Almogaren XXXIV / 2003 Wien 2003 347 - 356
Hans-Martin Sommer
Merkwürdige Steinsetzungen auf den
Kanareninseln Lanzarote und La Graciosa
Key words: Canary Islands, Lanzarote, La Graciosa, stone-walls, enigmatic structures
Zusammenfassung:
Die hier beschriebenen Steinsetzungen wurden zufällig bei Linienflügen entdeckt.
Alter und Zweck konnten bis dato nicht geklärt werden. Systematische
Untersuchungen durch den Verfasser im Süden Lanzarotes und im Zentrum
von La Graciosa förderten einige Merkwürdigkeiten zutage, die es Wert
sind, weiterverfolgt zu werden.
Abstract:
The stone structures here described were discovered by chance from the air
during scheduled flights. Age and purpose could not yet be ascertained.
Systematic examination by the author in south Lanzarote and in the central
part of the island of La Graciosa have brought to light some extraordinary
features which it will be worth following up.
Resumen:
Las estructuras de piedra seca aqui descritas fueron descubiertas por casualidad
en el transcurso de vuelos regulares. Hasta la fecha no se han podido
clarificar Ja edad ni el objetivo que desempefiaban. lnvestigaciones llevadas
a cabo de forma sistematica por el autor en el sur de Lanzarote y en el centro
de La Graciosa sacaron a Ja luz algunas singularidades que merece Ja pena
seguir estudiando.
1. Lokation I in der Rubicon-Ebene (Lanzarote)
Zu Beginn des Jahres 2002 erhielt der Autor einen Hinweis eines Freundes
über mehrere kreisförmige Strukturen im Süden Lanzarotes, die dieser während
eines Landeanflugs deutlich erkannte.
Kurze Zeit später konnte unter Einsatz eines Landrovers gemeinsam eine
erste Prospektion durchgeführt werden. Das beschriebene Gelände in leichter
Hanglage erstreckt sich über einen großen Teil der Rubic6n-Ebene und
ist mit einem normalen Fahrzeug nicht zugänglich.
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Östlich wird es von einer Bauschutt-Deponie, westlich von der Küste begrenzt.
Im Süden reicht es fast bis an den Vulkan Montaiia Roja, während die
nördliche Begrenzung etwa an der Invest-Ruine "Los Atlantes" liegt.
Geologisch ist dieses Gebiet als ein sogenanntes malpafs ("schlechtes Land")
einzustufen. Der basaltartige Untergrund ist mit einer mehr oder minder starken
ockerfarbenen Sedimentschicht bedeckt, die wiederum fast vollständig mit
Lavagestein von Faustgröße bis hin zu tonnenschweren Brocken bedeckt ist.
1.1. Die Trassen
Die ersten Eindrücke beim Betreten des Gebietes schwankten zwischen
Euphorie und Enttäuschung. Was sich dem Betrachter darbietet, sind Aneinanderreihungen
von Steinen diverser Größen, welche im ersten Augenblick
keinen richtigen Sinn ergeben. Erst nach mehreren Prospektionen und umfangreichen
Vermessungen konnte ein annäherndes Gesamtbild zusammengefügt
werden.
Erschwerend kam hinzu, dass durch die ebene Lage des Gebietes immer
nur ein kleiner Teil des Gebietes einzusehen ist und vorhandene Erhöhungen
nicht über 2,50 m hinausgehen.
Beginnt man die Betrachtung auf der höhergelegenen Ostseite der Ebene,
fallen 3 sehr breite, parallel verlaufende "Trassen" auf. Es handelt sich natürlich
nicht um herkömmliche befestigte Straßen, sondern um geebnete Wege, die in
Richtung Küste verlaufen. Ich verwende in Ermangelung eines anderen passenden
Wortes im Folgenden diese Bezeichnung. Der Abstand beträgt zwischen der
südlichen und mittleren 320 Meter, der zwischen der mittleren und nördlichen
Trasse etwa 250 Meter. Die Länge der südlichen wurde mit 1050 Metern vermessen
und bildet für 7 Kreise eine Tangente. Mit 1300 Meter Länge stellt die
mittlere eine gemeinsame Tangente für die 8 mittleren und 4 südlichen Kreise
dar. Von der nördlich gelegenen Trasse mit ca. 450 Metern Länge führen einige
"Wege" zu den 4 Kreisen und in die entgegengesetzte Richtung. Bei Letzterer
wurde nur die Länge in Bezug zu den Kreisen berücksichtigt; sie verläuft ansonsten
noch einige hundert Meter geradeaus in Richtung Küste.
1.2. Die Kreise
Nach längerer Überlegung entschloss sich der Verfasser, einen der Kreise
so exakt wie möglich zu dokumentieren, da eine Gesamtaufnahme aller 19
Kreise die technischen und zeitlichen Möglichkeiten des Autors übersteigt.
Die Wahl fiel auf den ersten Kreis der Mittelreihe (Bild 2). Alle 8 Kreise
liegen auf einer gemeinsamen Mittellinie, welche aus einem ca. 4 Meter breiten
geebneten "Weg" besteht (in Bild 2 mit "pic6n street" bezeichnet). Die
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eigentliche ockerfarbene Oberfläche ist mit einer dünnen Schicht schwarzer,
feiner Lava-Asche, auch lapilli, pic6n oder rofe genannt, bedeckt. Die Körnung
wurde mit 2-5 mm gemessen.
Der Innenkreis von etwa 25 Metern Durchmesser stellt sich als eine "Verdickung"
der Mittellinie dar und ist ebenfalls mit einer dünnen Schicht LavaAsche
bedeckt. Einige kopfgroße Steine am Rand müssen nicht unbedingt
zur Begrenzung gehört haben.
Nachdem der Mittelpunkt des Kreises bestimmt wurde, musste festgestellt
werden, dass die um 45° zum Weg versetzten Steinreihen in gedachter Verlängerung
(in Bild 2 "double stones" genannt) nicht durch den Mittelpunkt,
sondern um ca. einen Meter versetzt am Mittelpunkt vorbeilaufen.
Der mittlere Kreis mit einem Durchmesser von ca. 100 Metern besteht aus
einem ca. 4 Meter breiten "Weg", der den Hauptweg zweimal kreuzt ("sand
street" in Bild 2). Im Gegensatz zu diesem ist die Oberfläche nicht mit LavaAsche
bedeckt sondern ist als ockerfarbenes Sediment belassen.Der Aussenkreis
besteht aus aufrecht stehenden Steinen von 50-70 cm Höhe, die relativ
unregelmäßig im Abstand von 1-2 Metern die äußere Grenze des Kreises
bilden ("piedras hincadas" in Bild 2). Wie auch der mittlere Kreis ist er
nur durch den Mittelweg unterbrochen. Die äußeren Steine des nächstfolgenden
Kreises grenzen unmittelbar an die des beschriebenen Kreises.
1.3. Die Steinreihen
Eine der ersten Auffälligkeiten an der Gesamtstruktur der Kreise sind die
aus etwa faustgroßen Steinen gelegten exakt geraden Steinreihen (in Bild 2
als "fine lines" bezeichnet), die sich vom oberen Hang nahe der Müllkippe
bis an die Küste erstrecken. Einige der zu dem Mittelweg parallel verlaufenden
Linien (10 bis 12) haben eine Länge von weit über 2000 Metern und
schneiden alle Kreise. Eine weitere Auffälligkeit ist die Tatsache, dass jeder
dieser etwa faustgroßen Steine eine etwas längere gerade Seite
hat. Bei allen Linien ist immer diese eine Seite über die
gesamte Länge nach links oder rechts gelegt - je nach Blickrichtung
(Bild 1).
Neben den sehr langen und durchgehenden Steinreihen
befinden sich innerhalb der Kreise eine Vielzahl weiterer Linien.
Teils im Abstand von ca. 2 Metern parallel verlaufend,
teils einzeln finden sich ebenso gekreuzte wie auch stumpf
aneinanderstoßende Linien. Fast immer stehen diese Steinreihen
rechtwinklig zueinander. Einige wenige kürzere Linien
stehen in einem unbestimmten Winkel zur Mittelachse.
Bild 1 g
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Die schon in Absatz 2 erwähnten "double stones" bestehen zumeist aus
einem etwa kinderkopfgroßen Stein, auf welchen ein kleinerer, etwa faustgroßer
Stein liegt.
Mit der fertiggestellten Zeichnung (Bild 2) wurden dann alle Kreise begangen
und es konnte festgestellt werden, dass keiner der Kreise gleiche
Muster bzw. ein gleiches System der Linien aufwies!
1. 4. Archäologisches Umfeld
Während der umfangreichen Prospektionen, die in erster Linie den Vermessungen
dienten, konnten auch drei Fundstellen vorspanischer Keramik
ausgemacht werden. Ein Fundplatz am oberen Rand des beschriebenen Gebietes
erbrachte umfangreiche Keramikreste aus vorspanischer Zeit. Eine
Schale der sog. El Moj6n-Keramik ließe sich wahrscheinlich restaurieren.
Weiterhin fanden sich die Schalen mehrerer Muschel- und Schneckenarten,
Seepockengehäuse und Knochenreste. Es ist anzunehmen, dass es sich hier
um einen über längere Zeit genutzten Wohnplatz handelt.
Die anderen beiden Fundstellen liegen im nördlichen Bereich des Gebietes.
Es fanden sich die Reste jeweils einer Schale der El Moj6n-Keramik.
Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um Opfergaben. Parallelen hierzu gibt
es im Norden Lanzarotes (Malpais de la Corona) sowie auf Fuerteventura.
Die aufgefundene Keramik wurde nach der Aufnahme an ihrem Fundort
belassen.
Hier soll die Beschreibung der auf gefundenen Steinstrukturen in der Rubic6n-
Ebene vorerst enden. Trotz tagelanger Vermessungen konnte immer
noch kein schlüssiges Gesamtbild der Anlage erstellt werden. Aus diesem
Grunde entschloss sich der Autor zusammen mit dem Hinweisgeber ein
Sportflugzeug zu chartern. Anfang August 2002 konnten während eines 45
Minuten dauernden Fluges in 1000 m, 600 m und 300 m Höhe eine große
Anzahl guter Fotos angefertigt werden, die halfen, ein komplettes Gesamtbild
zu erstellen (Bild 3).
Parallel zu den Prospektionen erfolgte eine umfangreiche Recherche. Befragungen
ergaben, dass schon in den 70er Jahren ein spanischer Pilot eine
Meldung an das hiesige Museum gab, dort aber kein Interesse an weiterer
Forschung vorlag. Mehrere befragte Personen äußerten, dass diese Strukturen
vielleicht im Zusammenhang mit dem Hotel nahe der Küste stehen könnten,
d.h. es könnte eine Urbanisation geplant worden sein. Ein deutscher Architekt,
der an der Planung beteiligt gewesen sein soll, ist nicht mehr auffindbar.
Eine andere, etwas die Esoterik streifende Variante wurde ebenfalls
von mehreren Personen erwähnt: So sollen in dieser Ebene Lichterscheinun-
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gen auftreten, die nicht auf Wetterleuchten, Gewitter etc. zurückzuführen
sind.
Auch wenn tatsächlich die Trassen jüngeren Datums sein sollten, sind
meiner Ansicht nach zumindest die langen Reihen der faustgroßen Steine
nicht modern. Ein Anhaltspunkt dafür sind Wolfsmilchgewächse, die direkt
über die Steinreihen gewachsen sind. Nach Auskunft eines Botanikers beträgt
das Alter der knorrigen und schon verholzten Pflanzen wesentlich mehr
als 50 Jahre.
2. Lokation II, die "5" auf La Graciosa
Eine weitere, derzeit rational nicht zu erklärende Steinsetzung befindet
sich auf der nordwestlich Lanzarotes gelegenen Nachbarinsel La Graciosa.
Den Hinweis erhielt der Autor von IC-Mitglied H.-J. Ulbrich, der während
eines Landeanflugs eine große Steinsetzung in exakter Form einer arabischen
Fünf auf der Insel La Graciosa entdeckte. Bald darauf untersuchte der Autor
das angegebene Gebiet und wurde innerhalb eines Vulkankraters fündig.
Besagter Krater des 188 Meter hohen Vulkans "Montafia del Moj6n"ist
wahrscheinlich ein Doppelkrater. Am Grunde des kleineren, nördlich gelegenen
Teils ist eine nach Süden offene kreisförmige Steinsetzung mit einem
Durchmesser von etwa 40 Metern auszumachen. Diese stellt den "Bauch"
der Ziffer dar. Die Breite der aus verschieden großen Lavasteinen aufgeschichteten
Mauer beträgt etwa einen halben Meter bei einer durchschnittlichen
Höhe von 60 cm.
In westliche Richtung schließt sich leicht ansteigend direkt ein Mauerstück
von 8 Metern Länge an. Dazu rechtwinklig verläuft ein weiteres Stück
der Mauer mit einer Länge von ca.18 Metern. Wie aus dem Foto ersichtlich,
hat diese Steinstruktur tatsächlich die exakte Form einer 5 (Bild 4).
Wer aus welchen Gründen auch immer diese Mauer aufschichtete, verfolgte
mit Sicherheit einen Zweck. Der offene Kreis der "5" lässt sich vielleicht
damit erklären, dass man auf der wasserarmen Insel in dem Krater
Regenwasser auffing, und die Mauer Gestein und Sedimente bei starkem
Regen zurückhalten sollte. Darauf deutet auch eine pflanzenfreie Fläche im
Inneren des Kreises hin, die etwa 0,5 Meter unter der Mauerunterkante liegt.
Die offene Seite des Kreises liegt in Richtung Süden, wo sich etwas tiefergelegen
der größere Teil des Kraters befindet. Auch hier befindet sich eineebenfalls
nach Süden offene Steinstruktur in Form eines unregelmäßigen
Rechtecks mit den Maßen 65 x 23 Metern (Bild 5).
Dagegen keinen Sinn machen die anderen beiden Teile der Mauer. Weder
ist der Krater dort besonders flach oder steil, noch befindet sich ein Zugang
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o.ä. auf dieser Seite. Es ist auch kaum denkbar, dass dort zusammengelaufenes
Wasser über längere Zeit zur Verfügung stand.
Anlagen zur Wasserspeicherung (aljibe), wie sie in der Nähe der Ortschaft
Caleta del Sebo zu finden sind, konnten trotz intensiver Suche nicht gefunden
weden.
Die Vermutung eines Einwohners der Insel, dass die Mauern im Krater als
Ziegenkral dienten, kann angesichts der Kletterfreudigkeit der Tiere wohl
ausgeschlossen werden.
3. Resümee
Die Beschreibungen der beiden Steinstrukturen sollen zum Nachdenken
anregen. Autor und Herausgeber würden sich über Hinweise freuen, die zur
Lösung beitragen.
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Bild 2
ooo c
.....
"piedras hincadas", ca. 50 - 70 cm
"pic6n street"
"double stones"
"fine lines" •••••
0
CIRCLE 1
(of 19)
Rubi c6n Plain (Lanzarote}
50m
"sand street"
diam. max. 20 cm
collection of boulders
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Bild 3
Überblick über die enigmatischen Kreis- und Linien-Strukturen der westlichen Rubic6n-Ebene, Lanzarote (Foto© 2002 H.-M. Sommer)
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Steinsetzung in Form einer "S" im Krater der Mfia. del Moj6n, La Graciosa (Foto © 2002 H.-M. Sommer)
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Krater der Mfia. del Moj6n, La Graciosa (Foto © 2002 H.-M. Sommer)
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