israels". Das kann nur heissen, einst war Dan den Stämmen Israels nicht gleich zu achten - andersartiger Herkunft wegen! - aber nun ist Dan den Stämmen Israels ebenbürtig. Eine weitere Stelle (Ri 5, 17) verrät einen noch fremda rtigeren Hintergrund: "Warum blieb Dan bei den Schiffen?" wird in Deborahs Siegeslied gefragt. Das kann nur heissen, dass die Vorfahren Dans zu Schiff kamen, also wohl eine versprengte Gruppe der Seevölker waren. So könnten sie ein abgesprengter Zweig der Denyen, der Danuna/ Danauna der Seevölkerinvasion gewesen sein. Die Danaoi hingegen, deren Führungsschicht ebenfalls von dieser Seevölkergruppe stammen könnte, waren später so sehr achäisiert, dass Homer den Namen als synonym mit Achaioi verwendet. Ein vermutlich weniger griechisierter Zweig s a ss in Kilikien und Nordsyrien, entsandte eine Gruppe nach Süden und hinterliess den Ortnamen Adana. Ursprünglich also könnte Dana/Danu eine Flussgöttin gewesen sein und so einen besonderen Aspekt der grossen Göttin bezeichnet haben. Gilt diese weitgespannte Kombination, so könnte sogar der Name der Dänen hierhergehören, etymologisch natürlich, wenn er zu niederd. "Dehne/Da hne" zu ziehen wäre, das eine flache, sumpfige, wassererfüllte Niederung bedeutet. Der vermutlich voridg. und idg. Stamm steckt auch im Namen des engl. Flusses Dene und de r westfäl. Deine (186). Zuletzt könnte an eine Verbindung mit dem voridg. Reliktwort "tana/dana" = "Höhle" gedacht werden (187). Und endlich könnte auch das kent. Dialektwort "dene" herangezogen werden, das Erdfall, Burgstall bedeutet. Damit hätten wir eine Wortfamilie und deren semantische Weiterungen eruiert, die den weiten Bogen von Irland bis Indien überspannt. Der Wasserbezug erscheint auch dunkel in der Legende von den Danaiden, den Töchtern des Danaos, die bekanntlich in der Unterwelt bodenlose Fässer mit Wasser füllen müssen. Dahinter scheint ein missverstandenes Bild zu stehen, das Quellgöttinnen zeigte, wie sie Wasser aus Quellgefässen fliessen lassen. Auch bei den Picten des nördlichen Schottland - die -44- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 den Römern solche Schwierigeiten machten und deren Name sicherlich voridg. Herkunft ist und nur volksetymologisch als die "Bemalten" oder "Tätowierten" , auf gefasst wurde - erhielten sich stark mutterrechtliche Erscheinungen, auch als sie schon längst keltisiert waren ( 188). Deutlicher ist dies noch in Irland; der irische Sagenheld Cuchullin - sein Name bedeutet "Hund des Chullin" - zeigt deutlich den Boden, dem er entwachsen ist. Gerät er in Raserei, müssen drei Fässer kalten Wassers vor ihm auf gestellt werden und die Königin tritt vor ihn hin, indem sie Brust und Schoss entblöst. Erst daraufhin kann er gebändigt und in die Fässer zur Abkühlung gesteckt werden. Unter der grotesk-derben Literarisierung verbirgt sich der alte Grund (189). Die einstige Gruppenehe, die auch den Caledoniern - dem nichtidg. Substrat der Picten zugeschreiben wird (190) - schimmert noch deutlich durch in der Geschichte der irischen Clothru: sie lebt mit ihren drei Brüdern in Gruppen- und Geschwisterehe; sie ist eine ursprüngliche Flussgöttin, deren älteste Namensform als Clota überliefert ist (191). Clothru hat Nachkommen von allen ihren Brüdern und ist Schwester der Medb. Ihr Sohn Lugaid wird irischer Oberkönig und hat seinerseits mit seiner Mutter den Sohn Crinthann Mac Luigdech, der ebenfalls Oberkönig wird ( 192). Diese Inzestehen erinnern an die kanarischen Inseln, an Altkleinasien, an Iran. Wie stark die Muttergöttin 1m keltischen Raum fortlebte, zeigt im österreichischen Raum noch eine synkretistische Gottheit wie Isis Noreia, die voridg. Züge mit illyrischen, keltischen, venetischen und römischen Zügen verbindet, die ihrerseits schon zum Teil Interpretation der ägyptischen Isis waren (193). Isis Noreia wird, gewiss ein altertümlicher Zug, mit Wasserzeremonien geehrt. Diesem Zwecke dienten die Wasserbecken auf dem Frauenberg bei Leibnitz m der Steiermark und auf dem Ulrichsberg in Kärnten. Auf dem Seckauer Frauenberg mündete das uralte weibliche Numen endlich in die christliche Madonna aus. In Hispanien, im keltiberischen Bereich, mischen sich Voridogermanisches und Indogermanisches. -45- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Das Volkstum der Keltiberer ist nach wie vor umstritten. überwiegt in ihnen das Nicht-Indogermanische? Forscher wie Blazquez (194) scheinen dies vorauszusetzen; Waren sie reine Kelten? Schmoll vertritt diese Ansicht ( 195). Doch scheint es eher so zu sein, dass die vorkeltischen, aber idg. Gruppen, die Schmoll sprachlich nachgewiesen hat, voridg. Bevölkerungen - "echte" Iberer - überschichteten, die ihrerseits für uns namenlose Bevölkerungen schon in sich aufgenommen haben müssen; erst diese Gruppierungen wurden - örtlich in verschiedener Stärke - von Kelten überformt. Sekundär scheinen sie wieder von Iberern überschichtet worden zu sein, die vor Karthagern und Taressiern zurückwichen (196). Wie in Kleinasien begegnen wir Lallnamen der grossen Mutter, so z. B. einer Amma, der eine Inschrift auf einem Altar von Seg6briga (Cuenca) gilt. Es handelt sich um eine Flussgöttin, die zugleich Muttergöttin ist und auch aus anderen Inschriften bekannt ist. Als Flussname erscheint der Stamm m Dalmatien, Norddeutschland und in Frankreich: die Ems hiess einst Amasia/ Amisia (197); wir haben die Amance (zur Aube) aus * Amantia und den Namen der Amantini, eines keltischen Stammes zwischen Save und Drau (198). Natürlich gab es auch die interpretatio Punica der Muttergöttin, als Astarte, die zum Teil zugleich mit ägyptisierenden Merkmalen ausgestattet wird: z. B. die Bronzefiguren von Berrueco (Salamanca) aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Sie haben die Haartracht der Hathor, die Strahlenscheibe auf dem Haupt, den Lotos in der Hand und sind viergeflügelt - die vier Flügel finden sich auch auf zyprischen Figuren. Ähnliche Figuren aus Castulo (Jaen) sind auf Schöpfeimern zusammen mit Pferden abgebildet: sie haben Haartracht und Kuhohren Hathors und erinnern sehr an zyprische Figuren aus Kition. Ein anderer mediterraner Synkretismus findet sich bei den fünf geflügelten Göttinnen von Elche - auf Vasen - eine iberische Magna Mater, punisch interpretiert und mit Zügen der ephesischen Artemis versehen, die über Massilia kamen. -46- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Entlang der Küsten hatte die grosse Mutter eine bes~ mdere Beziehung zum Meer. Ihr waren Inseln heilig, so die beiden Inseln, auf denen die Städte Julia Gaditana - das heutige Cadiz - und Tartessos lagen - punisch Gadir. Die Insel, auf der Julia Gaditana lag, hiess auch Erythea, Aphrodisias oder Insel der Juno (199): "ab indigenis Junonis". Avienus kennt eine Insel - vielleicht ebendiese - die der Venus maritima geweiht ist; auf ihr befinden sich ein Tempel und eine Höhle der Göttin, in der sie Orakel gibt. Pomponius Mela (200) kennt vor der bretonischen Küste die Insel Sena - heute Sein (vielleicht aber auch Quessant) - auf der sich eine Orakelstätte befand, die von einem Kollegium jungfräulicher Priesterinnen betreut wurde, die "gallisenae" hiessen. "Sena", vielleicht verwandt mit ir. "senach" = "alt", lat. "senis, senex", heisst wohl weniger "die Alte" als vielmehr "die Ehrwürdige". Die Priesterinnen konnten Stürme erregen oder legen und für Seeleute die Zukunft voraussagen. Merkwürdigerweise will de Vries die Gottheit von Sena für einen ehrwürdigen Greis erklären - schon das Kollegium der Priesterinnen, die den Seeleuten weissagen, deutet klärlich auf eine Venus maritima hin. Sena könnte direkt eben auch eine Wassergottheit bezeichnet haben - der irische Hauptfluss, der Shannon, hiess altir. Sinna. Auch erinnert der Flussname Senona, heute Selune (Manche) an den Wortstamm, dem auch der Name der Senne (Teutoburgerwald) angehören könnte, wie auch der umbrische Fluss Sena. Den Unterweltsaspekt der grossen Mutter verkörpert die Göttin Ataecina, mit Persephone/Proserpina gleichgesetzt und besonders häufig zwischen Tajo und Guadalquivir verehrt. Arbois de Jubainville (201) will den Namen als keltisch erklären, als " Die Wiedergeborene". Eher scheint mir, dass der Name von einem Flussnamen des Typs Atax abzuleiten sei - z. B. in der Gallia Narbonensis, heute Aude und so das weibliche Gegenstück zu Flussnamen des Typs Aturro, heute Adour darstellen könnte. Wie im Rheinland, Ostfrankreich, Ostalpen, Britannien gab es den Kult der Matrones/Matres auch im hispanischen Bereich - so die Aufaniae matres, die auch aus dem Rheinland bekannt sind, und die Brigeaceae matres aus der Gegend von -47- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Burgos, die an den Gott Brigus erinnern, kelt. "der Erhabene" oder direkt an die irische Brigid. Die grosse Gegenwelt ist natürlich der Kult eines männlichen Prinzips (202) , des Stiers, der Iberien mit Kret a und dem nahen Osten verbindet. Schon die Sage von den Rindern des Geryoneus, dem Herakles im äussersten Westen die Rinder raubt, deutet darauf hin (203). Im Kult der Matrones/Matres stellt sich eine späte und verdunkelte Ausgestaltung der Möglichkeiten dar, die im Prinzip der grossen Mutter stecken. Er war am volkstümlichsten der Römerzeit der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. Die meisten Weihungen stammen von einfachen Soldaten, waren aber, nach Ausweis der vielen weder keltisch noch germanisch etymologisierbaren Namen die Entfaltung eines älteren Numens (204). Die "Mütter" sind meist dreifach und oft Segensgöttinnen einzelner Familien, gelegentlich mit Kindern auf dem Schoss. Sie tragen mitunter merkwürdige kugelige Hauben und sind mit Vögeln, Fischen, Schweinen, Bäumen, Girlanden dargestellt. Ihre Verehrung war tief verwurzelt, denn sie leben in den drei Marien und den drei Beten des Rheinlands und den drei Beten Tirols weiter unter christlicher Decke fort. Den Wormser "Beden": Embede, Worbede , Wilbede entsprechen die stärker verballhornten von Meransen in Südtirol: Aubet, Cubet, Quere (205). In Bede/Bete/Bötle(r) scheint sich ein keltisches Wort erhalten zu haben, das auch · im Namen der irischen K riegsgöttin Bodb steckt, deren männliches Gegenstück in Maro-bodus , Teuto-bodus, Ate-bodus etc. steckt. Als german. Verwandte wä re die friesische Göttin Baduhenna (206) hierherzustellen; sie lassen sich auf eine idg. Wurzel * badh- vereinigen, die etwa "schlagen" bedeutet, wozu altir. "buaid" = "Sieg, Glück" zu stellen wäre, ebenso der Name der britannischen Königin Boudicca/Boadicea (207). Auch die beiden tirol. Orte Matrei könnten, folgt man Kranzmayr (208) auf den Matronenkult zu beziehen sein. Dem steht freilich entgegen, dass lat. "materies" alpenromanisch einfach "Holzlagerplatz" bedeutet haben kann; romanische Abkömmlinge des Wortes bedeuten Bauholz/Holz wie spanisch "madera", portug. "madeira" (209). -48- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Zu den Beten/Beden gehören wohl auch die sogenannten Bötler-Relikte auf dem Mieminger Plateau (Nordtirol), Jo es Bötlersteige, -höhlen, -brunnen gibt, die das Volk als Bettlersteige etc. missverstand (210). Auch die Göttin Beda könnte hierher gehören (211). Die mannigfachen Beziehungen Griechenlands zum libyschen Raum beruhen keineswegs nur auf dem Verhältnis Thera-Kyrene (212), sondern eben auf einem letztlich gemeinsamen Substratgrund, der in der Gestalt der Athene Tritogeneia zutagetritt. Die Stadt Tritteia, der Flussname Triton auf südgriech. Boden gehören hierher. Herodots Feststellung, dass die Libyer nur die weiblichen Vorfahren zählen (213), lässt uns ebenfalls auf diesen Grund blicken. Die ursprünglich libysche, dann ägyptisch umgedeutete Neith erscheint wieder in der punischen Tanit (deren Name vielleicht nur volksetymologisch als semitisch aufzufassen wäre, vielleicht aber Neith mit einem berberischen Femininpräfix ist), die wiederum mit Astarte und der Athene Tritogeneia gleichgesetzt wurde. Wenn Wolff den Namen der Tanit als die "Ausgiessende" deutet und auf das Mondlicht bezieht (214), so hat er recht und unrecht zugleich: viel ansprechender wäre es, den Namen der Göttin sogleich vom Wasserbezug her zu deuten. In der Athene (215) erscheint die grosse Mutter durch alle Interpretationen hindurch, wie sie auch in Athene selbst erscheint, deren vorgriech. Name schon ihre voridg. Herkunft verrät. In ihrem Beinamen Pallas erscheint ein voridg. Wort für Jungfrau, das sich bis ins Drawida verfolgen lässt (216). Noch spät wird eine Pallene als Gattin des Dionysos genannt (217). Albert Herrmann (218) hat schlüssig gezeigt, dass der ursprüngliche Bereich der Athene Tritogeneia das Gebiet zwischen der kleinen Syrte und den sogenannten Schotts war. In jenen Zeiten nämlich, als die Schotts noch eine Meeresbucht darstellten, in die vom Ahaggar-Massiv herkommend, ein grosser Strom mündete. Auf einer Insel befand sich das libysche Tartessos, das man später mit dem hispanischen Tartessos und dem kilikischen Tarsos verwechselte. Auf dieser Insel scheint Athene Tritogeneia als Meeresgöttin, als Venus maritima verehrt worden zu sein. -49- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Übrigens lebt der Vorstellungskomplex der meerbezogene grossen Mutter noch heute fort im Kulttitel der Madonna: Stella maris. Apollonios Rhodios ahnt noch die alten Beziehungen (219), wenn er eine fiktive Genealogie aufstellt, wonach Garamas, ein Sohn Apollons und einer Tochter des Minos, mit einer Nymphe Tritonis den Nasamon, den Stammvater der Nasamonen zeugt: hier sind die Garamanten, die Nasamonen, Kreta und Libyen miteinander verknüpft. Übrigens ein Beispiel dafür, dass die fiktiven Götter- und Heroenmythologien sehr wohl in symbolischer Verdichtung historische Nachrichten enthalten können (220). Verschiedentlich kamen wir schon auf die grosse Mutter in ihrer Erscheinungsform als Orakelgöttin zu sprechen. In der Gestalt der Sibylle erscheint sie verselbständigt. Hier ist vor allem Dingen auf die libysche Sibylle zu verweisen, die eben im Rahmen unseres Bezugsfeldes keineswegs nur eine systematische Neuschöpfung ist, wie die ältere Philologie meinte, weil man jedem Bereich eine Sibylle zuteilen und ihre Zahl auf zehn oder zwölf bringen wollte (221). Zwei getrennte Überlieferungen über eine andere Sibylle, die delphische - von vielen für die ältere gehalten - zeigen das Beziehungsgefüge, in dem sie steht. Pausanias (222) sagt von der delphischen Sibylle - Herophile - sie sei eine Tochter des Zeus und der Lamia gewesen, die eine Tochter Poseidons war; dieser war nach Herodot ein libyscher Gott. Ihr Name aber sei ihr, vor dem trojanischen Krieg, von den Libyern gegeben worden. Clemens v. Alexandrien sagt (223), die Sibylle ist älter als Orpheus, sie kam aus Phrygien und hiess ursprünglich Artemis. Hinter der Sibylle erscheint die grosse Mutter und eine irdische Orakelpriesterin, eine Art Wala, wie sie die Berber kannten (224). Prokopios (25) spricht davon, dass bei den Libyern nur die Frauen prophezeien. Noch sehen wir, als die Araber in Nordafrika erobernd vordringen, eine libysche Wala und "Ric hterin" von der Art Deborahs; ihren wahren Namen kennen wir nicht, die Araber nannten sie halb ehrfürchtig, halb herabsetzend, die Kahinna, im Sinne von Hexe oder Zauberin (226). -50- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Zuletzt ein Wort über die Amazonen; die Amazonen\ Jberlieferungen sind kein Phantasiegebilde - wofür sie Schreibtisch-Philologen gerne halten, weil man damit eine Menge von Problemen listig aus der Welt schafft - sondern widerspiegeln, sagenhaft und legendär entstellt, historische, ethnische, religionsgeschichtliche Wirklichkeiten. In den beiden antiken Amazonenüberlieferungen - der kleinasiatischen und der libyschen, die keineswegs blass eine spätere Verdopplung der kleinasiatischen ist - treffen sich in Wirklichkeit zwei unabhängige Überlieferungen, die kleinasiatische und die libysche, die aber einen gemeinsamen Untergrund haben: den kriegerischen Aspekt der grossen Mutter, der sich in Verehrerinnen auswirkte. Die kleinasiatisch-südrussische Überlieferung geht von Skythenstäm men aus (227), die andere von libyschen Stämmen (228). Diodorus Siculus schildert sie nicht nur als männerfeindliche Kämpferinnen, sondern auch als Gründerinnen einer Reihe von Städten: Myrine, Kyme, Ephesos, Smyrna etc. (229). Hier erscheint eine dunkle Ahnung eines gemeinsamen Hintergrunds, eines gemeinsamen Substrats, wie wir heute sagen würden (230). Die libyschen Amazonen seien, meint Diodor, älter als die vom Thermodon und hätten auf der Insel Hespera im Tritonsee, unweit des Atlas, ihre Hauptstadt gehabt; Hespera, "die Westliche" , ist wohl identisch mit der Insel der Athene Tritogeneia. Von da aus wären die Amazonen bis zum Atlantik nach Westen und bis Phrygien nach Osten ausgeschwärmt: ein mediterranes Bezugsfeld. Besonders auf fallend ist Diodors Bemerkung, dass die Amazonenkönigin Myrina, die nach ihr benannte Städte gründete, die heilige Stadt Samothrake auf der gleichnamigen Insel gegründet hätte, um die Mutter der Götter zu ehren; Samothrake aber hiesse, übersetzt, "heilige Insel", - tatsächlich aber so etwas wie "Hochland der thrakischen Göttin". Man sieht, wie sich eine verdunkelte, aber richtige Nachricht von einer Insel der grossen Mutter mit einer falschen Etymologie mischt. Sicher ist, dass es eben einen ethnischen Hintergrund gab, einen religionsgeschichtlichen und sozialen (231). Auch in Kleinasien gibt es Verbindungen zu einer krie- -51- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 gerischen Göttin, der Mä. Der Name der kleinasiatischskythischen Amazonen erklärt sich am besten aus iran. "hamazana" = Kriegerin (232). Die alte Ausdeutung "Brustlose" - ist nichts als eine ziemlich läppische Volksetymologie, die durch keinerlei ikonographisches Zeugnis gestützt wird. In der Marienverehrung bricht die grosse Mutter im Christentum wieder durch; was um so bemerkenswerter ist, als das frühe Christentum seit dem hl. Paulus sich durchaus f rauenfeindlich gab, trotz Jesu persönlicher Wertschätzung der Frauen, was allerdings gerade seiner Mutter gegenüber nicht galt. Kennzeichnenderweise brach gerade in Ephesus die Verehrung der grossen Mutter wieder durch und dies ohne die geringste biblische Grundlage, ja gegen sie: die Magna Mater Ephesia verwandelte sich in die unbefleckte Gottesgebärerin, sie kehrt wieder als Theot6kos und Kour6t rophos. Der Goldschmied Dem et rios - dessen Name von dem der Demeter, einer grossen Mutter abgeleitet ist - hat nachträglich über den hl. Paulus gesiegt. Unsere Übersicht zeigte, dass die wenigen aber deutlichen Spuren der Verehrung eines weiblichen Prinzips auf den K a n a r i s c h e n I n s e l n nicht isoliert sind, sondern in den weiten Rahmen der Verehrung der M a g n a M a t e r M e d i t e r r a n e a einzubeziehen sind, die wir rings um das Mittelmeer in ihren verschiedenen Hypostasen und Gestalten verfolgen konnten: als weibliches Prinzip, als Fruchtbarkeitsgöttin, als Erdgöttin, als Herrin schlechthin, als Herrin der Unterwelt, als Orakelgöttin, als Schlangenherrin, als Kriegerin, als Todesgöttin, als Vorbild von Kollegien von Priesterinnen, Jungfrauen, Sibyllen und Amazonen. Und auch für heute gilt: die grosse Mutter lebt noch immer. Anmerkungen: (1) - Josef Wiesner, Vor- und Frühzeit der Mittelmeerländer 1-2, Berlin 1943 (Göschen); ders. Die Vorzeit des Mittelmeerraums, in: Kleine Kunstgeschichte der Vorzeit und der Naturvölker, ed. Hans Weigert, Stuttgart 1956, pp. 53-84; Friedr. Karl Kienitz, Völker im Schatten. Die Gegenspieler der Griechen und Römer von 1200 v. Chr. - -52- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 200 v. Chr., München 1981; Abriss der Vorgeschichte, in: Oldenbourgs Abriss der Weltgeschichte, München 1957, ßes. Karl J. Narr, Vorderasien, Nordafrika und Europa, pp.1-79; ibidem: Abriss der Geschichte antiker Randkulturen, München 1961, darin P. Lambrecht, Geschichte der Westkelten und der Iberer, pp. 1-6; J. D. Wölfel, Weissafrika von den Anfängen bis zur Eroberung durch die Araber, pp. 194-239; ders. Die Hauptprobleme Weissafrikas, in: Archiv für Anthropologie, Völkerforschung und kolonialen Kulturwandel, N.F. 27, 1942, pp. 89-140. (2) Vgl. Verfasser: Zur Religion der Berber. Spuren und Reste der libysch-berberischen Religion, in: Sahara-Studien, Hallein 1988, pp. 113-158 (3) J. D. Wölfel, Monumenta Linguae Canariae, ed. Alois Closs, Graz 1965 = MLC p. 438. (4) MLC p. 441 (5) nach Torriani, MLC p. 441 (6) MLC p. 365 und 442 (7) MLC p. 456 (8) MLC p. 457- 460 (9) Vgl. auch Karl Wipf. Die Religion der Ureinwohner der Insel Hierro, in: Almogaren XIII-XIV /1982-1983 (10) Johann Jakob Bachofen, Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt und ihrer religiösen und rechtlichen Natur, Basel 1861/1, 1897 /2, 1948/3 ed. Karl Meuli; dazu Lewis Henry Morgan, Ancient Society or Researches in the Lines of Human Progress f rom Savagery through Barbarism to Civilization, London 1877, dt. durch Karl Kautsky und Eichhoff Stuttgart 1891 als "Die Urgesellschaft"; John Ferguson McDennan, Primitive Marriage, London 1876, erweitert in "Studies in Ancient History, Comprising a Reprint of Ancient Marriage", London 1886; Robert Briffault, The Mothers, London 1959, zuerst New York 1927. (11) P. Wilhelm Schmidt, Das Mutterrecht, in Studia Instituti Anthropos X, Wien 1955. ( 12) Adolf Ellegard Jensen, Gab es eine mutterrechtliche Kultur? in: Studium Generale 3, 8, 1950, pp. 418- 433. (13) Bd. 3, Basel 1948, pp. 1011-1028. (14) s. v. "Mutterrecht" in Eberts Reallexikon der Vorge- -53- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 schichte VIII, 1927, pp. 360-380. ( 15) Josef Haekel, Zum Problem des Mutterrechts, in: Paideuma 5, 1953/54, pp.298-322, 481-508; Hermann Baumann, W. Schmidt und das Mutterrecht, in: Anthropos 53, 1958, pp. 212-228 (16) Sigmund Freud, Totem und Tabu, zuerst 1912/1913 in: Imago I und II, Wien, als Buch Wien 1913, London 1940, Gesammelte Werke IX; als Fischer-Taschenbuch 147, 1951. (17) Abb. z.B. bei Herbert Kühn, Die Felsbilder Europas, Stuttgart 1952, p. 241 ( 18) Andre Leroi-Gourhan, Les Religions de la Prehistoire, Paris 1971, in : Mythes et Religions 51 (19) etwa 15.000-10.000 v. Chr. Vgl. auch Karl Wipf, Die Phänomene des Göttlichen in urgeschichtlicher Zeit, in: Mannus 52, 1986, pp. 164-222 (20) Helmuth M. Böttcher, Die grosse Mutter, Zeugungsmythen der Frühgeschichte, Düsseldorf/Wien 1968, pp.5-15 (21) A. Marshack, Cognitive Aspects of Upper Paleolithic Engraving, in: Current Anthropology 13, 1972, pp. 445-477 (22) Böttcher op. cit. pp. 20-21 (23) Erhard Schlesier, Meudama. Die Empfängnistheorien und ihre Auswirkungen, in: Curare 2, 1979, pp. 97-104 (24) Hallenser Landesmuseum für Vorgeschichte, Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 6.10.1982, p. 48, laut Berlin AP (25) Aufnahme von drei Seiten bei Jellinek, Das grosse Bilderlexikon des Menschen der Vorzeit, Prag, dann Berlin/Wien/München 1972, p. 375 (26) Franz Eppel, Die Herkunft der Venus von Willendorf, in: La Nouvelle Clio 3, 1951, pp. 149-163 (27) Zu den Statuetten vgl. auch E. 0. James, Religionen der Vorzeit, Köln 1960, pp. 99-122; ders. The Cult of the Mothergoddess, London 1959 (28) Sibylle von Reden, Die Bedeutung der Muttergottheit in den frühen Kulturen der alten Welt, in: Karl Gutbrod, Geschichte der frühen Kulturen der alten Welt, Köln 1975, pp. 57-61 (29) Erich Neumann, Die grosse Mutter. Der Archetyp des grossen Weiblichen, Zürich 1956, pp. 99-122 "Die Vorzeitgöttin"; Richard Pittioni, Urgeschichte des österr. Raumes, -54- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Willendorf I, pp. 97-98 Willendorf II; Max Eberts Reallexikon 9p. cit. VII, 1926, pp. 139-139 ~30) James Mellaart, <;atal Hüyük, Stadt aus der Steinzeit, Bergisch-Gladbach 1967, pp. 32-33 (31) Mellaart op. cit. Tafel IX, Tafel 67, 68 (32) Marie E. P. König, Unsere Vergangenheit ist älter, Höhlenkulte Alteuropas, Frankfurt/M. 1980; dieselbe, Am Anfang der Kultur, die Zeichensprache des frühen Menschen, Berlin 19732 (33) Mellaart, op. cit. pp. 237-238 (34) Franz Harn~ar, Zum Problem der Venusstatuetten im eurasischen Jungpaläolithikum, in: Prähistorische Zeitschrift 30/31, 1939/1940, pp. 86-156. Gagarino pp. 98-105 (35) Hancar, op. cit. pp. 93-98 (36) Hancar pp. 105-106 (37) Hanc':ar pp. 106-124. Vgl. auch (allgemein) Karl Jettmar, Die Aussage der Archäologie zur Religionsgeschichte Eurasiens, in: Die Religionen Nordeurasiens und der amerikanischen Arktis, Stuttgart 1962, p. 308: Paulsson/ Hul tkranz/ Jett mar (38) Leonhard Franz, Frauenidole des vorderasiatischen Kulturkreises, in: Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft Wien 56, pp. 399-406; ders., Die Muttergöttin im Vorderen Orient und Europa, in: Der alte Orient, 35, 3, 1937, pp. 1-28 (39) Andrew Fleming, The Myth of the Mother-Goddess, in: World-Archaeololgy 1969, 1, pp. 247-261 (40) Stuart Piggot, Prehistoric India, Pelican Books 1950, pp. 105-109, 126-127 (41) Piggot, op. cot. pp. 201-202 (42) Zum Phallos vgl. den "Kleinen Pauly" 4, DTV 1979 s.v. Altertumswissenschaft = RE XIX, coll. 837, 1666- 1668, 1670-1748 nach Hans Herter; ders., "Hermes", in: Rheinisches Museum für Philologie, N.F. 119, 1976, pp. 193-241: Zum steinernen Phallos/Hermes; Joseph Wiesner, Die Thraker, Stuttgart 1963, p. ·113 (44) Strabo X, 3, 22 (Loeb Classical Library) (45) Gr. "phall6s" oder "phales", eigentlich das "Schwellende", besonders das künstliche Glied an Statuen und bei Ritualen. -55- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (46) Lexikon des Hesychios, 5.-6. Jh. n. Chr. Alexandrien, Ausgabe von M. Schmidt, Jena 1858-1868, s. v. Kybele (47) Dazu Oswald Szemerenyi, Etyma Graeca, m: Die Sprache XI, 1965, pp. 3-4 ( 48) Claude Brixhe, Le nom de Cybele, in: Die Sprache XXV, 1979, pp. 40-45 (49) Ladislaus Agusta, in: Die Sprache XXVIII, 1982, pp. 171-172 (50) Pausanias (Loeb Classical Library) X, 32, 3 (51) Drei mythographische Sammlungen, davon wichtig besonders die dritte, aus dem 9. Jh. n. Chr. P. J. Elder, A critical edition of the Vatican mythographers, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association, New York, 78, 1948, pp. 189-298 = III, 22 (52) Livius 29, 10, 11: der Stein fiel vom Himmel, ist Mutter der Götter; vgl. Ovid, Fasti IV, 327 (53) Für diese und noch weiter gespannte Zusammenhänge, bis zur Ka'aba in Mekka als einem ursprünglichen Symbol einer weiblichen Gottheit vgl. Robert Eisler, Kuba, Kybele, in: Philologus 68, 1909, pp. 118-151, 161-209 (54) Pausanias VII, 17, 9, zu Aktaion ibidem III, 28, 5 (55) Hermann Baumann, Das doppelte Geschlecht, Berlin 1955; J. Winthuis, Mythos und Kult der Steinzeit, Stuttgart 1935 (etwas spekulativ); Ernst Benz, Adam, der Mythus vom Urmenschen, München-Planegg, 1955 (religionsphilosophisch- theologisch); Robert Merle, L 'homme, le rhythme et la symmetrie 1955 (biblisch-spekulativ); zum antiken spekulativen Mythos über den Urandrogyn vgl. Plato, Symposion 189e; zum androgynen Juppiter vgl. Augustinus, De civitate Dei VII, 11, nach Valerius Soranus; zur gnostischen Spekulation über den Urandrogyn vgl. Hippolytos, Adversus haereses V, 8 (56) Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum cp. 20; Justinus Martyr, Dialogus cum Judaeo Tryphone cp. 70; dazu Franz Cumont, Die Mysterien des Mithra, Leipzig/Berlin 1923/3, pp. 118-119; zur mythräischen Höhle vgl. Porphyrios, De antro nympharum VI, 20 (57) Vgl. auch J. Vermaseren, Mithras, Stuttgart 1956; Leo Widengren, Die Religionen Irans, Stuttgart 1965, pp. 222-223 (58) Otto Kern, Die Religionen der Griechen I, 1926, 34-35 -56- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (59) Claudius Claudianus, De raptu Proserpinae I, 201-202, fd. Ludwig Jeep, Leipzig 1876, vol. II (60) Arnobius, Adversus Nationes V, 5, ed. Aug. Reifferscheidt, Wien 1875, in: Corpus Ecclesiasticorum Scriptorum Latinorum IV; dazu RE I, Stuttgart 1894, coll. 767- 768; RE 37, Stuttgart 1937, coll. 1104-1113 (Stein von Pessinus); RE 11, Stuttgart 1922, coll. 2250-2298 (Kybele) (61) Otto Haas, Neue spätphrygische Texte, in: Die Sprache 6,1960, pp.27-28; dazu s. V. Ma in "Kleinen Pauly III" (62) Herodot IV, 110. Zu den Lallnamen vgl. noch Fritz Schachermayr, Podeidon und die Entstehung des griechischen Götterglaubens, Salzburg 1950, p. 64 Anm.; Paul Kretschmer, Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache, Göttingen, 1896, pp. 334-357; derselbe, Altindisch 'anba', in: Kuhns Zeitschrift für vergl. Sprachforschung auf dem Gebiet der idg. Sprachen 57, 1930, pp. 251-255 (63) Herodot I, 131; Pausanias VIII, 6, 6 (Persische Artemis) (64) Pausanias III, 16, 8 (65) Franz Cumont in Hastings Encyclopaedia of Ethics and Religion I, Edinburgh 1908, pp. 414-415 (66) Widengren, op. cit., pp. 18-19 (67) Vgl. dazu Verfasser, Zur Religion der Berber. Spuren und Reste der libysch-berberischen Religion, m: SaharaStudien, Hallein 1988, pp. 113-158 (68) Epiphanius, Adversus haereses, op. cit, II, 51 (69) 1 Kön. 15, 13; Ri 6, 26 (70) Maria Häfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens, in: Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer, Stuttgart 1970, pp. 268-272 (71) Hartmut Gese, Die Religionen Altsysriens, op. cit., pp. 149-155 (72) Gese, op. cit., pp. 156-164 (73) Alfred Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, Leipzig 1930/4, pp. 691-692; dazu Der Prophet Jeremias=Jer. 7 ,18; 44, 17-19 (74) Is. 7, 14. Zum semitischen Bereich vgl. allgemein noch immer mit Gewinn W. Robertson Smith, Die Religion der Semiten, zuerst dt. Tübingen 1899; Nachdruck Darmstadt 1967 (75) Ditlef Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin, in: Zeit- -57- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 schrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft 92 = N.F. 17, pp. 504-551 (76) Is. 14, 12 (77) Sure 72, 3 (78) Rudi Paret, Der Koran (Übersetzung) Bd. 1, Stuttgart etc. 1962, Bd. 2, Stuttgart 1971 (Korankommentar und Konkordanz, zu Sure 72,3 und 2,116 (79) Ri 3, 5-7; 6, 25-32 (80) Exodus 29, 45 (81) Sohar 1, 34b; vgl. dazu: The Zohar, transl. by Harry Sperling and Maurice Simon, vol.1, London 19563 , pp.130-131 (82) Raphael Patai, The Goddess-Cult in the Hebrew-Jewish Religion, in: The Realm of the Extra-Human, Agents and Audiences, The Hague/Paris 1976, ed. Aghenanda Bharati, pp. 197-210 (83) Gerschom Schalem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Zürich 1957, pp. 248-251; derselbe, Von der mystischen Gestalt der Gottheit. Studien zu Grundbegriffen der Kabbala, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 209, 1962/1, 19722 , pp. 135-191 (84) Gerschom Schalem, Das Buch Bahir, Darmstadt 1970 (zuerst Leipzig 1923), pp. 44-45 = Kapitel 43 (85) Buch Bahir, Kap. 90 (86) The Zohar, op. cit., vol. 1, 162ab (87) Kition im Gebiet des heutigen Larnaka und südlich davon am Salzsee von Larnaka. Vgl. Vassos Karagheorghios, Kition, Bayrisch-Gladbach 1976, bes. 205-210 (88) Colin Thubron, Zypern, München 1976, pp. 21-22. Zuerst engl. London 1975 (89) Vassos Karagheorghios, Zypern, München 1978, Archaeologia Mundi, zuerst Genf 1968, p. 64, Abb. 49; Abb. 47 (90) Sibylle von Reden, Die Insel der Aphrodite. Vergangenheit und Gegenwart Zyperns, Köln 1969, p. 31, pp. 48-59; Abb. 6, 9, 10 ( 91) Reden, op. cit., pp. 48-59 (92) Reden, op. cit., pp. 68-112 (93) Odysssee VIII, 363; III, 380 Athene als Vanassa (94) P. Perdriset, Cultes et Mythes de Pangee, in: Annales de l 'Est 24, 1910. Zu Bendis/Mendis Herodot IV, 33 (95) G. Kazarow in RE Reihe 2, 11, 1896, coll. 472-551; -58- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Zlatozara Goeeva, Die Religion der Thraker, m Klio 68, ~918, pp. 84-91 (;96) Strabo X, 3, 16 (97) Charles Picard, Die Ephesia von Anatolien, in: EranosJahrbuch 6, 1938, Zürich, p. 62 (98) Diodorus Siculus III, 61 (99) Pausanias X, 12, 3-7 ( 100) Diodorus Siculus V, 70, 2; Strabo X, 4, 8; Pausanias V, 7, 6 (101) Hesiod, Theogenie 453 ( 102) Friedrich Matz, Kreta, Mykene, Troja, Stuttgart 19573 ' p. 85 ( 103) Apollodoros, Bibliotheke I, 5; Kallimachos, Hymnus I, 46 (104) Tibullus II, 5, 67; Lactantius, Divinae Institutiones I, 6, 10, Lactantius zitiert Varro ( 105) Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen 1, DTV 19662 , zuerst Zürich 1951, pp. 75-77; Robert Graves, The Greek Myths, Penguin Books 1955, vol. 1, p. 42 (Graves will Amaltheria als die "Zarte" erklären, weil er sie als einen jungfräulichen Aspekt der grossen Mutter auf fasst. (106) Pausanias II, 32, 8 ( 107) Odyssee IX, 188 ( 108) Ilias XI, 270 ( 109) Stylianos Alexiou, Minoische Kultur, Göttingen 1976, p. 92 (110) Friedrich Matz, Kreta und frühes Griechenland, Baden- Baden 1962, pp. 58-62 ( 111) Paul Baur, Eileithyia, in: Philologus, Supplement 8, Leipzig 1899-1901, pp. 451-512 ( 112) Pausanias IX, 27, 2 (113) Pausanias VIII, 21, 3 (114) In Hermione, Sparta, Messene, Olympia, Agion, Pellene, Megalopolis, Tegea etc. Baur, op. cit., p. 467 (115) Hans Egli, Das Schlangensymbol. Geschichte, Märchen, Mythos, Olten etc. 1984, pp. 169-174 (Die Magna Mater und die Schlange) (116) Odyssee VI, 102 (117) Odyssee XV, 409 (118) Pausanias VII, 19, 1 (119) Der kleine Pauly I, s.v. Artemis -59- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (120) Walter Schmid, Der Kultwagen von Strettweg, m: Führer zur Urgeschichte 12, Leipzig 1934 (121) Ferdinand Tremmel. Land an der Grenze. Eine Geschichte der Steiermark, Graz 1966, pp. 10-20; Richard Pittioni, Urgeschichte des österr. Raumes, Wien 1954, p. 621 ( 122) Karl Kerenyi, Das göttliche Mädchen, in: Albae Vigilae 8/9, Zürich 1941; Hans Peter Duerr, Traumzeit, Über die Grenze von Wildnis und Zivilisation, edition suhrkamp 19852 , N.F. 345, bes. pp.33-38, 39-67, 257-356 ( 123) Wilhelm Mannhardt, Mythologische Forschungen, Strassburg 1984, pp. 202-350. Zur Ansicht, dass der Name der Demeter keine Zusammensetzung sei, vgl. Sonne in der Zeitschrift für vgl. Sprachforschung X, 1933, der es von "demos"= Volk ableitet. A. J. van Windekens, Demeter, nom grec d'une deesse egenne, in: Die Sprache XII, 1966, pp. 94-97 will den Namen als "Gabenmutter" erklären, zur Wurzel von gr. daomai, lat. dare (124) Pausanias X, 12, 10; Carl Robert, Pandora, Hermes 49, 1914, pp.17-38; Jane Harrison, Prolegomena to the study of Greek Religion, 1955/4, pp. 267-271 (125) Harrison, op. cit., pp. 283-285 (126) Imre Trencsenyi-Holzapfel, Pandora-Mythen, in: Untersuchungen zur Religionsgeschichte, Budapest 1966, pp. 49-75 (127) Pandora, Demeter etc. sind offensichtliche Neubenennungen aus idg. Wortgut für ältere voridg. weibliche Ortsnumina, die vielleicht einst Lallnamen trugen wie Ge oder Mä (128) RE IV, coll. 2517-2700; dazu Suppl. IV, coll. 1189- 1432, Suppl. V, coll. 61-152 ( 129) Robert Luyster, Symbolic Elements in the Cult of Athena, in: History of Religions 5, pp. 133-163; Harrison, op. cit, pp. 300-307 ( 130) C. J. Herrington, Athena Parthenos and Athena Polias, Manchester 1955, pp. 43-47 (131) Pausanias I, 26, 6 ( 132) Pausanias V, 3, 2 (133) G. van der Leeuw, The Form of the Mother, in: Religion in Essence and Manifestation, New York 1963, vol. 1, pp. 91-101 -60- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (134) Friedr. Focke, Pallas Athene, in: Saeculum 4, 398 ff. ~135) Walter Ruben, Eisenschmiede und Dämonen in Indien, in: Intern. Archiv für Ethnographie 37, 1939, pp. 215-233. Dazu Heinrich Zimmer, Die indische Weltmutter, in: Eranos-Jahrbuch VI, 1938, pp. 175-220. Für ältere Ansichten vgl. auch RE IV. 1896, coll. 1941-2020 ( 136) Hedwig Kenner, Athena und die Götterwelt der Austria Romana, in: Jahreshefte des österr. archäol. Instituts in Wien 51, 1976/77, pp. 107-140 ( 139) E. A. Wallis Budge, The Gods of the Egyptians or Studies in Egyption Mythology, vol. 2, New York 1969/2, zuerst London 1904, pp. 201-221 (138) Pausanias X, 32, 8-19 ( 139) Hermann Kees, Der Götterglaube der alten Ägypter, Leipzig 1941 , pp. 162-163 ( 140) Ambras J. Pfiffig, Religio Etrusca, Graz 1975, pp. 255-258 (141) Vitruvius, De architectura (Loeb Classical Library), vol. I, I, 7 (142) Pfiffig, op. cit., pp. 255-258 (143) Zu Aeneis XI, 259 (144) Jost Trier, Etymologien um das Futterlaub, in: Münsterische Forschungen 15, Köln/Graz 1963 ( 145) Aeneis VII, 372; dazu Servius, Plinius n.h. (Loeb Classical Library) III, 56 (146) Suetonius, Caesar VI, 6 (Loeb Classical Library) (147) Diodorus Siculus, IV, 83; Strabo VI, 272 (148) Servius zu Vergils Georgica I, 7 ( 149) Uberto Pestalozza, I Carratteri indigeni de Cerere, Milane 1897 (150) Anghelu Ruju; Franz Altheim, Römische Religionsgeschichte, vol. 1, Baden-Baden 1951, pp. 17-41 (151) Vgl. besonders Johannes Maringer, Vorgeschichtliche Religion, Zürich/Köln 1952, pp. 245-247: der Stier paläolithisch (152) Lauth, Der Apiskreis, in: Sitzungsbericht der Bayr. Akademie der Wissenschaften, Phil.-Histor. Classe, 1879, pp. 193-265 (153) Winfr. Bühler, Europa. Ein Überblick über die Zeugnisse des Mythos i. d. antiken Literatur u. Kunst, München 1968 -61- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (154) Giovanni Lilliu über Korsika in: Frühe Randkulturen des Mittelmeers, Baden-Baden 1967, p. 10 (155) Lilliu, op. cit., p. 12 (156) Lilliu, op. cit., p. 10 (157) Lilliu, op. cit., p. 53 (158) Lilliu, op. cit., Tafel VI; Kunst und Kultur Sardiniens, Ausstellungskatalog Karlsruhe 1980, Farbtafel 1, p. 225; pp. 20-25, 33-36; weibliche Menhire Tafel IV, p. 43, p. 97 aus der Nuraghenzeit, etwa 2000 v. Chr. (159) Kunst und Kultur etc., op. cit., p. 29 (160) Kunst und Kultur, op. cit., p. 41, Abb. 30 (161) Kunst und Kultur, op. cit., p. 28 (162) Kunst und Kultur, op. cit., p. 41, Abb. 30 (163) Die gegenteilige Auffassung bei Margarete Riemschneider, Augengott und heilige Hochzeit. Fragen zur vorgeschichtlichen Religion 1, Leipzig 1953, die das Augenpaar auf Zwillingsgötter und hl. Hochzeit deuten will. Für die Deutung auf die grosse Mutter vgl. O.G.S. Crawford, The Eye Goddess, London 1957 (154) Harrison Lewis, Ancient Malta, A Study of Antiquities, Gerrards Cross, Bucks. 1977; Michael Ridley. The Megalithic Art of the Maltese Islands, Poole, Dors. 1976; John D. Evans, Malta, Köln 1959, pp. 48-65 (Abb.); ders. Prehistoric Antiquities of the Maltese Islands, London 1970; Encyclopaedia of World Art IX, New York etc. 1954, coll. 4111-419, 673-674; T. Zammit, The Prehistoric Remains of the Maltese Islands, in. Antiquity IV, 1930, pp. 55 - 79; Bernab6 Brea, Malta and the Mediterranean, in: Antiquitiy XXXIV, 1960, pp. 132-137 (195) C. Renfrew, Carbon 14 and the Prehistory of Europe, in: Scientific American 25, 1971, pp. 63-72; dazu Barthel H rouda, ed. Methoden der Archäologie. Eine Einführung in ihre naturwisschaftlichen Techniken, München 1978; darin Werner Rauert, Die Kohlenstoff-14 Datierungsmethode, pp. 111-124 (166) Lewis, op. cit., p. 29 (167) Ridley, op. cit., p. 77 (+ Abb.) (168) Evans, op. cit., bes. Abb. 48-65 (169) Evans, op. cit., Abb. 49 (170) Evans, op. cit., Abb. 50 -62- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (171) Antonio Beitran, Felskunst der spanischen Levante, Ij3ayrisch-Gladbach 1982, p. 43 (Aus der Reihe "Frühe Spuren des Menschen", ed. Emmanuele Anati) (172) Evans, op. cit., p. 123, Abb. 22 (173) Evans, op. cit., Abb. 57. Vgl. Ingeborg Tetzlaff, Malta und Gozo, Köln 1977, Abb. 45 (174) Ridley, op. cit., p. 30 (175) Jan Filip, Die keltische Zivilisation und ihr Erbe, Prag 1961; Julius Pokorny, Das nichtindg. Substrat im Irischen, in: Zeitschrift für keltische Philologie 16, 1927; 17, 1928; 18, 1930; ders., Keltisch-Baskisches-Hamitisches, ibidem 18, 1930; Reche in Eberts Reallexikon der Vorgeschichte VI, 1926, pp. 280-301; Rudolf Pittioni, Zum Herkunftsgebiet der Kelten, in: Sitzungsbericht der österr. Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse 233, 1959; J. Pokorny, Keltische Urgeschichte und Sprachwissenschaft, in: Die Sprache V, 1959, pp. 152-164 ( 176) Marie Luise Sjoestadt, Gods and Heroes of the Celts, London 1949; Jan de Vries, Kelt. Religion, op. cit., pp. 119-120 (177) Zu Medb vgl. bes. Josef Weisweiler, Keltische Frauentypen, in: Paideuma 2, 1941, pp. 1-19 (178) Klaudios Ptolemaios, Geographias Hyphegesis II, 2, 7 (179) Jan Przyluski, Ursprünge und Entwicklung des Kultes der Muttergöttin, in: Eranos-Jahrbuch 6, 1939, besonders pp. 13-14 (180) Alfred Holder, Altceltischer Sprachschatz, 3 Bände, 1896/1, Leipzig, Nachdruck 1961 Graz, vol.1, coll.1225-1239 (181) Richard Meister, Der Name der Donau, Zeitschrift für vgl. Sprachforschung N.F. 78, 1963, pp. 52-54 ( 182) Paul Kretschmer, Zum Balkanskythischen, in: Glotta 24, 1936, pp. 1-35 (183) de Vries, Keltische Religion, op. cit., p. 82 (184) Vgl. z. Bsp. die hebräischen Rephaim, die Enakiter, Og von Basan; Josua 12,4-5 (Rephaim), Josua 11, 21-22 (Enakiter), 5 Mos. 1, 4 (Og von Basan), 2 Sam. 21, 19 (Goliath aus Gath.) (185) N. K. Sandrars, The Sea Peoples. Warriors of the Eastern Mediteranean, London 1978, pp. 161-164; R. Stadelmann, Die Abwehr der Seevölker unter Ramses III, in: -63- © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Saeculum 19, |
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