Ferdinand ANDERS, Wien
DIE KRÓNUNG DES GUANCHO-KÓNIGS
Ein Gedicht Erzherzog Ferdinand Maximilians, des nachmaligen
,,Kaisers van Mexico"
Auf seiner Reise nach Brasilien 1859/60 muBte Erzherzog Ferdinand
Maximilian, der Bruder Kaiser Franz J oseph l. und damalige Oberbefehlshaber
der osterreichischen Marine, mit dem Dampfer ,,Elisabeth" unfreiwillig
die Kanarischen Inseln anlaufen. Widrige Winde hatten die Erganzung der
Kohlenvorrate ratsam erscheinen lassen. Der elftagige Aufenthalt vom 16. bis
26. Dezember 1859 im Bereich der Kanarischen Inselwelt fand in den Reiseerinnerungen
seinen Niederschlag, die zunachst nur in Manuskriptform van
der Osterreichischen Staatsdruckerei gedruckt als ,,Reiseskizzen" und ,,Gedichte"
private Verbreitung hatten. Erst 1867 erfolgte eine Gesamtausgabe
unter dem anonym erschienenen Titel ,,Aus meinem Leben. Reiseskizzen,
Aphorismen, Gedichte", Leipzig, Verlag van Duncker und Humblot, 1867.
Die Tage auf den Kanaren füllen im fünften Band die Seiten 101 bis 183. Die
Notizen zeigen das vielseitige Interesse des Fürsten, der es versteht, seine
personlichen Eindrücke mit reichen Informationen versehen, niederzulegen.
Besonders fesseln muBten ihn die Berichte über die als ausgestorben geltenden
Guanchen, sowie Besuche bei Sammlern van Altertümern, van denen
namentlich Don Diego BenÍtez y BenÍtez und Don Sebastian Cassilde angeführt
stehen.
Als Ausdruck der romantischen schwarmerischen Ader des Erzherzogs
enthalten die ,,Vermischten Gedichte" des siebenten Bandes das historische
Bild ,,Die Kronung des Guancho-Konigs" ( ,,Aus meinem Le ben", Band 7,
S. 388-390). Die Verszeilen konnen nicht nur als Beleg für den Zeitgeschmack
aristokratischer Liebhaberkunst gelten, mit anderen Arbeiten dieses
Genres gewinnen wir einen Eindruck van der gerne etwas versponnenen, oft
wenig realistischen Vorstellungswelt des jungen Habsburgers, den personlicher
Tatigkeitsdrang wie der Ehrgeiz seiner Gemahlin Charlotte in das
Abenteuer des mexikanischen Kaisertraumes treiben sollte, der 1867 in
Querétaro sein jahes Ende fand.
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DIE KRÓNUNG DES GUANCHO-KÓNIGS.
Es drangt der braunen Guancho's frohe Menge
Mit Jubel sich zum Pie von Teneriff,
Und donnernd klingen ihre Festgesange,
Wie dort die Brandung am basalt'nen Riff.
Zur Kronung sind des Konigs sie erschienen,
Des neuen Fürsten aus dem alten Blut,
Und ihm zu schworen treulich ihm zu dienen,
Schwort er zu schützen ihrer Freiheit Gut.
Den braunen Leib in Ziegenhaut gekleidet,
Umringen sie den heil'gen ,,Tagoror",
Den Platz, von dem sich Recht und Licht verbreitet,
Auf dem der Fürst den Rathen schenkt sein 0hr.
Geschmückt ist heut der Raum mit Palmenasten,
Mit Lorbeerzweigen und mit duft'gem Kraut',
Gleich einem Festsaal allen Inselgasten,
Aus frischem Grün und Himmelsblau erbaut.
Der Konig tritt aus seiner Vater Hohle
Dem Mausoleum aus vulkan'schem Stein,
D'rin ruhet mit des Drachenbaumes Oele
Gesalbt der alten Konige Gebein.
Des ,,Tamarcks" Festgewand umhüllt die Lenden,
Das Lockenhaar auf seine Schulter fallt,
Stolz sieht man seinen Schritt zum Stein sich wenden,
Als Thron seit grauen Zeiten hingestellt.
Der Aelteste aus fürstlichem Geblüte
Tritt nun zum Herrscher und sein Haupt umílicht
Er kronend mit dem Kranz aus Blum' und Blüthe,
Denn groB're Zierde kennt die Insel nicht.
D'rauf bringt der Priester ihm das Herrscherzeichen,
Den Armesknochen von dem alt'sten Ahn,
An dem Jahrhunderte schon emsig bleichen,
Und als geheiligt sieht das Volk ihn an.
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Der junge Fürst ergreift den macht'gen Knochen
Und schwingt ihn hoch mit seinem sehn'gen Arm,
Und spricht: ,,Die Stammeskraft ist ungebrochen,
Der alten Kon'ge Blut, noch rinnt es warm.
Aus diesem Mark sind riesig wir erstanden,
Das Gott gesandte herrschende Geschlecht,
Mit macht'ger Kraft herrsch' ich in diesen Landen,
Der Stab it Bürge uns für Pflicht und Recht!"
Dem Jünglingjubeln zu des Volkes Stimmen,
Als stolz zum Mahl er mit den GroBen zieht;
Die Feuer sieht man auf den Bergen glimmen,
Des Riesenpic's vulkan'sche Saule glüht.
AN MERKUNGEN
Tagoror: Versammlungsplatz, Steinkreis, Vgl. Dominik Josef Wolfel, Monumenta Linguae
Canariae, Die kanarischen Sprachdenkmaler. Graz 1965, IV, Teil, § 150
(S.475 f).
Tamarck, tamarco: Fellmantel. Wolfel, wie oben, § 259 (S. 528 f).
J.B.G.M Bory de St. Vincent, Geschichte und Beschreibung der Kanarien-lnseln, Weimar
1804 (photomechan. Nachdruck Graz 1970, mit einem Vorwort von Hans Biedermann)
behandelt den Tagoror als eine Art von Reichstag aufTenerife und geht auf den
Seiten 120 bis 123 auf den bei der Kronung zu leistenden Treueeid ein. Dieses Werk
konnte nach der Diktion bei der Abfassung des Gedichtes zu Rate gezogen worden
sein; in den Notizen zum Besuch der Cassilde-Sammlung werden allerdings lediglich
Viera und Bergeron als Quellen zur Geschichte der Kanaren erwahnt (Reiseskizzen,
s. 129-141).
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