Helmut Stumfohl
DAS IDAFE-PROBLEM: SPRACHLICH-SPEKULATIV
1.- Allgemeines
Jede sprachliche Rekonstruktion gehört auch - im
weitesten und unphilosophischen Sinne des Wortes - zu den
Sprachspielen; das heisst man spielt die sprachlichen Möglichkeiten
durch, natürlich nicht willkürlich, sondern nach
Regeln, die sich aus einer grossen Summe von Vergleichen,
Belegen, Zusammenstellungen, phonetischen, archäologischen,
kulturgeschichtlichen, religionsgeschichtlichen
Hinweisen ergeben. Bei einem so schwierigen Problem wie
dem vorliegenden tritt naturgemäss das Spekulative deutlicher
hervor, aber gebändigt, einbezogen in die phonetischen
und linguistischen Möglichkeiten.
2.- Hauptbelege
Wenn man die Hauptbelege zum Idafe analisiert (1) so
ist der Eindruck nicht eindeutig. Idafe war entweder der
Name eines numinosen Wesens, das sich in der spitzen,
gespaltenen Steinsäule am Rande der Caldera de Taburiente
auf La Pal ma gelegentlich niederliess, wenn ihm Eingeweideopf
er gebracht wurden - oder doch dauernd da
wohnte; oder er war der Name des Steingebildes selbst.
Also bleiben zwei wesentliche Möglichkeiten übrig - eine
megalithische, nämlich den Idafe als Seelensitz anzusehen
oder aber als Weltsäule/Himmelsstütze, eine schon vormegalithische
Vorstellung, die sich durch ganz Eurasien
findet und dann megalithisiert worden wäre.
In unserer Deutung gehen wir davon aus, dass der Begriff
"Stein" - immer in Assoziation des Heiligen - der
Hintergrund der Benennung sei. Zunächst aber kämpfen
wir ein wenig mit der "C himäre des blassen Anklangs",
mit wohl zufälligen Übereinstimmungen mit idg. Wurzeln.
-57-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
3.- Indogermanische Anklänge
a) Das Idafeld. Das altisl. "ida vollr", "ldaf eld, Idawiese",
auf der sich die Götter der neuen Generation
nach dem Weltenbrande zu neuem Beginne treffen (2). In
der Deutung ist unbeschadet mancher Anklänge zunächst
von germanischem und idg. Wortmaterial auszugehen. Erst
wenn dies nicht ausreichen sollte, dürften Beziehungen
zum westlichen mediterranen Substrat und zum Altkanarischen
gesucht werden: es zeigt sich aber, dass dies nicht
nötig ist. Für Idafeld haben wir zwei vollständig befriedigende
innergermanische Möglichkeiten der Erklärung.
Am wahrscheinlichsten ist wohl die Beziehung zu der
Wurzel, die im Namen der Idunn, der Göttin der Jugend
steckt. Hieher gehört Idi, Name eines Riesen von grosser
Lebenskraft, "idjar", das Grünsein, altengl. "ides", alts.
"idis", ahd. "itis" = "Jungfrau" (3). Dies wird zur Wurzel
"aidh-" = "brennen, leuchten, schwellen" gestellt, die eine
ganze Sippschaft idg. Wörter ins Leben gerufen hat, so gr.
"aitho" = zünde", "Aitna" = "Feuerberg" - der Name des
Ätna; Hesychios hat in seinem Wörterbuch "ithe", das er
durch "euphrosyne" erklärt "Heiterkeit"; auch gr. "aither"
= "Luft, Luftraum" gehört hieher; altind. "edhas" =
"Brennholz", ahd. "eiten" = "heizen", "ital" = "klar, rein,
lauter" - unser "eitel".
Das "ldafeld" wäre daher die "Wiese der Verjüngung,
der Erneuerung", wobei altisl. "vollr" = "Wiese, Ebene"
ursprünglich eins mit unserem Worte "Wald" ist, woraus
sich eine gemeinsame Grundbedeutung "ebener Boden" ergibt
(4).
b) Die Wurzel "i-". Aber auch eine _Beziehung zur
weitverbreiteten Wurzel "i-" = "gehen" wäre möglich,
woraus sich eine tautologische Zusammensetzung ergäbe:
Idafeld würde dann in beiden Teilen "ida" und "vollr",
" Weide, Wiese" bedeuten, etwa im Sinne des ahd. "wunnja",
mhd. "wünne, winne" = "besonders nahrhafte Weide".
Das Wort lebt noch in tirolischen Flurnamen und lokalen
Dialekten als "die ld", "Gang auf die Weide, die Weide
selbst", das sich unmittelbar mit dem gr. "ithma" =
"Gang" vergleichen lässt. Hiezu würde auch altn. "idn" =
-58-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
"Beschäftigung, Tun" gehören und vermutlich auch altn.
"ida" = "Stromwirbel", das neuengl. "eddy" ergab und sich
im mhd. "it-waege" = "Wirbelwoge" spiegelt.
c) Aber "ida, idar, ita.r" ist auch ein altes Wasserwort,
das im schleswig-holsteinischen Idstedt und im Namen
der Idar steckt, eines Nebenflusses der Nahe. Dabei
konnen Quereinflüsse zur Wurzel "i-" = "gehen" angenommen
werden. Die oderd. Form des Wortes - eben mit rErweiterung
- lautet Itter. Eine andere Erweiterung durch
das alte Flussnamen-Suffix -isa finden wir im Namen der
Itz, eines Nebenflusses das Mains bei Coburg, 1069 als
Itesa (5). In manchen Fällen sind die Etyma nicht mehr
erkennbar, so in der Ikoven bei Grevenbroich, das 1198 als
Hidenchoven erscheint, wobei wir eine Schwäche in der
Behandlung des Anlautes bemerken. Hier und im schweizerischen
Izikon bei Zürich - aus Idizingeshofen korrumpiert!
- steckt vielleicht aber der Eigenname Ido bzw. der Kosename
Idizo.
Der stärkste Bach des Namens Itter fliesst zur Eder,
die vielleicht dieselbe Wurzel enthälti aber auch die Oder
- die es zweimal gibt - und die oberösterreichische Atter
dürften Ablaute derselben Wurzel sein, was auch unser
Wort Ader erklärt. Man könnte also den Namen des Idaf
eldes unter Umständen als den einer reich bewässerten
Wiese deuten - was wieder auf die Bedeutung der Erneuerung
und Verjüngung führen würde. Wie auch immer wir
uns die germanische Beziehung des Wortes denken - aussergermanische
Anknüpfungen brauchen zur Erklärung nicht
herangezogen zu werden.
d) Der Bergname Ida/lde. Innerhalb des mediterranen
Bereichs bietet sich der Gleichklang von gr. "lda/Ide" an,
bekanntlich der Name einiger ausgedehnter Gebirgsstöcke
auf Kreta und im nordwestlichen Kleinasien - das kretische,
das mysische und das bithynische Idagebi rge. Herköm
mlicherweise wird dies, besonders von den älteren
Etymologen, als "Waldgebirge" gedeutet und mit dem gr.
"ida/ide" = "Bauholz, Gebirge" gleichgesetzt und mit dem
german. "witu" = "Holz" - noch in unserem "Weidling/Weitling",
ursprünglich also "Holzschüssel" - in Beziehung
gebracht. Wenn dies zutrifft, ist als Grundbedeutung das
-59-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
gr. Wort "Holz" anzunehmen, das über die Bedeutung
"Wald, Waldgebirge" endlich "Gebirge" ergeben hätte.
Wenn auch die Berge Griechenland und Kleinasiens prähistorisch
bei weitem stärker bewaldet waren - Homer
spielt auf den bewaldeten Helikon an, wir haben die Fresken
von tal Hüyük, die ein wald- und wasserreiches Inneranatolien
zeigen - so sind gerade die Gipfel des kretischen
und des bithynischen Ida vermutlich nie bewaldet
gewesen.
So dürfte es geraten sein, die beiden Wortstämme zu
trennen und mit neueren Etymologen - Frisk und Boisacq
in ihren etymologischen Wörterbüchern - vorgriechische
Herkunft anzunehmen und das Wort dem mediterranen
Substrat zuzuschreiben, ohne aber eine Beziehung zu Idafe
anzunehmen - dafür bietet sich eine andere und wie uns
scheint bessere Möglichkeit an. Boisacq meint, es handle
sich um ein altes Ap pelativum am ehesten karisch-lelegischen
Ursprungs mit der Bedeutung "Berg, Spitze, Gipfel".
Hingegen dürfte gr. "itea" = "Weidenbaum" zu unserem
germanischen Wortstamm zu stellen sein.
Der Name der Stradt "ldalion" auf Kypern - zuerst in
assyrischen Quellen als "id-i-li" (6) - gibt uns vielleicht
einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung von "ida". Als
Gründer wird "Chalkenor" angegeben, das ist der "Erzmann"
oder "Bergmann" - offenbar eine lose Übersetzung
des Stadtnamens, der also als "Bergstadt" zu deuten wäre.
Auch der westgriechische Heros Idas, dessen auf fällig
schwankende Genetive vermuten lassen, dass das Wort erst
nachträglich dem griechischen Deklinationssystem eingepasst
wurde, könnte zu unserem Wort gehören.
Höchst auffallend sind die beiden lykischen Orte Idebess6s
und Ideiphyte, die wie Griechisierungen eines Etymons
wirken, das wie Idafe geklungen haben könnte -
doch wird es sich um Zufälliges handeln. Immerhin dürften
sie im weitesten Sinne des Wortes dem ostmediterranen
Substrat angehören - auch zeigt Idebess6s in seiner Nebenform
Elebess6s den häufigen mediterranen Übergang
von "d" zu "l".
Es könnte also in Idafe ein mediterranes Substratwort
stecken, das "Berg, Fels, Spitze" bedeutet haben könnte.
-60-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
Kleinasiatisch Idebess6s könnte also "hochgelegener Ort",
bedeutet haben und Ortsnamen wie Perge, Pergamon und
das stammverwandte keltische Brigantion/Brigantium wären
Übersetzungen desselben Begriffs. Diese Deutung berücksichtigt
aber die dann auffallende Nachsilbe "-dafe" oder
vielleicht "-afe" nicht, wie sie offenbar oder anscheinend
auch im Namen Gomidafe (7) erscheint. Die nachstehende
Lösung eliminiert das Suffixproblem.
d) "teba/taba/theba/thaba". Eine elegantere Deutung
wäre mit dem alten Substrat wort "teba/taba/theba/thaba"
möglich, das "Fels, Hügel, Stein" bedeutete.
Wölfel fasst das "a" der Form "a-Idafe" als den Berberischen
analogen männlichen Artikel auf, was an sich
gewiss möglich wäre, denn der Artikelgebrauch scheint
schon im protoberberischen Substrat verankert gewesen zu
sein, wie uns der koptische weibliche enklitische Artikel
"t-11 zeigt, der dem Berberischen analog ist. Wie aber,
wenn dies phonetisch anders aufzufassen wäre?
Denkbar ist, dass die spanischen Gewährsleute so etwas
wie einen festen Vokaleinsatz vornahmen, einen leichten
Knacklaut vor dem "i"? Phonetische Schwächen und
Eigentümlichkeiten vor Vokaleinsatz oder beginnender Doppelkonsonanz
sind weit verbreitet, ja über den Raum des
mediterranen Substrats hinaus. Bekannt ist die Schwäche
des ungebildeten Römers in der Aspiration vor beginnendem
Vokal; er wusste nie recht, ob er ein mit Vokal beginnendes
Wort aspirieren sollte oder nicht; es ging ihm
wie dem modernen Cockney: "He dropped his aitches!" Er
wusste nie, ob er "arena" oder "harena" sagen sollte. So
entstanden die Doppelformen "lberi/Hiberi", "Hispania/Ispania",
"lbernia/Hibernia".
Eine ähnliche Erscheinung führt zum Vokalvorschlag
bei Wörtern, die mit s-haltiger Doppelkonsonanz beginnen;
den altbekannten spanischen Beispielen "espitiu, estampa,
esplendor" etc. fügen sich die frz. an "Etienne, escalier,
etape" etc. Auch das Griechische zeigt gelegentlich Ähnliches
wie in "Atlas" "Aster", wo es sich nicht um ein aprivatium
handeln kann. Alle diese Erscheinungen lassen
sich phonetisch auf verschiedenartige Behandlung eines festen
Stimmeinsatzes zurückführen, der auch vor Doppelkon-
-61-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
sonanz gegeben war, wenn ein "s" vorhanden war.
Zu all dem kommt nun eine weit verbreitete Schwäche
in der Behandlung von Labialen und Dentalen, wie sie
sich besonders im Verhältnis des idg. Anteils am sogenannten
Pelasgischen zum Griechischen zeigt. Innerhalb eines
Wortstammes können aspirierte und nichtaspirierte
Formen wechseln. Der lakonische Heros Oibalos erscheint
auch echt griechisch als Oiphalos, "telos" = "das Ziel",
gehört zu "thelo" = "wollen, abzielen", zu "t ragos" =
"Stab" (nicht zu verwechseln mit "tragos" = "Bock"!) gehört
"thyrsos", zu "t ragos" = "Bock" gehört "throsko" =
"springe"; wir haben "phatne" und "patne" für "Korb",
"phleo" = "in Fülle sein" zu "pleios" = "voll" etc. ( 8 ).
Bei einem Teil des sogenannten pelasgischen Wortschatzes
handelt es sich um eine ältere idg. Schicht im Griechischen,
die sehr wohl phonetische Eigentümlichkeiten des
nichtidg. Substrats spiegeln kann. Versuchen wir, dies analog
auf das westidg. Substrat zu übertragen, das auch einem
Teil des Proto-Berberischen zugrundeliegen muss.
Kehren wir nun zu "ldafe" zurück! Falls wir das anlautende
"i" als ein dem Berberischen analoges Pluralpräfix
auffassen, erhalten wir einen Stamm "dafe" oder
"daf". Dies fassen wir als westmediterrane Form des
durch den ganzen mediterranen Raum belegten "taba/teba"
auf, das "Fels, Berg, Spitze, Felsenhang" bedeutet (9). Bei
Besprechung des kanarischen "tavas, tabonas, tavona, tauona",
das "Steinmesser" bedeutet, denkt Wölfel bereits an
"teba" (10). Der Wortstamm belegt bei Stephanus Byzant.,
s. v. "Tabai" (11), lässt sich quer durch den Mittelmeerraum
verfolgen, vom kleinasiatischen "teba" über kalabr.
"tiff a" = "Fels", kors. "Tabiu" = "hoher Fels", kors. "tepa"
= "Fels", span. "taben" = "harte Scholle"; dazu gehören
wohl auch die nasalierten Formen, wie mallorquin.
"timba" = "Fels", wozu wohl auch rumän. "t'impa" =
"Felshang, Steilhang" und der Name der Felsschlucht des
thessalischen Alpheios, "Tempe" gehören.
Dem Wortstamm schliessen sich auch die Namen des
böotischen und phthiotischen Thebens an - beide Siedlungen
lagen auf auffallenden, isolierten Felshügeln. Natürlich
fällt hier auch der Name des ägyptischen Thebens an und
-62-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
man möchte meinen, dass hier nicht blosser Gleichklang
und spielerische griechische Volksetymologie - die gerne
ägyptische Wörter und Namen anpasste oder manchmal
spöttisch übersetzte - sondern eine wirkliche Beziehung
über das gemeinsame Substrat existierte, sodass die griechische
Volksetymologie des " zufälligen" Anklangs die Beziehung
zu einem urverwandten Wort wiederherstellte. Das
ägyptische Theben ist nämlich nach dem symbolischen Urhügel
benannt, von dem aus die Welt entstand und dessen
Name noch heute im Namen des koptischen Klosters Djeme
fortlebt, in dem der moderne Kopte das alte Wort für
"Dorf" erblickt - aber Dörfer lagen oft auf Hügeln und
darin spiegelt sich der altägytische Name, der etwa
" temwet" gesprochen wurde. Hier wären auch die beiden
Städte Thabena und Thiabena in der Africa proconsularis
anzuschl iessen.
So bliebe denn die Schlussfolgerung, dass "1-daf e"
nichts weiter als "die Felsen" bedeutete - tatsächlich
handelt es sich ja um zwei durch eine Schrunde getrennte
Felsspitzen, wie ein am Ende des Beitrages von H. Nowak
abgedrucktes Foto zeigt.
e) "daphne" und "lauros". In diesem Zusammenhang
fällt auch Licht auf bis jetzt zwei unerklärte Wörter für
Lorbeer, nämlich gr. "daphne" und "lauros" - letzteres
kein Lehnwort aus dem Lateinischen, wie meist angenommen,
sondern das Lateinische borgte es aus dem Griechischen.
"Daphne" ist der Form nach der Name einer Nymphe,
der etwa als "daphana, daphena" zu rekonstruieren wäre;
als Name des bekannten mediterranen Schlinggewächses
wäre also etwa "Steingewächs" der Bedeutung nach zu rekonstruieren,
von der auffallendsten Eigentümlichkeit des
Lorbeers hergenommen, der an Felswänden wuchernd, oft
ganze Schluchten überzieht, im Tal des Ladon, der beiden
Alpheios, besonders in der Tempe-Schlucht des thessalischen.
Die thessalische Nebenform "dauchne" ist keine ältere
Form, sondern ersetzt den Labial durch den Guttural,
wie man das im Deutschen zum Beispiel öfter beobachten
kann: Schaft/Schacht, Gift/Gicht, After/Achter, fünfzig/fuchzig.
-63-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
Die pergamenische Nebenform "laphne" widerspiegelt
nicht nur den wohlbekannten mediterranen Übergang von
"d" zu "l", sondern dieser wurde wohl durch Anlehnung an
eines der vielen mit "l" beginnenden Steinworte - etwa
"lavra" erleichtert. Und dies führt sogleich zu gr. "lauros",
lat. "laurus/laurum" - das Wort übersetzt sozusagen
von einer Subst ratschicht in die andere, auch "lauros"
würde so gedeutet nichts weiter als "Steingewächs" bedeuten.
Vielleicht wäre hier noch gr. "taphos, taphe, tymbos"
anzuschliessen - alle "Grabhügel" bedeutend und Folgerungen
von "taba/teba"; die Bedeutungen wären also nicht
von einer Bedeutung "Opfermahl am Grabe" her zu verstehen,
wie die älteren Etymologen wollten, die das Wort an
lat. "daps" = "Opfermahl" anschliessen wollten. Damit
wären die älteren Vorschläge für Etymologien, die samt
und sonders unbefriedigend sind, hinfällig ( 12).
f) Abschliesendes und Ergänzendes. Ein Blick in Wölfels
Materialien zeigt, dass in den kanarischen Inseldialekten
erhebliche Schwankungen im Labial- und Dentalgebrauch
bestanden! Die verschiedenen Schreibungen gehen
also nicht bloss auf die Schwierigkeiten der meist spanischsprachigen
Berichterstatter zurück. Wir finden
Schwankungen im Gebrauch der Labiale - der Wölfe} besonders
auffiel - er spricht von der "Instabilität der Labiale
im Atlantolibyschen" (13) - aber auch den Dentalen
und des Vokaleinsatzes.
Einige wahllos herausgegriffene Beispiele. Wir haben
auf La Pal ma den Eigennamen Bentohey, der auch als
Ventaor gehört wurde (14). Von "tavas" (15) sprachen wir
schon, wozu noch die Form "tafiagues" auf Lanzarote
kommt. Auf Tenerife treffen wir "banot/vonode" für
"Lanze" (16), womit wir auch bereits bei den Dentalen
sind. Der Eigenname "Guanchen" auf La Palma wechselt
mit "Guanathe", was den Weg der Palatalisierung des
Dentals anzeigt (17). "Chinique" = "Herdsteine" (18)
wechselt mit "tenique", "Tagoror" = "Versammlungsplatz"
mit "Thagoror" (19). Wölfels Vermutung, dass es sich nur
um eine gelehrte Schreibung handele - wie etwa im Namen
der Themse - mag gelegentlich zutreffen; aber wir
-64-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
denken eher an eine Parallele zur "Instabilität der Labiale"
bei den Dentalen.
Gelegentlich haben wir Beispiele für Schwankungen im
Anlaut - so "aran/haran" = "Farnwurzel" zur Bereitung
von gofio (20), das sogar mit "jaran" wechselt, analog
dem lat. Beispiel von "arena/harena", das möglicherweise
sogar wurzelverwandt ist. Wir haben auf Palma den Ortsnamen
"Hiscuagan", der mit "lscuagan" wechselt (21).
Und wir haben den Fall von "Teide" auf Tenerif e, das mit
"eheide" = "Hölle" wechselt - Wölfel denkt hier an einen
prothetischen Vokal.
Das Schwanken im Labialgebrauch zeigt sich schon in
der gegenwärtigen spanischen Aussprache von "b" und "v",
aber auch schon im altspan. Ersatz des lat. anlautenden
"f" durch "h", das dann verstummte - hierin schlägt wohl
ein voridg. Substrat phonetisch durch.
Unser spekulativer Weg führt, gestützt durch phonetische
Analogien und Parallelen, zu recht konkreten und
brauchbaren Ergebnissen, jenseits sprachlicher Willkür oder
Phantastik. Er zeigt jedenfalls Möglichkeiten auf, die benützt
werden müssen, wenn wir keine anderen zur Verfügung
haben. Es war ein immerhin gangbarer Weg durch
ein Labyrinth, in dem mit mehreren Unbekannten zu rechnen
war. Unsere Überlegungen zeigen, dass disziplinierte
Spekulation zu brauchbaren und ansprechenden Ergebnissen
kommen kann.
Anmerkungen
(1) J. B. G. M. Bory de St. Vincent (1780-1846) "Essais
sur les Iles fortunees de l 'antique Atlantide, Paris 1803,
deutsch durch T. F. Ehrmann 1804; Neuausgabe durch
Hans Biedermann, Graz 1970, pp. 102-103; dazu H. Biedermann,
Die Spur der Alt-Kanarier, Hallein, 1983, pp.
84-85; Fr. de Abreu Galindo, Historia de la Conquista de
las Siete lslas de Canaria. Zuerst gedruckt 1632; engl.
durch George Glas 1764; Edici6n cr1tica durch Alejandro
Cioranescu, Santa Cruz de Tenerife, 1955, pp. 270-271.
Die sprachlichen Materialien durch Dominik Josef Wölfel,
Monumenta Linguae Canariae, Graz 1965, ed. durch Alois
C loss, bes. p. 375, p. 440; als MLC zitiert.
-65-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
(2) Voluspa 4 7; altisl. Text nach Finnur J6nsson, dort Str.
43, Halle 1888
(3) F. Holthausen, Altengl. Etymolog. Wörterbuch, Heidelberg
19632
, s. v. ides; Alexander J6hannesson, Isländische
Etymolog. Wörterbuch, Bern 1936, s. v. "aidh-11
( 4) nach J6hannesson zur Wurzel uel- "treiben", also
"Viehweide".
(5) Ernst Förstemann, Altdeutsches Namenbuch, Orts- und
sonstige geograph. Namen 191l3 , vol. II, coll. 1544-1546.
(6) Realencyclopädie IX, 1916, coll. 869-876
(7) Leonardo Torriani, Die Kanarischen Inseln und ihre
Urbewohner, ed. D. J. Wölfet, Leipzig 1940, Hallein 19792
,
p. 245
(8) Weriand Merlingen, Fair Play for Pelasgian, in: Lingua
18, 1967, pp. 144-167
(9) Johannes Hubschmid, Mediterrane Substrate mit besonderer
Berücksichtigung des Baskischen und der westöstlichen
Sprachbeziehungen, Bern 1960, pp. 50-51
(10) MLC pp. 535-536
(11) Hjalmar Frisk, Etymologisches Wörterbuch des Griechischen
s. v. Tabai
(12) Viktor Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere, Leipzig
1911/8 mit unbefriedigenden Bemerkungen Schraders
(13) MLC p. 518
(14) MLC 710
(15) MLC 274
(16) MLC 547
(17) MLC 689
(18) MLC 475
(19) MLC 537
(20) MLC 517
(21) MLC 750
(22) MLC 446
-66-
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017