Almogaren XXVIII / 1997 Vöcklabruck 1997
Friedrich Berger
Paviane im Fezzan
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Auf einem Steinblock hoch auf der Spitze der Talwand (Abbildung 1) der
von Frobenius In Habeter III genannten Lokation (1963:30-32) finden sich
Gravierungen von vier "eigentümlichen Geschöpfen" (1963: Taf. Illb, Xllb),
die Frobenius zoologisch nicht genau bestimmen konnte. Hinzu kommen zwei
ähnliche Tiere am Fuße der Wand (1963: Taf. Xlla). Er bezeichnete sie hilfsweise
als "Meerkatzen", vergleicht sie aber auch mit Löwen. Die Umrißlinien
sind tief eingeschliffen und die gesamte Körperfläche ist voll poliert (Abbildung
2). Diese technische Ausführung ist einmalig für das Gebiet, die naturalistische
Genauigkeit jedoch beschränkt. Frobenius vergleicht die Tiere stilistisch
mit den Antilopen des "Hömerbein"-Stiles, seines jüngeren Stiles, bei
welchem die Künstler die Beine von Tieren in Strichen auslaufen ließen. Er
beschreibt Anzeichen, daß der Steinblock für die Darstellung dadurch vorbereitet
wurde, daß ein davor stehender Block hinunter gestürzt wurde. Der Ort
für die Darstellung der "Meerkatzen" wäre demnach mit größerer Sorgfalt
ausgewählt und vorbereitet worden, als die Lokationen von anderen Gravierungen.
Jelinek korrigiert die Lokation der Bilder als Mathmdush, Wadi Berdjush
(1984: 117), seine Lokationen 32 und 35. Er bezeichnet sie als "monkey-like
figures" [= affenähnliche Figuren] und zählt sie zur Rundkopfperiode (1984:
143-148, Figs. 36, 36a, 37, 37a).
Castiglioni et al. berichten, daß Graziosi die Tiere im Wadi Bergiug als
wahrscheinlich "felini" interpretiert hat (1986: 62). Sie selbst übernehmen
von Frobenius die Bezeichnung "Meerkatzen" (gatti mammoni) für die Mischwesen
von Löwen und Affen im Wadi Mathendush. Sie bezeichnen nicht nur
die sechs Tiere von Frobenius und Jelinek als "gatti mammoni" (1986: 216;
Farbtafel 60-61; Abb. 112, 116, 118, 119, 125), sondern sehen diese Deutung als
sekundäre Möglichkeit auch für weitere Figuren (1986: 216; Abb. 155, 156,
162, 163). Auch Castiglioni et al. weisen auf die gute Aussicht der vier bedeutendsten
Tiere über die Mündung des Wadis hin (1986: Farbtafel 61 ).
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Muzzolini zeigt diese vier Figuren von der Spitze der Wand von Mathendous
und zählt sie zur Schule "Bubalin Naturaliste". Er bezeichnet sie
einerseits als "singes ou hommes-singes" [= Affen oder Menschen-Affen]
(1995: Abb. 391,438), andererseits als " ... chat (comme les 'gatti mammoni' ou
'Meerkatzen' - macaques - de Frobenius, clont les attributs trahissent l' homme
plus que le macaque)" [=Katze, wie die Meerkatzen - Makaken - des Frobenius
zusammengesetzt aus Attributen des Menschen und der Makake] (1995: 330).
Ich möchte vorschlagen, daß die Tiere auch als Paviane interpretiert werden
können. Dieser Vorschlag ergibt sich weniger aus der zoologischen Interpretation,
die Darstellungen sind ja nicht naturalistisch, sondern aus Analogie
zu der Bedeutung des Pavians in der ägyptischen Mythologie. Wegen der
vielfältigen Beziehungen zwischen Sahara und Niltal erscheint eine ähnliche
Bedeutung des Pavians im Fezzan denkbar.
Nach Hufnagl (1972: 34) kommen Paviane im Air und im Gebiet des Tschad
vor, eine Unterart des Anubis Pavian, Papio anubis tibestanis, wurde nachgewiesen.
Während eines feuchteren Klimas ist ihr Vorkommen im Fezzan also
durchaus möglich gewesen.
In der ägyptischen Mythologie haben Paviane starke Beziehung zur Sonne,
das Affengeschrei bei Tagesanbruch wurde als Huldigung gedeutet (Lurker,
1991 :44). Dies paßt ausgezeichnet zu der Position der vier Tiere an der Spitze
der Nordwand mit Blick nach Osten bis Süden. Paviane wurden in Ägypten
vielfältig dargestellt, einige Beispiele folgen.
Im Amduat ("Die Schrift des verborgenen Raumes") und dem Pfortenbuch
treten mehrfach Paviane auf Beim Abstieg des Sonnengottes Re stehen zweimal
neun Paviane am Beginn der ersten Stunde (Piankoff, 1954: 231-236, PI.
74; Hornung, 1991: 14, 16). Beim Beginn des Aufstieges in der siebten Stunde
sind vier Paviane unter den Schutzgöttern mit Wurfnetzen (Piankoff, 1954:
199, PI. 55; Hornung, 1991: 117-118). In der zehnten Stunde trägt eine Pavianmumie,
Thot darstellend, das Horusauge auf den Händen (Piankoff, 1954:
301; Hornung, 1967: 164-165). In der zwölften Stunde, vor Sonnenaufgang,
treten vier Paviane mit aufgerichteten menschlichen Händen auf (Piankoff,
1954: 217,219; Hornung, 1991: 194-195).
In der Gerichtsszene aus dem Pfortenbuch mit Osiris, vor dem die Verstorbenen
erscheinen, vertreibt der Pavian ein Schwein als Symbol des Bösen in
einer Barke (Piankoff, 1954: Fig. 154-155, PI. 47; Lurker, 1991: 230).
Zum Spruch 15 des Totenbuches der Ägypter gehören Bilder des Sonnenlaufes,
unter anderem mit vier bzw. sechs Pavianen, welche die Sonne anbeten
(Hornung, 1990: 58, 422; Champdor, 1994: 82-83). Ähnlich beten vier bzw.
sieben Paviane den Falken mit der Sonnenscheibe an in Spruch 110 (Champdor,
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1994: 86-87, 94-95). Im Spruch 126 werden die vier Paviane selbst besungen,
die am Bug der Sonnenbarke sitzen (Hornung, 1990: 245-247, 493).
Schließlich ist der Pavian zusammen mit dem Ibis das Tier des Gottes Thot
oder verkörpert ihn. Thot war der Herr des Mondes, weshalb der Pavian
gelegentlich mit Mondsichel und Sonnenscheibe dargestellt wird. Thot war
der "Berechner der Zeit" und der Schutzpatron der Schreiber und der heiligen
Schriften (Ions, 1968: 74, 75, 82; Lurker, 1991: 44, 266-268).
Diese Darstellungen von Pavianen sind zum Teil ausgesprochen naturalistisch,
manchmal bedürfen sie jedoch der Interpretation, wie die Felsbilder
im Fezzan.
Abb. 1 (Pfeil = Fundstelle) Abb. 2
Bibliographie:
Castiglioni, Angelo & Alfredo, Giancarlo Negro (1986): Fiumi di pietra. Varese:
Lativa
Champdor, Albert (bearb. von Manfred Lurker) (1994): Das ägyptische Totenbuch
in Bild und Deutung. Bindlach: Gondrom
Frobenius, Leo (1963): Ekade Ektab. Die Felsbilder Fezzans. Graz: Akademische
Druck- und Verlagsanstalt
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Hornung, Erik (1967): Das Amduat. Die Schrift des verborgenen Raumes.
Teil III. Wiesbaden: Harrassowitz
Hornung, Erik (1991 ): Die Nachtfahrt der Sonne. Zürich und München: Arte-mis
Hufnagl, Ernst (1972): Libyan Mammals. Harrow: The Oleander Press
Ions, Veronica (1963): Ägyptische Mythologie. Wiesbaden: Emil Vollmer
Jelinek, Jan (1984): Mathrndush, In Galgien, Two Important Fezzanese Rock
Art Sites. - In: Anthropologie (Brno) 1984, XXIl/2:117-170 und :XXIl/3:237-
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Lurker, Manfred (1991): Götter und Symbole der alten Ägypter. Bergisch
Gladbach: Lübbe
Muzzolini, Alfred (1995): Les Images Rupestres du Sahara. Toulouse:
Muzzolini
Piankoff, Alexandre & N. Rambova (1954): The Tomb ofRamesses VI (Texts).
New York: Pantheon Books, Bollinger Series XL-1
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