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1. Teil © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Almogaren XXIII / 1992 Hallein l 993 13 - 40 Dominik JosefWölfel Sind die Ureinwohner der Kanaren ausgestorben?* Eine siedlungsgeschichtliche Untersuchung, ausgefiihrt mit Hilfe der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Die vorhergehenden Ausführungen** von Prof. Eugen Fischer haben klar gemacht, daß alle anthropologischen Tatsachen dafür sprechen, daß die Ureinwohner der Kanaren in der heutigen Bevölkerung weiterleben. Von vornherein ist ja eine solche Annahme wahrscheinlich, da die restlose Ausrottung einer Vorbevölkerung nur dort bezeugt ist, wo Ackerbauvölker auf schweifende Sammler und Jäger stießen, wo dann die einen den ihnen notwendigen weiten Lebensraum verloren, während die anderen aus den Vorbewohnern weder Kulturgenossen noch Arbeitskräfte gewinnen konnten. Wie bei allen Fragen der Geschichte können uns prinzipielle Erwägungen, mögen sie auch noch so richtig sein, für den Einzelfall keine Gewißheit geben, hier gibt es nur einen Beweis aus den Tatsachen. Wenn wir hoffen, im folgenden einen tatsächlichen Nachweis des Weiterlebens der Ureinwohner bieten zu können, so stützen wir uns dabei vorerst auf drei Autoren, die in verschiedenem Grade und mit stets wachsenden Möglichkeiten schon früher diesen Beweis versuchten. Es sind dies: Sabin Berthelot, der in seinen zahlreichen Arbeiten über die Kanarischen Inseln immer wieder diese Ansicht vertrat und einzelne Belege dafiir beibrachte, nach ihm dann R. Verneau, der an den lebenden Einwohnern darauf hinwies und schließlich D. Agustin Miliares, der als erster in weitem Ausmaß dokumentarische Quellen zur Beweisführung benutzte und die Tatsache des Weiterlebens im Prinzip sicherte. Die Arbeiten dieser drei wurden dann in letzter Zeit von D. Rafael Tones Campos in seiner Apologie der spanischen Kolonisation der Inseln geschickt zusammengefaßt, in den Rahmen der anderen schon bekannten Literatur eingefügt, und mit einigem neuen Material erweitert. Die Unterstützung der Österreichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe hat es mir nun in diesem Jahre möglich gemacht, durch die Auffindung neuer Anmerkungen der Redaktion: * Zuerst erschienen in Zeitschrift für Ethnologie 62/1930, Berlin 1931, S. 282-302 * * Diese Angabe bezieht sich auf den im gleichen Band erschienenen Aufsatz von Eugen Fischer: Sind die alten Kanarier ausgestorben?.- Zeitschrift für Ethnologie 62/1930, Berlin 1931 , S. 258-281 13 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 zeitgenössischer Dokumente in den spanischen und in den römischen Archiven die Beweismittel in ungeahnter Fülle zu erweitern und die Frage endgültig zu klären. Im großen und ganzen bleibt jetzt nur mehr die Aufgabe, in sorgfältiger Detailforschung Ort und örtlichen Hundertsatz dieses Weiterlebens festzustellen und damit die Unterlagen für, die anthropologischen und volkskundlichvölkerkundliche Untersuchungen der Lebenden zu schaffen. Wir werden im folgenden sehen, bis zu welcher Genauigkeit der Beweis auch jetzt schon reicht. Wie kam es aber nun überhaupt zu der allgemeinen Annahme, daß die Kanarier ausgestorben seien? Vor allem gab es dafür Zeugnisse ziemlich alter Autoren. Schon 1550 sagte Francisco Thamara (l ), daß nur wenige der Eingeborenen leben. Dreißig Jahre später erzählt unser Girolamo Benzoni (2) gar, daß überhaupt nur mehr einer von ihnen existiert. Mehr als hundert Jahre später aber weiß Le Maire doch das Richtige zu erkunden, wenn er schreibt: "Die Spanier wollten das Land unbedingt ihrer Herrschaft unterwerfen und schickten daher eine große Menge der Einwohner als Sklaven nach Spanien. Jene, die in ihrem Vaterland geblieben sind, haben sich zivilisiert und leben in der Weise ihrer Besieger (3)". Wir werden sehen, wie richtig beide Angaben sind. Entscheidend aber für die Literatur des 19. Jahrhunderts wurden die Deklamationen D. Jose de Viera y Clavijo's (4), der die Einwohner als schon bald nach der Eroberungszeit ausgestorben erklärt und sich nicht genug tun kann in der Schilderung der Ausrottung durch die Europäer. Mag die Apologie von Torres Campos (5) auch weit über das Ziel schießen, jedenfalls unterscheidet sich die Kolonialpolitik der Spanier auf den Kanaren, in Südamerika, Mittelamerika und auf den Philippinen sehr zum Vorteil der Eingeborenen von der der anderen Kolonisations völker. Von Viera y Clavijo übernahmen alle folgenden Autoren diese Auffassung und erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertrat Berthelot die richtige Ansicht. Aber auch die Arbeiten Berthelots und Vemeaus hinderten nicht, daß man weiter von den ausgestorbenen Kanariern spricht. Viera y Clavijo selbst bringt in seinem Geschichtswerke eine Unmenge von Belegen dafür, daß die Kanarier nicht ausgestorben sind, die alten Geschichtsschreiber, die zum Teil als Augenzeugen, wie Cedefio (Sedefio) und Escudero ( 6), zum Teil als Zeitgenossen, wie die spanischen Chronisten dieser Zeit, zum Teil nur hundert Jahre später schrieben (7), sind überhaupt nur ein einziger Beweis dafür. überblicken wir zuerst einmal die politische Lage und die Bevölkerung der Inseln vor der Eroberung. Lanzarote war schon bevor Jean de Bethencourt die Eroberung begann durch Sklavenraub ziemlich bevölkerungsarm geworden, alle Zahlenangaben der alten Autoren geben niemals mehr als einige hun- 14 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 dert Einwohner. Etwas mehr Bewohner zählte Fuerteventura, sicherlich aber unter Tausend. Von Hierro wird uns berichtet, daß Bethencourt etwa hundertfünfzig durch Treubruch und Verrat in seine Hände gelangte Einwohner und ihren König als Sklaven wegführte und verkaufte. Daran hat man die Behauptung geknüpft, daß in Hierro so gut wie gar keine Eingeborenen zurückblieben. Wir werden im folgenden sehen ob das zutrifft. Jedenfalls wäre· bei der schwachen Bevölkerungszahl dieser drei Inseln die Möglichkeit, daß auch weiterlebende Eingeborene in der Masse der europäischen Einwanderer auf gesogen wurden, nicht ganz von der Hand zu weisen. Trotzdem wird dies auch für diese drei schwachbevölkerten Inseln zu einer Unwahrscheinlichkeit, wenn wir wissen, daß nach den ziemlich übereinstimmenden Angaben aller alten Schriftsteller, die Millares (8) zusammenfaßt, am Ende des 15. Jahrhunderts Lanzarote und Fuerteventuraje 900 Einwohner, Hierro deren 400 hatten. Das ist eine Anzahl, wie sie durch die natürliche Vermehrung der eingeborenen Bevölkerung, sobald sie einmal halbwegs vor dem Sklavenraub geschützt war, leicht erreicht werden konnte, wenn man auch weiß, daß die drei Inseln zur Eroberung und Besiedlung der drei großen Inseln Gran Canaria, Tenerife und La Palma viel Blut abgaben. Wir wissen aber ganz genau, daß die normannischen Einwanderer sehr gering an Zahl waren, so gering an Zahl, daß sie schon in der zweiten Generation vollkommen hispanisiert waren, und wir haben keinerlei Nachricht darüber, daß eine nennenswerte spanische Einwanderung in sie erfolgte, da die Inseln arm waren, unter einem fürchterlichen Steuerdruck standen und sich eben gleichzeitig den Bewohnern der Länder der kastilischen und jenen der aragonischen Krone die schönsten Niederlassungsmöglichkeiten in den neugewonnenen früher maurischen Ländern des südlichen Spanien boten. Aber wir haben auch direkte Beweise dafür, daß das spanisch-normannische Element auf diesen drei Inseln eine Minderheit darstellte. Cadamosto (9), der die drei Inseln 50 Jahre nach der Eroberung besuchte (J 555) sagte ganz ausdrücklich: "Die Bevölkerung der eroberten Inseln", das waren damals nur die drei, "setzt sich zum größten Teil aus Eingeborenen zusammen, die sich untereinander nicht verstehen, wegen der Verschiedenheit der Dialekte". In der Chronik der ersten Eroberung beschrieb Le Verrier ( I 0), wie Bethencourt dem eingeborenen König von Lanzarote und den beiden Königen von Fuerteventura eine reichliche Landschenkung machte. Maciot de Bethencourt, der Neffe des normannischen Eroberers und Statthalter, von 1420 bis etwa 1450 Herr der Insel Lanzarote, heiratete Teguise, die Tochter des Königs Guardafia von Lanzarote und hatte Nachkommenschaft von ihr, und eine Enkelin desselben Luis Guardafia, Dona Catalina Da-Fia, ist die Geliebte Sancho de Herreras, des 15 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Feudalherrn von Lanzarote, der die Tochter aus dieser Ehe, Dofia Constanza, legitimiert und zu seiner Erbin, d. h. zur Herrin Lanzarotes, macht, so daß das alte Herrscherhaus, ganz nach dem eingeborenen Mutterrecht, wieder zur Herrschaft kommt. Noch beweiskräftiger sind vielleicht die Wendungen in den Privilegien, die Don Enrique de Guzman, Conde de Niebla, zwischen 1420 - 1434, den beiden Inseln Fuerteventura und Lanzarote gewährt (11 ). Es heißt darin: "Weil es den Königen und großen Herren, besonders jenen, welche eine neue Eroberung zur Bekehrung Ungläubiger haben, zukommt, Gutes zu tun und Gnaden zu erweisen, gewähre ich Euch meinen Vasallen und Einwohnern meiner Insel Fuerteventura, die Ihr zu diesem Glauben bekehrt seid, und um Euch besser anzueifern mit Euren Herzen gut zu wirken und zu leben in diesem Glauben usw." Und genau dieselbe Wendung gebraucht er auch gegenüber den Bewohnern von Lanzarote. Daß diese Wendung gegenüber Cristianos viejos, wie es die normannischen und spanischen Einwanderer gewesen waren, nicht nur sinnlos, sondern_gerade zu eine Beleidigung wäre, liegt auf der Hand, wenn er sie also gebrauchte, dann muß sie auf die übergroße Mehrheit der Einwohner zutreffend gewesen sein. Wir sehen außerdem aus den Urkunden und Zeugenaussagen der genannten Pesquisa, daß die sicher von Spanien stammenden Personen, die darin erwähnt werden, Kaufleute sind, also nicht recht als Ansiedler in Betracht kommen, und daß die Einwohner immer "Naturales" (Eingeborene) genannt werden. Da die eingewanderten Normannen und Spanier meistens keine Frauen herüberbrachten, sondern, ebenso wie es auf den später eroberten Inseln geschah, eingeborene Frauen heirateten, wird der Hundertsatz des Europäerblutes noch nicht herabgesetzt und man könnte also sagen, daß diese beiden Inseln rein kanarisch geblieben sind, wenn wir nicht die Belege einer ganz massenhaften Einwanderung von gefangenen, versklavten und später emanzipierten Berbern im 15. und 16. Jahrhundert hätten. Im 16. Jahrhundert dürfte das neu eingewanderte Berbertum mindestens ein Drittel der Bevölkerung betragen haben. Wir werden weiter unten noch darauf zurückommen. Noch klarer liegen die Dinge für Hierro, trotz der von Bethencourt hinweggeführten Gefangenen. Abreu Galindo ( 12) berichtet, daß Jean de Betancor in Hierro den Vizcayer Lazaro als Statthalter zurückließ, der mit seinen Leuten die Eingeborenen plagte und vergewaltigte, worauf diese sich erhoben und den Lazaro töteten, seine Leute aber belagerten. Diese Episode wird von anderen Autoren etwas anders, aber doch im wesentlichen gleich berichtet. Maciot de Bethencourt bestrafte 16 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 die schuldigen Europäer und die zufriedengestellten Eingeborenen kehrten wieder zum Gehorsam zurück. Das alles setzt aber voraus, daß die Eingeborenen nicht nur nicht ausgerottet waren, sondern daß sie außerdem noch in beträchtlicher Überzahl sein mußten, wenn sie die soviel besser gerüsteten Europäer belagern konnten. Aber es muß nicht nur die Unterschicht der Eingeborenen, sondern auch ihr Adel auf dieser Insel weitergelebt haben, denn etwa 70 Jahre später lebt ein Vetter der Ines Peraza, Erbin und Feudalherrin der Inseln, als Statthalter auf Hierro und dieser Luis Gonzalez Martel de Tapia heiratete eine wunderschöne Eingeborene der Insel (13). In diese Insel ist, soviel ich sehen kann, keine, oder wenigstens keine nennenswerte Einfuhr von Berbersklaven erfolgt. Schwieriger darzustellen, aber nicht weniger beweiskräftig in unserem Sinne ist die Sachlage auf der Insel Gomera. Bezüglich Gomeras verfügen wir nun, dank der glücklichen Funde meiner Archivreise, über ein reiches, völlig neues Material, aus dem sich ergibt, daß jedenfalls die Behauptung einiger der alten Autoren, daß auch diese Insel bereits bald nach 1400 erobert wurde, falsch ist (14). Andere Autoren schrieben ganz richtig die Eroberung entweder Heman Peraza dem Älteren, etwas vor 1450, oder Diego de Herrera, etwas nach diesem Zeitpunkt zu (15). Wenn wir es nicht bereits aus den vielen Aufständen der Gomerer, von denen die genannten Autoren berichten, wüßten, so würden es uns unsere neuen Dokumente lehren, daß die Eroberung bis gegen 1485 eine sehr zweifelhafte war ( 16). Azurara (17), dessen Chronik 1445 geschrieben wurde, mit den Ereignissen aber, die er schildert, in das Jahr 1430 zurückgeht, kennt die Insel noch als völlig unabhängig, wenn sie auch in lebhafte Handelsbeziehungen zu den Europäern getreten ist und ihre Eingeborenen als Hilfstruppen die Europäer im Sklavenraub auf den drei großen Inseln unterstützten. Dabei kam es freilich öfters vor, daß die ehrenwerten europäischen Sklavenhändler auch gleich ihre gomerischen Bundesgenossen nach Europa mitnahmen und verkauften. So kam der Häuptling Piste nach Lissabon, wurde aber dort von Prinz Heinrich dem Seefahrer befreit, gastlich aufgenommen und reich beschenkt in die Heimat entlassen. Dieser Piste und der neben ihm von Azurara erwähnte Häuptling Bruco scheinen dann auch mit zweien der Stämme der Insel die portugiesische Partei gebildet zu haben. Jedenfalls schildert aber Azurara die Insel noch als ganz heidnisch und unzivilisiert. Unmittelbar darauf aber hatte der Bischof Fray Fernando Calvetos von Lanzarote aus missionarische Beziehungen zu Gomera angeknüpft, die sich von 1431, dem Ernennungsjahr dieses Bischofs, bis zum September 1434 derartig entwickelt haben, daß Papst Eugen IV dem "Herzog" Chimboyo einen 17 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Geleitbrief schicken konnte, in dem er ihn regelrecht zur Katechisation auf seiner eigenen und den anderen Inseln ermächtigte und seinen frommen Eifer lobt. Es muß damals schon ziemlich viele Christen auf der Insel gegeben haben. Andere päpstliche Urkunden an den Bischof von Rubicon sowie an verschiedene Erzbischöfe erwähnen immer wieder die Insel neben Gran Canaria. Es werden rapide Fortschritte der Christianisierung erwähnt, ein eigenes Schiff wird auf Kosten kurialer Einkünfte erworben und als Missionsschiff dem Bischof zur Verfügung gestellt, und es hat ganz den Anschein, als ob die Inseln knapp vor einer friedlichen aber gründlichen Christianisierung ständen. Die eigentliche Missionstätigkeit wird dabei in die Hände christianisierter Eingeborener von Gomera und Gran Canaria gelegt, von denen einige Kleriker, andere Laienbrüder sind. Eingeborene werden in den Handwerken unterrichtet, Ackerbaugeräte und Werkzeuge beschaffen, die so ersehnten Metalle mitgebracht, durch Loskauf geraubter Eingeborener und ihrer Heimsendung nach erfolgter Christianisierung die Verbindung hergestellt, kurz die fortgeschrittensten Methoden der Mission angewendet. Wie weit die Dinge bereits gediehen waren, ersieht man daraus, daß schon im Februar 1431 Eugen IV den Bischof über dessen Bitte ermächtigt, das Bistum nach Gran Canaria zu übertragen (AV, RV, 37l/214ff.). Wenn man auch einerseits daraus schließen kann, daß der Bischof sich aus irgendwelchen Gründen in Lanzarote nicht mehr wohl fühlte, so müssen doch andererseits genügend Voraussetzungen für eine solche Übertragung des Bischofssitzes in eine damals ausschließlich den Eingeborenen gehörige Insel gegeben gewesen sein ( 18). In diesem Zusammenhang verstehen wir es nun, wenn die besten alten Autoren erzählen, daß einerseits die Gomerer die Spanier friedlich und freiwillig auf genommen hätten, anderseits aber immer wieder Aufstände erfolgen und die Portugiesen sich auf eine eingeborene Partei (zwei der vier Stämme) stützen konnten. Die Herrschaft Heman Perazas des Älteren scheint sich über kaum mehr als einen der Stämme erstreckt zu haben und auch Diego de Herrera, sein Schwiegersohn und Nachfolger, scheint vorerst nicht mehr erreicht zu haben. Dessen Sohn, Heman Peraza der Jüngere, hat vor dem 20. September 1477 fast hundert seiner gomerischen Untertanen, unter dem Vorwande den Kaufleuten beim Verladen zu helfen, auf Schiffe aus Palos und Moguer gelockt und in Spanien als Sklaven verkauft. Damit beginnt aber das mannhafte und echt christliche Eintreten D. Juan de Frias, des damaligen Bischofs, für seine eingeborenen Diözesanen. Er geht nach Spanien, wendet sich an den höchsten Gerichtshof, an den König selbst, und findet bei diesem vollste Gerechtigkeit und durchgreifende Hilfe. Der König läßt sogar die Kanarier vor sich kommen, um selbst zu sehen, ob sie richtiggehende Christen sind, läßt die verkauften Gomerer 18 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sequestrieren, gibt dem Bischof am 6. Februar 14 78 die Ejecutoria zu dem von ihm bestätigten Urteil und am 20. Februar darauf beauftragte er die beiden Richter Juan de Aranda und Lope Sanches de Villa Real damit, jeden einzelnen der Gomerer im ganzen Reiche aufzusuchen und dem Bischof zur Freilassung zu übergeben. War es 40 Jahre früher die römische Kurie, die mit Interdikten, Exkommunikationen und Loskaufungsgeldern für die Eingeborenen und gegen die Sklavenjäger eintrat, so ist es jetzt die kastilische Krone. Freilich mit einem Unterschied: Die Kurie sah auch in den Heiden künftige Christen und schützte sie, während der König nach damaliger Rechtsansicht den Sklavenraub im offenen Kampfe für erlaubt ansah, wenn er sich nicht auf Christen erstreckte. Von anderen Europäern als einigen Kaufleuten ist dabei auf der Insel keine Rede, nur der Turm der Herreras hat eine Besatzung von Eingeborenen von Lanzarote, sonst bleiben die Gomeros unter sich. In der bereits erwähnten Pesquisa über die Eigentumsrechte an Lanzarote wird Gomera 1478 in den Zeugenaussagen ganz als Insel der Eingeborenen geschildert und das Christentum derselben stark in Zweifel gezogen und erwähnt, daß Heman Peraza sich auf einen Häuptling stützte, während die drei anderen Häuptlinge und Stämme ihm weiterhin ungehorsam und feindlich blieben und die Portugiesen unterstützten (19). Im Januar 1482 geht Heman Peraza mit einem Hilfskorps seiner Gomerer nach Gran Canaria, um sich an der Eroberung dieser Insel zu beteiligen. Während er selbst bald darauf nach Gomera zurückkehrt zu seiner jungen Gattin, der lieblichen Renaissancebestie Beatriz de Bobadilla, die durch ihre Greueltaten die Inseln mit Schrecken erfüllen sollte, blieben die Gomerer auf Gran Canaria zurück und zeichneten sich bei der Eroberung aus, ihre daheimgebliebenen Landsleute aber erhoben sich bald darauf in einem Aufstand, der von Pedro de Vera, dem Feldherrn der Spanier in Gran Canaria, blutig unterdrückt wurde. Trotzdem wurde Heman Peraza kurz darauf, im November 1488, von den Gomerem erschlagen. Die Nicht-Gomerer auf der Insel, unter denen sicher die Europäer in der Minderheit waren, verfügten über keine großen Kräfte, als daß sie sich in dem Turm der Insel verteidigen konnten, bis Pedro de Vera wieder zum Strafgericht kam. Diesmal soll er unter den Eingeborenen ganz fürchterlich gewütet haben und ebenso unter den verdächtig gewordenen gomerischen Hilfstruppen auf Gran Canaria, aber der Bischof trat wieder heldenhaft fiir die Eingeborenen ein und soll nach den alten Autoren die Freilassung der als Sklaven verkauften erwirkt haben. Jedenfalls kam es damals trotz alledem zu keiner Ausrottung der Gomerer, denn es werden der Insel zu Ende des Jahrhunderts ungefähr ebensoviel Einwohner zugeschrieben wie zu 19 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Anfang desselben und irgendeine nennenswerte europäische Einwanderung läßt sich nirgends nachweisen. Wir wollen uns nun Gran Canaria zuwenden. Die verheißungsvollen Anfänge einer Christianisierung, die wir bereits erwähnten, waren mittlerweile durch die Raubgier und Treulosigkeit Diego de Herreras zunichte gemacht worden. Er muß dabei in einen Gegensatz zu den Bischöfen geraten sein, die ihre Politik der Religion und Menschlichkeit betrieben. 14 78 wurde den Herreras eine Entschädigung für ihr Eroberungsrecht an den drei großen Inseln zugesprochen, welches dafür die kastilische Krone an sich brachte, und am 13. Juni dieses Jahres segelte die Armada der Konquistadoren nach Gran Canaria ab. Das Heldenlied der Eroberer, dessen Helden fast ausschließlich die Eingeborenen sind, gehört nicht in diesen Zusammenhang. Am 12. November 1482 wird Thenesort Semidan, der Guanarteme oder König von Gran Canaria gefangen genommen und die große Wendung tritt ein; hier aber beginnen wieder die von mir aufgefundenen Dokumente zu sprechen. Am 30. Mai 1481 hatten die katholischen Könige den Eingeborenen von Gran Canaria einen besonderen Bestätigungsbrief verliehen, der sich auf einen Punkt einer vorher abgeschlossenen Kapitulation bezog. Es wird darin den Kanariern der Inseln freies Geleit auf den Meeren und in den spanischen Reichen und den anderen Inseln, sowie Freiheit in Handel und Wandel zugesagt. Das Zitat aus der Kapitulation gibt die Bitte der "Guanartemes, Caballeros y omes buenos" von Gran Canaria und die Zustimmung des Königs und der Königin wieder und wenn wir auch leider über die anderen Punkte der Kapitulation keine Aufklärung erhalten, so ist es doch klar, daß es sich um einen regelrechten Friedens- und Unterwerfungsvertrag zwischen der spanischen Krone und den eingeborenen Herrschern, dem Adel und den Gemeinfreien Gran Canarias handelt, der den Eingeborenen im Wesen dieselben Rechte zusichert wie den Spaniern selbst. Erhalten ist uns diese Bestätigung der Kapitulation in einer neuerlichen Bestätigung vom Januar 1515 (20), die zwei Eingeborenen von Gran Canaria, die als Konquistadoren auf ihren Repartimientos in Tenerife lebte, gewährt wurde. Die Tragweite des Dokumentes brauche ich nicht hervorzuheben; es macht vieles klar, was uns die Geschichtsschreiber berichten, aber es gibt uns auch Rätsel auf. Wie konnte die spanische Krone 1481 mit einem Guanarteme einen Friedens- und Schutzvertrag abschließen, wenn dieser erst 1482 kriegsgefangen wurde? Entweder wurde der spätere Don Fernando Guanarteme schon vor dem 30. Mai 1481 gefangen genommen und dem widersprechen einmütig alle Autoren und die zeitgenössischen Chroniken und Augenzeugen, oder aber es muß der Guanarteme im Frühjahr 1481 seine Unterhändler in Calatayud am Hofe 20 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 des Königspaares gehabt haben, die in seinem Namen den Vertrag abschlossen, und die Gefangennahme war ein Scheinmanöver, um die kanarische Kriegspartei zu täuschen. Für diese Annahme sprechen die Umstände der Gefangennahme. Der Guanarteme begab sich mit fünfzehn Begleitern in eine Höhle ganz nahe einer spanischen Befestigung und wurde dort ausgehoben. Das ganze weitere Verhalten spricht dafür: Der Guanarteme wird feierlich im spanischen Lager empfangen, sofort an den kastilischen Hof geschickt, dort mit Gnaden überhäuft, getauft und kehrt als freier Mann, als einer der Kapitäne der Spanier, dem alle bereits unteiworfenen, spanierfreundlichen Eingeborenen unterstellt sind, nach Gran Canaria zurück. Dort wendet er dann alle Mittel friedlicher Überredung und Vermittlung, allen seinen Einfluß auf, um die Insel zur Unterwerfung zu bringen und er ist es auch, der nach verschiedenen Rückschlägen der Spanier diese Unterwerfung zustande bringt. Und es ist eine Tatsache, daß er und seine Familie und seine Getreuen auf Gran Canaria reiche Repartimientos erhalten und daß die Kanarier dieser Insel sich in die neue Ordnung friedlich einfügen. Für die Teilnehmer an einem letzten Aufstand, die einige Geistliche ermordet hatten, weiß er Milde zu erwirken, und als sie in Sevilla interniert sind, bittet er das Königspaar um Erleichterung ihrer Lage und Abhilfe ihrer Beschwerden, was das Königspaar in seiner Provision vom 30. August 1485, C6rdoba, auch wirklich gewährte. Die Lage der unterworfenen Eingeborenen von Gran Canaria gestaltete sich nach der Beruhigung des Landes durchaus nicht ungünstig. Don Fernando Guanarteme erhielt als Repartimiento das Gebiet von Guayedra, nach seiner Teilnahme an der Eroberung von Palma und Tenerife kamen reiche Ländereien auf La Palma, ausgedehnte Ländereien inAdeje, Tegueste und Tejina aufTenerife, ja sogar Besitzungen in Sevilla dazu (21). Seine Familie wurde in Galdar begütert, seine Töchter und weiblichen Verwandten verheirateten sich mit den vornehmsten Spaniern und seine Hauptleute traten mit ihm in die Reihen des spanischen Adels ein. Der Notar Diego de Flores von Galdar auf Gran Canaria verzeichnete 1565 eine ganze Reihe von Transaktionen zwischen Nachkommen von Kanariern, und zahlreiche andere Belege für den Landbesitz der Kanarier auf dieser Insel sind durch die Testamente der Eingeborenen gegeben. Wie bei den anderen Inseln, waren auch hier mit den Spaniern nur wenige Frauen gekommen, so daß die Nachkommen der eingewanderten Spanier selbst nicht reinblütig, sondern Mischlinge waren. Wie groß der Anteil der Kanarier an der Gesamtbevölkerung der Insel nach der Eroberung war, läßt sich mit Zahlen nicht angeben. Wir können auf Grund der Angaben der Geschichtsschreiber die Zahl der Krieger bei Beginn der Eroberung mit etwa 5000 bis 7000 annehmen, 21 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 die Gesamtbevölkerung somit auf etwa zwanzigtausend schätzen. Sklaven wurden während des Krieges verhältnismäßig wenige weggeführt. Dafür sorgte schon der Bischof Don Juan de Frias, der aus den Mitteln der Indulgenz Sixtus IV zur Bekehrung und zum Freikauf der Kanarier die Mittel zur Eroberung zur Verfügung gestellt hatte und kraft der Kapitulation vom 13 . Mai 1478 (22) maßgeblichen Einfluß im ganzen Eroberungsunternehmen hatte. Im 16. Jahrhundert wird die Einwohnerzahl der Insel Gran Canaria auf 10000 Köpfe geschätzt, davon müssen, abgesehen von den kanarischen Frauen der europäischen Einwanderer und deren Mischlingsnachkommen mehr als die Hälfte Eingeborene gewesen sein. Darauf deutet ja schon hin, daß das ganze Jahrhundert hindurch über Menschenmangel und neuerliche Auswanderung der kaum erst Eingewanderten geklagt wird, so daß die Könige darüber Verfügungen treffen. Noch deutlicher aber ist es, wenn Castillo (23) berichtet, daß Hernando de Porras, der im Auftrage der spanischen Eroberer zu Hof gegangen war, um Beschwerden über die Zuteilung der Repartimientos vorzubringen, dort Vor - stellungen darüber erhob, daß es so viele Kanarier auf der Insel gebe, daß sie sich leicht erheben und die spanische Herrschaft abschütteln könnten. Das setzt doch wohl voraus, daß die Eingeborenen in der Majorität waren. Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Krone darauf einging. Sie hielt die Kapitulation, wie die erwähnte Bestätigung aus dem Jahre 151 5 zeigt, genau so treulich ein, wie sie von Don Fernando Guanarteme eingehalten worden war und wurde. Die Besorgnisse wurden ja bald hinfällig, als der einstige Guanarteme und der tapfere Häuptling Maninidra mit dem kriegerischesten Teil des Kanarieradels Alonso de Lugo zur Eroberung von La Palma und Tenerife folgten, dort Repartimientos erhielten und sich dauernd dort ansiedelten. Einiges Licht über die Lage der Eingeborenen der Insel bringt ein von mir aufgefundenes königliches Schreiben vom 7. November 1504, Medina del Campo (AS, RS), worin den Kanariern Schutz gegen Übergriffe des Statthalters gewährt wird. Die Besitzer von Viehherden, wahrscheinlich im gebirgigen Inneren der Insel, hatten sich beklagt, daß die entlaufenen kanarischen, berberischen und Negersklaven zu ihnen kämen und von ihnen Nahrung erbettelten und daß dann der Gobernador und die Eigentümer der Sklaven, obwohl sie abgewiesen worden waren, diese Herdenbesitzer dafiir verantwortlich machten und von ihnen die Einbringung der Entlaufenen forderten. Das Schriftstück, das sich wohl auf die soziale Mittelschichte der Eingeborenen bezieht, zeigt, daß dieselben zwar auch ihre Plackereien erlitten, daß sie aber trotzdem Mittel und Wege hatten, sich an die Krone um Schutz zu wenden und daß sie diesen Schutz auch immer erhielten. Wir dürfen nicht vergessen, daß die eingeborene Gesellschaft vor der Er- 22 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 oberung eine breite Schicht von ziemlich verachteten Hörigen umfaßte und daß diese sicherlich nach der Eroberung ihre Lage kaum verbessert hatten, mochten sie nun unter der Herrschaft eingeborener Adeliger geblieben oder unter die eingewanderter Fremder gekommen sein. Die eingeborene Mittelschicht wieder war wohl vielfachen Übergriffen ausgesetzt, bis sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts restlos mit den Einwanderern verschmolzen war. Nur der Adel war den Einwanderern von vornherein gleichberechtigt und er konnte schon dreißig Jahre nach der Eroberung als völlig hispanisiert gelten. Viera y Clavijo weist auf von ihm in Spanien vorgefundene Vorschriften hin, nach denen beim Eintritt in ein Kollegium der Nachweis zu führen war, daß der Aufnahmswerber kein Nachkomme von "Guanchen" sei. Wenn die Ausnahmeverfügung wirklich bestand, dann bezog sie sich offenbar auf die Nachkommen nach Spanien verkaufter Sklaven, nicht aber auf die freien Nachkommen der Eingeborenen auf den Inseln. Wie wäre es sonst zu erklären, daß die vornehmsten Spanier der Inseln sich mit den Eingeborenen verschwägerten und spanische Grandenfamilien wieder mit diesen Mischlingsfamilien? Auch ist der Ausdruck Guanches verdächtig, weil sich dieser nur auf die Einwohner von Tenerife bezieht, die daneben, wie alle anderen Eingeborenen der Kanaren in allen Dokumenten und bei allen alten Autoren "Canarios" genannt wurden. Am Schlusse unserer Untersuchung werden wir sehen, wann und wie die Bezeichnung Canario und Guanche sozial sank und verächtlich wurde. Daß die nach den in der iberischen Halbinsel geltenden Grundsätzen urteilenden Inquisitoren die Neubekehrten und ihre Nachkommen mit Mißtrauen beobachteten, ist nur natürlich, aber Miliares zeigte in seiner Historia de la Inquisici6n en las Islas Canarias (24) ganz ausführlich, wie das Santo Oficio sein Augenmerk nahezu ausschließlich den zahlreichen getauften Juden und Nachkommen derselben, den Berbersklaven und den niederländischen und englischen Ketzern, nur zuweilen aber den Eingeborenen zuwendet. Bevor wir nun die nächste Insel behandeln, wollen wir ganz ausdrücklich davor warnen, nun annehmen zu wollen, daß Gran Canarias Bevölkerung auf etwa drei Fünftel bis zu zwei Drittel Kanarierblut und den Rest Europäerblut zurückgehe . Gerade diese Insel hat eine starke Einfuhr von Neger- und Berbersklaven erfahren, die ganz beträchtliche Zuschüsse zur heutigen Population geliefert haben müssen. Eine Spezialuntersuchung kann die auf die Zuckerrohrpflanzen beschränkten Zentren dieser Einwanderung leicht feststellen und dadurch deren Sonderbehandlung sichern. Am wenigsten unterrichtet sind wir von der nächsteroberten Insel, von La Palma. Weder die Geschichtsschreiber noch die dokumentarischen Quellen bringen viel über sie. Glücklicherweise konnte ich einige neue Dokumente auf- 23 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 finden, die, abgesehen von ihrem absoluten Wert angesichts dieses Mangels noch mehr an Bedeutung gewinnen. Am 31 . August 1505 gaben Don Fernando und Dofi.a lsabel dem Lizenziaten Juan Ortiz de Zarate den Auftrag, zur Reformation der Repartimientos der drei großen Inseln nach den Kanaren zu gehen. Im Januar 1506 erschien er in Gran Canaria und schon im März war er in Tenerife. Dort herrschte eine heillose Wirtschaft, da Don Alonso Femändez de Lugo, der Eroberer der beiden Inseln La Palma und Tenerife, seine unbegrenzten Vollmachten ganz nach der Neigung seines grausamen, treulosen und launenhaften Charakters ausübte. Er hatte die Witwe des Heman Peraza, Beatriz de Bobadilla, geheiratet, und dieses grausame Weib paßte ausgezeichnet zu ilun. Soweit er immer konnte, verhinderte er es, daß Beschwerden und Klagen den Hof erreichten, indem er den Schiffskapitänen verbot, Beschwerdeführer mitzunelunen. Trotzdem sind die Dokumente, die ich aus Spanien heimbrachte, voll von Beschwerden gegen seine Tyrannei. Ortiz de Zarate legte in Tenerife regelrechte Prozeßakten an, in welche alle bezughabenden Urkunden und die Aussagen der von ilun einvernommenen Zeugen eingetragen sind. Das Original dieses "Proceso de Canaria" fand ich im Archiv von Simancas auf und es wird demnächst veröffentlicht werden (25). Wenn ich darauf verweise, daß die Eroberung nur zehn Jahre vorher stattgefunden hat, so ist der geschichtliche Wert des Fundes zur Genüge charakterisiert. Wir finden darin auf Seite 110 eine Aussage des Pedro de Valdes, Regidors von Tenerife, über die Vorgeschichte der Eroberung von La Palma. Diese besagt: Wie bei Gran Canaria, war auch bei dieser Insel das Eingreifen der Kirche entscheidend . Das Kapitel der Kathedralkirche von Las Palmas rüstete ein Schiff aus und schickte darin eine christianisierte, auf Gran Canaria lebende Palmera nach der Insel. Diese verhandelte mit den eingeborenen Fürsten und kehrte mit einer ganzen Anzahl derselben nach Las Palmas zurück, wo die Fürsten so lange blieben, bis sie getauft, unterrichtet und zu Vasallen Kastiliens gemacht worden waren. So wurde der größere Teil der Küstengebiete auf friedlichem Weg spanisch und auf allen Inseln wurden die Gebiete Palmas als Freundesland, das unverletzbar bleiben mußte, ausgerufen. Erst einige Zeit darauf erschien Alonso de Lugo mit der Eroberungsarmee auf der Insel. Von dieser ganzen Episode wußte man bisher gar nichts, die Geschichtsschreiber der Inseln und die spanischen Chronisten schweigen darüber. Aber ebenso wie der Friedensvertrag mit Gran Canaria paßt das Ganze genau in den geschichtlichen Zusammenhang. Alonso Femandez de Lugo erhielt am 13. Juli 1492 die königliche Zusicherung, daß man ilun die Kosten der Expedition ersetzen würde, wenn er La Palma auf eigene Kosten innerhalb eines Jahres erobere. Das konnte nach den Erfahrungen des fünfjährigen Kampfes un1 Gran 24 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Canaria doch wohl nur unter der soeben wiedergegebenen Voraussetzung von ihm verlangt und von seiner Seite als Bedingung angenommen werden. Nach den übereinstimmenden Berichten aller alten Autoren landet er friedlich in La Palma, schlägt dort unangefochten ein Lager auf, zieht unangegriffen in den Küstengegenden umher und schließt Unterwerfungsverträge. Erst auf der anderen Seite der Küste hat er Schwierigkeiten und erst im gebirgigen Inneren kommt es zu Kämpfen. Die Geschichtsschreiber werfen deshalb den Palmeros Feigheit vor. Wir wissen es nun besser. Der Unterschied beruht eben darauf, ob die eingeborenen Fürsten bereits getauft und verbündet oder aber es nicht waren. Da Lugo seinen Termin leicht einhalten kann, scheut er den Eingeborenen des Inneren gegenüber nicht vor einem Treubruch zurück und aus einem Aufstande jener Inselgebiete, die schon anfangs Schwierigkeiten gemacht haben, zieht er ebenfalls Vorteil. Es handelt sich ja um eine Beute von Gefangenen, die er als Sklaven verkaufen konnte. Der Cura de los Palacios (26) berichtet darüber: "Er eroberte sie ( die Insel) im Jahre 1493 und errang den Sieg über sie und er hatte an Cabalgada (Raubgewinn) und Spolien 1200 Seelen, Männer und Frauen, Kleine und Große, und 20000 Stück Vieh." Ob bei dieser Menschenbeute schon verräterisch weggeführte Verbündete und durch Friedensverträge Geschützte waren, vermag ich nicht festzustellen. Jedenfalls haben wir in meinen Dokumentenfunden den Beweis, daß sich die in Verletzung der Friedensverträge als Sklaven verteilten oder verkauften Eingeborenen von Tenerife und La Palma bei der Krone beschwerten und daß die Krone ihre Freilassung verfügte. Dadurch, daßAlonso de Lugo am 1. August 1489 auf der Insel Gomera eine Beschwerdefrist mit Zeugenaussagen gegen die rücksichtslose Art der Durchführung dieser Maßregel aufsetzen ließ, können wir in diesem Falle gleichsam als unmittelbare Zuschauer das Ereignis verfolgen. Der Gobernador von Gran Canaria, Lope Sanches de Valenzuela, führte in Tenerife seinen Auftrag rasch und gründlich durch und er wird es also in La Palma auch nicht anders gehalten haben (27). So können wir mit aller Sicherheit sowohl aus den alten Geschichtsschreibern als auch aus unseren neuen Dokumentenfunden feststellen, daß die Insel La Palma im großen und ganzen doch ihre Eingeborenen behielt, wenn auch die überaus günstigen Eroberungsverträge von dem treulosen und tyrannischen Eroberer vielfach verletzt wurden. Es fragt sich nun, wieviel Einwandererblut auf die Insel kam? Es setzt sich auch hier wie auf Gran Canaria und Tenerife zum größeren und seßhafteren, nicht wieder abwandernden Teile aus Leuten der schon früher eroberten Inseln zusammen, die, wie wir bereits wissen, entweder reinblütige Kanarier oder Kanariermischlinge waren. War es schon für Gran Canaria und Tenerife schwer, europäische Einwanderer her- 25 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 anzuziehen, so noch viel schwerer fiir diese Insel. Einige Maßnahmen wurden geschaffen, um die Weiterabwanderung zu erschweren und zu verhindern. Die Eroberung Tenerifes und der Krieg gegen die Mauren Granadas zog die abenteuerlustigen Europäer wieder ab. Die Insel blieb weiterhin unendlich menschenarm und zum Betrieb der Zuckerrohrmühlen mußten Berbersklaven eingeführt werden. Wir müssen also auch hier mehr mit neu hereingekommenem Berberblut als mit Europäerblut rechnen, soweit es sich um die unteren Stände handelt. Im 16. Jahrhundert wird die Einwohnerschaft auf bloß zweitausend Menschen geschätzt. Es ist zu hoffen, daß Archivforschungen auf dieser Insel selbst uns ein klareres Bild geben werden. Nun wenden wir uns der letzteroberten und größten Insel zu. Tenerife hatte bis zum Jahre 1494 wenig unter dem Menschenraub gelitten. Das verdankte es außer seiner fiir Schiffe so ungünstigen Küstengestaltung der wilden Tapferkeit seiner Bewohner. Aber zwischen den einzelnen Einfällen der Menschenräuber gab es auch lange Zeiten friedlicher Beziehungen zu den Europäern, besonders zwischen 1430 und 1436, als die römische Kurie den Bischof Fray Fernando Calvetos so wirksam unterstützte. Die Heimbringung geraubter und mittlerweile christianisierter Eingeborener durch den Bischof war auf dieser Insel ein ebenso wirksames Mittel der Annäherung wie auf Gomera und Gran Canaria. Ob man auch Eingeborene von Tenerife in Handwerken damals ausbildete, läßt sich nicht feststellen. Am 30. April 1494 begann Alonso de Lugo den Kampf um die Insel. Er fand dabei von vornherein Unterstützung bei dem König von Güimar, in dessen Reich es bereits Christen gab. Nach verschiedenen Rückschlägen und Wechselfällen unterwarfen sich am 25. Juli 1496 die vier verbündeten Menceye von Taoro, Tegueste, Tacoronte und Anaga und erhielten mit ihren Untertanen Freiheit, Leben und Eigentum zugesichert. Die drei bisher nicht am Kampfe beteiligten übrigen Könige sahen sich kurz darauf gezwungen, ihrem Beispiel zu folgen. Große und ganz beispiellose Verrätereien und Grausamkeiten wurden von Alonso de Lugo nicht nur gegen die weiterhin in Auflehnung verharrenden, sondern auch gegen die durch Friedensverträge geschützten Guanchen begangen. Trotzdem ist es ganz aussichtslos, von einer Ausrottung der Guanchen zu sprechen. Auf die Repartimientos wollen wir vorerst nicht eingehen, sondern zuerst jenen Teil der eingeborenen Bevölkerung behandeln, der bei der Landverteilung so gut wie leer ausging und der die untere und unterste Schicht der neuen Gesellschaft bildete. Schon bei der Besprechung Gran Canarias wurde darauf hingewiesen,daß ein großer Teil, wohl die Hälfte, der eingeborenen Bevölkerung schon vor der Eroberung hörig war, dieser Teil veränderte seine Lage wohl nur ausnahmswei- 26 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 se. Diese Leute blieben Hirten und Ackerbauern und wechselten höchstens die Herren. In allen Dokumenten werden ständig die unfreien Hirten erwähnt. Dank des Fundes des schon erwähnten "Proceso de Canaria" kennen wir j etzt die Lage Tenerifes nach der Eroberung genau und können diese Tatsache belegen. Dazu kam nun noch ein anderes Element: jene versklavten Guanchen, welche, weil sie unter die feierlich beschworenen Friedensverträge gehörten, in einem Prozesse vor der Krone fiir frei erklärt worden waren und durch den Statthalter von Gran Canaria am 24. Juli 1498, also schon zwei Jahre nach der endgültigen Eroberung Tenerifes, wieder in Freiheit gesetzt wurden. Es ist eine köstliche Ironie des Schicksals, daß wir davon gerade durch den treubriichigen Tyrannen und die Zeugenaussage der über die Besitzstörung entrüsteten Sklavenhalter unterrichtet werden, dadurch natürlich auch in anschaulichster Weise. Ich lasse einige der bezeichnendsten Stellen des Dokumentes folgen (28): Antonio de Pefialosa sagte aus, daß der Gobernador Lope Sanches de Valenzuela dem Stellvertreter des Statthalters der Insel das königliche Handschreiben vorwies und es durch öffentlichen Ausruf auf der ganzen Insel bekannt machen ließ. Der Gobernador führte einen "Guanche Canario" mit sich und dieser mit einem schon auf der Insel befindlichen anderen ging nun von Haus zu Haus und erklärte allen Guanchen, daß sie frei seien und hingehen könnten, wo sie wollten. Er beschränkte sich dabei nicht auf die im königlichen Schreiben bezogenen Guanchen (los Guanches de las Paces = der Friedensverträge), sondern dehnte die Maßnahme auf alle aus. So verließen die Guanchen ihre Herren und die Herden, die sie hüteten, oder nahmen wohl auch die Herden mit. Die Vecinos (vollberechtigte Bürger) kamen sich beschweren zu VaJenzuela, aber dieser erklärte, daß er nichts machen könne und daß so der Befehl der Krone sei. Man sieht, die wirtschaftsschonenden Übergangsmaßnahmen, die das moderne Europa bei der Sklavenbefreiung kannte, wurde hier nicht beobachtet, Recht bleibt eben Recht. Aber wir werden auch sehen, um welche Massen von Menschen es sich dabei handelte. In allen Zeugenaussagen wiederholte sich der Ausdruck, daß "die ganze Insel in Aufruhr war". Mehrfach heißt es auch, daß die Insel dadurch in einen Zustand geriet, "daß es von neuem notwendig wurde, sie zu erobern". Wir werden gleich sehen, daß dieses Eingreifen der Krone gegenüber einem so rücksichts- und treulosen Tyrannen wie Alonso de Lugo keine Umkehr bedeutete. Wieder und wieder verübte er Ungerechtigkeiten und Übergriffe. Eine Kanarierin, Leonor de Morales, hatte sich auf Grund königlicher Schutzmaßregeln, von denen wir leider nicht wissen, ob sie eine Fortsetzung 27 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 der eben erwähnten waren, oder sich auf neue Fälle bezogen, energisch für die zu Unrecht versklavten Eingeborenen Tenerifes eingesetzt, die einzelnen und ihre Fälle aufgesucht und ihnen so die Freiheit verschafft, dafür wurde sie von Alonso de Lugo und dem Prior de Magazela mit Haß verfolgt und am Leben bedroht. Ein königlicher Schutzbrief vom 20. März 1512, Bw-gos, stellte sie, ihren Gatten, ihre Familie, ihre Hausgenossen und Freunde unter den besonderen Schutz der Krone und bedrohte jeden, der sie verletzen wollte, mit den härtesten Strafen (29). Über Einschreiten des Armenanwaltes am Reichsgericht wendet sich Königin Johanna an die Behörden von Sevilla, um zu verhindern, daß kanarische Sklaven, um deren Freiheit ein Prozeß schwebt, verschleppt werden und so ihre Freilassung verhindert wird (30). Am 30. März 1512 richtet dieselbe Königin ein Emplazamiento und eine Compulsoria (Vorladung vor die Krone und Zwangsvollstreckung) an Alonso de Lugo zugunsten der gegen die beschworenen Friedensverträge versklavten Kanarier von Tenerife und La Palma. Das Dokument zeigt die schärfste Form und Ausdrucksweise (31). Am 26. Januar 1515, Valladolid, wendet sich die Königin an die Statthalter der Inseln, und verbietet ihnen, die Kanarier von Gran Canaria, die als Konquistadoren mit Alonso de Lugo nach den Inseln Palma und Tenerife gegangen waren, zu placken und ständig auf die Sklavenjagden in die Berberei mitzuschleppen (31). Die beiden Kanarier-Konquistadoren Juan Beitran und Juan Cabello hatten dabei angegeben, daß von ihrer stolzen Schar in den drei Inseln Gomera, Palma und Tenerife nur mehr hundert übrig seien. Wir wissen aber aus ihren Testamenten und aus dem"Proceso de Canaria", daß sie hauptsächlich aufTenerife und Palma reich begütert waren, daß sie dort ihre Familien mit reichem Kindersegen hatten und daß Alonso de Lugo, gegen den sich ja allein das königliche Schreiben richtet, mit den anderen Vecinos der drei Inseln nicht besser verfuhr. Wahrscheinlich am selben Tage erfolgte dann die bereits erwähnte neuerliche Bestätigung der auf Freizügigkeit usw. bezüglichen Bestimmungen des Friedensvertrages mit Gran Canaria, die ebenfalls von diesen beiden eingeborenen Konquistadoren erwirkt wurde (32). Viera y Clavijo hat uns zu diesen beiden ganz neu gefundenen Dokumenten schon im 18. Jahrhundert eine Ergänzug geliefert. Er zitiert nämlich die Vollmacht, die die Konquistadoren aus Gran Canaria Fernando de Le6n, D. Fernando Guanarteme, Pablo Martin und Luis Femändez 1514 in Laguna dem Miguel Gonzäles und dem Juan Cabello erteilten, damit sie diese Eingaben in ihrem Namen machten (33). Wir werden bei Besprechung 28 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 der Repartimientos in Tenerife noch ausführlich auf diese eingeborenen Konquistadoren aus Gran Canaria zurückkommen. Aus dem neugefundenen Dokumentenmaterial bleiben uns jetzt noch drei weitere, fiir die Siedlungsgeschichte hochwichtige Dokumente zu besprechen. Alle drei stammen von der Königin Juana und sind datiert aus Medina del Carnpo,April 1515. Am 18. verfügte die Königin Abhilfe der Beschwerden des Guanchen Andres de Güimar, der sich im Namen der anderen Guanchen darüber beklagte, daß Alonso de Lugo sie als Krieger auf seine Sklavenjagden in der Berberei mitschleppte, daß er ihnen innerhalb der Insel das Waffentragen verboten und die Waffen abgenommen habe und daß er sie unter nichtigen Vorwänden nach San Crist6bal de la Laguna, der Hauptstadt, zitierte und dort tagelang warten lasse, was ihnen schweren wirtschaftlichen Schaden bringe. Wir finden alles dies im "Proceso de Canario" bestätigt. Die Königin befiehlt Abstellung der Übergriffe. Am 19. April befiehlt die Königin dem Stellvertreter des Statthalters, daß er die Schadensvergütung und Geldstrafe, die aus einem von Alonso de Lugo gegen Andres de Güimar verlorenen Prozeß noch ausständig seien, durch Zwangsvollstreckung eintreibe. Das wirft ein scharfes Licht auf die Stellung der Guanchen. Wenn es einer aus dem Guanchenadel, und Andres muß ein Sohn oder ein ganz naher Verwandter des ehemaligen Königs von Güimar gewesen sein, wagen konnte, einen solchen Prozeß zu führen und zu gewinnen und eine Zwangsvollstreckung zu erwirken, dann muß die Rechtslage fiir die Guanchen eine durchaus gesicherte gewesen sein. Freilich genügte dies dem Tyrannen gegenüber noch nicht. Mit dem Datum vom 2 l. erwirkt sich Andres de Güimar einen energischen königlichen Schutzbrief gegen Alonso de Lugo und die Seinen. Aber aus den drei Schriftstücken geht hervor, daß Andres de Güimar ein reichbegüterter Grundbesitzer von großem Anhang und guten Beziehungen war. Wir können hier gleich bemerken, was fiir alle anderen Repartirnientos an Guanchen genau so gilt, daß natürlich diejenigen, die auf einer solchen Besitzung eines Guanchen lebten, Familienangehörige, freie Vasallen und Hörige, doch wohl ohne Ausnahme alle ebenfalls Guanchen waren (34). Wir wenden W1S nun den Repartirnientos auf Tenerife zu und beginnen selbstverständlich mit jenen an die Guanchen selber. Die alten Geschichtsschreiber berichten, daß alle neun Menceye oder Könige von Tenerife Repartimientos erhielten, aber Nufiez de la Pefia, der eine lange alphabetische Liste von Personen, die mit Repartirnientos bedacht wurden, aufstellt, erklärt, daß er darin nur den einzigen Pelinor von Andexe (als Christ Diego) gefunden habe. Dies wurde dann von allen folgenden Autoren bis auf den heutigen Tag 29 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 abgeschrieben. Dabei hat man den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen, denn wenn sich auch nur bei diesem einzigen Mencey die Hinzufügung seiner einstigen Königswürde befindet, so sind, zwar ohne diese Beifügung, aber sonst ganz genau so benannt, wie sie von Pefia und den Autoren vor ihm als Christen erwähnt werden, noch vier weitere Könige in der Liste Pefias zu finden. Es sind dies: Acaymo = Fernando de Tacoronte, Tegueste = Anton de Tegueste, Romeo = Gonzalo de Daute, Pelicar = Blas Martin de lcod. Gaspar de Abona (Adxofia) steckt vielleicht unter dem Gaspar Guanche und Juan de Candelaria de Güimar unter einem der Juans der Liste. Daß der letzte nicht ausgelassen war, ersehen wir aus der Lage des oben erwähnten Andres de Güimar. Außer diesen zwei, die zweifelhaft bleiben, fehlen uns also von den neun Königen nur noch Bencomo = Crist6bal de Taoro, von dem es aber aufTenerife adelige Nachkommen gab, die sich der Abkunft von ihm rühmten, und Beneharo = Pedro de los Santos de Anaga. Aber Pefia selbst sagte ja ausdrücklich, daß seine Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben darf. Für Pedro de los Santos de Anaga tritt den Beweis der in den Libros de Datas erwähnte Don Enrique de Anaga an, der nicht den Titel Don getragen haben könnte, wenn er nicht der König von Anaga selbst ( der also bei den Geschichtsschreibern falsch benannt sein müßte), oder aber sein Sohn wäre. Da die in Genua, Venedig und anderswo zum Anstaunen herumgeschickten kanarischen Könige unmöglich aus Gran Canaria und, wie ich eben gezeigt habe, auch schwerlich aus Tenerife waren, müssen sie aus La Palma gewesen sein. Nun hat Berthelot auch wirklich gefunden, daß in solchen Dokumenten außer Don Diego de Adexe und sein Sohn und Vetter auch noch D. Crist6bal de Taoro (Bencomo) und die Könige von Güimar, Anaga, Tacoronte, Abona, Icod und Daute, Vater und Sohn, vorkommen. Damit haben wir alle neun Könige beisammen, und wenn auch Berthelot (35) keine Einzelheiten gibt, so hat der eifrige Forscher in den Repartimientos Garcia Ramos (36) doch für die meisten seiner Angaben und weiter darüber hinaus die Belege geliefert. Von dem Umfang der Repartirnientos an solche ehemalige Guanchenkönige spricht wohl, daß Güimar wohl zur Gänze Guanchenland blieb und daß der König von Adeje das ganze ausgedehnte Tal von Masca und 100 Fanegas (zuje mehr als 64 Ar, wenn Ackerland) in Tajo erhielt. Ebenso viele Fanegas erhielt sein Sohn in Tijoco. Daß auf diesem Grundbesitz der eingeborenen Fürsten mit ihnen ihre ehemaligen Vasallen und Hörige saßen, ist selbstverständlich. Ich führe nun noch die unzweifelhaften Guanchen aus Pefias Liste an: Antonio de Azaque, Benito Gonzales de Daute, Anton de Tegueste (Mencey), Blas Martin de Icod (Mencey), Benito Gonzalez de Daute, Don Diego de Adeje (Mencey), Diego de Mazaneque, Diego Bendidagua, Fernando Aguavense und Sohn, Fernando de Tacoronte (Mencey), Fernando Aguabenque, Fernand 30 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Malegua, Francisco Gonzalez de Daute, Francisco de Tacoronte, Gaspar Gonzalez de Daute, Gaspar Guanche, Gaspar Gonzalez Tabordo, Gonzalo Yafiez de Daute (Mencey), Gonzalo Aguanequia, Juan Gonzalez de Daute, Juan de Tegueste, Juan Delgado (Neffe des Königs von Adeje), Juan Aguavenque, Melchor Gonzalez de Daute, Miguel de Güimar, Pedro Fernandez de Yne, Pedro de Ibaute, Pedro la Lengua (vielleicht aus Gran Canaria), Sebastian Rodriguez de la Orotava, Crist6bal Fernandez de Taodio, zusammen 32. In dieser Liste fehlen mindestens noch halb mal soviel Namen, die andernorts erwähnt werden. Wir wenden uns nun einem zweiten eingeborenen Bevölkerungselement Tenerifes zu, den eingeborenen Konquistadoren aus Gran Canaria. Ich habe bereits erwähnt, daß die Mehrheit der Kanarier auf Gran Canaria den Spaniern Alpdrücken machte. Pedro de Vera suchte ihre Überzahl durch einen Schurkenstreich und eine Gotteslästerung zu vermindern; später verlangte der Rat der Insel vom König diesbezügliche Maßregeln, aber die Krone hielt den Friedensvertrag ein. Da war es nun hochwillkommen, daß ein paar hundert aus dem kriegerischen Adel der Eingeborenen Alonso de Lugo zur Eroberung von Palma und Tenerife folgten. Diese blieben dann dauernd auf diesen Inseln und auf Gomera angesiedelt, hauptsächlich aufTenerife. Die von mir gefundenen Dokumente zeigen, daß sie dort Plackereien ausgesetzt waren, aber der Proceso de Canaria zeigte zugleich, daß es den europäischen Ansiedlern auch nicht besser erging, alle miteinander seufzten unter der Willkür und Raubgier des Adelantado. Stolz aber erklärten sie, bei einer Gelegenheit: "Wir werden für Kastilier genommen" (37). Und sie verschmolzen auch mit den Führerschichten der eingewanderten Spanier, ebenso wie der Guanchenadel. Sie wurden überreich mit Repartimientos bedacht, nicht nur wegen ihrer Verdienste um die Konquista der beiden Inseln, sondern auch um sie dauernd von Gran Canaria fernzuhalten, was auch gelang. Ihr Anteil an der Bevölkerung der Nachkriegszeit auf Tenerife kann gar nicht hoch genug angenommen werden. Reich beteilt wurden alle die berühmten Kriegshäuptlinge. Was der einstige König, Don Fernando Guanarteme erhielt, wurde bereits erwähnt. Die Libros de Datas sind voll von ihren Namen, wobei es sich stets um große Besitzungen handelt (38). Ich gebe nun die Eingeborenen von Gran Canaria in Pefias Liste: Alonso Gonzalez, Alonso Bentagaira, Alonso Diaz, Alonso Perez, Anton de la Sierra (Dara), Augustin Delgado, Baltasar de Morales, Diego Macanafio, Diego Sanchez Bendidagua, Diego Pestafia, Fernando de Llarena, Fernando de Leon, D. Fernando Guanarteme, Fernando de Gran Canaria, Guillen Castellano, Juan de Llarena, Juan Delgado, Juan Cabello, Juan de Cantaya, Juan Viscaino, Juan 31 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Ramos, Juan de Dara, Juan Moreno, Juan Suarez, Juan Beitran, Juan Pri~to, Juan Duramas, Juan Herruindez, Martin Sanchez, Martin Cosme, Martin de Vera, Miguel Gonzalez, Nichel Canario, Pedro de Lugo, Pedro Mayor, Pedro Maninidra, Pero Magdalena, Pedro Garcia, Pablo Martin, Rodrigo el Cojo, Rodrigo Alvarez, Rodrigo Cosme, Rodrigo Garcia, Rodrigo Pestafio, Rodrigo Gonzalez, Sebastian de Porras, Sebastian Rodriguez, Crist6bal Delgado. Zusammen 48, dabei konnte ich aber etwa fünfzehn sonst genannte Kanarier in der Liste nicht auffinden. Ich mache dabei noch aufmerksam, daß man bisher meist nur die ausdrücklich als Canario bezeichneten zählte, während ich meine Liste sämtlicher in den Quellen genannter Kanarier mit der Liste Pefias verglich. Nun wollen wir uns dem dritten eingeborenen Elemente in der Bevölkerung Tenerifes nach den Konquista zuwenden. Es sind dies die Eingeborenen der vier kleineren Inseln, die mehr als zur Hälfte reinblütig, zum anderen Teil Mischlinge waren. Antonio de Viana (39) gibt im 11 . Gesange seines Epos eine lange Liste der Konquistadoren, welche aus den Inseln kamen, bei der sich aber nicht genau entscheiden läßt, wie groß der Hundertsatz der neueingewanderten Europäer gewesen ist. Er kann nicht groß gewesen sein. Wir fügen zu dieser Liste die Namen jener unzweifelhaften Islefios, die sich bei Pei'ia finden : Alonso Sanchez (Fuerteventura), Alonso de las Islas, Baltasar de Bethencourt, Diego Herruindez (Fuerteventura), FranciscoAragomero (Gomera), Francisco de Flandes Gomero, Ger6nimo de Lanzarote, Guillen de Betancor, Juan Izquierdo (Gomera), Juan Sanches Negrin (Gomera), Juan Berriel, Juan de Day (Lanzarote), lbone de Armas (Gomera), Martin de Gandia (Fuerteventura), Pedro Perdomo, Pedro Herruindez (Fuerteventura), Pedro Izquierdo (Gomera), Pedro del Hierro, Rubin Dumpierres, Sebastian Diepa, Sebastian del Hierro. Das wären 21 , aber mindestens doppelt so viel sind noch nach der Liste Vianas zu vermuten. Wieviele Eingeborene sonst noch in der Liste Pefias stekken, läßt sich nicht entscheiden, da die Namen, wie man sich bereits aus meiner Aufzählung überzeugen konnte, nichts beweisen. Der Eingeborene nahm gewöhnlich den Taufnamen und Familiennamen seines Taufpaten an, nur die vornehmsten Adeligen unter ihnen, an deren Beinamen in eingeborener Sprache ruhmvolle Erinnerungen hingen, behielten sie bei oder übersetzten sie (z.B. Dara = Sierra). Auch wenn wir diese sicher ansehnliche Zahl außer acht lassen, kommen wir insgesamt auf l O I Kanarier in Pei'ias Liste, die mit Repartimientos in Tenerife beteilt wurden. Das ist eine ganz stattliche Anzahl in den über 900 Namen der Liste, aber von diesen 900 fallen eine große Anzahl von Namen weg, minde- 32 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 stens ein Fünftel, weil es sich um Schreiber und Würdenträger des Hofes und andere Personen handelt, die nachgewiesenermaßen nie auf die Insel kamen. Unter diesen Pseudoansiedlem wurde bei den Reformationen der Repartimientos wiederholt stark auf geräumt. Im bereits so oft zitierten Proceso de Canaria besitzen wir eine notariell und durch Zeugenaussagen beglaubigte Darstellung der Insel im Jahre 1506. übereinstimmend werden die "Vecinos" ( vollberechtigten, mit eigenem Grundbesitz ausgestatteten Bürger) auf etwa 150 in den neuen Ansiedlungen und wenig mehr über das ganze Land zerstreut geschätzt. Danach können wir die Gesamtzahl der Vecinos auf höchstens 400 schätzen, von denen die zerstreut Lebenden wohl in der übergroßen Mehrzahl Guanchen waren, wie aus allen zeitgenössischen Dokumenten aufscheint. Abreu Galindo ( 40) gibt uns glücklicherweise einen Anhaltspunkt dafür, wie wir das Verhältnis zwischen Vecinos und Einwohnerzahl annehmen dürfen. Er sagt von Hierro: "Die Vecinos dieser Insel werden etwa 230 sein und in ihnen mehr als 1000 Personen". Rechnen wir demgemäß fürTenerife fünfmal 400, so kommen wir auf2000 vollberechtigte, landsässige Einwohner. Da die Insel vor der Eroberung mindestens 20000 Einwohner hatte und im 16. Jahrhundert auf 15000 Einwohner geschätzt wurde, so müssen wir trotz aller Sklavenwegschleppungen und Kriegsverluste, trotz der fürchterlichen Seuchen und trotz der Einfuhr von Berbersklaven, angesichts der geringen Einwanderung und verhältnismäßig starken Rückwanderung der Europäer, die nicht vollfreie Guanchenbevölkerung der Insel auf mindestens 6000 Köpfe schätzen. Man vergleiche nur, was ich über den Umsturz der Inseln infolge der Guanchenfreilassung des Jahres 1498 anführte. Wenn wir jetzt noch darauf hinweisen, daß wohl mehr als die Hälfte auch der Europäer unter den Vecinos mit eingeborenen Frauen verheiratet waren, was im Proceso de Canaria, in den alten Geschichtsschreibern und in den Papieren der Inquisition und zahlreichen anderen Dokumenten immer wieder gesagt wird, dann können wir Tenerife in der gesellschaftlichen Unterschicht als zu drei Vierteln guanchisch, in der Oberschicht als mindestens zur Hälfte guanchisch und sonst kanarisch bezeichnen. Es bleibt uns jetzt nur mehr eine kleine Nachlese von Nachrichten, darunter besonders zwei Seiten unserer Frage: Wie erging es den Kanariern gesellschaftlich? Wie kam man dazu, sie als ausgestorben zu erklären? Viera y Clavijo schreibt (41): "Es ist traurige Wahrheit, daß bei den zum Eintritt in die Colegios Mayores geforderten Adelproben der Nachweis zu liefern war, daß der Bewerber kein Nachkomme eines Kanariers, Mauren oder Juden war". Wir finden auch bei Miliares ( 42) eine ähnliche Vorschrift, aus den Synodalkonstitutionen Canarias erwähnt: "Daß die Bewerber um Benefizien 33 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 keine Bastarde legitimierte, noch Söhne eines Mauren, Neubekehrten oder von der Inquisition Bestraften ... sein dürfen". Derselbe Autor erwähnt die zahlreichen Stammbäume von Familien mit Abstammung von Kanariern in den Geheimregistern der Inquisition. Ebenso druckte er einen Brief vom 25. Januar 1577 ab, den Ortiz de Funes, damals Inquisitor von Canarias an die Inquisition in Sevilla richtete. Daraus geht hervor, daß eine Genealogie aller von Kanariern abstammenden Familien angefertigt worden war, welche 1200 Familien umfaßte, und zwar reinblütige Familien, weil daneben auf die zahllosen Familien verwiesen wird, welche mit Kanariern gekreuzt waren, weil die wenigsten europäischen Einwanderer Frauen mitgebracht hatten (43) . Daraus schließt Miliares, daß die Abkömmlinge der Kanarier schon frühzeitig dazu gelangt seien, ihre Abstammung zu verheimlichen, ihren Namen zu ändern und damit der gesellschaftlichen Schlechterstellung und den Plackereien durch die Inquisition zu entgehen. Weil die Kanarier gesellschaftlich geächtet waren, haben sie ihre Abstammung verleugnet und konnten so nach und nach als reinblütige Spanier gelten. Wir können dies nur bedingungsweise für richtig halten. Erstens hatten die Kanarier von der Inquisition nur wenig zu leiden, weil diese sich hauptsächlich mit den getauften Juden und deren Nachkommen, mit den getauften Berbersklaven und deren Nachkommen und mit den niederländischen und englischen Ketzern, die auf die Inseln kamen, beschäftigte. Miliares bringt in seinem Spezialwerke über die Inquisition auf den Kanaren nur einige wenige Fälle von Kanariern und diese sind ganz leichter Art und betreffen nur die unterste Volksschicht, meistens Sklaven ( 44). Zweitens aber steht dem die Tatsache entgegen, daß sich der spanische Adel der Inseln mit dem Kanarieradel verschwägert und daß der Kanarieradel der Inseln unter den spanischen Adel zu einem großen Teil auf genommen und zum Teil schon in der ersten Generation, in großem Ausmaß aber in den folgenden Generationen die höchsten Ämter und Würden erreichte. Außerdem verschwägerten sich die stolzesten spanischen Grandenfamilien mit diesen kanarischen Mischlingsfamilien, und diese Granden werden wohl alles vermieden haben, was ihre Nachkommen gesellschaftlich unmöglich machen mußte. Wir werden im folgenden reiche Belege dafiir bringen. Espinosa, der auf den Inseln unter den Kanariern lebte und es wissen mußte und dessen Buch 1594 erschien, lobt die Eingeborenen, weil sie immer schon den einen Gott kannten (dieses Lob spenden ihnen auch die von mir im Anthropos abgedruckten Bullen) und so rasch und eifrig das Christentum annahmen und fährt dann fort: "Und der Samen fiel auf fruchtbaren Grund, der ausgezeichnete Männer hervorbrachte, eifervoll für Religion und Christentum, 34 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Männer reichen und feinen Geistes in den weltlichen und geistigen Wissenschaften. Männer, die nicht nur in der Amtstracht des Richters und Magistraten, sondern auch mit dem Schwerte ihre Tüchtigkeit und jene ihrer Vorfahren bewiesen. Aus den Leuten dieser Inseln sind Männer jeden Standes hervorgegangen, deren sich der König in Krieg und Frieden gerne bediente. Und die Heilige Inquisition gewährt ihnen, da ihre Reinheit bekannt ist, Zutritt zu ihren Beratungen und Geheimnissen, und schmückt sie mit ihren Ehrenämtern, und die Kathedralkirchen fühlen sich geehrt, von ihnen geleitet zu werden und sie auf ihren Kanzeln zu sehen (45)." An Ehen zwischen vornehmen Kanariern und vornehmen Spaniern lassen sich eine Menge nachweisen, ich erwähne: Aus der Familie des Guanarteme von Gran Canaria heiratete seine Tochter Dofia Margarita den vornehmen Konquistador Miguel de Trexe y Carvajal; die Tochter des anderen Guanartemes, Dofia Catalina (Masequera oder Arminda) Heman Perez de Guzman; Tenesoya Vidifia (Dofia Luisa), seine Nichte oder Base, die aus dem Bade geraubt und nach Lanzarote geführt worden war, den Maciot Perdomo de Betancor; Juana Guanarteme den Francisco de Cabrejas; Maria Guanarteme den Juan Delgado. Diese Damen führten ganz offiziell bei den Spaniern den Titel Infantas (Prinzessinnen). Andere Ehen mit Eingeborenen von Gran Canaria waren: Maria Gonzalez de Galdar mit Juan de Quintana; Juana Hernändez mit Vicente Montes de Oca; Maria Dominguez mit Diego Falc6n. Marin y Cubas schreibt in seinem ungedruckten Geschichtswerk: "In Galdar lebten andere adelige Kanarier, die ihre Töchter mit Spaniern verheirateten." In der Pfarrkirche von Galdar war deshalb auch die erste Bank zur Rechten für die Nachkommen der einheimischen Königsfamilie reserviert. In Lanzarote und Fuerteventura kam dreimal das Blut des alten einheimischen Fürstenhauses auch noch nach der Eroberung zur Herrschaft. Maciot de Bethencourt, der Statthalter des Eroberers und spätere Feudalherr von Lanzarote, heiratete Teguise, die Tochter des eingeborenen Königs Guadarfia. Sancho de Herrera, Herr von Lanzarote und Fuerteventura, legitimierte seine Tochter Dofia Constanza de Sarmiento, welche ihm von Dofia Catalina Da-Fia, Urenkelin Guadarfias geboren worden war. Und sie wurde seine Erbin und Herrin der Inseln. Ein zweiter Fall einer solchen Legitimation hatte nicht dieselbe Wirkung, weil der damalige Feudalherr in spätem Alter von einer spanischen Hochadeligen doch noch einen Sohn bekam. Auch fürTenerife fehlen die Belege nicht: Die beiden Töchter des Königs Bencomo von Taoro verheirateten sich, die eine mit einem Spanier, die zweite mit dem König Adxona von Abona (Gaspar Hernändez) und eine Tochter dieser Ehe dann mit dem vornehmen spanischen Capitän de Caballos Herruin 35 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Garcia del Castillo. Viana machte daraus eine Ehe des Castillo mit der Infanta Dacil (Catalina) selbst. Die alte Königsfamilie von Adeje soll sich gar mit der Familie des Adelantado verschwägert haben, wobei ein Guanche eine vornehme Spanierin heiratete. Die Ehe des Vetters der Ines Peraza, Luis Gonzalez Martel de Tapia, mit einer bildhübschen edlen Eingeborenen von Hierro wurde bereits erwähnt. Daraus geht schon zur Genüge die Behandlung des eingeborenen Adels und seine Einschätzung hervor, aber wir haben weitere Beweise. Die alten eingeborenen Fürsten wurden insgesamt mit "Don" angeredet, was damals etwa dem heutigen englischen Mylord entsprach. Und die Nachkommen dieser Familien rühmten sich dieser Abstammung noch zweihundert Jahre später, wie UIJoa ( 46) bezeugt. Zahllos sind die"Informaciones de Nobleza" (Adelsproben), worin diese eingeborenen Adeligen stolz die Größe ihrer heidnischen Vorfahren rühmen. Miliares ( 47) und Berthelot ( 48) zitierten dieselben, der letztere erwähnt unter den ersten eingeborenen Familien, die Adelsbriefe erhielten: Guanarteme, Negrin (Armas), Bencomo, Vizcaino, Sierra (Bentaguayre), I:,~s Casas (Dara), Mayor, Doramas, Pedro, Garcia (den Comendador), Juan Prieto, Rodrigo Alvarez. Aber auch für von Kanariern eingenommene Ämter fehle~ die Belege nicht: Juan Negrin, Abkömmling eines eingeborenen Priesters von Gomera, bekleidete die hohe Würde eines Rey de Armas, und vererbt sie auf seinen Sohn und Enkel, die beide Juan de Armas Negrin hießen. Ein anderer Enkel desselben, Luis de Armas, war Regidor von Tenerife. Pedro Chimida, ein Kanarier aus Fuerteventura oder aus Gran Canaria, war Kommandant der Garnison, die Diego de Herrera in Gando zurückließ. Juan de Mayor, Eingeborener von Lanzarote, war Escribano und Alcalde in Lanzarote und wurde der erste Alguazil Mayor von Gran Canaria. Guillen Castellano spielte eine entscheidende Rolle bei den Repartimientos von Tenerife, war Regidor dieser Insel und wurde später Alcalde mayor. Pedro de Aday war Alcalde von Lanzarote. Der Eingeborene von Gran Canaria und Konquistador von Tenerife Pedro Garcia erwarb die Würde eines Comendadors, auch seine drei Brüder erlangten Würden. Die Familie Delgado, Daute, Medina, Vera, Torres, Oramas (Doramas), stellen viele Kapitäne und Fähnriche der Miliz ( 49). Maninidra, der Bruder des D. Fernando Guanarteme, hinterließ zwei Kinder, ein Enkel von ihm war Augustin Delgado, der berühmte Konquistador Südamerikas. Ich glaube, hier widerspricht doch alles einer gesellschaftlichen Zurücksetzung der Eingeborenen. Ganz anders wurde freilich die Lage ein Jahrhundert oder anderthalb Jahrhunderte später. Damals war der eingeborene Adel seit mehr als 150 Jahren restlos hispanisiert, dasselbe galt seit etwa I 00 Jahren 36 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 von den besseren Schichten der Eingeborenen. Mit Guanche und Kanario wurde damals nur der arme hörige oder gar versklavte Landarbeiter, der Viehhirte usw. bezeichnet, Naturales (Eingeborene) war zugleich der Ausdruck für die armen Berbersklaven und deren Nachkommen. Alles dies wollte natürlich niemand mehr sein. Zugleich erlosch ja auch, außer in den Adelsfamilien, die Familientradition. Weil alle Menschen besseren Standes nach Sprache und Sitte völlig Spanier waren und weil die Reisenden nirgends mehr einen Eingeborenen fanden, außer den Hirten, darum waren die Kanarier ausgestorben. Kritische Reisende freilich haben die Wahrheit erkannt und sagen, daß die Eingeborenen zu Spaniern geworden seien. Da die Rassen der Eingeborenen in den Kreis der europäischen Rassepgruppe gehörten, waren die Leute ja überhaupt nicht mehr zu erkennen, sobald sie einmal spanische Sprache und Sitte angenommen hatten. Ich glaube, daß ich aus der ganzen bisherigen Literatur und aus meinen neuen Dokumentenfunden eine erdrückende Fülle von Beweisen dafür zusammengebracht habe, daß die Eingeborenen der Kanaren nicht ausgestorben sind und daß im Gegenteil im 16. und wohl auch im 17. Jahrhundert das eingeborene Element in der Inselbevölkerung überwog. Wir erleben das überraschende Schauspiel, wie ein echtes Steinzeitvolk binnen einem Jahrhundert völlig eintritt in die Gemeinschaft eines modernen europäischen Hochkulturvolkes. So müssen sich wohl auch die Kulturwandlungen in Alteuropa vollzogen haben. Völliger Rassenwechsel war wohl selten, Akkulturation aber die Regel. Aber ich möchte als vorsichtiger Vertreter einer vorsichtigen Wissenschaft davor warnen, daß man nun auf der anderen Seite über das Ziel schießt. Die europäische Einwanderung im 15., 16. und 17. Jahrhundert war gering, die Auswanderer aus der iberischen Halbinsel gingen nach Amerika, wo nicht das beste Land in riesigem Großgrundbesitz unzugänglich war. Auch die Inseln selbst sind seit dem 16. Jahrhundert Auswanderungsland, das Menschen nach Amerika schickt. Aber ich weiß vorläufig noch nicht, ob nicht das 18. und 19. Jahrhundert eine größere Einwanderung aus Spanien gebracht hat. Und dann müssen wir mit der großen Einfuhr von Berbersklaven und der nicht geringen Einfuhr von Negersklaven rechnen, die zwar örtlich begrenzt, aber von großem Einfluß war. Die vorliegende siedlungsgeschichtliche Untersuchung kann also nur als eine, vielleicht die wichtigste Voraussetzung für die Lösung der Frage nach der Rassenzusammensetzung der heutigen Inselbevölkerung, aber noch lange nicht als deren endgültige Lösung betrachtet wer - den. 37 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Anmerkungen: ( 1) EI libro de las Costvmbres de todas las Gentes del M vndo y de las Indias, III/ VI, Anvers 1556. (2) La Historia del Mondo Nvovo etc. Venecia 1572. (3) Les Voyages du Sieur Le Maire aux Iles Canaries, Cap Verd, Senegal et Gambie., S. 34f., A Paris, MDC.XCV. ( 4) Noticias de la historia general de las Islas Canarias, Madrid 1772 - 1 774, 1783, Santa Cruz de Tenerife 1858. (5) D. Rafael Torres Campos, Caräcter de Ja conquista y colonizaci6n de las Islas Canarias, Madrid 1901 . ( 6) Beide bisher ungedruckt. (7) P. Fray Juan de Abreu Galindo, Historia de Ja Conquista de las siete islas de ·} Gran Canaria, geschrieben 1652, erst 1848 in Santa Cruz de Tenerife gedruckt; P. Fray Alonso de Espinosa, Dei Origen y Milagros de N. S. de Candelaria, Sevilla 1594, Santa Cruz de Tenerife 1848; P. Jose de Sosa, Topografia de la isla afortunada Gran Canaria etc., 1678, gedruckt Santa Cruz de Tenerife 1849; D. Juan Nuiiez de la Pena, Conquista y antigüedades de las Islas de la Gran Canaria, Madrid 1676, Santa Cruz de Tenerife 1847. (8) D. Augustin Miliares, Historia General de las Islas Canarias, I - X, Las Palmas 1893 - 1895, X/126. (9) Aloisio de Cadamosto, Delle sette isole delle Canarie e delli loro Costumi, abgedruckt von Ramusio, III/II, S. 66. (10) Le Canarien, Livre de la Conquete et Conversion des Canaries, publie d'.apres le manuscrit original ... par Gabriel Gravier, Rouen MDCCCLXXIV. ( 11) 1422, Juni 8, Almonte, und 1426 März 18, San Lucar de Barrameda, einverleibt der Pesquisa des Esteban Perez Cabitos in der Infomaci6n sobre cuyo es et derecho de la isla de Lanzarote y conquista de las Canarias, Biblioteca del Escurial, abgedruckt bei Chil y Naranjo, Estudios hist6ricos, climatol6gicos y patol6gicos de las Islas Canarias, 11/518 - 632, bzw. 605 - 611. (12) A. a. 0. 54f. (13) Millares, a. a. 0. V/78. (14) Viera y Clavijo vor allem. (15) Man sehe: Abreu Galindo 158 - 163, Miliares IV/109, Sosa 128, Juan Nuiiez de la Pefia 96; alle diesen a. a. 0 . Ferner D. Pedro Agustin del Castillo, Descripci6n hist6rica ,y geogräfica de las Islas de Canaria, geschrieben 1737, gedruckt Santa Cruz de Tenerife 1848; Quezada y Chavez, Manuskript im AEER (=Archivode la Real Embajada de Espai'ia eo Roma). (16) Die Dokumente werden im folgenden zitiert: AV = Vatikanisches Archiv, 38 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 RV = Registratura Vaticana, AS = Archivegeneral de Simancas, RS = Registro general del Sello, ACA = Archive de la Corona de Aragon in Barcelona, CaCa = Camara de Castilla. Die betreffenden Dokumente sind zugänglich in meinem gleichzeitig erscheinenden Artikel: La Curia Romana y la Corona de Espafia en la defensa de los Indigenas Canarios, Anthropos XXV/1930 wo sie in der Reihenfolge der Daten abgedruckt sind. ( 17) Cronica do Descobrimento e Conquista De Guine escrita por mandade de EI Rey, D. Alfonso V, sob a direccao scientifica, e segundo as instruccöes do illustre infante D. Henrique, pelo Chronista Gomes Eannes de Azurara ... erstmaliger Abdruck durch den Visconde de Santarem. Paris, Aillaud, MDCCCXLI. (18) Die angeführten Dokumente finden sich imAV, RV vol. 367, fol. 5ff., 44ff., vol. 371 , fol. 214ff., vol. 373, fol. 78ff., vol. 374, fol. 14lff., und waren bisher bis auf zwei unbekannt. Jetzt abgedruckt bei Wölfet, Anthropos XXV/ 1930. ( 19) Real Biblioteca, Madrid, MSS. II. M. l O; Torres Compos a. a. 0 . 121 -206. (20) AS, RS, 1515. Enero, dia en blanco, Valladolid; Wölfet a. a. 0. (21) Wir folgen darin und im weiteren Miliares, a. a. 0., IV/90ff., der sich auf die Libros de Datas (Grundbücher über die Repartimientos) und die Dokumente der Inquisition auf den Inseln stützt. (22) AS, RS. (23) A. a. 0 . 159. (24) Las Palmas 1874. (25) AS, CR ( = Conseje Real), Leg. 93, fol. l 0, pags. l - 216, fol. l - l 08 . (26) Cr6nica de los Reyes Cat6licos, publiziert in der Biblioteca de Autores Espafioles, 1878. Cap. CXXXII. (27) AS, CaCa (= Camara de Castilla), "Canarias"; Wölfe! a. a. 0 . (28) AS, CaCa, Canarias; W ölfel a. a. 0 . (29) AS, RS, W ölfel a. a. 0 . (30) AS, RS, Wölfe! a. a. 0 . (31) AS, RS; W ölfel a. a. 0 . (32) AS, RS; Wölfe! a. a. 0. (33) A. a. 0. III, Pr6logo. (34) Alle drei Dokumente, AS, RS; Wölfet a. a. 0. (35) Antiquites Canariennes, Paris 1879. (36) In Zeitschriften und Tagesblättern der Kanaren, mir hier unmittelbar nicht zugänglich. (37) Gelegentlich der schon erwähnten Vollmachterteilung, s. o. S. 294. (38) Miliares II/ l 27ff., IV /248ff., Garcia Ramos a. a. 0. (39) Antigüedades de las Islas Afortunandas de la Gran Canaria, Conquista de Tenerife etc., Sevilla 1604. Ich benütze den Neudruck durch Franz v. Löher 39 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (Der Kampf um Tenerife ), Tübingen 1883. (40) A. a. 0 . 49. (4l)A. a. 0. V356. (42)A. a. 0 . V/157. (43) A. a. 0. 11/ 133 . ( 44) Historia de la lnquisici6n en las Jslas Canarias, I - IV, Las Palmas 1874. ( 45) A. a. 0 . l 7f. ( 46) Manuskript in der Biblioteca Nacional, Madrid, ich besitze die Photokopien davon. (47) A . a. 0 . 11/ 128. (48) Antiquites Canariennes 65. ( 49) Garcia Ramos, Diario de Tenerife vom 17. Mai 1899, unter dem Titel "Conquistadores y Conquistados" zitiert nach Torres Campos, a. a. 0 . 40 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017
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Calificación | |
Colección | Almogaren |
Título y subtítulo | Sind die Ureinwohner der Kanaren ausgestorben? |
Autor principal | Wölfel, Dominik Josef |
Entidad | Institutum Canarium |
Publicación fuente | Almogaren |
Numeración | Número 23 |
Tipo de documento | Artículo |
Lugar de publicación | Hallein (Austria) |
Editorial | Institutum Canarium |
Fecha | 1992 |
Páginas | pp. 013-040 |
Materias | Prehistoria ; Islas Canarias ; Arqueología |
Copyright | http://biblioteca.ulpgc.es/avisomdc |
Formato digital | |
Tamaño de archivo | 14023675 Bytes |
Texto | 1. Teil © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Almogaren XXIII / 1992 Hallein l 993 13 - 40 Dominik JosefWölfel Sind die Ureinwohner der Kanaren ausgestorben?* Eine siedlungsgeschichtliche Untersuchung, ausgefiihrt mit Hilfe der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Die vorhergehenden Ausführungen** von Prof. Eugen Fischer haben klar gemacht, daß alle anthropologischen Tatsachen dafür sprechen, daß die Ureinwohner der Kanaren in der heutigen Bevölkerung weiterleben. Von vornherein ist ja eine solche Annahme wahrscheinlich, da die restlose Ausrottung einer Vorbevölkerung nur dort bezeugt ist, wo Ackerbauvölker auf schweifende Sammler und Jäger stießen, wo dann die einen den ihnen notwendigen weiten Lebensraum verloren, während die anderen aus den Vorbewohnern weder Kulturgenossen noch Arbeitskräfte gewinnen konnten. Wie bei allen Fragen der Geschichte können uns prinzipielle Erwägungen, mögen sie auch noch so richtig sein, für den Einzelfall keine Gewißheit geben, hier gibt es nur einen Beweis aus den Tatsachen. Wenn wir hoffen, im folgenden einen tatsächlichen Nachweis des Weiterlebens der Ureinwohner bieten zu können, so stützen wir uns dabei vorerst auf drei Autoren, die in verschiedenem Grade und mit stets wachsenden Möglichkeiten schon früher diesen Beweis versuchten. Es sind dies: Sabin Berthelot, der in seinen zahlreichen Arbeiten über die Kanarischen Inseln immer wieder diese Ansicht vertrat und einzelne Belege dafiir beibrachte, nach ihm dann R. Verneau, der an den lebenden Einwohnern darauf hinwies und schließlich D. Agustin Miliares, der als erster in weitem Ausmaß dokumentarische Quellen zur Beweisführung benutzte und die Tatsache des Weiterlebens im Prinzip sicherte. Die Arbeiten dieser drei wurden dann in letzter Zeit von D. Rafael Tones Campos in seiner Apologie der spanischen Kolonisation der Inseln geschickt zusammengefaßt, in den Rahmen der anderen schon bekannten Literatur eingefügt, und mit einigem neuen Material erweitert. Die Unterstützung der Österreichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe hat es mir nun in diesem Jahre möglich gemacht, durch die Auffindung neuer Anmerkungen der Redaktion: * Zuerst erschienen in Zeitschrift für Ethnologie 62/1930, Berlin 1931, S. 282-302 * * Diese Angabe bezieht sich auf den im gleichen Band erschienenen Aufsatz von Eugen Fischer: Sind die alten Kanarier ausgestorben?.- Zeitschrift für Ethnologie 62/1930, Berlin 1931 , S. 258-281 13 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 zeitgenössischer Dokumente in den spanischen und in den römischen Archiven die Beweismittel in ungeahnter Fülle zu erweitern und die Frage endgültig zu klären. Im großen und ganzen bleibt jetzt nur mehr die Aufgabe, in sorgfältiger Detailforschung Ort und örtlichen Hundertsatz dieses Weiterlebens festzustellen und damit die Unterlagen für, die anthropologischen und volkskundlichvölkerkundliche Untersuchungen der Lebenden zu schaffen. Wir werden im folgenden sehen, bis zu welcher Genauigkeit der Beweis auch jetzt schon reicht. Wie kam es aber nun überhaupt zu der allgemeinen Annahme, daß die Kanarier ausgestorben seien? Vor allem gab es dafür Zeugnisse ziemlich alter Autoren. Schon 1550 sagte Francisco Thamara (l ), daß nur wenige der Eingeborenen leben. Dreißig Jahre später erzählt unser Girolamo Benzoni (2) gar, daß überhaupt nur mehr einer von ihnen existiert. Mehr als hundert Jahre später aber weiß Le Maire doch das Richtige zu erkunden, wenn er schreibt: "Die Spanier wollten das Land unbedingt ihrer Herrschaft unterwerfen und schickten daher eine große Menge der Einwohner als Sklaven nach Spanien. Jene, die in ihrem Vaterland geblieben sind, haben sich zivilisiert und leben in der Weise ihrer Besieger (3)". Wir werden sehen, wie richtig beide Angaben sind. Entscheidend aber für die Literatur des 19. Jahrhunderts wurden die Deklamationen D. Jose de Viera y Clavijo's (4), der die Einwohner als schon bald nach der Eroberungszeit ausgestorben erklärt und sich nicht genug tun kann in der Schilderung der Ausrottung durch die Europäer. Mag die Apologie von Torres Campos (5) auch weit über das Ziel schießen, jedenfalls unterscheidet sich die Kolonialpolitik der Spanier auf den Kanaren, in Südamerika, Mittelamerika und auf den Philippinen sehr zum Vorteil der Eingeborenen von der der anderen Kolonisations völker. Von Viera y Clavijo übernahmen alle folgenden Autoren diese Auffassung und erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertrat Berthelot die richtige Ansicht. Aber auch die Arbeiten Berthelots und Vemeaus hinderten nicht, daß man weiter von den ausgestorbenen Kanariern spricht. Viera y Clavijo selbst bringt in seinem Geschichtswerke eine Unmenge von Belegen dafür, daß die Kanarier nicht ausgestorben sind, die alten Geschichtsschreiber, die zum Teil als Augenzeugen, wie Cedefio (Sedefio) und Escudero ( 6), zum Teil als Zeitgenossen, wie die spanischen Chronisten dieser Zeit, zum Teil nur hundert Jahre später schrieben (7), sind überhaupt nur ein einziger Beweis dafür. überblicken wir zuerst einmal die politische Lage und die Bevölkerung der Inseln vor der Eroberung. Lanzarote war schon bevor Jean de Bethencourt die Eroberung begann durch Sklavenraub ziemlich bevölkerungsarm geworden, alle Zahlenangaben der alten Autoren geben niemals mehr als einige hun- 14 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 dert Einwohner. Etwas mehr Bewohner zählte Fuerteventura, sicherlich aber unter Tausend. Von Hierro wird uns berichtet, daß Bethencourt etwa hundertfünfzig durch Treubruch und Verrat in seine Hände gelangte Einwohner und ihren König als Sklaven wegführte und verkaufte. Daran hat man die Behauptung geknüpft, daß in Hierro so gut wie gar keine Eingeborenen zurückblieben. Wir werden im folgenden sehen ob das zutrifft. Jedenfalls wäre· bei der schwachen Bevölkerungszahl dieser drei Inseln die Möglichkeit, daß auch weiterlebende Eingeborene in der Masse der europäischen Einwanderer auf gesogen wurden, nicht ganz von der Hand zu weisen. Trotzdem wird dies auch für diese drei schwachbevölkerten Inseln zu einer Unwahrscheinlichkeit, wenn wir wissen, daß nach den ziemlich übereinstimmenden Angaben aller alten Schriftsteller, die Millares (8) zusammenfaßt, am Ende des 15. Jahrhunderts Lanzarote und Fuerteventuraje 900 Einwohner, Hierro deren 400 hatten. Das ist eine Anzahl, wie sie durch die natürliche Vermehrung der eingeborenen Bevölkerung, sobald sie einmal halbwegs vor dem Sklavenraub geschützt war, leicht erreicht werden konnte, wenn man auch weiß, daß die drei Inseln zur Eroberung und Besiedlung der drei großen Inseln Gran Canaria, Tenerife und La Palma viel Blut abgaben. Wir wissen aber ganz genau, daß die normannischen Einwanderer sehr gering an Zahl waren, so gering an Zahl, daß sie schon in der zweiten Generation vollkommen hispanisiert waren, und wir haben keinerlei Nachricht darüber, daß eine nennenswerte spanische Einwanderung in sie erfolgte, da die Inseln arm waren, unter einem fürchterlichen Steuerdruck standen und sich eben gleichzeitig den Bewohnern der Länder der kastilischen und jenen der aragonischen Krone die schönsten Niederlassungsmöglichkeiten in den neugewonnenen früher maurischen Ländern des südlichen Spanien boten. Aber wir haben auch direkte Beweise dafür, daß das spanisch-normannische Element auf diesen drei Inseln eine Minderheit darstellte. Cadamosto (9), der die drei Inseln 50 Jahre nach der Eroberung besuchte (J 555) sagte ganz ausdrücklich: "Die Bevölkerung der eroberten Inseln", das waren damals nur die drei, "setzt sich zum größten Teil aus Eingeborenen zusammen, die sich untereinander nicht verstehen, wegen der Verschiedenheit der Dialekte". In der Chronik der ersten Eroberung beschrieb Le Verrier ( I 0), wie Bethencourt dem eingeborenen König von Lanzarote und den beiden Königen von Fuerteventura eine reichliche Landschenkung machte. Maciot de Bethencourt, der Neffe des normannischen Eroberers und Statthalter, von 1420 bis etwa 1450 Herr der Insel Lanzarote, heiratete Teguise, die Tochter des Königs Guardafia von Lanzarote und hatte Nachkommenschaft von ihr, und eine Enkelin desselben Luis Guardafia, Dona Catalina Da-Fia, ist die Geliebte Sancho de Herreras, des 15 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Feudalherrn von Lanzarote, der die Tochter aus dieser Ehe, Dofia Constanza, legitimiert und zu seiner Erbin, d. h. zur Herrin Lanzarotes, macht, so daß das alte Herrscherhaus, ganz nach dem eingeborenen Mutterrecht, wieder zur Herrschaft kommt. Noch beweiskräftiger sind vielleicht die Wendungen in den Privilegien, die Don Enrique de Guzman, Conde de Niebla, zwischen 1420 - 1434, den beiden Inseln Fuerteventura und Lanzarote gewährt (11 ). Es heißt darin: "Weil es den Königen und großen Herren, besonders jenen, welche eine neue Eroberung zur Bekehrung Ungläubiger haben, zukommt, Gutes zu tun und Gnaden zu erweisen, gewähre ich Euch meinen Vasallen und Einwohnern meiner Insel Fuerteventura, die Ihr zu diesem Glauben bekehrt seid, und um Euch besser anzueifern mit Euren Herzen gut zu wirken und zu leben in diesem Glauben usw." Und genau dieselbe Wendung gebraucht er auch gegenüber den Bewohnern von Lanzarote. Daß diese Wendung gegenüber Cristianos viejos, wie es die normannischen und spanischen Einwanderer gewesen waren, nicht nur sinnlos, sondern_gerade zu eine Beleidigung wäre, liegt auf der Hand, wenn er sie also gebrauchte, dann muß sie auf die übergroße Mehrheit der Einwohner zutreffend gewesen sein. Wir sehen außerdem aus den Urkunden und Zeugenaussagen der genannten Pesquisa, daß die sicher von Spanien stammenden Personen, die darin erwähnt werden, Kaufleute sind, also nicht recht als Ansiedler in Betracht kommen, und daß die Einwohner immer "Naturales" (Eingeborene) genannt werden. Da die eingewanderten Normannen und Spanier meistens keine Frauen herüberbrachten, sondern, ebenso wie es auf den später eroberten Inseln geschah, eingeborene Frauen heirateten, wird der Hundertsatz des Europäerblutes noch nicht herabgesetzt und man könnte also sagen, daß diese beiden Inseln rein kanarisch geblieben sind, wenn wir nicht die Belege einer ganz massenhaften Einwanderung von gefangenen, versklavten und später emanzipierten Berbern im 15. und 16. Jahrhundert hätten. Im 16. Jahrhundert dürfte das neu eingewanderte Berbertum mindestens ein Drittel der Bevölkerung betragen haben. Wir werden weiter unten noch darauf zurückommen. Noch klarer liegen die Dinge für Hierro, trotz der von Bethencourt hinweggeführten Gefangenen. Abreu Galindo ( 12) berichtet, daß Jean de Betancor in Hierro den Vizcayer Lazaro als Statthalter zurückließ, der mit seinen Leuten die Eingeborenen plagte und vergewaltigte, worauf diese sich erhoben und den Lazaro töteten, seine Leute aber belagerten. Diese Episode wird von anderen Autoren etwas anders, aber doch im wesentlichen gleich berichtet. Maciot de Bethencourt bestrafte 16 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 die schuldigen Europäer und die zufriedengestellten Eingeborenen kehrten wieder zum Gehorsam zurück. Das alles setzt aber voraus, daß die Eingeborenen nicht nur nicht ausgerottet waren, sondern daß sie außerdem noch in beträchtlicher Überzahl sein mußten, wenn sie die soviel besser gerüsteten Europäer belagern konnten. Aber es muß nicht nur die Unterschicht der Eingeborenen, sondern auch ihr Adel auf dieser Insel weitergelebt haben, denn etwa 70 Jahre später lebt ein Vetter der Ines Peraza, Erbin und Feudalherrin der Inseln, als Statthalter auf Hierro und dieser Luis Gonzalez Martel de Tapia heiratete eine wunderschöne Eingeborene der Insel (13). In diese Insel ist, soviel ich sehen kann, keine, oder wenigstens keine nennenswerte Einfuhr von Berbersklaven erfolgt. Schwieriger darzustellen, aber nicht weniger beweiskräftig in unserem Sinne ist die Sachlage auf der Insel Gomera. Bezüglich Gomeras verfügen wir nun, dank der glücklichen Funde meiner Archivreise, über ein reiches, völlig neues Material, aus dem sich ergibt, daß jedenfalls die Behauptung einiger der alten Autoren, daß auch diese Insel bereits bald nach 1400 erobert wurde, falsch ist (14). Andere Autoren schrieben ganz richtig die Eroberung entweder Heman Peraza dem Älteren, etwas vor 1450, oder Diego de Herrera, etwas nach diesem Zeitpunkt zu (15). Wenn wir es nicht bereits aus den vielen Aufständen der Gomerer, von denen die genannten Autoren berichten, wüßten, so würden es uns unsere neuen Dokumente lehren, daß die Eroberung bis gegen 1485 eine sehr zweifelhafte war ( 16). Azurara (17), dessen Chronik 1445 geschrieben wurde, mit den Ereignissen aber, die er schildert, in das Jahr 1430 zurückgeht, kennt die Insel noch als völlig unabhängig, wenn sie auch in lebhafte Handelsbeziehungen zu den Europäern getreten ist und ihre Eingeborenen als Hilfstruppen die Europäer im Sklavenraub auf den drei großen Inseln unterstützten. Dabei kam es freilich öfters vor, daß die ehrenwerten europäischen Sklavenhändler auch gleich ihre gomerischen Bundesgenossen nach Europa mitnahmen und verkauften. So kam der Häuptling Piste nach Lissabon, wurde aber dort von Prinz Heinrich dem Seefahrer befreit, gastlich aufgenommen und reich beschenkt in die Heimat entlassen. Dieser Piste und der neben ihm von Azurara erwähnte Häuptling Bruco scheinen dann auch mit zweien der Stämme der Insel die portugiesische Partei gebildet zu haben. Jedenfalls schildert aber Azurara die Insel noch als ganz heidnisch und unzivilisiert. Unmittelbar darauf aber hatte der Bischof Fray Fernando Calvetos von Lanzarote aus missionarische Beziehungen zu Gomera angeknüpft, die sich von 1431, dem Ernennungsjahr dieses Bischofs, bis zum September 1434 derartig entwickelt haben, daß Papst Eugen IV dem "Herzog" Chimboyo einen 17 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Geleitbrief schicken konnte, in dem er ihn regelrecht zur Katechisation auf seiner eigenen und den anderen Inseln ermächtigte und seinen frommen Eifer lobt. Es muß damals schon ziemlich viele Christen auf der Insel gegeben haben. Andere päpstliche Urkunden an den Bischof von Rubicon sowie an verschiedene Erzbischöfe erwähnen immer wieder die Insel neben Gran Canaria. Es werden rapide Fortschritte der Christianisierung erwähnt, ein eigenes Schiff wird auf Kosten kurialer Einkünfte erworben und als Missionsschiff dem Bischof zur Verfügung gestellt, und es hat ganz den Anschein, als ob die Inseln knapp vor einer friedlichen aber gründlichen Christianisierung ständen. Die eigentliche Missionstätigkeit wird dabei in die Hände christianisierter Eingeborener von Gomera und Gran Canaria gelegt, von denen einige Kleriker, andere Laienbrüder sind. Eingeborene werden in den Handwerken unterrichtet, Ackerbaugeräte und Werkzeuge beschaffen, die so ersehnten Metalle mitgebracht, durch Loskauf geraubter Eingeborener und ihrer Heimsendung nach erfolgter Christianisierung die Verbindung hergestellt, kurz die fortgeschrittensten Methoden der Mission angewendet. Wie weit die Dinge bereits gediehen waren, ersieht man daraus, daß schon im Februar 1431 Eugen IV den Bischof über dessen Bitte ermächtigt, das Bistum nach Gran Canaria zu übertragen (AV, RV, 37l/214ff.). Wenn man auch einerseits daraus schließen kann, daß der Bischof sich aus irgendwelchen Gründen in Lanzarote nicht mehr wohl fühlte, so müssen doch andererseits genügend Voraussetzungen für eine solche Übertragung des Bischofssitzes in eine damals ausschließlich den Eingeborenen gehörige Insel gegeben gewesen sein ( 18). In diesem Zusammenhang verstehen wir es nun, wenn die besten alten Autoren erzählen, daß einerseits die Gomerer die Spanier friedlich und freiwillig auf genommen hätten, anderseits aber immer wieder Aufstände erfolgen und die Portugiesen sich auf eine eingeborene Partei (zwei der vier Stämme) stützen konnten. Die Herrschaft Heman Perazas des Älteren scheint sich über kaum mehr als einen der Stämme erstreckt zu haben und auch Diego de Herrera, sein Schwiegersohn und Nachfolger, scheint vorerst nicht mehr erreicht zu haben. Dessen Sohn, Heman Peraza der Jüngere, hat vor dem 20. September 1477 fast hundert seiner gomerischen Untertanen, unter dem Vorwande den Kaufleuten beim Verladen zu helfen, auf Schiffe aus Palos und Moguer gelockt und in Spanien als Sklaven verkauft. Damit beginnt aber das mannhafte und echt christliche Eintreten D. Juan de Frias, des damaligen Bischofs, für seine eingeborenen Diözesanen. Er geht nach Spanien, wendet sich an den höchsten Gerichtshof, an den König selbst, und findet bei diesem vollste Gerechtigkeit und durchgreifende Hilfe. Der König läßt sogar die Kanarier vor sich kommen, um selbst zu sehen, ob sie richtiggehende Christen sind, läßt die verkauften Gomerer 18 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 sequestrieren, gibt dem Bischof am 6. Februar 14 78 die Ejecutoria zu dem von ihm bestätigten Urteil und am 20. Februar darauf beauftragte er die beiden Richter Juan de Aranda und Lope Sanches de Villa Real damit, jeden einzelnen der Gomerer im ganzen Reiche aufzusuchen und dem Bischof zur Freilassung zu übergeben. War es 40 Jahre früher die römische Kurie, die mit Interdikten, Exkommunikationen und Loskaufungsgeldern für die Eingeborenen und gegen die Sklavenjäger eintrat, so ist es jetzt die kastilische Krone. Freilich mit einem Unterschied: Die Kurie sah auch in den Heiden künftige Christen und schützte sie, während der König nach damaliger Rechtsansicht den Sklavenraub im offenen Kampfe für erlaubt ansah, wenn er sich nicht auf Christen erstreckte. Von anderen Europäern als einigen Kaufleuten ist dabei auf der Insel keine Rede, nur der Turm der Herreras hat eine Besatzung von Eingeborenen von Lanzarote, sonst bleiben die Gomeros unter sich. In der bereits erwähnten Pesquisa über die Eigentumsrechte an Lanzarote wird Gomera 1478 in den Zeugenaussagen ganz als Insel der Eingeborenen geschildert und das Christentum derselben stark in Zweifel gezogen und erwähnt, daß Heman Peraza sich auf einen Häuptling stützte, während die drei anderen Häuptlinge und Stämme ihm weiterhin ungehorsam und feindlich blieben und die Portugiesen unterstützten (19). Im Januar 1482 geht Heman Peraza mit einem Hilfskorps seiner Gomerer nach Gran Canaria, um sich an der Eroberung dieser Insel zu beteiligen. Während er selbst bald darauf nach Gomera zurückkehrt zu seiner jungen Gattin, der lieblichen Renaissancebestie Beatriz de Bobadilla, die durch ihre Greueltaten die Inseln mit Schrecken erfüllen sollte, blieben die Gomerer auf Gran Canaria zurück und zeichneten sich bei der Eroberung aus, ihre daheimgebliebenen Landsleute aber erhoben sich bald darauf in einem Aufstand, der von Pedro de Vera, dem Feldherrn der Spanier in Gran Canaria, blutig unterdrückt wurde. Trotzdem wurde Heman Peraza kurz darauf, im November 1488, von den Gomerem erschlagen. Die Nicht-Gomerer auf der Insel, unter denen sicher die Europäer in der Minderheit waren, verfügten über keine großen Kräfte, als daß sie sich in dem Turm der Insel verteidigen konnten, bis Pedro de Vera wieder zum Strafgericht kam. Diesmal soll er unter den Eingeborenen ganz fürchterlich gewütet haben und ebenso unter den verdächtig gewordenen gomerischen Hilfstruppen auf Gran Canaria, aber der Bischof trat wieder heldenhaft fiir die Eingeborenen ein und soll nach den alten Autoren die Freilassung der als Sklaven verkauften erwirkt haben. Jedenfalls kam es damals trotz alledem zu keiner Ausrottung der Gomerer, denn es werden der Insel zu Ende des Jahrhunderts ungefähr ebensoviel Einwohner zugeschrieben wie zu 19 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Anfang desselben und irgendeine nennenswerte europäische Einwanderung läßt sich nirgends nachweisen. Wir wollen uns nun Gran Canaria zuwenden. Die verheißungsvollen Anfänge einer Christianisierung, die wir bereits erwähnten, waren mittlerweile durch die Raubgier und Treulosigkeit Diego de Herreras zunichte gemacht worden. Er muß dabei in einen Gegensatz zu den Bischöfen geraten sein, die ihre Politik der Religion und Menschlichkeit betrieben. 14 78 wurde den Herreras eine Entschädigung für ihr Eroberungsrecht an den drei großen Inseln zugesprochen, welches dafür die kastilische Krone an sich brachte, und am 13. Juni dieses Jahres segelte die Armada der Konquistadoren nach Gran Canaria ab. Das Heldenlied der Eroberer, dessen Helden fast ausschließlich die Eingeborenen sind, gehört nicht in diesen Zusammenhang. Am 12. November 1482 wird Thenesort Semidan, der Guanarteme oder König von Gran Canaria gefangen genommen und die große Wendung tritt ein; hier aber beginnen wieder die von mir aufgefundenen Dokumente zu sprechen. Am 30. Mai 1481 hatten die katholischen Könige den Eingeborenen von Gran Canaria einen besonderen Bestätigungsbrief verliehen, der sich auf einen Punkt einer vorher abgeschlossenen Kapitulation bezog. Es wird darin den Kanariern der Inseln freies Geleit auf den Meeren und in den spanischen Reichen und den anderen Inseln, sowie Freiheit in Handel und Wandel zugesagt. Das Zitat aus der Kapitulation gibt die Bitte der "Guanartemes, Caballeros y omes buenos" von Gran Canaria und die Zustimmung des Königs und der Königin wieder und wenn wir auch leider über die anderen Punkte der Kapitulation keine Aufklärung erhalten, so ist es doch klar, daß es sich um einen regelrechten Friedens- und Unterwerfungsvertrag zwischen der spanischen Krone und den eingeborenen Herrschern, dem Adel und den Gemeinfreien Gran Canarias handelt, der den Eingeborenen im Wesen dieselben Rechte zusichert wie den Spaniern selbst. Erhalten ist uns diese Bestätigung der Kapitulation in einer neuerlichen Bestätigung vom Januar 1515 (20), die zwei Eingeborenen von Gran Canaria, die als Konquistadoren auf ihren Repartimientos in Tenerife lebte, gewährt wurde. Die Tragweite des Dokumentes brauche ich nicht hervorzuheben; es macht vieles klar, was uns die Geschichtsschreiber berichten, aber es gibt uns auch Rätsel auf. Wie konnte die spanische Krone 1481 mit einem Guanarteme einen Friedens- und Schutzvertrag abschließen, wenn dieser erst 1482 kriegsgefangen wurde? Entweder wurde der spätere Don Fernando Guanarteme schon vor dem 30. Mai 1481 gefangen genommen und dem widersprechen einmütig alle Autoren und die zeitgenössischen Chroniken und Augenzeugen, oder aber es muß der Guanarteme im Frühjahr 1481 seine Unterhändler in Calatayud am Hofe 20 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 des Königspaares gehabt haben, die in seinem Namen den Vertrag abschlossen, und die Gefangennahme war ein Scheinmanöver, um die kanarische Kriegspartei zu täuschen. Für diese Annahme sprechen die Umstände der Gefangennahme. Der Guanarteme begab sich mit fünfzehn Begleitern in eine Höhle ganz nahe einer spanischen Befestigung und wurde dort ausgehoben. Das ganze weitere Verhalten spricht dafür: Der Guanarteme wird feierlich im spanischen Lager empfangen, sofort an den kastilischen Hof geschickt, dort mit Gnaden überhäuft, getauft und kehrt als freier Mann, als einer der Kapitäne der Spanier, dem alle bereits unteiworfenen, spanierfreundlichen Eingeborenen unterstellt sind, nach Gran Canaria zurück. Dort wendet er dann alle Mittel friedlicher Überredung und Vermittlung, allen seinen Einfluß auf, um die Insel zur Unterwerfung zu bringen und er ist es auch, der nach verschiedenen Rückschlägen der Spanier diese Unterwerfung zustande bringt. Und es ist eine Tatsache, daß er und seine Familie und seine Getreuen auf Gran Canaria reiche Repartimientos erhalten und daß die Kanarier dieser Insel sich in die neue Ordnung friedlich einfügen. Für die Teilnehmer an einem letzten Aufstand, die einige Geistliche ermordet hatten, weiß er Milde zu erwirken, und als sie in Sevilla interniert sind, bittet er das Königspaar um Erleichterung ihrer Lage und Abhilfe ihrer Beschwerden, was das Königspaar in seiner Provision vom 30. August 1485, C6rdoba, auch wirklich gewährte. Die Lage der unterworfenen Eingeborenen von Gran Canaria gestaltete sich nach der Beruhigung des Landes durchaus nicht ungünstig. Don Fernando Guanarteme erhielt als Repartimiento das Gebiet von Guayedra, nach seiner Teilnahme an der Eroberung von Palma und Tenerife kamen reiche Ländereien auf La Palma, ausgedehnte Ländereien inAdeje, Tegueste und Tejina aufTenerife, ja sogar Besitzungen in Sevilla dazu (21). Seine Familie wurde in Galdar begütert, seine Töchter und weiblichen Verwandten verheirateten sich mit den vornehmsten Spaniern und seine Hauptleute traten mit ihm in die Reihen des spanischen Adels ein. Der Notar Diego de Flores von Galdar auf Gran Canaria verzeichnete 1565 eine ganze Reihe von Transaktionen zwischen Nachkommen von Kanariern, und zahlreiche andere Belege für den Landbesitz der Kanarier auf dieser Insel sind durch die Testamente der Eingeborenen gegeben. Wie bei den anderen Inseln, waren auch hier mit den Spaniern nur wenige Frauen gekommen, so daß die Nachkommen der eingewanderten Spanier selbst nicht reinblütig, sondern Mischlinge waren. Wie groß der Anteil der Kanarier an der Gesamtbevölkerung der Insel nach der Eroberung war, läßt sich mit Zahlen nicht angeben. Wir können auf Grund der Angaben der Geschichtsschreiber die Zahl der Krieger bei Beginn der Eroberung mit etwa 5000 bis 7000 annehmen, 21 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 die Gesamtbevölkerung somit auf etwa zwanzigtausend schätzen. Sklaven wurden während des Krieges verhältnismäßig wenige weggeführt. Dafür sorgte schon der Bischof Don Juan de Frias, der aus den Mitteln der Indulgenz Sixtus IV zur Bekehrung und zum Freikauf der Kanarier die Mittel zur Eroberung zur Verfügung gestellt hatte und kraft der Kapitulation vom 13 . Mai 1478 (22) maßgeblichen Einfluß im ganzen Eroberungsunternehmen hatte. Im 16. Jahrhundert wird die Einwohnerzahl der Insel Gran Canaria auf 10000 Köpfe geschätzt, davon müssen, abgesehen von den kanarischen Frauen der europäischen Einwanderer und deren Mischlingsnachkommen mehr als die Hälfte Eingeborene gewesen sein. Darauf deutet ja schon hin, daß das ganze Jahrhundert hindurch über Menschenmangel und neuerliche Auswanderung der kaum erst Eingewanderten geklagt wird, so daß die Könige darüber Verfügungen treffen. Noch deutlicher aber ist es, wenn Castillo (23) berichtet, daß Hernando de Porras, der im Auftrage der spanischen Eroberer zu Hof gegangen war, um Beschwerden über die Zuteilung der Repartimientos vorzubringen, dort Vor - stellungen darüber erhob, daß es so viele Kanarier auf der Insel gebe, daß sie sich leicht erheben und die spanische Herrschaft abschütteln könnten. Das setzt doch wohl voraus, daß die Eingeborenen in der Majorität waren. Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Krone darauf einging. Sie hielt die Kapitulation, wie die erwähnte Bestätigung aus dem Jahre 151 5 zeigt, genau so treulich ein, wie sie von Don Fernando Guanarteme eingehalten worden war und wurde. Die Besorgnisse wurden ja bald hinfällig, als der einstige Guanarteme und der tapfere Häuptling Maninidra mit dem kriegerischesten Teil des Kanarieradels Alonso de Lugo zur Eroberung von La Palma und Tenerife folgten, dort Repartimientos erhielten und sich dauernd dort ansiedelten. Einiges Licht über die Lage der Eingeborenen der Insel bringt ein von mir aufgefundenes königliches Schreiben vom 7. November 1504, Medina del Campo (AS, RS), worin den Kanariern Schutz gegen Übergriffe des Statthalters gewährt wird. Die Besitzer von Viehherden, wahrscheinlich im gebirgigen Inneren der Insel, hatten sich beklagt, daß die entlaufenen kanarischen, berberischen und Negersklaven zu ihnen kämen und von ihnen Nahrung erbettelten und daß dann der Gobernador und die Eigentümer der Sklaven, obwohl sie abgewiesen worden waren, diese Herdenbesitzer dafiir verantwortlich machten und von ihnen die Einbringung der Entlaufenen forderten. Das Schriftstück, das sich wohl auf die soziale Mittelschichte der Eingeborenen bezieht, zeigt, daß dieselben zwar auch ihre Plackereien erlitten, daß sie aber trotzdem Mittel und Wege hatten, sich an die Krone um Schutz zu wenden und daß sie diesen Schutz auch immer erhielten. Wir dürfen nicht vergessen, daß die eingeborene Gesellschaft vor der Er- 22 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 oberung eine breite Schicht von ziemlich verachteten Hörigen umfaßte und daß diese sicherlich nach der Eroberung ihre Lage kaum verbessert hatten, mochten sie nun unter der Herrschaft eingeborener Adeliger geblieben oder unter die eingewanderter Fremder gekommen sein. Die eingeborene Mittelschicht wieder war wohl vielfachen Übergriffen ausgesetzt, bis sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts restlos mit den Einwanderern verschmolzen war. Nur der Adel war den Einwanderern von vornherein gleichberechtigt und er konnte schon dreißig Jahre nach der Eroberung als völlig hispanisiert gelten. Viera y Clavijo weist auf von ihm in Spanien vorgefundene Vorschriften hin, nach denen beim Eintritt in ein Kollegium der Nachweis zu führen war, daß der Aufnahmswerber kein Nachkomme von "Guanchen" sei. Wenn die Ausnahmeverfügung wirklich bestand, dann bezog sie sich offenbar auf die Nachkommen nach Spanien verkaufter Sklaven, nicht aber auf die freien Nachkommen der Eingeborenen auf den Inseln. Wie wäre es sonst zu erklären, daß die vornehmsten Spanier der Inseln sich mit den Eingeborenen verschwägerten und spanische Grandenfamilien wieder mit diesen Mischlingsfamilien? Auch ist der Ausdruck Guanches verdächtig, weil sich dieser nur auf die Einwohner von Tenerife bezieht, die daneben, wie alle anderen Eingeborenen der Kanaren in allen Dokumenten und bei allen alten Autoren "Canarios" genannt wurden. Am Schlusse unserer Untersuchung werden wir sehen, wann und wie die Bezeichnung Canario und Guanche sozial sank und verächtlich wurde. Daß die nach den in der iberischen Halbinsel geltenden Grundsätzen urteilenden Inquisitoren die Neubekehrten und ihre Nachkommen mit Mißtrauen beobachteten, ist nur natürlich, aber Miliares zeigte in seiner Historia de la Inquisici6n en las Islas Canarias (24) ganz ausführlich, wie das Santo Oficio sein Augenmerk nahezu ausschließlich den zahlreichen getauften Juden und Nachkommen derselben, den Berbersklaven und den niederländischen und englischen Ketzern, nur zuweilen aber den Eingeborenen zuwendet. Bevor wir nun die nächste Insel behandeln, wollen wir ganz ausdrücklich davor warnen, nun annehmen zu wollen, daß Gran Canarias Bevölkerung auf etwa drei Fünftel bis zu zwei Drittel Kanarierblut und den Rest Europäerblut zurückgehe . Gerade diese Insel hat eine starke Einfuhr von Neger- und Berbersklaven erfahren, die ganz beträchtliche Zuschüsse zur heutigen Population geliefert haben müssen. Eine Spezialuntersuchung kann die auf die Zuckerrohrpflanzen beschränkten Zentren dieser Einwanderung leicht feststellen und dadurch deren Sonderbehandlung sichern. Am wenigsten unterrichtet sind wir von der nächsteroberten Insel, von La Palma. Weder die Geschichtsschreiber noch die dokumentarischen Quellen bringen viel über sie. Glücklicherweise konnte ich einige neue Dokumente auf- 23 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 finden, die, abgesehen von ihrem absoluten Wert angesichts dieses Mangels noch mehr an Bedeutung gewinnen. Am 31 . August 1505 gaben Don Fernando und Dofi.a lsabel dem Lizenziaten Juan Ortiz de Zarate den Auftrag, zur Reformation der Repartimientos der drei großen Inseln nach den Kanaren zu gehen. Im Januar 1506 erschien er in Gran Canaria und schon im März war er in Tenerife. Dort herrschte eine heillose Wirtschaft, da Don Alonso Femändez de Lugo, der Eroberer der beiden Inseln La Palma und Tenerife, seine unbegrenzten Vollmachten ganz nach der Neigung seines grausamen, treulosen und launenhaften Charakters ausübte. Er hatte die Witwe des Heman Peraza, Beatriz de Bobadilla, geheiratet, und dieses grausame Weib paßte ausgezeichnet zu ilun. Soweit er immer konnte, verhinderte er es, daß Beschwerden und Klagen den Hof erreichten, indem er den Schiffskapitänen verbot, Beschwerdeführer mitzunelunen. Trotzdem sind die Dokumente, die ich aus Spanien heimbrachte, voll von Beschwerden gegen seine Tyrannei. Ortiz de Zarate legte in Tenerife regelrechte Prozeßakten an, in welche alle bezughabenden Urkunden und die Aussagen der von ilun einvernommenen Zeugen eingetragen sind. Das Original dieses "Proceso de Canaria" fand ich im Archiv von Simancas auf und es wird demnächst veröffentlicht werden (25). Wenn ich darauf verweise, daß die Eroberung nur zehn Jahre vorher stattgefunden hat, so ist der geschichtliche Wert des Fundes zur Genüge charakterisiert. Wir finden darin auf Seite 110 eine Aussage des Pedro de Valdes, Regidors von Tenerife, über die Vorgeschichte der Eroberung von La Palma. Diese besagt: Wie bei Gran Canaria, war auch bei dieser Insel das Eingreifen der Kirche entscheidend . Das Kapitel der Kathedralkirche von Las Palmas rüstete ein Schiff aus und schickte darin eine christianisierte, auf Gran Canaria lebende Palmera nach der Insel. Diese verhandelte mit den eingeborenen Fürsten und kehrte mit einer ganzen Anzahl derselben nach Las Palmas zurück, wo die Fürsten so lange blieben, bis sie getauft, unterrichtet und zu Vasallen Kastiliens gemacht worden waren. So wurde der größere Teil der Küstengebiete auf friedlichem Weg spanisch und auf allen Inseln wurden die Gebiete Palmas als Freundesland, das unverletzbar bleiben mußte, ausgerufen. Erst einige Zeit darauf erschien Alonso de Lugo mit der Eroberungsarmee auf der Insel. Von dieser ganzen Episode wußte man bisher gar nichts, die Geschichtsschreiber der Inseln und die spanischen Chronisten schweigen darüber. Aber ebenso wie der Friedensvertrag mit Gran Canaria paßt das Ganze genau in den geschichtlichen Zusammenhang. Alonso Femandez de Lugo erhielt am 13. Juli 1492 die königliche Zusicherung, daß man ilun die Kosten der Expedition ersetzen würde, wenn er La Palma auf eigene Kosten innerhalb eines Jahres erobere. Das konnte nach den Erfahrungen des fünfjährigen Kampfes un1 Gran 24 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Canaria doch wohl nur unter der soeben wiedergegebenen Voraussetzung von ihm verlangt und von seiner Seite als Bedingung angenommen werden. Nach den übereinstimmenden Berichten aller alten Autoren landet er friedlich in La Palma, schlägt dort unangefochten ein Lager auf, zieht unangegriffen in den Küstengegenden umher und schließt Unterwerfungsverträge. Erst auf der anderen Seite der Küste hat er Schwierigkeiten und erst im gebirgigen Inneren kommt es zu Kämpfen. Die Geschichtsschreiber werfen deshalb den Palmeros Feigheit vor. Wir wissen es nun besser. Der Unterschied beruht eben darauf, ob die eingeborenen Fürsten bereits getauft und verbündet oder aber es nicht waren. Da Lugo seinen Termin leicht einhalten kann, scheut er den Eingeborenen des Inneren gegenüber nicht vor einem Treubruch zurück und aus einem Aufstande jener Inselgebiete, die schon anfangs Schwierigkeiten gemacht haben, zieht er ebenfalls Vorteil. Es handelt sich ja um eine Beute von Gefangenen, die er als Sklaven verkaufen konnte. Der Cura de los Palacios (26) berichtet darüber: "Er eroberte sie ( die Insel) im Jahre 1493 und errang den Sieg über sie und er hatte an Cabalgada (Raubgewinn) und Spolien 1200 Seelen, Männer und Frauen, Kleine und Große, und 20000 Stück Vieh." Ob bei dieser Menschenbeute schon verräterisch weggeführte Verbündete und durch Friedensverträge Geschützte waren, vermag ich nicht festzustellen. Jedenfalls haben wir in meinen Dokumentenfunden den Beweis, daß sich die in Verletzung der Friedensverträge als Sklaven verteilten oder verkauften Eingeborenen von Tenerife und La Palma bei der Krone beschwerten und daß die Krone ihre Freilassung verfügte. Dadurch, daßAlonso de Lugo am 1. August 1489 auf der Insel Gomera eine Beschwerdefrist mit Zeugenaussagen gegen die rücksichtslose Art der Durchführung dieser Maßregel aufsetzen ließ, können wir in diesem Falle gleichsam als unmittelbare Zuschauer das Ereignis verfolgen. Der Gobernador von Gran Canaria, Lope Sanches de Valenzuela, führte in Tenerife seinen Auftrag rasch und gründlich durch und er wird es also in La Palma auch nicht anders gehalten haben (27). So können wir mit aller Sicherheit sowohl aus den alten Geschichtsschreibern als auch aus unseren neuen Dokumentenfunden feststellen, daß die Insel La Palma im großen und ganzen doch ihre Eingeborenen behielt, wenn auch die überaus günstigen Eroberungsverträge von dem treulosen und tyrannischen Eroberer vielfach verletzt wurden. Es fragt sich nun, wieviel Einwandererblut auf die Insel kam? Es setzt sich auch hier wie auf Gran Canaria und Tenerife zum größeren und seßhafteren, nicht wieder abwandernden Teile aus Leuten der schon früher eroberten Inseln zusammen, die, wie wir bereits wissen, entweder reinblütige Kanarier oder Kanariermischlinge waren. War es schon für Gran Canaria und Tenerife schwer, europäische Einwanderer her- 25 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 anzuziehen, so noch viel schwerer fiir diese Insel. Einige Maßnahmen wurden geschaffen, um die Weiterabwanderung zu erschweren und zu verhindern. Die Eroberung Tenerifes und der Krieg gegen die Mauren Granadas zog die abenteuerlustigen Europäer wieder ab. Die Insel blieb weiterhin unendlich menschenarm und zum Betrieb der Zuckerrohrmühlen mußten Berbersklaven eingeführt werden. Wir müssen also auch hier mehr mit neu hereingekommenem Berberblut als mit Europäerblut rechnen, soweit es sich um die unteren Stände handelt. Im 16. Jahrhundert wird die Einwohnerschaft auf bloß zweitausend Menschen geschätzt. Es ist zu hoffen, daß Archivforschungen auf dieser Insel selbst uns ein klareres Bild geben werden. Nun wenden wir uns der letzteroberten und größten Insel zu. Tenerife hatte bis zum Jahre 1494 wenig unter dem Menschenraub gelitten. Das verdankte es außer seiner fiir Schiffe so ungünstigen Küstengestaltung der wilden Tapferkeit seiner Bewohner. Aber zwischen den einzelnen Einfällen der Menschenräuber gab es auch lange Zeiten friedlicher Beziehungen zu den Europäern, besonders zwischen 1430 und 1436, als die römische Kurie den Bischof Fray Fernando Calvetos so wirksam unterstützte. Die Heimbringung geraubter und mittlerweile christianisierter Eingeborener durch den Bischof war auf dieser Insel ein ebenso wirksames Mittel der Annäherung wie auf Gomera und Gran Canaria. Ob man auch Eingeborene von Tenerife in Handwerken damals ausbildete, läßt sich nicht feststellen. Am 30. April 1494 begann Alonso de Lugo den Kampf um die Insel. Er fand dabei von vornherein Unterstützung bei dem König von Güimar, in dessen Reich es bereits Christen gab. Nach verschiedenen Rückschlägen und Wechselfällen unterwarfen sich am 25. Juli 1496 die vier verbündeten Menceye von Taoro, Tegueste, Tacoronte und Anaga und erhielten mit ihren Untertanen Freiheit, Leben und Eigentum zugesichert. Die drei bisher nicht am Kampfe beteiligten übrigen Könige sahen sich kurz darauf gezwungen, ihrem Beispiel zu folgen. Große und ganz beispiellose Verrätereien und Grausamkeiten wurden von Alonso de Lugo nicht nur gegen die weiterhin in Auflehnung verharrenden, sondern auch gegen die durch Friedensverträge geschützten Guanchen begangen. Trotzdem ist es ganz aussichtslos, von einer Ausrottung der Guanchen zu sprechen. Auf die Repartimientos wollen wir vorerst nicht eingehen, sondern zuerst jenen Teil der eingeborenen Bevölkerung behandeln, der bei der Landverteilung so gut wie leer ausging und der die untere und unterste Schicht der neuen Gesellschaft bildete. Schon bei der Besprechung Gran Canarias wurde darauf hingewiesen,daß ein großer Teil, wohl die Hälfte, der eingeborenen Bevölkerung schon vor der Eroberung hörig war, dieser Teil veränderte seine Lage wohl nur ausnahmswei- 26 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 se. Diese Leute blieben Hirten und Ackerbauern und wechselten höchstens die Herren. In allen Dokumenten werden ständig die unfreien Hirten erwähnt. Dank des Fundes des schon erwähnten "Proceso de Canaria" kennen wir j etzt die Lage Tenerifes nach der Eroberung genau und können diese Tatsache belegen. Dazu kam nun noch ein anderes Element: jene versklavten Guanchen, welche, weil sie unter die feierlich beschworenen Friedensverträge gehörten, in einem Prozesse vor der Krone fiir frei erklärt worden waren und durch den Statthalter von Gran Canaria am 24. Juli 1498, also schon zwei Jahre nach der endgültigen Eroberung Tenerifes, wieder in Freiheit gesetzt wurden. Es ist eine köstliche Ironie des Schicksals, daß wir davon gerade durch den treubriichigen Tyrannen und die Zeugenaussage der über die Besitzstörung entrüsteten Sklavenhalter unterrichtet werden, dadurch natürlich auch in anschaulichster Weise. Ich lasse einige der bezeichnendsten Stellen des Dokumentes folgen (28): Antonio de Pefialosa sagte aus, daß der Gobernador Lope Sanches de Valenzuela dem Stellvertreter des Statthalters der Insel das königliche Handschreiben vorwies und es durch öffentlichen Ausruf auf der ganzen Insel bekannt machen ließ. Der Gobernador führte einen "Guanche Canario" mit sich und dieser mit einem schon auf der Insel befindlichen anderen ging nun von Haus zu Haus und erklärte allen Guanchen, daß sie frei seien und hingehen könnten, wo sie wollten. Er beschränkte sich dabei nicht auf die im königlichen Schreiben bezogenen Guanchen (los Guanches de las Paces = der Friedensverträge), sondern dehnte die Maßnahme auf alle aus. So verließen die Guanchen ihre Herren und die Herden, die sie hüteten, oder nahmen wohl auch die Herden mit. Die Vecinos (vollberechtigte Bürger) kamen sich beschweren zu VaJenzuela, aber dieser erklärte, daß er nichts machen könne und daß so der Befehl der Krone sei. Man sieht, die wirtschaftsschonenden Übergangsmaßnahmen, die das moderne Europa bei der Sklavenbefreiung kannte, wurde hier nicht beobachtet, Recht bleibt eben Recht. Aber wir werden auch sehen, um welche Massen von Menschen es sich dabei handelte. In allen Zeugenaussagen wiederholte sich der Ausdruck, daß "die ganze Insel in Aufruhr war". Mehrfach heißt es auch, daß die Insel dadurch in einen Zustand geriet, "daß es von neuem notwendig wurde, sie zu erobern". Wir werden gleich sehen, daß dieses Eingreifen der Krone gegenüber einem so rücksichts- und treulosen Tyrannen wie Alonso de Lugo keine Umkehr bedeutete. Wieder und wieder verübte er Ungerechtigkeiten und Übergriffe. Eine Kanarierin, Leonor de Morales, hatte sich auf Grund königlicher Schutzmaßregeln, von denen wir leider nicht wissen, ob sie eine Fortsetzung 27 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 der eben erwähnten waren, oder sich auf neue Fälle bezogen, energisch für die zu Unrecht versklavten Eingeborenen Tenerifes eingesetzt, die einzelnen und ihre Fälle aufgesucht und ihnen so die Freiheit verschafft, dafür wurde sie von Alonso de Lugo und dem Prior de Magazela mit Haß verfolgt und am Leben bedroht. Ein königlicher Schutzbrief vom 20. März 1512, Bw-gos, stellte sie, ihren Gatten, ihre Familie, ihre Hausgenossen und Freunde unter den besonderen Schutz der Krone und bedrohte jeden, der sie verletzen wollte, mit den härtesten Strafen (29). Über Einschreiten des Armenanwaltes am Reichsgericht wendet sich Königin Johanna an die Behörden von Sevilla, um zu verhindern, daß kanarische Sklaven, um deren Freiheit ein Prozeß schwebt, verschleppt werden und so ihre Freilassung verhindert wird (30). Am 30. März 1512 richtet dieselbe Königin ein Emplazamiento und eine Compulsoria (Vorladung vor die Krone und Zwangsvollstreckung) an Alonso de Lugo zugunsten der gegen die beschworenen Friedensverträge versklavten Kanarier von Tenerife und La Palma. Das Dokument zeigt die schärfste Form und Ausdrucksweise (31). Am 26. Januar 1515, Valladolid, wendet sich die Königin an die Statthalter der Inseln, und verbietet ihnen, die Kanarier von Gran Canaria, die als Konquistadoren mit Alonso de Lugo nach den Inseln Palma und Tenerife gegangen waren, zu placken und ständig auf die Sklavenjagden in die Berberei mitzuschleppen (31). Die beiden Kanarier-Konquistadoren Juan Beitran und Juan Cabello hatten dabei angegeben, daß von ihrer stolzen Schar in den drei Inseln Gomera, Palma und Tenerife nur mehr hundert übrig seien. Wir wissen aber aus ihren Testamenten und aus dem"Proceso de Canaria", daß sie hauptsächlich aufTenerife und Palma reich begütert waren, daß sie dort ihre Familien mit reichem Kindersegen hatten und daß Alonso de Lugo, gegen den sich ja allein das königliche Schreiben richtet, mit den anderen Vecinos der drei Inseln nicht besser verfuhr. Wahrscheinlich am selben Tage erfolgte dann die bereits erwähnte neuerliche Bestätigung der auf Freizügigkeit usw. bezüglichen Bestimmungen des Friedensvertrages mit Gran Canaria, die ebenfalls von diesen beiden eingeborenen Konquistadoren erwirkt wurde (32). Viera y Clavijo hat uns zu diesen beiden ganz neu gefundenen Dokumenten schon im 18. Jahrhundert eine Ergänzug geliefert. Er zitiert nämlich die Vollmacht, die die Konquistadoren aus Gran Canaria Fernando de Le6n, D. Fernando Guanarteme, Pablo Martin und Luis Femändez 1514 in Laguna dem Miguel Gonzäles und dem Juan Cabello erteilten, damit sie diese Eingaben in ihrem Namen machten (33). Wir werden bei Besprechung 28 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 der Repartimientos in Tenerife noch ausführlich auf diese eingeborenen Konquistadoren aus Gran Canaria zurückkommen. Aus dem neugefundenen Dokumentenmaterial bleiben uns jetzt noch drei weitere, fiir die Siedlungsgeschichte hochwichtige Dokumente zu besprechen. Alle drei stammen von der Königin Juana und sind datiert aus Medina del Carnpo,April 1515. Am 18. verfügte die Königin Abhilfe der Beschwerden des Guanchen Andres de Güimar, der sich im Namen der anderen Guanchen darüber beklagte, daß Alonso de Lugo sie als Krieger auf seine Sklavenjagden in der Berberei mitschleppte, daß er ihnen innerhalb der Insel das Waffentragen verboten und die Waffen abgenommen habe und daß er sie unter nichtigen Vorwänden nach San Crist6bal de la Laguna, der Hauptstadt, zitierte und dort tagelang warten lasse, was ihnen schweren wirtschaftlichen Schaden bringe. Wir finden alles dies im "Proceso de Canario" bestätigt. Die Königin befiehlt Abstellung der Übergriffe. Am 19. April befiehlt die Königin dem Stellvertreter des Statthalters, daß er die Schadensvergütung und Geldstrafe, die aus einem von Alonso de Lugo gegen Andres de Güimar verlorenen Prozeß noch ausständig seien, durch Zwangsvollstreckung eintreibe. Das wirft ein scharfes Licht auf die Stellung der Guanchen. Wenn es einer aus dem Guanchenadel, und Andres muß ein Sohn oder ein ganz naher Verwandter des ehemaligen Königs von Güimar gewesen sein, wagen konnte, einen solchen Prozeß zu führen und zu gewinnen und eine Zwangsvollstreckung zu erwirken, dann muß die Rechtslage fiir die Guanchen eine durchaus gesicherte gewesen sein. Freilich genügte dies dem Tyrannen gegenüber noch nicht. Mit dem Datum vom 2 l. erwirkt sich Andres de Güimar einen energischen königlichen Schutzbrief gegen Alonso de Lugo und die Seinen. Aber aus den drei Schriftstücken geht hervor, daß Andres de Güimar ein reichbegüterter Grundbesitzer von großem Anhang und guten Beziehungen war. Wir können hier gleich bemerken, was fiir alle anderen Repartirnientos an Guanchen genau so gilt, daß natürlich diejenigen, die auf einer solchen Besitzung eines Guanchen lebten, Familienangehörige, freie Vasallen und Hörige, doch wohl ohne Ausnahme alle ebenfalls Guanchen waren (34). Wir wenden W1S nun den Repartirnientos auf Tenerife zu und beginnen selbstverständlich mit jenen an die Guanchen selber. Die alten Geschichtsschreiber berichten, daß alle neun Menceye oder Könige von Tenerife Repartimientos erhielten, aber Nufiez de la Pefia, der eine lange alphabetische Liste von Personen, die mit Repartirnientos bedacht wurden, aufstellt, erklärt, daß er darin nur den einzigen Pelinor von Andexe (als Christ Diego) gefunden habe. Dies wurde dann von allen folgenden Autoren bis auf den heutigen Tag 29 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 abgeschrieben. Dabei hat man den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen, denn wenn sich auch nur bei diesem einzigen Mencey die Hinzufügung seiner einstigen Königswürde befindet, so sind, zwar ohne diese Beifügung, aber sonst ganz genau so benannt, wie sie von Pefia und den Autoren vor ihm als Christen erwähnt werden, noch vier weitere Könige in der Liste Pefias zu finden. Es sind dies: Acaymo = Fernando de Tacoronte, Tegueste = Anton de Tegueste, Romeo = Gonzalo de Daute, Pelicar = Blas Martin de lcod. Gaspar de Abona (Adxofia) steckt vielleicht unter dem Gaspar Guanche und Juan de Candelaria de Güimar unter einem der Juans der Liste. Daß der letzte nicht ausgelassen war, ersehen wir aus der Lage des oben erwähnten Andres de Güimar. Außer diesen zwei, die zweifelhaft bleiben, fehlen uns also von den neun Königen nur noch Bencomo = Crist6bal de Taoro, von dem es aber aufTenerife adelige Nachkommen gab, die sich der Abkunft von ihm rühmten, und Beneharo = Pedro de los Santos de Anaga. Aber Pefia selbst sagte ja ausdrücklich, daß seine Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben darf. Für Pedro de los Santos de Anaga tritt den Beweis der in den Libros de Datas erwähnte Don Enrique de Anaga an, der nicht den Titel Don getragen haben könnte, wenn er nicht der König von Anaga selbst ( der also bei den Geschichtsschreibern falsch benannt sein müßte), oder aber sein Sohn wäre. Da die in Genua, Venedig und anderswo zum Anstaunen herumgeschickten kanarischen Könige unmöglich aus Gran Canaria und, wie ich eben gezeigt habe, auch schwerlich aus Tenerife waren, müssen sie aus La Palma gewesen sein. Nun hat Berthelot auch wirklich gefunden, daß in solchen Dokumenten außer Don Diego de Adexe und sein Sohn und Vetter auch noch D. Crist6bal de Taoro (Bencomo) und die Könige von Güimar, Anaga, Tacoronte, Abona, Icod und Daute, Vater und Sohn, vorkommen. Damit haben wir alle neun Könige beisammen, und wenn auch Berthelot (35) keine Einzelheiten gibt, so hat der eifrige Forscher in den Repartimientos Garcia Ramos (36) doch für die meisten seiner Angaben und weiter darüber hinaus die Belege geliefert. Von dem Umfang der Repartirnientos an solche ehemalige Guanchenkönige spricht wohl, daß Güimar wohl zur Gänze Guanchenland blieb und daß der König von Adeje das ganze ausgedehnte Tal von Masca und 100 Fanegas (zuje mehr als 64 Ar, wenn Ackerland) in Tajo erhielt. Ebenso viele Fanegas erhielt sein Sohn in Tijoco. Daß auf diesem Grundbesitz der eingeborenen Fürsten mit ihnen ihre ehemaligen Vasallen und Hörige saßen, ist selbstverständlich. Ich führe nun noch die unzweifelhaften Guanchen aus Pefias Liste an: Antonio de Azaque, Benito Gonzales de Daute, Anton de Tegueste (Mencey), Blas Martin de Icod (Mencey), Benito Gonzalez de Daute, Don Diego de Adeje (Mencey), Diego de Mazaneque, Diego Bendidagua, Fernando Aguavense und Sohn, Fernando de Tacoronte (Mencey), Fernando Aguabenque, Fernand 30 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Malegua, Francisco Gonzalez de Daute, Francisco de Tacoronte, Gaspar Gonzalez de Daute, Gaspar Guanche, Gaspar Gonzalez Tabordo, Gonzalo Yafiez de Daute (Mencey), Gonzalo Aguanequia, Juan Gonzalez de Daute, Juan de Tegueste, Juan Delgado (Neffe des Königs von Adeje), Juan Aguavenque, Melchor Gonzalez de Daute, Miguel de Güimar, Pedro Fernandez de Yne, Pedro de Ibaute, Pedro la Lengua (vielleicht aus Gran Canaria), Sebastian Rodriguez de la Orotava, Crist6bal Fernandez de Taodio, zusammen 32. In dieser Liste fehlen mindestens noch halb mal soviel Namen, die andernorts erwähnt werden. Wir wenden uns nun einem zweiten eingeborenen Bevölkerungselement Tenerifes zu, den eingeborenen Konquistadoren aus Gran Canaria. Ich habe bereits erwähnt, daß die Mehrheit der Kanarier auf Gran Canaria den Spaniern Alpdrücken machte. Pedro de Vera suchte ihre Überzahl durch einen Schurkenstreich und eine Gotteslästerung zu vermindern; später verlangte der Rat der Insel vom König diesbezügliche Maßregeln, aber die Krone hielt den Friedensvertrag ein. Da war es nun hochwillkommen, daß ein paar hundert aus dem kriegerischen Adel der Eingeborenen Alonso de Lugo zur Eroberung von Palma und Tenerife folgten. Diese blieben dann dauernd auf diesen Inseln und auf Gomera angesiedelt, hauptsächlich aufTenerife. Die von mir gefundenen Dokumente zeigen, daß sie dort Plackereien ausgesetzt waren, aber der Proceso de Canaria zeigte zugleich, daß es den europäischen Ansiedlern auch nicht besser erging, alle miteinander seufzten unter der Willkür und Raubgier des Adelantado. Stolz aber erklärten sie, bei einer Gelegenheit: "Wir werden für Kastilier genommen" (37). Und sie verschmolzen auch mit den Führerschichten der eingewanderten Spanier, ebenso wie der Guanchenadel. Sie wurden überreich mit Repartimientos bedacht, nicht nur wegen ihrer Verdienste um die Konquista der beiden Inseln, sondern auch um sie dauernd von Gran Canaria fernzuhalten, was auch gelang. Ihr Anteil an der Bevölkerung der Nachkriegszeit auf Tenerife kann gar nicht hoch genug angenommen werden. Reich beteilt wurden alle die berühmten Kriegshäuptlinge. Was der einstige König, Don Fernando Guanarteme erhielt, wurde bereits erwähnt. Die Libros de Datas sind voll von ihren Namen, wobei es sich stets um große Besitzungen handelt (38). Ich gebe nun die Eingeborenen von Gran Canaria in Pefias Liste: Alonso Gonzalez, Alonso Bentagaira, Alonso Diaz, Alonso Perez, Anton de la Sierra (Dara), Augustin Delgado, Baltasar de Morales, Diego Macanafio, Diego Sanchez Bendidagua, Diego Pestafia, Fernando de Llarena, Fernando de Leon, D. Fernando Guanarteme, Fernando de Gran Canaria, Guillen Castellano, Juan de Llarena, Juan Delgado, Juan Cabello, Juan de Cantaya, Juan Viscaino, Juan 31 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Ramos, Juan de Dara, Juan Moreno, Juan Suarez, Juan Beitran, Juan Pri~to, Juan Duramas, Juan Herruindez, Martin Sanchez, Martin Cosme, Martin de Vera, Miguel Gonzalez, Nichel Canario, Pedro de Lugo, Pedro Mayor, Pedro Maninidra, Pero Magdalena, Pedro Garcia, Pablo Martin, Rodrigo el Cojo, Rodrigo Alvarez, Rodrigo Cosme, Rodrigo Garcia, Rodrigo Pestafio, Rodrigo Gonzalez, Sebastian de Porras, Sebastian Rodriguez, Crist6bal Delgado. Zusammen 48, dabei konnte ich aber etwa fünfzehn sonst genannte Kanarier in der Liste nicht auffinden. Ich mache dabei noch aufmerksam, daß man bisher meist nur die ausdrücklich als Canario bezeichneten zählte, während ich meine Liste sämtlicher in den Quellen genannter Kanarier mit der Liste Pefias verglich. Nun wollen wir uns dem dritten eingeborenen Elemente in der Bevölkerung Tenerifes nach den Konquista zuwenden. Es sind dies die Eingeborenen der vier kleineren Inseln, die mehr als zur Hälfte reinblütig, zum anderen Teil Mischlinge waren. Antonio de Viana (39) gibt im 11 . Gesange seines Epos eine lange Liste der Konquistadoren, welche aus den Inseln kamen, bei der sich aber nicht genau entscheiden läßt, wie groß der Hundertsatz der neueingewanderten Europäer gewesen ist. Er kann nicht groß gewesen sein. Wir fügen zu dieser Liste die Namen jener unzweifelhaften Islefios, die sich bei Pei'ia finden : Alonso Sanchez (Fuerteventura), Alonso de las Islas, Baltasar de Bethencourt, Diego Herruindez (Fuerteventura), FranciscoAragomero (Gomera), Francisco de Flandes Gomero, Ger6nimo de Lanzarote, Guillen de Betancor, Juan Izquierdo (Gomera), Juan Sanches Negrin (Gomera), Juan Berriel, Juan de Day (Lanzarote), lbone de Armas (Gomera), Martin de Gandia (Fuerteventura), Pedro Perdomo, Pedro Herruindez (Fuerteventura), Pedro Izquierdo (Gomera), Pedro del Hierro, Rubin Dumpierres, Sebastian Diepa, Sebastian del Hierro. Das wären 21 , aber mindestens doppelt so viel sind noch nach der Liste Vianas zu vermuten. Wieviele Eingeborene sonst noch in der Liste Pefias stekken, läßt sich nicht entscheiden, da die Namen, wie man sich bereits aus meiner Aufzählung überzeugen konnte, nichts beweisen. Der Eingeborene nahm gewöhnlich den Taufnamen und Familiennamen seines Taufpaten an, nur die vornehmsten Adeligen unter ihnen, an deren Beinamen in eingeborener Sprache ruhmvolle Erinnerungen hingen, behielten sie bei oder übersetzten sie (z.B. Dara = Sierra). Auch wenn wir diese sicher ansehnliche Zahl außer acht lassen, kommen wir insgesamt auf l O I Kanarier in Pei'ias Liste, die mit Repartimientos in Tenerife beteilt wurden. Das ist eine ganz stattliche Anzahl in den über 900 Namen der Liste, aber von diesen 900 fallen eine große Anzahl von Namen weg, minde- 32 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 stens ein Fünftel, weil es sich um Schreiber und Würdenträger des Hofes und andere Personen handelt, die nachgewiesenermaßen nie auf die Insel kamen. Unter diesen Pseudoansiedlem wurde bei den Reformationen der Repartimientos wiederholt stark auf geräumt. Im bereits so oft zitierten Proceso de Canaria besitzen wir eine notariell und durch Zeugenaussagen beglaubigte Darstellung der Insel im Jahre 1506. übereinstimmend werden die "Vecinos" ( vollberechtigten, mit eigenem Grundbesitz ausgestatteten Bürger) auf etwa 150 in den neuen Ansiedlungen und wenig mehr über das ganze Land zerstreut geschätzt. Danach können wir die Gesamtzahl der Vecinos auf höchstens 400 schätzen, von denen die zerstreut Lebenden wohl in der übergroßen Mehrzahl Guanchen waren, wie aus allen zeitgenössischen Dokumenten aufscheint. Abreu Galindo ( 40) gibt uns glücklicherweise einen Anhaltspunkt dafür, wie wir das Verhältnis zwischen Vecinos und Einwohnerzahl annehmen dürfen. Er sagt von Hierro: "Die Vecinos dieser Insel werden etwa 230 sein und in ihnen mehr als 1000 Personen". Rechnen wir demgemäß fürTenerife fünfmal 400, so kommen wir auf2000 vollberechtigte, landsässige Einwohner. Da die Insel vor der Eroberung mindestens 20000 Einwohner hatte und im 16. Jahrhundert auf 15000 Einwohner geschätzt wurde, so müssen wir trotz aller Sklavenwegschleppungen und Kriegsverluste, trotz der fürchterlichen Seuchen und trotz der Einfuhr von Berbersklaven, angesichts der geringen Einwanderung und verhältnismäßig starken Rückwanderung der Europäer, die nicht vollfreie Guanchenbevölkerung der Insel auf mindestens 6000 Köpfe schätzen. Man vergleiche nur, was ich über den Umsturz der Inseln infolge der Guanchenfreilassung des Jahres 1498 anführte. Wenn wir jetzt noch darauf hinweisen, daß wohl mehr als die Hälfte auch der Europäer unter den Vecinos mit eingeborenen Frauen verheiratet waren, was im Proceso de Canaria, in den alten Geschichtsschreibern und in den Papieren der Inquisition und zahlreichen anderen Dokumenten immer wieder gesagt wird, dann können wir Tenerife in der gesellschaftlichen Unterschicht als zu drei Vierteln guanchisch, in der Oberschicht als mindestens zur Hälfte guanchisch und sonst kanarisch bezeichnen. Es bleibt uns jetzt nur mehr eine kleine Nachlese von Nachrichten, darunter besonders zwei Seiten unserer Frage: Wie erging es den Kanariern gesellschaftlich? Wie kam man dazu, sie als ausgestorben zu erklären? Viera y Clavijo schreibt (41): "Es ist traurige Wahrheit, daß bei den zum Eintritt in die Colegios Mayores geforderten Adelproben der Nachweis zu liefern war, daß der Bewerber kein Nachkomme eines Kanariers, Mauren oder Juden war". Wir finden auch bei Miliares ( 42) eine ähnliche Vorschrift, aus den Synodalkonstitutionen Canarias erwähnt: "Daß die Bewerber um Benefizien 33 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 keine Bastarde legitimierte, noch Söhne eines Mauren, Neubekehrten oder von der Inquisition Bestraften ... sein dürfen". Derselbe Autor erwähnt die zahlreichen Stammbäume von Familien mit Abstammung von Kanariern in den Geheimregistern der Inquisition. Ebenso druckte er einen Brief vom 25. Januar 1577 ab, den Ortiz de Funes, damals Inquisitor von Canarias an die Inquisition in Sevilla richtete. Daraus geht hervor, daß eine Genealogie aller von Kanariern abstammenden Familien angefertigt worden war, welche 1200 Familien umfaßte, und zwar reinblütige Familien, weil daneben auf die zahllosen Familien verwiesen wird, welche mit Kanariern gekreuzt waren, weil die wenigsten europäischen Einwanderer Frauen mitgebracht hatten (43) . Daraus schließt Miliares, daß die Abkömmlinge der Kanarier schon frühzeitig dazu gelangt seien, ihre Abstammung zu verheimlichen, ihren Namen zu ändern und damit der gesellschaftlichen Schlechterstellung und den Plackereien durch die Inquisition zu entgehen. Weil die Kanarier gesellschaftlich geächtet waren, haben sie ihre Abstammung verleugnet und konnten so nach und nach als reinblütige Spanier gelten. Wir können dies nur bedingungsweise für richtig halten. Erstens hatten die Kanarier von der Inquisition nur wenig zu leiden, weil diese sich hauptsächlich mit den getauften Juden und deren Nachkommen, mit den getauften Berbersklaven und deren Nachkommen und mit den niederländischen und englischen Ketzern, die auf die Inseln kamen, beschäftigte. Miliares bringt in seinem Spezialwerke über die Inquisition auf den Kanaren nur einige wenige Fälle von Kanariern und diese sind ganz leichter Art und betreffen nur die unterste Volksschicht, meistens Sklaven ( 44). Zweitens aber steht dem die Tatsache entgegen, daß sich der spanische Adel der Inseln mit dem Kanarieradel verschwägert und daß der Kanarieradel der Inseln unter den spanischen Adel zu einem großen Teil auf genommen und zum Teil schon in der ersten Generation, in großem Ausmaß aber in den folgenden Generationen die höchsten Ämter und Würden erreichte. Außerdem verschwägerten sich die stolzesten spanischen Grandenfamilien mit diesen kanarischen Mischlingsfamilien, und diese Granden werden wohl alles vermieden haben, was ihre Nachkommen gesellschaftlich unmöglich machen mußte. Wir werden im folgenden reiche Belege dafiir bringen. Espinosa, der auf den Inseln unter den Kanariern lebte und es wissen mußte und dessen Buch 1594 erschien, lobt die Eingeborenen, weil sie immer schon den einen Gott kannten (dieses Lob spenden ihnen auch die von mir im Anthropos abgedruckten Bullen) und so rasch und eifrig das Christentum annahmen und fährt dann fort: "Und der Samen fiel auf fruchtbaren Grund, der ausgezeichnete Männer hervorbrachte, eifervoll für Religion und Christentum, 34 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Männer reichen und feinen Geistes in den weltlichen und geistigen Wissenschaften. Männer, die nicht nur in der Amtstracht des Richters und Magistraten, sondern auch mit dem Schwerte ihre Tüchtigkeit und jene ihrer Vorfahren bewiesen. Aus den Leuten dieser Inseln sind Männer jeden Standes hervorgegangen, deren sich der König in Krieg und Frieden gerne bediente. Und die Heilige Inquisition gewährt ihnen, da ihre Reinheit bekannt ist, Zutritt zu ihren Beratungen und Geheimnissen, und schmückt sie mit ihren Ehrenämtern, und die Kathedralkirchen fühlen sich geehrt, von ihnen geleitet zu werden und sie auf ihren Kanzeln zu sehen (45)." An Ehen zwischen vornehmen Kanariern und vornehmen Spaniern lassen sich eine Menge nachweisen, ich erwähne: Aus der Familie des Guanarteme von Gran Canaria heiratete seine Tochter Dofia Margarita den vornehmen Konquistador Miguel de Trexe y Carvajal; die Tochter des anderen Guanartemes, Dofia Catalina (Masequera oder Arminda) Heman Perez de Guzman; Tenesoya Vidifia (Dofia Luisa), seine Nichte oder Base, die aus dem Bade geraubt und nach Lanzarote geführt worden war, den Maciot Perdomo de Betancor; Juana Guanarteme den Francisco de Cabrejas; Maria Guanarteme den Juan Delgado. Diese Damen führten ganz offiziell bei den Spaniern den Titel Infantas (Prinzessinnen). Andere Ehen mit Eingeborenen von Gran Canaria waren: Maria Gonzalez de Galdar mit Juan de Quintana; Juana Hernändez mit Vicente Montes de Oca; Maria Dominguez mit Diego Falc6n. Marin y Cubas schreibt in seinem ungedruckten Geschichtswerk: "In Galdar lebten andere adelige Kanarier, die ihre Töchter mit Spaniern verheirateten." In der Pfarrkirche von Galdar war deshalb auch die erste Bank zur Rechten für die Nachkommen der einheimischen Königsfamilie reserviert. In Lanzarote und Fuerteventura kam dreimal das Blut des alten einheimischen Fürstenhauses auch noch nach der Eroberung zur Herrschaft. Maciot de Bethencourt, der Statthalter des Eroberers und spätere Feudalherr von Lanzarote, heiratete Teguise, die Tochter des eingeborenen Königs Guadarfia. Sancho de Herrera, Herr von Lanzarote und Fuerteventura, legitimierte seine Tochter Dofia Constanza de Sarmiento, welche ihm von Dofia Catalina Da-Fia, Urenkelin Guadarfias geboren worden war. Und sie wurde seine Erbin und Herrin der Inseln. Ein zweiter Fall einer solchen Legitimation hatte nicht dieselbe Wirkung, weil der damalige Feudalherr in spätem Alter von einer spanischen Hochadeligen doch noch einen Sohn bekam. Auch fürTenerife fehlen die Belege nicht: Die beiden Töchter des Königs Bencomo von Taoro verheirateten sich, die eine mit einem Spanier, die zweite mit dem König Adxona von Abona (Gaspar Hernändez) und eine Tochter dieser Ehe dann mit dem vornehmen spanischen Capitän de Caballos Herruin 35 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Garcia del Castillo. Viana machte daraus eine Ehe des Castillo mit der Infanta Dacil (Catalina) selbst. Die alte Königsfamilie von Adeje soll sich gar mit der Familie des Adelantado verschwägert haben, wobei ein Guanche eine vornehme Spanierin heiratete. Die Ehe des Vetters der Ines Peraza, Luis Gonzalez Martel de Tapia, mit einer bildhübschen edlen Eingeborenen von Hierro wurde bereits erwähnt. Daraus geht schon zur Genüge die Behandlung des eingeborenen Adels und seine Einschätzung hervor, aber wir haben weitere Beweise. Die alten eingeborenen Fürsten wurden insgesamt mit "Don" angeredet, was damals etwa dem heutigen englischen Mylord entsprach. Und die Nachkommen dieser Familien rühmten sich dieser Abstammung noch zweihundert Jahre später, wie UIJoa ( 46) bezeugt. Zahllos sind die"Informaciones de Nobleza" (Adelsproben), worin diese eingeborenen Adeligen stolz die Größe ihrer heidnischen Vorfahren rühmen. Miliares ( 47) und Berthelot ( 48) zitierten dieselben, der letztere erwähnt unter den ersten eingeborenen Familien, die Adelsbriefe erhielten: Guanarteme, Negrin (Armas), Bencomo, Vizcaino, Sierra (Bentaguayre), I:,~s Casas (Dara), Mayor, Doramas, Pedro, Garcia (den Comendador), Juan Prieto, Rodrigo Alvarez. Aber auch für von Kanariern eingenommene Ämter fehle~ die Belege nicht: Juan Negrin, Abkömmling eines eingeborenen Priesters von Gomera, bekleidete die hohe Würde eines Rey de Armas, und vererbt sie auf seinen Sohn und Enkel, die beide Juan de Armas Negrin hießen. Ein anderer Enkel desselben, Luis de Armas, war Regidor von Tenerife. Pedro Chimida, ein Kanarier aus Fuerteventura oder aus Gran Canaria, war Kommandant der Garnison, die Diego de Herrera in Gando zurückließ. Juan de Mayor, Eingeborener von Lanzarote, war Escribano und Alcalde in Lanzarote und wurde der erste Alguazil Mayor von Gran Canaria. Guillen Castellano spielte eine entscheidende Rolle bei den Repartimientos von Tenerife, war Regidor dieser Insel und wurde später Alcalde mayor. Pedro de Aday war Alcalde von Lanzarote. Der Eingeborene von Gran Canaria und Konquistador von Tenerife Pedro Garcia erwarb die Würde eines Comendadors, auch seine drei Brüder erlangten Würden. Die Familie Delgado, Daute, Medina, Vera, Torres, Oramas (Doramas), stellen viele Kapitäne und Fähnriche der Miliz ( 49). Maninidra, der Bruder des D. Fernando Guanarteme, hinterließ zwei Kinder, ein Enkel von ihm war Augustin Delgado, der berühmte Konquistador Südamerikas. Ich glaube, hier widerspricht doch alles einer gesellschaftlichen Zurücksetzung der Eingeborenen. Ganz anders wurde freilich die Lage ein Jahrhundert oder anderthalb Jahrhunderte später. Damals war der eingeborene Adel seit mehr als 150 Jahren restlos hispanisiert, dasselbe galt seit etwa I 00 Jahren 36 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 von den besseren Schichten der Eingeborenen. Mit Guanche und Kanario wurde damals nur der arme hörige oder gar versklavte Landarbeiter, der Viehhirte usw. bezeichnet, Naturales (Eingeborene) war zugleich der Ausdruck für die armen Berbersklaven und deren Nachkommen. Alles dies wollte natürlich niemand mehr sein. Zugleich erlosch ja auch, außer in den Adelsfamilien, die Familientradition. Weil alle Menschen besseren Standes nach Sprache und Sitte völlig Spanier waren und weil die Reisenden nirgends mehr einen Eingeborenen fanden, außer den Hirten, darum waren die Kanarier ausgestorben. Kritische Reisende freilich haben die Wahrheit erkannt und sagen, daß die Eingeborenen zu Spaniern geworden seien. Da die Rassen der Eingeborenen in den Kreis der europäischen Rassepgruppe gehörten, waren die Leute ja überhaupt nicht mehr zu erkennen, sobald sie einmal spanische Sprache und Sitte angenommen hatten. Ich glaube, daß ich aus der ganzen bisherigen Literatur und aus meinen neuen Dokumentenfunden eine erdrückende Fülle von Beweisen dafür zusammengebracht habe, daß die Eingeborenen der Kanaren nicht ausgestorben sind und daß im Gegenteil im 16. und wohl auch im 17. Jahrhundert das eingeborene Element in der Inselbevölkerung überwog. Wir erleben das überraschende Schauspiel, wie ein echtes Steinzeitvolk binnen einem Jahrhundert völlig eintritt in die Gemeinschaft eines modernen europäischen Hochkulturvolkes. So müssen sich wohl auch die Kulturwandlungen in Alteuropa vollzogen haben. Völliger Rassenwechsel war wohl selten, Akkulturation aber die Regel. Aber ich möchte als vorsichtiger Vertreter einer vorsichtigen Wissenschaft davor warnen, daß man nun auf der anderen Seite über das Ziel schießt. Die europäische Einwanderung im 15., 16. und 17. Jahrhundert war gering, die Auswanderer aus der iberischen Halbinsel gingen nach Amerika, wo nicht das beste Land in riesigem Großgrundbesitz unzugänglich war. Auch die Inseln selbst sind seit dem 16. Jahrhundert Auswanderungsland, das Menschen nach Amerika schickt. Aber ich weiß vorläufig noch nicht, ob nicht das 18. und 19. Jahrhundert eine größere Einwanderung aus Spanien gebracht hat. Und dann müssen wir mit der großen Einfuhr von Berbersklaven und der nicht geringen Einfuhr von Negersklaven rechnen, die zwar örtlich begrenzt, aber von großem Einfluß war. Die vorliegende siedlungsgeschichtliche Untersuchung kann also nur als eine, vielleicht die wichtigste Voraussetzung für die Lösung der Frage nach der Rassenzusammensetzung der heutigen Inselbevölkerung, aber noch lange nicht als deren endgültige Lösung betrachtet wer - den. 37 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 Anmerkungen: ( 1) EI libro de las Costvmbres de todas las Gentes del M vndo y de las Indias, III/ VI, Anvers 1556. (2) La Historia del Mondo Nvovo etc. Venecia 1572. (3) Les Voyages du Sieur Le Maire aux Iles Canaries, Cap Verd, Senegal et Gambie., S. 34f., A Paris, MDC.XCV. ( 4) Noticias de la historia general de las Islas Canarias, Madrid 1772 - 1 774, 1783, Santa Cruz de Tenerife 1858. (5) D. Rafael Torres Campos, Caräcter de Ja conquista y colonizaci6n de las Islas Canarias, Madrid 1901 . ( 6) Beide bisher ungedruckt. (7) P. Fray Juan de Abreu Galindo, Historia de Ja Conquista de las siete islas de ·} Gran Canaria, geschrieben 1652, erst 1848 in Santa Cruz de Tenerife gedruckt; P. Fray Alonso de Espinosa, Dei Origen y Milagros de N. S. de Candelaria, Sevilla 1594, Santa Cruz de Tenerife 1848; P. Jose de Sosa, Topografia de la isla afortunada Gran Canaria etc., 1678, gedruckt Santa Cruz de Tenerife 1849; D. Juan Nuiiez de la Pena, Conquista y antigüedades de las Islas de la Gran Canaria, Madrid 1676, Santa Cruz de Tenerife 1847. (8) D. Augustin Miliares, Historia General de las Islas Canarias, I - X, Las Palmas 1893 - 1895, X/126. (9) Aloisio de Cadamosto, Delle sette isole delle Canarie e delli loro Costumi, abgedruckt von Ramusio, III/II, S. 66. (10) Le Canarien, Livre de la Conquete et Conversion des Canaries, publie d'.apres le manuscrit original ... par Gabriel Gravier, Rouen MDCCCLXXIV. ( 11) 1422, Juni 8, Almonte, und 1426 März 18, San Lucar de Barrameda, einverleibt der Pesquisa des Esteban Perez Cabitos in der Infomaci6n sobre cuyo es et derecho de la isla de Lanzarote y conquista de las Canarias, Biblioteca del Escurial, abgedruckt bei Chil y Naranjo, Estudios hist6ricos, climatol6gicos y patol6gicos de las Islas Canarias, 11/518 - 632, bzw. 605 - 611. (12) A. a. 0. 54f. (13) Millares, a. a. 0. V/78. (14) Viera y Clavijo vor allem. (15) Man sehe: Abreu Galindo 158 - 163, Miliares IV/109, Sosa 128, Juan Nuiiez de la Pefia 96; alle diesen a. a. 0 . Ferner D. Pedro Agustin del Castillo, Descripci6n hist6rica ,y geogräfica de las Islas de Canaria, geschrieben 1737, gedruckt Santa Cruz de Tenerife 1848; Quezada y Chavez, Manuskript im AEER (=Archivode la Real Embajada de Espai'ia eo Roma). (16) Die Dokumente werden im folgenden zitiert: AV = Vatikanisches Archiv, 38 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 RV = Registratura Vaticana, AS = Archivegeneral de Simancas, RS = Registro general del Sello, ACA = Archive de la Corona de Aragon in Barcelona, CaCa = Camara de Castilla. Die betreffenden Dokumente sind zugänglich in meinem gleichzeitig erscheinenden Artikel: La Curia Romana y la Corona de Espafia en la defensa de los Indigenas Canarios, Anthropos XXV/1930 wo sie in der Reihenfolge der Daten abgedruckt sind. ( 17) Cronica do Descobrimento e Conquista De Guine escrita por mandade de EI Rey, D. Alfonso V, sob a direccao scientifica, e segundo as instruccöes do illustre infante D. Henrique, pelo Chronista Gomes Eannes de Azurara ... erstmaliger Abdruck durch den Visconde de Santarem. Paris, Aillaud, MDCCCXLI. (18) Die angeführten Dokumente finden sich imAV, RV vol. 367, fol. 5ff., 44ff., vol. 371 , fol. 214ff., vol. 373, fol. 78ff., vol. 374, fol. 14lff., und waren bisher bis auf zwei unbekannt. Jetzt abgedruckt bei Wölfet, Anthropos XXV/ 1930. ( 19) Real Biblioteca, Madrid, MSS. II. M. l O; Torres Compos a. a. 0 . 121 -206. (20) AS, RS, 1515. Enero, dia en blanco, Valladolid; Wölfet a. a. 0. (21) Wir folgen darin und im weiteren Miliares, a. a. 0., IV/90ff., der sich auf die Libros de Datas (Grundbücher über die Repartimientos) und die Dokumente der Inquisition auf den Inseln stützt. (22) AS, RS. (23) A. a. 0 . 159. (24) Las Palmas 1874. (25) AS, CR ( = Conseje Real), Leg. 93, fol. l 0, pags. l - 216, fol. l - l 08 . (26) Cr6nica de los Reyes Cat6licos, publiziert in der Biblioteca de Autores Espafioles, 1878. Cap. CXXXII. (27) AS, CaCa (= Camara de Castilla), "Canarias"; Wölfe! a. a. 0 . (28) AS, CaCa, Canarias; W ölfel a. a. 0 . (29) AS, RS, W ölfel a. a. 0 . (30) AS, RS, Wölfe! a. a. 0 . (31) AS, RS; W ölfel a. a. 0 . (32) AS, RS; Wölfe! a. a. 0. (33) A. a. 0. III, Pr6logo. (34) Alle drei Dokumente, AS, RS; Wölfet a. a. 0. (35) Antiquites Canariennes, Paris 1879. (36) In Zeitschriften und Tagesblättern der Kanaren, mir hier unmittelbar nicht zugänglich. (37) Gelegentlich der schon erwähnten Vollmachterteilung, s. o. S. 294. (38) Miliares II/ l 27ff., IV /248ff., Garcia Ramos a. a. 0. (39) Antigüedades de las Islas Afortunandas de la Gran Canaria, Conquista de Tenerife etc., Sevilla 1604. Ich benütze den Neudruck durch Franz v. Löher 39 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 (Der Kampf um Tenerife ), Tübingen 1883. (40) A. a. 0 . 49. (4l)A. a. 0. V356. (42)A. a. 0 . V/157. (43) A. a. 0. 11/ 133 . ( 44) Historia de la lnquisici6n en las Jslas Canarias, I - IV, Las Palmas 1874. ( 45) A. a. 0 . l 7f. ( 46) Manuskript in der Biblioteca Nacional, Madrid, ich besitze die Photokopien davon. (47) A . a. 0 . 11/ 128. (48) Antiquites Canariennes 65. ( 49) Garcia Ramos, Diario de Tenerife vom 17. Mai 1899, unter dem Titel "Conquistadores y Conquistados" zitiert nach Torres Campos, a. a. 0 . 40 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca Universitaria, 2017 |
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