E. BONELLI t
REISEN INS INNERE DER SAHARA
übersetzt aus dem ,,Boletín de la Sociedad Geográfica de Madrid", Band XXI, 1886, von
Dipl. Dolm. Helmfried Knoll, Wien. Bearbeitet von H. Nowak.
Vorbemerkung
Die Forschungsfahrten, die im Auftrag von E. Bonelli im Jahre 1885 in das
Südgebiet der heutigen Provinz Río de Oro durchgeführt wurden, dienten im
Grunde genommen einer modernen Marktforschung. Bonelli bediente sich
dabei befreundeter Saharier, da es für einen Europaer zu dieser Zeit nicht
angezeigt war, Reisen in dieses Gebiet zu unternehmen.
Da sich der Bericht Bonellis ausführlich mit der V egetation und Besiedlung
dieses Gebietes befaBt, war eine übersetzung angezeigt, die unser Mitglied
Helmfried Knoll in dankenswerter W eise besorgte.
Eine Bearbeitung des Textes erschien durch gewisse Langen erforderlich,
ohne jedoch an der Substanz Veranderungen vorzunehmen. Ferner wurden
die Ortsnamen nach der heutigen Schreibweise der Karten des Servicio
Geográfico del Ejercito, Madrid, M 1 : 500.000, soweit als moglich erganzt.
Dies war nicht immer moglich bzw. stieB bei vielen Ortsangaben Bonellis im
Vergleich mit dem heutigen Kartenmaterial auf groBe Schwierigkeiten. Da
die Ortsnamen sowohl bei Bonelli als auch auf den Karten ,,phonetisch"
wiedergegeben wurden, waren die Rekonstruktionen der Routen der l. und
2. Reise überaus heikel. So war etwa der Name des Brunnens Tixekten
geographisch festzulegen, zum heutigen Namen ,,Hasi Tachquetemt" gibt es
wohl kaum eine Parallele. Die Fixierung von Fuch (Fudj), Tennuaca
(Tennuaka), Tiris (Teris), Bu Lariah (Bulariaj) und ahnlicher Namen war
natürlich problemlos. Die noch verbliebenen Namen waren nur teilweise
festzulegen. Wo sie jedoch erfolgte, etwa mit Dait Adlenquia, Dait Lebar
oder Bir el .Mami waren neben den phonetischen Vergleichen auch die
Entfernungsangaben der Expeditionsgruppen (Tagesmarsche zwischen 40
und 50 km) zur Darstellung der Reiserouten wertvoll. Für verschiedene
weitere Ortsnamen, etwaDjuad-Berge, ]aud, Uad el Kasab oder Daits el Arab
mit dem SüBwassersee usw. war das vorhandene Kartenmaterial im MaBstab
von 1 : 500.000 nicht ausreichend.
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Wie auf der Karte ersichtlich ist, stieBen die beiden Expeditionen von
Mohammed el Madani und Sid J ameida el Uali es Sebái in ostlicher
Richtung bis zur Linie Sebjet Tennuaca - Bu Lariah und in südlicher
Richtung bis in den heutigen Raum zwischen Gleibat el Musdar (Maatallah)
und Tichla vor.
Vielversprechende Ansatze zu einer archaologischen Erforschung des
Südteiles der Spanischen Sahara betreffen vorwiegend die Gebiete von
Leyuad und Gleibat el Musdar. Im Zusammenhang mit den von Capitán
Justo González Fernández gemeldeten jüngsten Funden von Steinbauten mit
pferdeahnlichen Felsgravierungen in Bu Lariah ware es aufgrund der von
Bonelli gemeldeten Pferdehaltung in diesem Gebiet sicherlich ein dringendes
Erfordernis, durch Ausgrabungen der Grabstatten und einer C-14-Datierung
der Knochenreste Klarheit zu schafen, oh die Bestattungen und die Gravierungen
zeitlich zusammenfallen oder nicht. Ein VorstoB eines Forschungstrupps
auf der Südroute von Madani/]ameida konnte ebenfalls einige Klarheit
bezüglich Bestattungen und eventueller Felsgravierungen im Zusammenhang
damit erbringen.
Für Forschungsexpeditionen in diesem Raum von Río de Oro liegt ein
vielfaltiges und reiches Arbeitsgebiet vor; denken wir nur an die Rinder- und
Karrendarstellungen in Gleibat el Musdar, die Funde von Bu Lariah oder die
reichen Felsgravierungen der Cueva del Diablo von Leyuad. Die dort von uns
festgestellten eleganten Felsmalereien sowie die schematischen Menschendarstellungen
von Legteitira, die 1973 Justo González Fernández entdeckte,
erweitern neben den Funden polierter Steinbeile und unzahliger neolithischer
Pfeilspitzen die noch kaum abschatzbaren Forschungsmoglichkeiten
über die einstige Besiedlung dieses heute so ariden Gebietes.
Als Grund für die 1885 in diesem Gebiet festgestellte dichte Besiedlung
gegenüber der heute viel geringeren Bevolkerungszahl eine Klimaveranderung
zu vermuten drangt sich wohl auf, bedarf jedoch eines stichhaltigen Beweises,
da Niederschlagskonzentrationen und damit reicher Pflanzenwuchs
bei der mobilen Nomadenbevolkerung immer neue Besiedlungsdichten mit
sich bringen. Die dichten Ansiedlungen im wasserreichen Raum von Auserd
im Jahre 1973, die wegen der Sahel-Südsahara-Dürrekatastrophe beobachtet
werden konnten, sind für die Mobilitat der Nomaden ebenso ein Beispiel wie
die Darstellung von Otto von Habsburg (,,Afrika ist nicht verloren", HeroldVerlag,
1964, S. 118): 1963 waren bei Aargub zwei Tage lang sintflutartige
Regenfalle niedergegangen. Zwei Monate spater siedelten Nomaden mit mehr
als zehntausend Kamelen in diesem Gebiet. Auf diese Art konnte auch die
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Besiedlungskonzentration im Raum Bu Lariah/Tichla im Jahre 1885 entstanden
sein.
Die archaologischen Forschungen stecken in der Spanischen Sahara noch
in den Kinderschuhen; alles ist noch zu tun!
H. Nowak
* * *
Die erste Reise
Am 13. September 1885 waren um 8 Uhr früh von der auf der Halbinsel Río
de Oro errichteten Faktorei der Maure Mohammed El Madani 1 und der
Scherif Sid Jameida El Uali Es Sabái, der unter seinen Glaubensgenossen
einen groBartigen Ruf hat, losgezogen. Sie führten zwei Kamele sowie Lebensmittel
für 8-10 Tage und etliche Geschenke geringeren Wertes mit sich.
Nachdem sie den Isthmus der Halbinsel Río de Oro passiert hatten, drangen
sie in das Festland ein und nachtigten in einer Niederung im Süden der
Insel Herne, wo etwas Gras und viele Straucher wachsen, die den Kamelen als
Futter dienen. Da die Gegend unbewohnt ist, erübrigte es sich, zu Wachen
oder sonstige VorsichtsmaBnahmen zu ergreifen.
Am folgenden Tag zogen sie etwa 9 Meilen nach Osten und trafen eine
Gruppe von 25 Familien des Stammes der Bu Amar 2
, die in der Umgebung
des Brunnens Tixekten (Hasi Tachquetemt?) hausen, der für sein gutes
Wasser berühmt ist. Die Bu Amar nahmen ,,den Abgesandten der Christen"
mit Miltrauen und Drohungen auf, sodaB es notwendig war, daB Jameida
sich einschaltete, um einen Kampf zu vermeiden. El Madani tauschte von da
ab seine Rif-Kleidung gegen die der Wüste aus, um nicht neuen Argwohn zu
erwecken und so mit groBerer Sicherheit reisen zu konnen. In Tixekten
sahen sie auch viele weiBe Wolltiere, Ziegen und einige hundert Kamele, die
Eigentum der Bu Amar waren.
Am 15. September begannen sie beim Morgengrauen den Marsch, beinahe
in derselben Richtung wie am gestrigen Tag, bis sie El Fudj (El Fuch), etwa
40 km von Tixekten entfernt, fanden. Unterwegs trafen sie auf eine groBere
Anzahl Akazien; die Gr6Be der Baume erreicht 4-5 m. Die auf dieser Tagesreise
zurückgelegte Strecke wird von einer kleineren Anzahl Angehoriger der
Stamme Bu Amar, Ulad Delim, Ulad Tsiderárin und Erguibat bewohnt. Diese
Leute unterhalten groBe Viehherden auf hervorragenden Weiden, deren Gras
50 cm hoch ist.
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Am nachsten Marschtag, der zwischen 40 und 50 km ergab, gelangten sie
in den Jaud; sie schwenkten ah Mittag in südliche Richtung. Das gesamte
durchstreifte Gebiet ist eine trasdose, teils sandige Ebene, der GroBteil
besteht jedoch aus festero Fels; nur an den tiefstgelegenen Platzen gibt es
eine bessere Vegetation. Die Hitze war an diesem Tag derart, daB sie sich das
Gesicht und den ganzen Korper verhüllen muBten, um Verbrennungen zu
vermeiden.
Der Jaud ist eine interessante Ortlichkiet: Zwei etwa 50 m hohe Hügel
begrenzen ein Uad mit bestandigem salzigem Wasser, wenngleich sich hier in
Regenzeit eine betrachtliche Menge SüBwasser ansammelt. Der Salzgehalt des
Wassers führt dazu, daB der Jaud nicht standig bewohnt wird.
Vom Jaud nach Infernan sind es nur etwa 30 km. Der ganze Weg ist aus
hartem Sand und an vielen Stellen steinig. In der Umgebung van Infernan
findet man hinreichend Baumwuchs, den aber niemand ausnützt, da in der
ganzen Gegend das Trinkwasser fehlt. Nachdem sie Infernan verlassen hatten,
muBten sie einen kleinen Umweg machen, um sich mit - wenngleich
salzigem - Wasser einzudecken, da sie sich seit zwei Tagen nur mehr van
Kamelmilch ernahrt hatten. SchlieBlich benotigten sie zwei auBerst mühsame
Tagereisen durch extrem sandiges und vegetationsloses Gebiet, um nach
Tennuaka (Tennuaca) zu gelangen. Dort befindet sich ein schones Tal, dessen
Boden aus sehr widerstandsfahigem kristallinem Salz besteh t 3
, das dem
Betrachter einen ebenso merkwürdigen wie interessanten Anblick bietet. Es
ist zwecklos, in di eser Gegend nach einem Bach, einer Quelle oder einem
Brunnen mit Trinkwasser zu suchen; dennoch gibt es an den Flanken der
Hügel, die Tennuaka fast einkreisen, einen Baumwuchs van nicht allzu groBer
Hohe.
Binen sehr unterschiedlichen Anblick bietet die mit dem Namen Teris
(Tiris) bezeichnete Landschaft, die sich einen Marschtag südostlich van
Tennuaka entfernt befindet. In Teris sind die Weiden sehr buschig und van
groBer Hohe, wobei man ein van den Eingeborenen unter dem Namen ,,skaf"
bekanntes Gras unterscheidet, das van dem Vieh der dort ansassigen etwa
dreifüg Familien der Ulad Delim und Ulad Azuz sehr geschatzt wird.
Nach der unertraglichen Hitze, dem Durst und den Entbehrungen der
bisherigen Reise rasteten sie zwei Tage in Teris, ehe sie den Marsch auf der
Suche nach einem Brunnen mit hervorragendem SüBwasser antraten, wo sich
eine groBe Anzahl van Karawanen tummelte. In der Umgebung dieses Brunnens,
der reichlich mit W eideland umringt ist, stieBen sie auf etwa
40 Mauren, die mehr als tausend Kamele mit sich führten, um diese zu
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tranken und Wasservorrate anzulegen. Die groBe Zahl der Kamele darf nicht
überraschen, denn ohne die Hilfe dieser Tiere ware das Leben in der Wüste
beinahe unmoglich. Ihre Bedeutung ist so groB, daB sich viele Eingeborene
ausschlieBlich ihrer Pflege und Zucht widmen, um sie dann auf Markten in
abgelegenen Landstrichen zu verkaufen.
Nachdem die beiden Reisenden den Djuad-Berg überschritten hatten,
dessen hochste Erhebung etwa 150 m betragt, gelangten sie in anderthalb
Tagesreisen nach Guetaia; das ist eine relativ beachtliche Erhebung, auf deren
Gipfel sich ein riesiger Stein in der Form eines Helmes befindet, von dem der
Name Guetaia kommt, der dann auf das unmittelbar umliegende Gebiet
übertragen wurde.
Am folgenden Tag marschierten sie nach Südwesten und nach anderthalb
Tagesreisen durch abwechslungsreiches, aber wenig fruchtbares Gelande,
fanden sie den Brunnen Bulariaj (Bu Lariah). In der Umgebung von Bulariaj
hausen etwa tausend Seelen, in der Mehrzahl Ulad Demisat, die ausreichend
schwarzes Wollvieh haben. Die Gegend von Bulariaj gehort zu dem unter dem
Namen ,,Klein-Adrar" bekannten Territorium, in dem die Autoritat des
Scheichs Ma El Ainin 4 nicht anerkannt wird, wahrend der Scheich Ueld El
Aida und die übrigen Scherifs des Stammes der Ulad Sbá respektiert werden.
Das ganze an den folgenden beiden Tagereisen durchmessene Gebiet ist
reichlich sandig und die extreme Hitze machte den Marsch denkbar leidvoll.
Am Abend des 30. September nahmen sie die Umgebung von Daits el Begar
(Dait Lebgar) aus, wo es einen See von 30 m Lange und 20 m Breite gibt, der
von Baumen und dicken Büschen umstanden ist. Es gibt Weideland im überfluB
und etliche Einfriedungen mit Heu. Dieses Gebiet bewohnen etwa
40 Familien der Demisat und Ulad Siyed, die groBe Ziegenherden, schwarze
Wolltiere und Kamele besitzen und damit handeln. Dank der Sympathien,
die der Scherif Jameida in der ganzen Gegend genieBt, wurden die Expeditionsteilnehmer
von den Bewohnern von Daits el Begar sehr gut aufgenommen.
Sie verweilten dort drei Tage, damit Mensch und Tier neue Krafte
sammeln konnten.
Als die Ulad Demisat und die Siyed von der Absicht Spaniens erfuhren,
sich an der Küste niederzulassen, zeigten sie lebhafte Befriedigung darüber.
Sie hatten auch groBes Interesse daran, daB dieses Projekt bald in die Tat
umgesetzt würde und versprachen all ihre Unterstützung dafür zu gewahren.
Die Sympathiebezeugungen steigerten sich erheblich bei der Ankunft in
Daya Lanquia (Dait Adlenquía), rund 50 km südlich von Daits el Begar, wo
ein Teil der Familie des Scherifs Jameida und auch der Scherif Habuli, eine
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sehr erlauchte und kluge Personlichkeit, wohnte. Daya Lanquia bildet ein
ausgedehntes Tal, mit einem ziemlich tiefen See (Salzsee, Schott) von 3 km
Lange und 1 km Breite. In seiner Umgebung wohnen etliche tausend Familien,
die den Stammen der Ulad Sid El Hadj, Sid Siyed, Sid Abd Al-lah,
Azuz, Amran, Delim und Demisat angehoren. Ihr gro.Bter Reichtum sind
Wolltiere, Ziegen, Esel und Pferde. Von den Tieren wurden elf Hengste, vier
Stuten und ein Esel zum Verkauf vorgeführt.
Weiter im Süden befindet sich noch ein See von geringerer Ausdehnung, in
dessen Umgebung die Ulad El Lab, Arrosiyin, Guilan und Ezuail hausen, die
viele Rinder besitzen. In etwa 4 km Entfernung existiert ein weiterer kleiner
Siedlungskern der Ulad Ahel El Mami mit einem reichen Bestand an Rindern
und weiBen Wolltieren; und 1 O km ostlich davon befinden sich die Bewohner
des Stammes der Ahel El Gazal mit hinreichend viel Vieh, so daB man die
Bevolkerung von Daya Lanquia und seiner Umgebung auf 12.000-14.000
Seelen schatzen kann. Mehrere Tage verwendeten El Madani und Sid Jameida
darauf, diese Ansiedlungen zu besuchen und den Leuten, die sich um die
beiden Reisenden scharten, die Vorteile, die ihnen eine wirtschaf tliche
Oberhoheit Spaniens bieten müBte, zu schildern. In Daya Lanquia erfuhren
sie, daB Scheich Ueld El Aida, der sich in Ualata aufhielt, um unter zwei
aufstandischen Stammen Frieden zu stiften, erst in zwei Monaten zurückkehren
würde. So entschlossen sie sich, nach der Faktorei von Río de Oro
zurückzureisen. Sie wollten über die günstigen Eindrücke in der Faktorei
berichten.
Am 21. Oktober 1885 verlieBen Jameida und El Madani die Daya
Lanquia, begleitet vom Scherif El Habuli, Scherif Ahamed Licah und Scherif
Brahim El Marrakxi; letzterer ist eine Personlichkeit von groBem Ansehen,
der die Rückkehr von Hamed Ueld El Aida erwartete, um ihn in Xingueti, wo
er als wichtige Autoritat fungiert, zu trefen. Die Nachrichten und Briefe,
deren überbringer der Scherif Jameida war, bewogen ihn jedoch, sich personlich
von den angebotenen Vorteilen und Fortschritten zu überzeugen.
Von groBen Erwartungen erfüllt, begannen sie also den Marsch. Wahrend
einer knappen Tagereise in nordlicher Richtung durchzogen sie einen Landstrich
geringer Vegetation mit vereinzelten Baumgruppen. Am zweiten
Marschtag wandten sie sich nach Nordosten, um in Daits el Begar einen
groBen W asservorrat anzulegen und den Kamelen Rast zu gewahren.
Von Daits el Begar zogen sie zwei Tage dahin ohne auf bewohntes Gebiet
zu stoBen und nachtigten am Westrand des Monte Darraman (Derramán).
Dort befindet sich ein Brunnen mit ausgezeichnetem SüBwasser. In seiner
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Umgebung wohnen etwa 80 Familien, etwa 30 der Ulad Delim und Ulad El
Lab und 20 der Ulad Zenaga. Sie besitzen groBe Herden an W oll- und Ziegenvieh.
Am folgenden Tag gelangten die beiden Reisenden hochst beschwerlich
durch den vielen Sand nach Tiniyan (Iniyan), einer órtlichkeit mit relativ
üppiger Vegetation. Hier blieben sie auch zwei Tage. über das Uad Zamel
zogen sie in zwei Tagesmarchen nach Nordosten zum Uad El Fudj und von
dort weiter zum Brunnen von Tixekten und die Halbinsel Río de Oro, von
den Eingeborenen Dajlá es Sahria genannt. In der Abenddammerung des
14. 11. tauchte in der Faktorei Hamed Es Salem auf, auBer Atem vor Erschopfung,
und kündigte uns die Ankunft meiner ins Landesinnere Entsandten
an. Bine Stunde spater kam Jameida, der groBe Genugtuung über
den Erfolg seiner Mission empfand. Am anderen Margen erschien El Madani
und die Scherifs Habuli und Licah, wahrend Marrakxi, von hartnackigem
Fieber geplagt, am Eingang zu Halbinsel zurückgeblieben war, wo sich einige
Hütten von Eingeborenen befanden. El Habuli und seine Gefahrten brachten
viele StrauBenfedern zum Tausch mit.
Die zweite Reise
Die guten Nachrichten der ersten Reise und der günstige Eindruck, den die
Scherifs aus dem Landesinneren machten, entschieden für eine zweite Reise
von El Madani. Er nahm dazu sechs Leihkamele mit mehr als 300 Stück
Baumwollwirkwaren, Zucker, Tee, Reis, Keks, ,,gofio" 5
, Gewürze, etliche
Vorrate und einige Geschenke mit.
Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen und die Scherifs mit Briefen
an die wichtigsten Stammesführer versehen worden waren, zogen die drei
erwahnten Scherifs mit Jameida, El Madani und ein paar anderen Mauren am
22. November 1885 um 8 Uhr morgens los. Sie hatten den Auftrag, damals
noch unbekannte Punkte zu erreichen, den Eingeborenen die Aufrichtigkeit
unserer Vorschlage zugunsten der kommerziellen Entwicklung sowie das
groBe Interesse, das wir der Ausbildung eines Hafens einraumen, zu demonstrieren.
Sie hielten am Brunnen der Halbinsel Río de Oro an, um die Wasservorrate
nachzufüllen und erreichten am dritten Tag den Tixekten-Brunnen.
Dann zogen sie nach Südosten und nachtigten am 25. 11. in El Fudj. Der
Marsch war wegen der Rauhheit des Gelandes und der überma.Bigen Lasten
der Kamele sehr beschwerlich.
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Sie zogen weiter gegen Südosten und kamen am folgenden Tag zum Uad
el Kasab. Untrügliche Anzeichen lieBen erkennen, daB sich hier in regenreichen
Jahren ein See oder ein Bach bildet. Auf den Hangen einiger Hügel
wachsen Baume geringer Hohe. Unter ihrem Schutz hausen mehrere Familien
der Ulad Delim und Erguibat, die sich mit Viehzucht befassen, was auf den
guten Weiden dieser Gegend moglich ist. Von Uad el Kasab nach Imezan
(Imussán) sind es mehr als 40 km durch flaches Gelande mit sehr geringer
Vegetation. Zum Unterschied dazu ist die Umgebung von Imezan ziemlich
fruchtbar; das Gras wuchert an manchen Stellen bis 50 cm hoch und ermoglicht
so die Haltung zahlreicher Hammel- und Ziegenherden.
Nach einer Tagesreise in Südostrichtung gelangten sie nach Daits el Arab,
wo es einen SüBwassersee von 8 km Lange und 2 km Breite in Ost-W estErstreckung
gibt. Die Umgebung dieses groBen Regenwassersees bevolkern
die Ulad Sbá, Ulad Demisat, Ulad Delim, Ulad el Lab und Ulad Arrosiyin, die
zusammen etwa 1000 Seelen bilden. Sie besitzen groBe Mengen W oll- und
Ziegenviehs sowie viele Kamele und etliche Pferde.
Nach Erganzung der Wasservorrate zog die Expedition weiter nach Südosten.
über e benes Gelande mit reichlicher V egetation zogen sie etwa 20 km
südwestlich von Inigán (Iniyan) - wo es einen Brunnen mit einer betrachtlichen
Anzahl von Bewohnern gibt - vorüber. Bei Einbruch der Dunkelheit
stieBen sie auf eine groBe Kamelkarawane, die der Oberhoheit des Scheichs
Ma El 'Ainin unterstand. Etliche Kamele trugen Tabak aus Xingueti und
schwarze W olle, die von den Wüstensohnen für das W e ben jener Linnen, aus
dem sie ihre Zelte bauen, geschatzt wird. Das Personal dieser Karawane
bestand aus 40 Mannern verschiedener Stamme. Sie zeigten groBes Intersse
daran, auch alle Einzelheiten des von den Spaniern gestarteten Unternehmens
kennenzulernen, wobei sie all ihre Unterstützung versprachen, falls
die Wirklichkeit den Angeboten entsprache.
Am folgenden Tag nachtigten die Manner in einem sehr fruchtbaren Tal,
welches zu seinem gr6Beren Teil den Zeáguel, die etwa 600 Seelen zahlen,
gehort. Man konnte die Kopfzahl des Viehs, das sie dort weiden sahen, auf
10.000 Stück zahlen. Darüber hinaus gab es noch eine betrachtliche Anzahl
von Kamelen, die für den Verkauf bestimmt waren. Etwa 30 km südlich
davon befindet sich die Karia de Sid Abd Al-lah. Vorher durchquerte man
Zauia (mit fünf Hütten und etlichen Viehherden).
Von der Karia de Sid Abd Al-lah gelangte man in vier Stunden zur Karia
de Saad Bú, einem Bruder des Scheichs Ma El Ainin; und da man den
EinfluB in Rechnung zog, den dieser Scheich ausübt, gingen die Expeditions-
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teilnehmer auch dorthin, um ihn zu begrüBen und seine Vorschlage bezüglich
der neuen Besitzungen Spaniens kennenzulernen. Saad Bú, anfangs reserviert
und eifersüchtig, lie.B ihnen aber dann einen enthusiastische Aufnahme zuteil
werden. Er bot sich an, meine Wünsche, im Vertrauen auf die Aufrichtigkeit
meiner Versprechungen, bedingungslos zu unterstützen. In der Art Foderation,
in der Scheich Saad Bú residierte, gab es etwa 250 ,,jaimas" oder
Hütten, was auf eine Bevolkerung von ungefahr 2000 Personen schlie.Ben
lie.B. Vieh ist in diesem Territorium überreich vorhanden; die Saharier besitzen
viele Ochsen, etliche Pferde, Esel und eine Vielzahl Kamele.
Am folgenden Tag marschierte Jameida etwa 20 km gegen Südwesten in
den Mauni, um ein paar Ochsen zu kaufen, und kehrte abends wieder zurück.
Nachdem die Reisenden drei Tage in Sid Abd Al-lah verweilt hatten,
machten sie sich auf die Suche nach dem Scheich Ueld El Aida, der sich rund
80 km südlich an einem Ort namen Djuad (Esbaa Dueiat) befand, wo die
Bevolkerung 8000 Seelen erreicht. Die Zahl der jaimas übersteigt die Tausend.
Ueld El Aida war vor fünf Tagen von seiner Exkursion nach Ualata
zurückgekehrt. Er hatte schon in Xingueti Kenntnis von den Spaniern und
ihren Absichten erhalten und unter diesen Vorzeichen las er auch meine
Briefe, wobei es ihn sehr erstaunte, da.B ein Christ auf arabisch mit den
muselmanischen Floskeln schrieb, die jedermann anwenden kann, ohne sich
deshalb mit seinem religiosen Bekenntnis in Widerspruch zu setzen. Dann
unterzog der Scheich den Madani einem hochnotpeinlichen Verhor, indem er
trachtete, dessen Nachrichten und Beteuerungen mit den Informationen
Jameidas und des Marrakxi zu vergleichen.
In jenen Tagen waren von verschiedenen Orten Gesandtschaften gekommen,
um Ueld El Aida zu beglückwünschen und ihm Geschenke im Namen
mehrerer schon erwahnter Stamme sowie jener der Hab Tedjekannt, Mexduf,
Trarz, Ahel Salem, Ahel El Osman und Hasan zu überbringen. Letztere sind
wegen ihrer Raubzüge berühmt. Diesen allen gab er Kenntnis von den hervorragenden
Nachrichten, die er von den Spaniern erhalten hatte, und von den
gro.Ben Vorteilen, welche dem Land aus den Einrichtungen entstünden, die an
der Küste gegründet würden.
Es ist unmoglich, die gro.Be Anzahl des Rind-, Woll- und Ziegenviehs
abzuschatzen, das sich dort befand. Sie hatten 27 Pferde, mehrere Esel,
einige Ziegen und eine gro.Be Kamelherde zum Verkauf.
Nachdem einige Kaufe getatigt und die Mission des Madani beendet war,
handigte ihm Ueld El Aida die Antwort auf meinen Brief aus und beauftragte
Jameida, er wolle mich vom Erfolg meines Unternehmens überzeugen, denn
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all sein Vieh, das er etwa 80 km von Djuad entfernt habe, würde er mir zur
Verfugung stellen. Auch wolle er seine Anstrengungen darauf verwenden, daB
der Verkehr jener gesamten Regían bis Timbuktu den spanischen Küstenniederlassungen
zufalle. Als Beweis seiner guten Absichten verzichtete er
solange auf jede Art von Subventionen oder Gebühren als Kompensation für
seine Arbeiten und seinen EinfluB, bis der Handel groBe AusmaBe angenommen
habe.
Am 10. Dezember 1885 verlieB unsere Expedition nach einer herzlichen
Verabschiedung durch seine Bewohner El Djuad und die Teilnehmer waren
durch die begründete Hofnung geschmeichelt, die sie bezüglich der kommerziellen
Zukunft der Sahara erhalten hatten. Sie schlugen die Nordrichtung
ein, kamen durch eine Ansiedlung, wo es 20 Familien der Zauias
gab und gelangten zum übernachten am zweiten Tag nach Bulariaj, wo sie
etliche Handler mit Waren aus Marokko und Timbuktu trafen. Unterwegs
stieBen sie noch auf eine Gruppe von Leuten aus Daits el Begar, denen sie im
Austausch gegen Stoffe ein paar Ochsen und Esel abkauften.
Auf der dritten Tagesreise, ebenfalls nach Nordosten, gelangten sie nach
Buguetaia oder Guetaia, wo sie weiteres Rindvieh erwarben, funf hervorragende
Pferde, die ihnen die Ahel Es Sahel anboten, aber nicht mehr kaufen
konnten, da sie keine Tauschwaren mehr hatten.
In Darraman verweilten sie zwei Tage, um SüBwasservorrate anzulegen
und kamen, nach Nordwesten marschierend, zum übernachten nach Ynigah,
wo die Wasserknappheit so groB ist, daB sich die Eingeborenen wahrend des
groBten Teiles des Jahres von Kamelmilch und manchmal auch Pferdemilch
ernahren.
Nachdem sie zwei Tagesreisen durch reichlich sandiges Gelande mit sparlicher
Vegetation, das von verschiedenen Gruppen der Ulad Zenaga bewohnt
wird, marschiert waren, gelangten sie nach Ma-atá Al-lah (Maatal-lah), das
heiBt ,,Was Allah gegeben hat". Dort befinden sich drei Regenwasserbrunnen.
Auf den beiden folgenden Marschtagen in Nordwestrichtung überschritten
sie einen aufragenden Sandhügel, Ras Zamel genannt, und kamen in
!mezan zum übernachten. Unterwegs hatten sie nur wenige EingeborenenAnsammlungen
angetrofen.
Am l. Janner 1886 gelangten sie nach Uad el Kaseb, wo sie dem Vieh und
den Kamelen Rast gewahrten. Dann folgten sie dem auf der vorigen Reise
benützten Weg, bis sie am 5. Janner 1886 die Halbinsel Río de Oro ausnahmen.
Am 6. Janner trafen sie glücklich in der Faktorei ein, zufrieden mit
dem, was sie sich vorgenommen und erreicht hatten. Bis hieher reichen die
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bedeutsamen, für den Handel auf diesen zwei Exkursionen ins Innere der
Sahara gewonnenen Daten; Daten und Notizen, ohne Erwahnung der tausend
Zwischenfalle, Gefahren und Leiden, durch die die Expeditionsteilnehmer
gingen, um die Darstellung der zum gegenwartigen Zeitpunkt ebenso nützlich
wie unentbehrlich erscheinenden Kenntnisse zu erhalten.
Uns kann nicht verborgen bleiben, wie schwierig es ist, mit aller Genauigkeit
auf einer Skizze die verschiedenen von Jameida und el Madani besuchten
Stellen festzuhalten; aus ihren Informationen kann man jedoch ohne grabe
Irrtümer ihre wirkliche Lage erkennen, und man weiB auf perfekte W eise,
was die durchzogenen Landstriche enthalten, die Produkte, die dort gewonnen
werden konnen und die Tatigkeit ihrer Bewohner zum W ohle der
Zivilisation und des Handels.
ANMERKUNGEN
1 Mohammed el Madani war ein Soldat der Rif-Schützenkompanie aus Ceuta. Er führte beide
Expeditionen durch. Seine Intelligenz und genaue Beobachtungsgabe war ebenso verblüffend wie
sein geschicktes Auftreten. Bonelli konnte im Laufe der Zeit alle Angaben van Madani überprüfen
und bestatigt die Exaktheit dieses Mannes.
2 Die Bu Amar waren die Urheber der im Marz 1885 in der Faktorei van Villa Cisneros an den
Spaniern verübten Morde.
3 Sebjet van Tennuaca (Schott)
4 Siehe H. Nowak: Smara, die heilige Stadt des Ma El 'Ainin, Almogaren 111, Hallein 1972
5 Gofio ist ein Mehl aus gerostetem und dann gemahlenem Mais. Es wird heute van den Sahariern ebenso
wie van den Kanariern noch als Nahrungsmittel verwendet. Noch heute wird im Hassanía der Saharier
de.r Name gofio angewendet; ein Hassanía-Wort konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
Al-Idrisi (12. Jahrhundert) beschreibt für die Westsahara ebenfalls einen für die heutigen Kanarier
bekannten gofio aus Weizen, der mit der gleichen Menge Butter und Honig vermengt wurde und als
groBe Leckerei galt. D ieses Nahrungsmittel hieB asallu' (K. Schubarth-Engelschall: Arabische
Berichte muslimischer Reisender und Geographen des Mittelalters über die Volker der Sahara,
Akademie-Verlag, Berlin 1967, Seite 83).
SUMMARY
On behalf of the Spanish trading center in Villa Cisneros - today the second
largest town in the Spanish Sahara - Saharian friends of the author carried
out two expeditions in the southern part of the present province Río de Oro
in arder to explore marketing possibilities for barter with Saharian nomads.
The report is a good description of the vegetation and population of these
areas.
101
RESUMEN
Nuestros lectores españoles pueden servirse de la edición española, publicada
en el «Boletín de la Sociedad Geográfica de Madrid», tomo XXI, ano 1886.
Detailskizze von R{o de Oro
Spanische Sáhara
Uad Ermima
Iniyan •
Derramán .A
Maa tal-lah A
•
Bir
fiEnzaran
1 e Leatabien
ebjet Tennuaca
A Auserd
A Leyuad
Lariah
eDait Lebgar
Esbaa Dueiat •
• Dait Adlenquia
Bir el Mami • e Tichla
·-· ... ·-. - ..... - ·-·-·-· . ·- .. Grenzlinie
·'
/ M a u r,1t a n i e n
© Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017