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Almogaren XXXI / 2000 Wien2000 Joaquin Caridad Arias ''TENERIFE'': 19 - 43 Überlegungen zur Herkunft des Namens Zusammenfassung: Die uns aus der Vorzeit überlieferten Ortsnamen zeugen von dem überragenden Einfluss, den die Religionen auf sämtliche Kulturen der Welt ausgeübt haben. Eine entsprechende Wirkung zeigt sich in der Tatsache, dass Namen von göttlichen Wesenheiten oder individuell vorgestellten Gottheiten, auf Personen, menschliche Gruppen, Siedlungen usw,. aber auch auf eine Vielzahl von Geländeformationen übertragen wurden, insbesondere auf die herausragenden und auffälligsten Berge, Schluchten, Höhlen, Flüsse usw. Dabei sind die zugehörigen Toponyme oftmals nicht naturbeschreibend, sondern teophor, von Götternamen abgeleitet. Der hier vorgestellte Artikel unterzieht die gängigen Interpretationen des Toponyms Tenerife einer eingehenden Prüfung, wobei der Autor sich kritisch mit - apriorischen oder aposteriorischen - volksetymologischen Deutungen wie 'weißer Berg' auseinander setzt, und es ergibt sich, dass diese ganz allgemein einer genauen sprachvergleichenden Gegenüberstellung nicht standhalten. Die Aufmerksamkeit richtet sich so vor allem auf offenkundige Zusammenhänge zwischen dem in Frage stehenden Toponym und Namen oder Epitetha alteingesessener Gottheiten des mittelmeerisch-nordafrikanischen Bereichs, in dem die kulturelle Tradition der prähispanischen Völkerschaften der Kanarischen Inseln eingebettet ist. Sumario: EI fuerte impacto ejercido por las religiones en todas las culturas tuvo como resultado la asignaci6n de nombres de numenes o divinidades ep6nimas tanto a los individuos como a los grupos y asentamientos humanos, asi como a un gran numero de accidentes de! terreno, en especial lo mas conspicuos y destacados: montafias, cuevas, barrancos, rios ... Frecuentemente, estos top6nimos no son descriptivos, sino teof6ricos. Se examinan criticamente las interpretaciones habituales del top6nimo Tenerife, tales como 'monte blanco', etc., que el autor estima basadas en etimologias populares aprioristicas (y tardias), y que las lenguas comparadas no confirman convincentemente. La busca se orienta aqui a las conexiones de! top6nimo con los nombres y epitetos de antiguas divinidades de! ambito mediterraneo y norteafricano, del que proceden los antecedentes culturales de las poblaciones prehispanicas de Canarias. 19 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Summary Religions have exerted from old a strong impact on the anthroponimy and the toponimy of all lands and cultures, so that persons, peoples and places often bear the names of their protector numina or divinities, especially those referred to especially conspicuous or outstanding features of the landscape, like rivers, mountains, gorges, caves, etc. The usual interpretations of the name Tenerife, such as 'white mountain' and others, are critically examined by the author, who considers them to be late aprioristic etymologies of a popular type, not convincingly confirmed by the languages compared. The search is oriented here to the old theonymes known from the Mediterranean and North-African area at a time approximately coincident with the antecedents of the Canarian culture. Vorbemerkung Angesichts der Tatsache, dass die Religion offenkundig einen entscheidenden Einfluss auf die Namengebung, im Falle der Anthroponyme wie der Benennung von Naturgegebenheiten (Landschaftsformen, Wasserläufe usw.), ausübt, stützt sich die vorliegende Untersuchung vorwiegend auf die Beobachtung der funktionalen Parallelismen, die sich an den verschiedenen Kosmogonien und Gottheiten der alten mediterranen Welt beobachten lassen - einer Welt, deren weit in die Vorgeschichte zurückreichende Ursprünge uns bekannt oder doch unserer Vorstellungskraft hinreichend zugänglich sind. Die vergleichende - auf bekannten Entwicklungs-Prinzipien sowie eindeutig belegten Äquivalenzen beruhende - Analyse der verschiedenen Varianten bei Toponymen und Anthroponymen erlaubt es uns, mit einiger Sicherheit die direkten Entsprechungen, ja mitunter sogar völligen Übereinstimmungen im Falle von Namen diverser Gottheiten nachzuweisen, die in ganz unterschiedlichen Kultursphären auf einem gemeinsamen Bildungsmuster, einem Archetypus, beruhen, mögen sie auch oftmals zeitlich und räumlich weit auseinanderliegen oder bisweilen unter dem Einfluss einer sich neu formierenden organisierten menschlichen Religiosität entstanden sein. So schrieb bereits in den 60er Jahren der spanische Philologe Ram6n Menendez Pidal: "Das Studium der Toponymie wird, mehr als man sich vorzustellen vermag, die Namen der Gottheiten klar zum Vorschein bringen." Drei Jahrzehnte später äußert sich, in seinem Werk Kelten, der herausragende Keltologe H. Birkham folgendermaßen: "Dies [ sc. die keltischen Toponyme in Gallien] sind in der Regel Ableitungen von Individualnamen (für Personen, Stämme und Götter) sowie von Appellativen." Man könnte hinzufügen, dass die Namen von Personen und Gruppen ihrerseits nicht selten die Namen ihrer Titular- und Schutzgottheiten enthalten, womit sich der Kreis der Überlegungen schließt. Was die Kanarischen Inseln angeht, so hat uns das Studium der Toponyme zu der 20 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Auffassung gebracht, dass die einheimischen Ortsnamen in einer Vielzahl von Fällen die Namen von archaischen Gottheiten durchscheinen lassen, die oftmals älter sind als die Indoeuropäisierung oder sogar die Berberisierung der geographisch benachbarten Regionen. Selbstverständlich sind nicht alle Ortsoder Personennamen theophorisch: Eine nicht unerhebliche Anzahl von ihnen - darunter viele Namen berberischen Ursprungs - enthalten Anspielungen auf die Geländebeschaffenheit, aufklimatische Bedingungen oder lokale Charakteristika menschlicher Siedlungen sowie auf Fauna und Flora. Letztere gehören im wesentlichen nicht zum Gegenstand dieser Arbeit und verbleiben somit absichtsvoll im Hintergrund. Tenerife Die größte Kanareninsel, auf der sich der alles überragende Vulkan Teide erhebt, trägt seit Urzeiten einen Namen, der von den Chronisten in einer Vielzahl von Varianten, wie Tanerif-e, Tehinerf-e, Chinech-e, Achinech u.a., erwähnt wird, die allesamt auf dem in der kanarischen Toponomastik außerordentlich produktiven Konsonantenschema T-N beruhen. Die Anfangssilbe te-/ti- oder che-/chi- ist in diesem Fall nicht Artikel (den diese Form bereits verloren hat), sondern Teil des eigentlichen Namens, während ihn hingegen die Version A-chinech (* A-tin-ech)- mit dem maskulinen Artikel - noch bewahrt. Das Toponym Tenerife erscheint in zahlreichen Varianten, mit einer Vokalalternanz e-a-i-o, die häufig auf Metathese beruht: Tenarife / Tanerife - Fructuoso / Abreu Teneife / Theneife / Theneref - Mar. y Cubas / Bibl. Mun. Sta Cruz / Alv. Rixo; Arch. Vatic. Tehineife / Tineif-e / Thineife - Viera / Mar. y Cubas / Nufi. de la Pefia Teniife, Thynaif - Viana / C6d. Marin Tenerefiz, Tenerfix - Libro del Conosc;imiento (1350) / Boutier Therrife - Fructuoso Tonerfis / Toner.fix- Leverrier / Mill. Cubas; mit dem Vokal o, was, in Bereichen fern der Kanarischen Inseln, an die französische Form tonnerre (sowie im übrigen auch an das palmerische Toponym Tenera) erinnert. Und Formen mit palatalisierten Anfangskonsonanten - mit und ohne mask. Artikel a-, wie: Cheneife, Chenerif - Archivo Municipal Canario, Berthelot. Chinec, Chineche, Chinechi, Chinet, Cheneife - Nufiez de la Pefia / Abreu / Torriani / N.P, Millares / Berthelot. Achinac, Achineche, -i, Atchinetch - Espinosa / Espinosa, Glas, Berthelot, 21 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Abreu / Berthelot, Chil, Arch. Mun. Can. Chinech und Tenerife bedeuten nicht genau dasselbe, da erstere Form lediglich den Namen Tinet bzw. Chinech enthält, wohl mit einem Sufix, das Besitz oder Zugehörigkeit anzeigt, während die andere Form bithematisch zu sein scheint, mit einem zweiten Element -rife, -erfe, dem man eine ethymologische Funktion mit der Bedeutung 'weiß(er Berg)' zugeordnet hat. Torriani (68V ) berichtet, dass der Name dieser Insel durch die Bewohner der Nachbarinsel La Palma gegeben wurde "da i palmessi [fu detta J Tenerife ehe tanto significa in lingua Joro come monte di neve " - 'Schneeberg', worin, nach gängigem volkstümlichen Sprachgebrauch, gewiss nur eine beschreibende Benennung zu sehen ist. Andere Autoren liefern noch folgenden Interpretationen: Abreu Galindo (191) gibt die gleiche Erklärung, konkretisiert aber, dass Tenerife auf den Elementen: tener. 'Berg', und ife: 'weiß', besteht, "so dass Tenerife also 'monte nevado' - 'verschneiter Berg' bedeutet." (?). Für Espinosa ( III) ist jetzt tener 'Schnee' und fe 'Berg'; damit bedeutet Tenerife: der 'Schneeberg', das gleiche wie Nivaria. Für Viana (8v) ist aber tener'la blanca nieve' - 'der weiße Schnee' und ife 'monte alto' - 'hoher Berg'. Er übersetzt Tenerife als 'monte de la nieve' - 'Schneeberg". Nach Marcy entspräche der zweite Wortbestandteil, -ife (oder -iffa) dem Begrif' glänzen' oder 'leuchten'. Andere Autoren stützen sich, mit kleinen Varianten, auf die oberen Versionen, insbesondere auf die Hauptquellen, in diesem Fall, Abreu, Espinosa und Torriani. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine Volksetymologie, deren Elemente arbiträr - und widersprüchlich - interpretiert worden sind. Was einmal als 'weiß' erklärt wird, erscheint das nächste Mal als 'Schnee' oder ( hoher) 'Berg' oder auch 'glänzend'- ein "unauflösbarer Widerspruch", wie Wölfel meint. Das Wort ife - od. tener (?) - für Berg, angeblich ein palmerischer Begrif, hat man jedoch auf La Palma (oder jeder der anderen Inseln) nicht feststellen können. Im ganzen Bereich der in Frage kommenden Vergleichssprachen, zitiert dieser Autor - probeweise - die folgenden Möglichkeiten. 'BERG': a) baskisch' thini'Gipfel', 'Baumkrone' b) Sus L. afa, afaten 'Hügel' - kaum überzeugend, wenn wir dazu noch in Betracht ziehen, dass für einige Autoren tener 'Schnee' bzw. 'weiß' bedeuten soll. 'W EISS' / 'SCHNEE': Über dieses Element liefern uns die Vergleichs- 1 Die Verwandtschaft des Baskischen und Palmerischen ist, natürlich, sehr fraglich. 22 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 sprachen ebenfalls keine akzeptable Erklärung. Zitiert werden: amell-a 'blanc' (herb.), zuri(bask.) oder fari'weiß' (haussa). Wölfel denkt sogar an die (mehr als fragliche) Möglichkeit einer Metathese: fari > * rafi, und daraus "rife". Auf Grund des Fehlens von überzeugenden Referenzwörtern - d.h. Sachnamen -die uns den Namen Tenerife erklären könnten, haben verschiedene Autoren auf noch fernere Möglichkeiten zurückgegrifen, wie z. B.: Abercromby: tiniri: 'a plain' (Taitsprache); ihf: 'ein Kopf' (Zenaga); tenari: 'a desert', 'a forest' (Zenaga); aref, yuref: 'braten, grillen' (Shilha). Für den britischen Autor wäre es vielleicht erfu 'to get angry', vom Kabyl. urrif'anger', oder vielleicht irifi 'thirst, heat'; silha if'Kopf', und damit würde Tenerife etwa soviel wie "(the land) of heat, or anger -with reference to the Peak of Tenerife" bedeuten. George Glas akzeptiert die Version 'Schneeberg', versucht aber den entsprechenden Königsnamen Tinerfe2 aufgrund der Elemente tin 'Palme' und erfe 'Erbe' (kanarisch?) mit "Erbschaft der Palme" zu übersetzen. Marcy (MC 11/2) schlägt die Form ti-n-irfa vor. Tenerife wäre so 'die (Insel) del Vulkansteine', womit sich ihr Name von zenaga ref'kochen', Idau semlal {irf / rfan 'flache Brotofensteine', ableiten würde. Mit seinem wohlbekannten bon jugement überlegt sich Wölfel, dass die Erklärung "Schneeberg" (die anderen übergeht er kommentarlos) lediglich eine späte Reinterpretation darstellen könnte, so dass alle folgenden Etymologien mit 'Berg', 'Weiß', 'Schnee' und 'glänzen' sich als unhaltbar erweisen würden. Mit Bezug auf die Version von Marcy sagt er schließlich: "Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Einwohner von La Palma, deren Heimatinsel voller vulkanischer Steine ist - und das Gleiche gilt auch für Tenerife - gerade diese Charakteristik als Hauptmerkmal und Bezeichnung besonders für diese Insel gewählt haben sollten". Diese Widersprüche vermitteln uns den Eindruck, als handele es sich lediglich um Versuche einer etymologischen Erklärung, die aus einer vorgedachten "logischen" Bedeutung Wef/3er Berg oder Schneeberg entstanden sein könnte. Kein Wunder also, dass die verfügbaren Elemente letztendlich doch nicht zusammenpassen. In der gleichen Linie steht eine andere Interpretierung, diesmal des Ortsnamens Tazacorte auf La Palma, auch ein vorhispanisches Toponym. Der diesmalige Chronist informiert uns, dass die Dorfältesten ihm erzählten, dass Tazacorte - 'la taza de Corte'- "die Tasse von Corte" (unbekannte Person), bedeutete, wegen der Tassenform (l ?) des Platzes, aber es könnte auch 'la 2 Des mytischen Vereinerkönigs der Insel Tererife, ob er wirklich existiert hat oder nicht. 23 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 corte de Taza' - "der Hof vom Taza", ein vermutlicher König von dort (auch unbekannt). Eine volkstümliche Art, Toponyme überall zu erklären. Gemäß einer weiteren, in diesem Fall lokalen, Version bedeutete Tenerife 'Hölle', wegen der mächtigen Feuerausbrüche und der Lavaströme, die der Vulkan Teide unter gewaltigen Erderschütterungen ausstieß. Man könnte wohl auch an die Möglichkeit denken, dass das Bildungselement -ech/-ife eine Endung mit Possessivfunktion darstellt. In diesem Falle ergäbe sich die Bedeutung 'diejenige des Tin (oder Chin)', mit Bezug auf die Insel, die Unterwelt oder auch die Gottheit, die dort wohnt - wenn nicht sogar auf alle drei zugleich. Die frühe Version Tenerefiz (1350) = 'Hölleninsel' / 'Isla del Infierno', stammt vom Libro del conos<;imiento de todo el mundo (Franciscano Espaiol), des weiteren von den französischen Verfassern von Le Canarien, von Boutier (LXVII) und anderen Autoren. Sollten Tenerefiz und Tenerife zwei Varianten des gleichen Namens, mit der gleichen Bedeutung, sein, dann könnte sich die Übersetzung 'Schneeberg' (s. o.) als eine falsche, späte Interpretation erweisen. Durch die alternative Form Tehinerfe zu Tinerfe, ergibt sich eine Identität von Tin und Tehin- /Tejin- /Tegin-. Damit werden wir auf ein altes Theonym verwiesen, das in späterer Zeit als Beiname Jupiters Verwendung findet: Tegius oder Tigius, Formen, aus denen sich Anthroponyme wie z. B. Tigillus, Tigellius, Tigellinus (Neros Prätorianerhauptmann!), Tegonius, Tigi-dius usw. ableiten. Die Bedeutung dieses Namens wäre, in kanarischer Version, 'der Himmlische' und könnte in direkter Verbindung mit dem auf der Insel La Palma vorkommenden historischen Fürstennamen Mayantigo stehen - der mit 'Stück Himmel' (Abreu Galindo) wiederzugeben wäre - sowie auch mit weiteren, wie Tejina, Tegyna oder Teguyna, einem alten Anthroponym und gleichzeitig Ortsnamen auf Tenerifa (La Laguna und Guia de Isora). Das Anthroponym Guan-tejina spielt möglicherweise auf die Herkunft einer Person an, mit der Bedeutung 'Sohn der Ortschaft Tejina', oder, wenn es theonymisch verwendet wird, 'Sohn der Gottheit Tejina'3 • Der kanarische Name Ben-tinerfe, mit dem Element Ben- vergleichbar mit Guan-, erscheint auch in den Formen Beni-chin, Bin-cheni, Bin-chini und Ben- 3 Hier sei daran erinnert, dass im Altertum die persischen, parthischen, armenischen oder assyrischen - und nicht zuletzt kanarischen! - Herrscher oft eine entsprechende Formel mit der Abkunft von der Gottheit gebrauchten. Beispiele hierzu wären: Arta-banus, Artabaces, Artafemes (ein General), Arta-xerxes (Artajxathra), der keltische Name Arto-rix > Artrix (irl. rix 'König') sowie der kanarische Königstitel Guan-arteme 'Sohn der Arteme'(höchstwahrscheinlich auf die mediterrane Göttin Artemis bezogen). 24 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 tcheni(ben = 'Sohn des' oder 'der von'), die Tin (oder Chin) mit dem in Tinerfe enthaltenen ersten Bestandteil gleichsetzen. Daraus lässt sich ableiten, dass der erste Teil der Zusammensetzung den eigentlichen Namen, der zweite jedoch lediglich ein Epitheton oder eine Endung darstellt, die der Name bei sich haben kann oder auch nicht. Gleiches gilt gleichfalls für die Ableitungen Guanchtinerf, Guanchinerfe, Guanchinet, Guanchinec und schließlich Guanche, die sich ebensowohl auf die Insel beziehen wie einen allgemeineren, weiteren Sinn annehmen können, unter Anspielung auf die "Hölle" wie auf die Gottheit, die sie bewohnt, womit die Existenz von ähnlich gearteten Toponymen und Anthroponymen auf anderen Inseln zu erklären wäre. Auf Fuerteventura nimmt dieses Wort die Bedeutung 'hoch gewachsene(r) Mann oder Frau' an. 0 Unter den in numidischen Schriftzeichen verfassten li- 1 byschen Inschriften von La Caleta (El Hierro), die von Ernst + 0 Zyhlarz entzifert wurden, findet sich eine mit dem theo- 0 H phorischen Anthroponym Zbr u-Rtn (siehe Abbildung), das 10 mit '(dies schrieb) Z., Sohn des Rtn (*arTan, ira Tan o. ä.)' II wiedergegeben wird, wobei der Autor Rtn mit der Gottheit Libysch-herbe- Tan in Verbindung bringt. Dieses Theonym begegnet uns rische Inschrift häufig in Anthroponymen, die dem nordafrikanischen Bevon La Caleta, reich zuzuordnen sind, wie beispielsweise in: Iugurtha ('Tan EI Hierro hat gesiegt') oder Iurathan ('Tan hat gewährt'). Plastische Darstellungen der männlichen Gottheit(en) sind uns nicht erhalten, obgleich es sie wohl gegeben hat, wie wir aus Berichten zur Zeit der Konquista wissen. Der Name der Insel Teneriffa, Chinech (und Varianten) wies, wie Alonso de Espinosa, Viana und andere Chronisten behaupten, auf die Hölle, deren Eingang sich auf der Spitze des Teide befand, weswegen die Abenteurer und Seefahrer des 16. Jahrhunderts, in direkter Übersetzung des einheimischen Namens, von der "Insel Tenerife" oder der "Insel der Hölle" (Isla del Infierno) sprechen. Noch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts konnte man, wie Juan Bethencourt Alfonso4 berichtet, "in den Ortschaften des Südteils der Insel, wenn ein für ruchlos geltender Mensch stirbt, Sätze wie die folgenden hören: Der kommt nach Chinechi. Fahr in die tiefste Tiefe von Chinechi! oder: Aus Chinechi sollst du nie wieder herauskommen!, weil manchmal die Verdammten wieder zurückkamen, um Besitz von den Lebenden zu nehmen, um sie zu quälen". 4 Historia del pueblo guanche, Bd. 1, La Laguna: Lemus 1991. 25 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Tenerife außerhalb Teneriffas Der Krater des Teide war nicht der einzige Zugang zur Unterwelt, wie die zahlreichen Toponyme bezeugen, die sich auf Teufelshöhlen, Höllenerdlöcher oder -schluchten beziehen, die im gesamten Archipel zu finden sind. Das Vorhandensein von identischen oder sehr ähnlichen Toponymen auf anderen Inseln des Archipels weist auf eine allgemeinere Verwendung und Bedeutung des Namens hin, der, wie es scheint, nicht auf die Insel Tenerife beschränkt war. Hier wären zu erwähnen: Tenerife, Name eines Vulkanbergs auf El Hierro. Teneftra, mit Metathese, das ehedem ein (feminines?) Anthroponym auf La Palma war. Zu eben diesem Typus gehören auch die Reduktionsformen Chaftra ( Tfe.) sowie Taftra (G.C.); außerdem mutmaßlich Tarifa (berberischen Ursprungs), der Name eines Kaps an der Südspitze der Iberischen Halbinsel . Als weitere Reduktionsformen lassen sich benennen: Terife oder Terrife; in moderner Zeit bezeichnen sie (auf Fuerteventura) eine Bucht, ein Tal, einen Gebirgsausläufer (morro), eine Landzunge sowie einen Abhang. Dieser Name bezieht sich wohl in der Tat auf einen ganzen geographischen Bezirk, ein Sachverhalt, der seine Parallele in Tacor6n (auf El Hierro) findet, einem weiteren Namen der höchsten Gottheit der Kanaren, der konkret eine Bucht, einen Gebirgshang, eine Höhle sowie einen Vulkan bezeichnet. Die genannte, zur Westküste (d. h. zum Sonnenuntergang) hin geöffnete Höhle wird im volkstümlichen Sprachgebrauch mit dem Namen Cueva del Diablo belegt, der gut zum teuflisch-unwirtlichen Aussehen der Umgebung - und vor allem zur der dort hausenden Gottheit! - passt. Derselbe Zusammenhang ist in dem südgriechischen Ortsnamen- und Begrifspaar Tenaro (ein Kap) und Acherusia (ein ebenda lokalisierter "Eingang zur Hölle") gegeben (s. u.). Im Vulkan Teide befindet sich auch die Eishöhle oder Cueva del Hielo laut Bethencourt, ein 'unergründlicher Abgrund'. Terenche, eine Schlucht auf La Gomera, dürfte als Metathese-Entsprechung zu *Tenerche anzusehen sein, das an Chinech bzw. *Chinerche erinnert. Chinerque seinerseits ist eine Ortschaft im Süden der Insel Teneriffa (Gemeinde Abona). Möglicherweise Antenara (* An-tenara) in Gran Canaria. Die übliche Wiedergabe des Namens Tenerife mit 'weißer Berg' erscheint in all diesen Fällen als völlig unangebracht. Zu dem Typus Chinech, Chineche scheinen gleichfalls Chen-chenigue, heute Hoya del Diablo ('Teufelssenke' ), sowie auch der Name der Quelle Chinchigue (mit Reduktion ), beide auf La Gomera, zu gehören. 26 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Tinacheund Tinachd', Vulkanberge auf Lanzarote (Hariaund Tinajo); vgl. Chinech, Chineche usw. Das Toponym Taneruf, in der West-Sahara - gewissermaßen der Vorhof der Kanaren - ist im Wesentlichen identisch mit Tanerif-e, Tenerif-e, Tinerf-e und lässt erkennen, dass der Name bzw. das Theonym T n die Aussprache Ten, Tin oder Tan aufweisen konnte. Weitere kanarische Toponyme Die Grundform Ten- oder Tin- erscheint in zahlreichen Toponymen und Anthroponymen auf dem gesamten Archipel, unzweifelhaft im Einklang mit der überragenden Bedeutung einer solchen Gottheit bzw. Gottheiten, denn nicht wenige unter ihnen dürften ursprünglich auf eine weibliche Gottheit verweisen, die in späterer Zeit nahezu generell zugunsten des männlichen Hauptgottes an Bedeutung verloren haben mag. Hier wären die reichlich belegten Formen Tan-, Tana, nna u. a. m. einzuordnen (vgl. Tanit). Nicht außer acht zu lassen ist die im Berberischen häufig vorkommende Formulierung ti-n (mit Wortanfangsstellung) 'der von .. .', wobei es sich um Anthroponyme handeln kann, aber auch um die Bedeutung 'der (Ort) von .. .' / 'dort wo es ... gibt'. Weitere mögliche etymologische Zusammenhänge lassen sich bei ten-o 'Berg' und time 'Steilhang' vermuten. Nicht selten ergeben sich hierbei funktionale Doppelungen, die die Entscheidung, ob es sich um ein Toponym oder aber um ein Anthroponym handelt, erschweren. Weitere Belege für Ten- / Tin- sind: Tenafo , Ebene auf La Gomera; Tenefe, Quelle, Kap und Strand auf Gran Canaria, vermutlich Reduktionen der Form Tenerife, wie auch Chinefa (s.u. ) Tenaro, kan. Anthroponym. Teno ist in Teneriffa der Name eines Gebietes, sowie eines Vorgebirges, von zwei Ortschaften, Höhlen, Felsen und Bergen. Tenaroine, Tenasar, Teneguya, Teneriste, Tenercina sind alte palmerische Anthroponyme. Tenerra, Ort im Innern der Caldera de Taburiente sowie eine Schlucht in El Paso (L.P.). Der palmerische Frauenname Tenisca erinnert an das etruskische Tinsku, eine Possessivform, die einem '(der/die) des Tin' oder ' ... der Tina' (die römische Diana) entspricht- auch hier wieder ein Anthroponym auf theonymischer Basis. Denselben Ursprung hat zweifellos der Ortsname Tenisque oder Tenisca, der eine Gegend und eine Schlucht imAridane-Tal (L.P.) bezeichnet. 5 H.-J. Ulbrich: "Prähispanische Ortsnamen von Lanzarote (Kanarische Inseln)", in: Almogaren, XVI/1995. 27 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Tenaca, Berg auf El Hierro; Tenaco oder Tenanco, auf Lanzarote; Tenega, Gebiet auf La Gomera. Teneque, Schlucht aufEl Hierro; Tenche, Berghang auf La Gomera; (tenique ist die kanarische Bezeichnung für jeden der drei Steine, die die Feuerstelle bilden; daher eine denkbare Beziehung zum Feuer!). Tin ca, Anthroponym, und Tin eo, Brunnen auf El Hierro. Tinajo, Tinajas (Lanzarote). Tineja und Chineja, auf Tenerifa, sind Namen für eine Höhle in Anaga bzw. ein Ort in Chasca. Ersterer wurde auch als Anthroponym gebraucht. Tinerfe, Name eines mencey aufTenerife, identisch mit dem Inselnamen6 • Augenscheinliche Entsprechungen zum Typus ti-n / te-n, einem Lokalformativ, die nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem Namen Tin stehen: Tenecheide oder Tinecheide, in den Montafias del Fuego, Lanzarote 7. Letzterer ist der alte kanarische Name für einen Vulkankegel (heute: Islote de Hilario), ein Name, in dem sich ebenfalls die Elemente Tin (oder Teno) und Echeide verbunden haben könnten (s.u. "Gottheit T-Nim alten Mittelmeerraum"). Teneguia (-ia als Pluralsufix?), Fels mit Petroglyphen auf Tenerifa, der in prähispanischer Zeit eine Kultstätte war. Ein weiteres Teneguia ist ein Hügel bei Santa Cruz de Tenerife. Tenejia oder Tenejias ist ein Fels bei Anaga. Tenagua, Vulkanberg und Fürstentum auf La Palma; Tenigua, Teniguarfa, aufFuerteventura; Tenaso, Höhenzüge und Schlucht auf Teneriffa. Tinaguacho, auf Lanzarote; vgl. Tenagua. Formen Chen-, Chin- für Ten-, Tin-: In vielen Namen, die mit Ten- /Tin-, Chen- / Chin- beginnen, findet sich in intervokalischer Position eine Varianz - n---m-. Chenaco, mit Varianten Chamaco, Chamoco, bezeichnet einen Felsen in Buenavista (Tenerife). Chenauco, Echenuco oder Ehenauca, Anthroponym auf La Palma, denen Tenaco oder Tenanco (Lanzarote) sowie Teneque (El Hierro) parallel zuzuordnen sind. Chenerf, Chenerfe oder Chenerif = Tenenfe, das auch in der Form Chinec vorkommt. 6 Nach Ansicht von Alvarez Delgado handelt es sich um einen Namen, der von Viana erfunden worden sei. 7 Reifenberger schlägt eine Etymologie vor, die auf den Tuareg-Wörtern basieren, die '(ver)brennen' und 'grausam sein' bedeuten; möglicherweise die Verben ekked'verbrennen' und aked'beleidigend herabsetzen', die von Ch. de Foucauld erwähnt werden. H.-J. Ulbrich erkennt hier die Elemente ti-n 'der/das von' und echeide 'vulkanisch'(?). Könnte man folglich hier nicht präziser 'der/das von der Hölle' interpretieren (s. o.)? 28 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Chinefa, Chineja, Ortsbezeichnungen in Adeje und Chasna (Tfe.). Vgl. oben Tenafo, Tenefe. Möglicherweise Chinife, in Archinife, eine Gegend auf Gran Canaria (Bethencourt). Chenerepil, Felswand in Agulo, La Gomera; vgl. Chenerife. Chimeche, Chinech (Tenerife). Die Toponyme Chinechi, Chimechi, Chimeyche, Chimeque, Chimiche, auf Teneriffa, und auch Timichchi, im Atlasgebirge. Die Gottheit T-N im alten Mittelmeerraum Wenn ich mich im Verlauf dieser Arbeit auf die Namen von Gottheiten beziehe - oder Vergleiche mit diesen anstellen -, die der etruskischen Götterwelt angehören, beabsichtige ich keineswegs, direkte Beziehungen oder Verbindungen zwischen den Etruskern und den Kanariern herzustellen, was in der Tat mehr als zweifelhaft wäre. Allerdings halte ich es sehr wohl für angebracht, derartige Theonyme und ihre einschlägige Charakteristik und Funktion als Bezugspunkte heranzuziehen, die es uns ermöglichen, den im westlichen Mittelmeer gegebenen religiösen Hintergrund in seinem zeitlichen wie räumlichen Rahmen so deutlich als möglich zu erhellen. Diese Gegebenheiten fallen ziemlich genau mit dem historischen Moment zusammen, in dem die Auswanderung der nordafrikanischen Völker ihren Anfang nimmt - einer "Völkerwanderung", die ihren Abschluss im Erreichen der Kanarischen Inseln finden mochte. Es kann als gesichert gelten, dass die Etrusker, zusammen mit den Iberern, den Minoern, den Pelasgern sowie einigen weiteren, weniger bekannten Völkern, die letzten Vertreter der alten mittelmeerischen Welt, eben an der Schwelle zur Geschichte, darstellen. Ihre Religion, die ausgeprägte archaische Züge aufweist, hat ihre Wurzeln in einer grauen Vorzeit, lange vor dem Aufkommen der olympischen Theogonie, in einer kultischen Umwelt, die in der Verehrung der Vorfahren sowie der Gottheiten des Himmels und der Unterwelt gründet, von denen Regen und Fruchtbarkeit ausgehen und die möglicherweise neues Leben in einem Jenseits verheißen. Der etruskische Name der höchsten Gottheit, die auf der Spitze des Berges ihre Wohnstätte hat, ist Tin oder Tne, gleichzusetzen mit dem klassisch-römischen Jupiter sowie dem griechischen Zeus, dessen indoeuropäischer Name dem vedischen Dyauh pitar, altrömisch Dis Pater oder 'Gott Vater' und 'Herr der Toten' entspricht, wobei die Römer Dis (Pater) interessanterweise mit Pluto, dem Gott der Unterwelt, identifizierten (für Vergil ist Dis oder Ditis 8 wie die Berner Lukan-Skolien belegen. 29 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 einfach 'die Hölle'). In beiden Fällen - Tin!Fne wie Jupiter - ist sowohl ein semantischer als auch morphologischer Zusammenhang mit Wcirtern gegeben, die 'der Tag' bedeuten (lat. dies; etr. tin 's 'der Tag', das Reich des 'Lichtgottes', womit die Sonne oder auch das Feuer gemeint ist). Weiterhin kann im Etruskischen dieser Name mit 'Gott' übersetzt werden; jedoch bezieht er sich konkret auf den Gott des Donners, dessen Wafe der dreifache Blitzstrahl bildet, gleich der gallischen Donnergottheit Tannos. Tin, mit den Varianten Tinia und Tinu, ist der etruskische Gott des Lichtes, Schützer und Garant der Grenzen, ein Äquivalent des römischen Jupiters (Garant des Rechtes und der Verträge). Er war auch in Nordafrika bekannt, und zwar im Innern Tunesiens, wo eine etruskische Kolonie in den letzten Jahrhunderten vor unserer Ära existierte, wie der Fund von drei an Tin gewidmete Grenzsteine bezeugt. Tinos (Inschrift von Voltino) ist ein gallisches Theonym, das auf der gleichen Basis beruht. Das Theonym Tinia Calusna (Bu 471) könnte den "unterirdischen Tinia" meinen. Siegbert Hummel zufolge ist ein anderer etruskischer Gott, Voltumna, wahrscheinlich ein personifizierter Aspekt des Tinia, unter Einschmelzung einer chthonischen Gottheit9 • Wir sehen uns hier wiederum einer altmittelmeerischen Himmels- und Lichtgottheit (mit dem Radikal Tin- von Tenerife) gegenüber, die auf der anderen Seite eine unterirdische Natur besitzt. Duno oder Dunnis ist der Name einer vorrömischen Gottheit der Bergeshöhen, die uns aus Inschriften der aquitanisch-pyrenäischen Region bekannt ist. Auf Jupiter bezogene - auf derselben Wurzel T-N fußende - Beinamen waren: Tonans'derTönende' und Tinantor'der die Erde zum Erzittern bringt', in seiner Funktion als Gott der Höhen, des Donners, des Blitzes und der Erdbeben. Seine griechische Entsprechung, Zeus, wurde auch Argi-Keraun6s - Apyi Kepavvoq 'der gleißende Blitzstrahl', genannt. Taranis, der höchste gallische Gott, Gebieter über Donner und Gewitter der Jupiter Fulguratorentspricht, wird auch Taranus in Gallien ( CIL XII, 820) und Tanarus [tinarus] genannt, in einer Inschrift von Chester (CIL V II 168; RIB 452) 15 4 n.Chr., die dem I(ovi) O(ptimo) M(aximo) TANARO gewidmet ist. Eine andere, aus Blockberg, (CILIII 10418) bezieht sich auf I(ovi) O(ptimo) M(aximo) T(anaro) oder T(aranuco) oderT(onitratori). Die Deutung des Namens ist klar; das Grundwort ist * taran "Donner", vgl. air. torann, kymr, bret. 9 Hummel, S.: Anmerkungen zu Ambros Josef Pfifig: Religio etrusca, in ALMOGAREN V-VI (1974-75). 30 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 taran. Dieser Name lässt sich unmittelbar mit dem des germanischen Gottes Donar in Verbindung bringen. Es ist demnach von einem Gott auszugehen, der mit den Himmelsphänomen des Donners in Beziehung stand. Die Identifikation mit Jupiter ist leicht verständlich, genauso wie die Identifikation des Donar mit Jupiter; dazu bot die Blitzwafe dazu eine naheliegende Veranlassung10 Wir finden hier wiederum das Schema t-r-n / t-n-r, wie in Tenerife. Die Gottheit besitzt eine dreifache Funktion, als Vatergott, Gewittergott (Gott des Himmels) und Berggott. Dieser scheint indoeuropäischer Herkunft zu sein. Gleiche Konsonantenradikale weist der Name der Göttin Tamaroder Tamara auf, um von einem Gott auszugehen. Das Formativ tan- / ten- / tin-11 dieser Götternamen legt den Vergleich mit anderen indoeuropäischen Gottheiten nahe, wie dem altgermanischen * Thunaraz, dem altnordischen Thorr oder P6rr, germanisch Donar; vgl. auch gr. wv6r; lat. tono, tonitms, frz. tonnerre, typische Attribute dieser Gottheiten. Im modernen Walisischen bedeutet taran 'Donner'(!). Bei den alten Pikten (Schottland ) ist das Anthroponym Taran belegt (Holder II. 1726); Ableitungen hiervon finden sich bei den Galliern. Trotz dieser maskulinen Präzedenzen kann Taranisursprünglich sehr wohl eine Göttin des Todes, der Fruchtbarkeit usw. - gemäß dem archaischen Schema - gewesen sein12 • Tanarus ist auch der alte Flussgott des Po, in Italien (Plin., Nat. hist. 3, 318), der noch heute einem seiner Zuflüsse, dem Tanaro, den Namen gibt. Tatsächlich werden wohl zahlreiche Namen mit dieser Wurzel auf ein protokeltisches Substrat zurückgehen, wobei zweifellos eine Verwandtschaft mit anderen alten Wassergottheiten, wie den bereits erwähnten Tamar, Tamara, sowie im übrigen auch mit dem keltiberischen Tameobrigo, gegeben ist. All diese Theonyme weisen eine überraschende Ähnlichkeit auf, gleichfalls auch einige hispanische Toponyme, wie z. B. Tanario (Santander), Tanarro (Segovia) und das kanarische Tenerra, in der Caldera de Taburiente (La Palma), deren weitgehende Übereinstimmung kaum auf Zufall beruhen kann. Wir sehen hier, dass in allen Fällen auf ein und denselben Typ Gottheit Bezug genommen wird: den himmlischen Herrn des Gebirges und des Donners -wie JupiterTonans, Donaroder Taranis, der gleichzeitigjedoch auch in enger Verbindung mit den Toten, der Unterwelt, den Vulkanen oder - was dasselbe ist - der Hölle steht; so auch der etruskische Velcan, der römische 10 Jan de Vries: Keltische Religion, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 11 A. Holder: Alt-keltischer Sprachschatz. Graz 1961. 12 Sir Robert Graves: The Mite Goddess - A historical Grammar of poetic Myth. London 1946. 31 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Vulcanus, der griechische Hephaistos, der ägyptische Phtah sowie die keltischen Dagda ('der gute Gott' ) und Sucellus, 'der große Schläger', ausgestattet mit einem gewaltigen Hammer, dem Doppelsymbol für Donner und Schmiedekunst. Auch sollte nicht übersehen werden, dass der himmlische Gott des Gewitters in engem Zusammenhang mit dem Wasser - als Regenspender - zu sehen ist, was ihm die Rolle des in Zeiten der Wasserknappheit Anzurufenden zuweist. Daraus, wie auch aufgrund seiner Funktion als Gott der Unterwelt, leitet sich gleichfalls die häufige Präsenz seines Namens in der Hydronymie ab. Die etruskische Gottheit Tin /Tne13 ist eine Doppelgottheit, entsprechend dem klassischen Dioskurenpaar Castor und Pollux, die zu archaischer Zeit in Griechenland und Italien mit dem Wasser der Quellen in Verbindung gebracht wurden, was immer eine Gleichsetzung mit der Unterwelt impliziert. Eine römische Parallele ist in der Nymphe Iutuma gegeben, deren Namen, nach Altheim, von Diu-tur- kommt, also von dius plus dem etruskischen tur 'Gefährte'. Tin entspricht dem hellenischen Pollux, dem rechtmäßigen Sohn des Zeus (himmlischer Aspekt), sowie auch dem biblischen Abel und dem vedischen Mitra, während Tnemit Castor(chthonischer Aspekt), Kainund Vamna gleichzusetzen ist14 • Ein gleich gearteter Parallelismus vermag gewiss das Vorhandensein einer Himmels- und gleichzeitig einer Höllengottheit im Teide zu erklären; und ebenso verhält es sich im Falle der Riten, mit denen aufEl Hierro der Regen erfleht wurde - in einem Zeremoniell, bei dem der himmlische Eraoranhan und, falls nötig, auch der höllische Aranfaibo ihre eindrucksvolle Rolle spielten. Eine weitere Konkretisierung der Wurzel T-N enthält das griechische Verbum tinasso - nvacrcrw - 'schütteln, erschüttern, (die Erde) erbeben lassen' sowie auch 'schwingen, (Blitze) schleudern'. Dieselben Handlungen kommen in dem Theonym Tinassa zum Ausdruck: 'der erschüttert, schleudert, schwingt', mit Anspielung auf die Fähigkeit, Gewitter und Erdbeben herniederfahren zu lassen. Alle vorgenannten Charakteristika beziehen sich, wie gesagt, auf einen zugleich uranischen und chthonischen Typ Gottheit, mit Donner, Blitz und 13 Vgl. Tin-erfe und Tenerife - wie bekannt, verzichtet die etruskische Schrift häufig auf die Setzung interkonsonantischer Vokale. 14 Eben demselben Typus entsprechen zweifellos die italischen Figuren Romulus und Remus, zwei antagononische Dioskuren, mit Namen, die von ein und derselben Wurzel abgeleitet sind. 32 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Feuer, und oft auch einer kriegerischen Seite - typisch für den Berggott -, der auf die Kulturen des vorklassischen Mittelmeerraums zurückgeht. Seine Präsenz in Nordafrika wird durch diese und weitere Ortsnamen sowie auch durch Inschriften und andere schriftliche Quellen bezeugt. In seinem doppelten Aspekt wird er einerseits mit der Sonne und dem hellen Tageslicht wie auch mit dem Gewittersturm und dem befruchtenden Regen identifiziert, andererseits aber, in seinem archaischsten Aspekt, ist er eine unterirdische Gottheit der dem Schoß der Erde entströmenden Quellen, der Fruchtbarkeit, des Todes und der Wiederauferstehung der Natur nach dem Winterschlaf, aber auch der Erderschütterungen und des in der Tiefe brodelnden Vulkanfeuers. All diese Funktionen machen ihn regelrecht zur personifizierten Unterwelt, zum Hades, zur Hölle, in den Figuren - und gleichzeitig mythischen Bezeichnungen der Hölle! - eines Saturn, Kronos, Charon, Acheron, Erebos, Acheloos, Lethe usw. Möglicherweise sehen wir uns hier den beiden Parallelgottheiten des kanarischen Archipels gegenüber - einer uranisch-solaren und einem 'bösen Geist' -, die in späterer Zeit von den Chronisten erwähnt werden, wenn sie von einem "himmlischen Gott" - mit einer Vielzahl von Namen - und einem unterirdischen, dem "Geist des Bösen" oder dem "Teufel" berichten. Beiden werden, bemerkenswerterweise, für gewöhnlich derselbe Aufenthaltsort und dieselben Fähigkeiten (beispielsweise die Macht, Regen zu schicken), mitunter sogar der gleiche Name (Ach-hu-canec i und Hu-canchaJ.) zugesprochen. Diese Dichotomie könnte in einer verhältnismäßig späten Zeit entstanden sein, wohl durch die islamische Indoktrination und Akkulturation, der die indigene Bevölkerung ausgesetzt war, und noch später, nach der Konquista, als Folge einer von Chronisten - oft Ordens- und Weltpriester! - vermittelten Version des Christentums, die auf dem dualistischen Schema Gott / Teufel beruht - und außerdem wohl auf einer völligen Unkenntnis der bestehenden einheimischen Theogonie. Männliche Gottheit - weibliche Gottheit? Neben der männlichen Gottheit erscheint oftmals, als weibliches Gegenstück, eine Mondgöttin, nach Art der etruskischen Tiuna sowie der punischen Tanit, beide mit der Wurzel T-N und beide derselben Region zugeordnet. Es könnte sogar sein, dass generell der feminine Typus der ältere ist; denn es ist allgemein bekannt, dass die Namen dieser weiblichen Gottheiten später auf männliche übertragen wurden. Daher auch die notorische Schwierigkeit, Toponyme wie Anthroponyme theophorischen Ursprungs stets geschlechtsspezifisch einer einzigen Gottheit (Tin /Teno oder aber Tina /Tana) zuzuwei- 33 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 sen, da es sich tatsächlich um ein und denselben Namen in zwei verschiedenen Versionen handelt, mit hypostatischer Spaltung eines Numens, wie sie bei zahlreichen Gottheiten der alten Welt gegeben ist (z.B. in Meno / Mino(s)Mania; Jano - Jana / Diana; gr. Athene - etr. T hne /Dne) 15 •••• Die ugaritischpalestinensische Anat / Anatha und die ägyptische Neith dürften Inversionsformen desselben Namens darstellen Das "Höhenheiligtum" auf dem Berg Tanna (Dschebel Tanna), nahe dem Toten Meer, war möglicherweise der Kultort einer diesem Typus entsprechenden Gottheit, die durch einen Pfosten bzw. in den Boden eingelassenen Pfeiler, den sog. asserah, dargestellt wurde, manchmal von einem lithischen Kreis umrahmt. Nebenbei bemerkt, stehen im Zusammenhang damit weitere Namen der Göttin, wie Astaroth oder Astarte und Ishtar sowie Assarica Nurus (ein Beiname der Venus). Die Heiligtümer auf Bergeshöhen fielen später, nach der jüdischen Landnahme, dem Jahwe-Kult anheim. Mehrere dieser Kultstätten, die in jüngster Zeit ausgegraben wurden, erinnern, wie D. J. Wölfel bemerkt, exakt an die auf den Kanarischen Inseln, wobei da und dort sämtliche dem Totenkult dienenden Gegenstände unversehrt erhalten sind. Die kanarischen Ortsnamen der Grundform Tan- könnten sich, wie gesagt, vielerorts auch auf eine weibliche Gottheit vom Typus Tanit oder Tamara beziehen. Es lässt sich kaum entscheiden, welche der beiden, die feminine oder die maskuline, die ursprüngliche ist; schließlich sind in den antiken Kulturen, von der mesopotamischen Epoche ab gerechnet, die Namen männlicher Sonnengottheiten, die einstmals weiblich waren, Legion: Ein entscheidender Wechsel in der Bevölkerung (etwa durch Invasion fremder Völkerschaften ) sowie im ökonomischen System bringen nachhaltige Veränderungen mit sich, die ihre Auswirkung auf die Stellung der Göttin haben: Sie kann eine Statusminderung erleiden oder sogar einem Geschlechtswechsel unterworfen werden. Unweit des kanarischen Archipels befindet sich die Einflusszone der mächtigen punischen Göttin Tanit, der Herrin Karthagos, die infolge der historischen Bevölkerungsverschiebungen auf die Gestaltung einigerToponyme und Anthroponyme des kanarischen Kulturkreises eingewirkt haben könnte. Weitere präklassische Gottheiten mit der Wurzel T-N Eine bedeutende, aus Inschriften bekannte vorindoeuropäische Gottheit ist Cosso Theinaeco (oder *Teniaco, *Tiniaco), eine Namenszusammensetzung 15 Zwei Versionen mit und ohne das prothetisches a-. Vgl. auch Fordisia (in Kleinasien) und Aphrodite (Gr.); Pullenida (Kleinasien) uns Apollonyd (Gr.); Pennin (Gottheit d. Höhen) und die Apenninen (lt.) 34 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 mit dem archaischen Theonym Cosso, der höchsten Gottheit, sowie dem Element teno oder tino, hier mit Funktion eines Epithetons oder Beinamens: 'der Donnernde' (vgl. JupiterTonans). Sie wurde auch mit dem weiteren Beinamen Cossus Meneoecus (oder Menoicus, Minoicus) belegt16 • Beide Theonyme entsprechen dem Gott des Jenseits und der Toten, der alten höchsten Gottheit präindoeuropäischer Zeit: Cos(s)o, der auch eine Funktion als Herr des Berges, des Sturmes, des Feuers usw. ausübt, mit mythischen Wurzeln, die wahrscheinlich auf die megalithische(n) Religion(en) zurückgehen. Der vorrömische Gott Cos(s )o oder Coro wurde bei der Romanisierung auch, mit dem Namen Mars Cossus, dem Mars gleichgesetzt. Ein weiterer Name, der ihm eignete, war Cosus Uranus, der auf seine himmlische Charakteristik anspielt ( CIL 6257, 53). Hier gilt es anzumerken, dass einige der Varianten des Theonyms Cos(s )o die Form Coro, Cauro, Curo, manchmal auch mit dem bekannten prothetischem a-, aufweisen: A-coro-n, A-choro-n. Aufgrund einer gängigen Rhotazismus-Alternanz r-s finden sich in der kanarischen Toponomastik Parallelversionen von Anthroponymen, wie z. B. Acoroida / Acoraida - Acosaida oder Guantacora - Guantacusa. Jupiter-Zeus hatte u. a. den Titel Tcenarius deus, d. h. 'der Gott des Tenarus', der einen in der Antike bekannten Eingang zum Tartarus oder Hades, in Lakonien (an der Südspitze Griechenlands), bildete. Ein weiterer derartiger Eingang zur Hölle war der Krater des Ätna, auf Sizilien, sowie eine unabsehbare Anzahl von Höhlen und Schluchten innerhalb und außerhalb des Mittelmeerraums. Zu dieser mythisch-topographischen Gruppe zählt natürlich auch der Krater des Teide. Die Te narias fauces sind der Schlund des Tenaros, am Kap Tenaros, heute Matapan, wo sich die heilige Höhle Acherusia befindet, die im Altertum als einer der Eingänge zur Unterwelt und zum Totenreich betrachtet wurde17 - eine Funktion, die ihr auch Horaz und Seneca zusprechen. Diese Namenwurzel ist wahrscheinlich eng verwandt mit Wörtern wie tenebrae und tenebrosus 'Finsternis, finster'. Das palmerische Toponym Tenerra, das auf derselben Wurzel beruht, bezeichnet eine Quelle, eine Schlucht und eine Stelle im Innern des Abgrunds von Acer6 - Abismo de Acer618 • Dieser Ortsname kann dem Toponym Tanarro, in der Provinz Segovia, gleichgesetzt werden. 16 Meno oder Minos ist der Herr der Unterwelt im minoischen Mythos. 17 Dort wurde Zeus unter dem archaischen Namen Pohoidan verehrt. 18 Die Quellen, Flüsse oder Schluchten (Wadis), sowie das der Erde entströmende Wasser im allgemeinen, sind in allen Kulturen auf das engste mit der Unterwelt verbunden, aus der es kommt. 35 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Weitere Varianten sind in Tanna und riva Tannaro (Sardinien), Tannari (Korsika) gegeben sowie in seinen altgermanischen Entsprechungen *Tannarahuz und Dan(n)ar(vgl. kelt. taran usw, s. o.); des weiteren* Tonno-durum, heute Tannerre, in Frankreich; Tonobrica oder Tongobriga, in Hispanien (Ptol. 2, 6, 38) und Tonnari auf Sardinien. Einige unter ihnen weisen Gemination r > rr in der Endsilbe und intervokalischer Stellung auf, was auch im Iberischen und Keltiberischen häufig zu beobachten ist. Properz, ein Dichter der augusteischen Zeit, wendet den Namen Tenarus auf Neptunus an, den Gott des Meeres und der Unterwelt, dessen griechisches Pendant Paseidan bildet, der Erdbeben und Vulkanausbrüche verursacht 19, was uns ein weiteres Mal auf den Dualismus Himmel / Unterwelt in den antiken Theogonien verweist. Der Vorläufer von Neptunus ist der etruskische Nequns, der nicht nur dem Wasser, besonders dem Quellwasser, zuzuordnen ist, sondern auch dem Erdinnern und dem Totenreich20 , In der Epigraphie erscheint auch ein Donarius, keltischer "Mars" genannt - ohne jeden Zweifel eine einheimische Gottheit, die dem römischen Kriegsgott anverwandelt wurde, was auf eine kriegerische Funktion schließen lässt, die andererseits auch dem Berggott zugeeignet ist. In der libyschen Religion, deren Verwandtschaft mit der kanarischen der prähispanischen Epoche als sehr eng anzusehen ist, wird in einer Inschrift Jupiter Tre narius mit der Gottheit A utaman in Verbindung gebracht ( CIL V II 9010), in einem anderen Fall mit Mercurius. Angesprochen ist hier zweifellos der chthonische bzw tellurische Charakter des Merkur wie des Trenarius, was dazu führt, dass D. J. Wölfel die Beziehung dieses libyschen Autaman zum kanarischen Gott, der den Namen des Himmels selbst trägt, nämlich Ataman oder Achaman (nach einer anderen Version die Sonne als Gott), als "zweifelhaft" ansieht. All dies trotz seiner unbestreitbaren sprachlichen wie funktionalen Verwandtschaft, geht der Autor doch prinzipiell von der Prämisse aus, eine absolute Dichotomie zwischen den himmlischen und den unterirdischen Gottheiten zu etablieren, wobei er letztere in die Kategorie 'dämonische Wesenheiten', 'Genien' usw. verweist. In Beziehung mit der hier in Frage stehenden Wurzel steht ebenfalls der Name Tan(n}e, der in iberischen Anthroponymen häufig vorkommt; vgl. das o. e. Taneruf(= Tenerife). Einige iberische, aus Inschriften bekannte Personennamen mit diesem Element sind: Tane-Paeseri, Tan(n)e-Gadinia, Tan(n)e- 19 Auf Kreta löste sie der Minotaurus mit Stößen seiner Hörner aus. 20 Selbst der römische Neptunus war ursprünglich kein Meergott, sondern ein Gott der Landgewässer. 36 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Galdunis, Tan(n)e Giscerris (CIL II 5840, 3796, 4040, 3794) und weitere in Italien, Frankreich, Deutschland u. a., wie Tannus, Tannius, -a, Tanitius, Tan(n)onius, Tanusius usw. Der Männername Tanno-genus ( CIL XII 5785), Inschrift bei Langres, ist möglicherweise ein theophorischer Name, der die übliche Formel 'der Sohn des Tanno' oder 'der von Tanno Gezeugte' zum Ausdruck bringt. Der anatolische Name Tane-gure entspricht dem griechischen A-tana-goras, hier mit archaischem Präfix a-, das in der kanarischen Toponomastik erhalten ist. Tannacus oder Teiennaio ist ein Ort in Lykaonien; Tanneium heißt heute Tannay, in Frankreich (Dep. Ardennes). Wie bekannt, wandern die Radikale der alten Theonyme von einem Kulturkreis zum andern, jedoch werden sie gemäß den jeweils eigenen sprachlichen Mustern interpretiert, und zwar innerhalb eines semantischen Bereichs, der Gestalt, Eigenschaften, Funktionen usw. umfasst, die einem bestimmten Archetypus von Gottheit zugeschrieben werden. Auf der Basis dieser sprachlichen Wurzel wurden häufig auch Namen von Pflanzen, Tieren oder Mineralien gebildet, die mit einer bestimmten Gottheit in Verbindung gebracht werden, aufgrund ihrer Form, ihrer Farbe, ihres Verhaltens, Aussehens oder spezifischer Eigenschaften, und nicht sosehr wegen des puren Vorhandenseins dieser Tiere, Pflanzen usw. an Orten, die mit solchen Toponymen benannt werden; hier geht ofenkundig die toponomastische Interpretation nicht selten in die Irre. In einer großen Anzahl von Fällen beruht die antike Toponymie auf einer theonymischen, und nicht auf deskriptiver Grundlage. Weitere antike Toponyme und Anthroponyme, die die vorgenannte Wortwurzel enthalten, sind: Temeno; dies ist ein weiterer Beiname des Sonnengottes Apollon. Diese "Beinamen" entstammen, wie wir wissen, häufig Namen von ehemaligen lokalen Gottheiten, die von den Hellenen nach ihrem Einfall in den Mittelmeerraum übernommen wurden. Tenerus, ein mythischer thebanischer König, Sohn des Apollon und der Okeanide Mela (Verbindung eines Sonnen-Vaters und einer Mond-Mutter, die mit der Unterwelt in Zusammenhang steht). Tenedos, eine Insel in der Troas, die heute den Namen Tinedo trägt (vgl. Tineo, in Asturien). Tenedo(n), heute Zurzach, eine altbekannte Heißwasserquelle im schweizerischen Kanton Aargau, enthält den Radikal * ten / * tep-n-, der im irischen tene, altbretonisch tan, gegeben ist und 'Feuer' bedeutet (A. Holder). Tenera war der Name des heutigen Dender, Nebenfluss der Schelde (vgl. Tenerra, s. o.). Tenita ist der Name einer alten Gottheit in Latium; er erinnert an das ka- 37 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 narische Cheniche (Palatalisierung t > eh), überdies an das punische weibliche Theonym Tanit(s. o.). Vgl. auch Chimiche, Tfe. Teno-brica ('Stadt des Teno'), Ortschaft in Asturien (Rav. 4, 4 3 ). Teni-genonia (mögliche maskuline altkeltische Variante: Teööi-c nius). Die beiden letztgenannten Beispiele sind Orts- bzw. Personennamen, de-ren erstes Element ein Name des gleichen Typs ist. Von dem Theonym Tin leiten sich Personennamen wie die etruskischen Tindur und Tinani ab, zusammen mit ihrer lateinischen Entsprechung Tinnanius sowie dem Flußnamen Tinia, in Umbrien ( Sil.). Derselben Wurzel gehören, diesmal in der minoischen Kultur, die Eigennamen Ti-ni, Ti-ni-ta und Ti-nu-ya an21 • Tynes (Livius), auch Tunis, war der antike Name der heutigen Stadt Tunis in Nordafrika. Tunes oder Tunez heißt auch eine Ortschaft auf Teneriffa. Weitere auf diesem Radikal beruhende Namen sind: Tunna, Männername in Britannien; Tunneius / Tonneius !Tunneus, Anthroponyme, in Nordafrika weit verbreitet; Tunnius, Anthropn. in Tunesien (CIL V 73 11). Tindaya, Tindufund weitere berberische Toponyme mögen sich gleichfalls von dieser Grundlage herleiten. Der zweite Bestandteil des letzteren könnte mit der alten Gottheit Dufin Verbindung stehen, die die Römer wegen ihrer kriegerischen Charakteristik als 'Mars' interpretierten. Tingis ist der alte Name der Stadt Tanger, die im Punischen mit T ng verschriftet wird. Hydronyme wie Tinus, Tines oder Tina sind (nach Ptol. 2, 3, 4) alte Namen des Flusses Tyne in England. Die gleiche Grundlage haben die Anthroponyme Tinius (CIL XII 1457), Tiniatius (Veneto), Tinnovero, heute Thiviers in Frankreich (vgl. das galicische Toponym Tio-bre). Tinnupasist der Name eines Nuraghen auf Sardinien. Gottheiten mit doppeltem Aspekt Die Übersetzung des Namens Tenerife - Tinezfe (und Varianten) wird von den Chronisten mit "Insel der Hölle" angegeben, einem Verfahren entsprechend, das diese Autoren auch andernorts anwenden, wenn sie nämlich den Namen einer Gottheit einfach mit "Gott" oder "der Teufel" bzw. "Geist des Bösen" (el espfritu del mal) wiedergeben. Es könnte jedoch sein, dass der Name, gemäß dem in der antiken Toponymie gängigen Muster, auf die lokale Gottheit anspielt: einen Berggott oder den vergöttlichten Berg selbst. Tenerife könnte solchermaßen 'der (Berg ) des Tin bzw. Teno' oder, was dasselbe ist, 21 H. L. Stoltenberg: Etruskische Gottnamen. 38 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 'der Berg der Hölle'22 sein, aufgrund der höllischen Komponente dieser Gottheit. Was diese Gottheit Tenerifes und des Teide angeht, weist, wie gesagt, alles darauf hin, dass es sich um eine duale Wesenheit handelte, um eine himmlische Epiphanie ("höchster Gott") sowie um eine weitere, unterweltliche oder infernale, die der Version 'Berg der Hölle' und dem darin waltenden Höllenwesen ( Guayota, Cancha ... ) entsprach. Die Polyvalenz der alten Gottheiten führt zu diversen, auf verschiedene Aspekte oder Wesenheiten anspielende Titel, Epitheta und Beinamen, die mitunter widersprüchlich und auf unterschiedliche Gottheiten bezogen zu sein scheinen. Diese Gottheiten können - u. U. auch als deren Begleiter - mit den unterschiedlichsten Arten von Tieren identifiziert sein, wie einerseits dem Adler, dem Stier und dem Widder, d. h. himmlischen Tieren, oder andererseits mit der Schlange, dem Schwein oder dem Hund, also Tieren, die mit der unterirdischen Sphäre und der Anderswelt verbunden werden, wobei sie in einer Reihe von Fällen als Gesundheits-, Fruchtbarkeits- usw. -spender auftreten, in anderen als Krankheits- und Todesbringer erscheinen. Ein klassischer Prototyp dieser Gottheiten istApollon, Sonnengott, Schutzherr derThermalwässer und Heilquellen, der mit seinen Pfeilen Leben und Gesundheit verleihen oder aber Tod und Pest bringen konnte. Apoll ist ursprünglich kein griechischer Gott, sondern eine archaische Gottheit, die mit den aus Kleinasien kommenden Invasoren in die Welt der Ägäis gelangte. Seine Zwillingsschwester Artemis oder Diana verkörpert dieselbe Gottheit in weiblicher Version und als Mondgöttin (eine hypostatische Doppelung) - womöglich noch todbringender als ihr Bruder. Ihre kulturelle Geltung erstreckt sich sogar bis zu den Kanarischen Inseln. Der keltische Dagda, 'der gute Vater', seinerseits schwingt eine Keule, die den Tod bringt, wenn er mit dem einen Keulenende zuschlägt, ganz im Gegensatz dazu jedoch das Leben zurückgibt, wenn er das andere Ende wirken lässt. Es handelt sich hier um verschiedene Versionen ein und desselben uralten Mythos. Ofenkundig hat die nachhaltige Spaltung, die eine jede der Wesenheiten verschiedenen Figuren zuwies, bereits in der alten griechischen Welt Gestalt 22 Die Vorstellung vom Eingang zur Hölle durch eine Höhle, die sich auf dem Berggipfel befindet - wie man es vom Teide annahm-, findet sich auch in sonstigen Theogonien, einschließlich der keltischen, die sie sicherlich von früheren, im alten Europa beheimateten, übernahm. In der ehemals keltischen Welt wurden, bei der Romanisierung, die einstmals der Sonnengottheit Lugus geweihten Berge nun Mars oder Jupiter zugewiesen und noch später, zur Zeit der Christianisierung, dem Erzengel Michael, den Heiligen Brendan, Patricius und anderen - genauso wie in der germanischen Welt die alten Kultstätten Wotans bzw. Donars in die Obhut des hl. Jakobus bzw. Petrus übergingen. 39 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 angenommen, im Zuge eines Entwicklungsprozesses, der in dem Dualismus Gott /Teufel in den als modern zu bezeichnenden Religionen enden sollte. Die Kultur(en) des kanarischen Archipels befand(en) sich vermutlich noch im ersten Stadium dieses Prozesses, als es noch nicht zu der genannten Dichotomie gekommen war, und dies erklärt, warum die einen Chronisten zu Bezeichnungen wie "Urheber der Schöpfung" (autor de Jo creado) greifen, während bei anderen einfach vom "Teufel" (el demonio) die Rede ist (vgl. Hucanech - Hucancha - Cancha). Diese Desintegration ist wahrscheinlich einem völligen Unverständnis des religiösen Hintergrunds sowie einer folgerichtigen Missinterpretation seitens der Chronisten zuzuschreiben. Zusammenfassung Derart bedeutende Toponyme wie Tenerife haben in den alten Kulturen für gewöhnlich keinen deskriptiven Charakter, vielmehr sind sie oftmals mit dem Namen der lokalen Gottheit auf das engste verbunden - die in unserem Falle Sinnbild für die gesamte Insel ist -, wobei die zugehörige Namenswurzel die Basis für eine Reihe von Gemeinnamen, Adjektiven usw. bildet, mit denen sie irgendwie in Zusammenhang steht. Erinnert sei hier an die Verbindung von Theonymen wie Coor / Goro, Caranicus oder des kanarischem Acoorn /A choron mit dem 'Felsen', dem 'Berg' oder der 'Höhe'23 , wie sie in dem hier gegebenen Fall auch mit ten-o 'Berg' und time 'hoher Steilhang' (risco alto) hergestellt werden könnte. W. Vycichl24 hält eine Ableitung von einer Form * Te-n-erife für denkbar, deren erstes Element te- femininer Artikel wäre, das zweite die Possessivpartikel -n- 'die von' und das letzte ein mutmaßlicher Name wie* Erife. Die Gesamtbedeutung wäre demnach 'die von Erife'; aber ein solcher Name ist weder in der kanarischen Toponymie noch Anthroponymie belegt. Am wahrscheinlichsten ist, dass Tenerife keine präponierte Artikelform beinhaltet. Bekanntlich war der kanarische Artikel vom Nomen trennbar, weshalb er auch in einigen Fällen anwesend ist, in anderen nicht, und alles scheint darauf hinzudeuten, dass die Namen, die mit Ten- oder Tin- beginnen, dasselbe meinen wie die zahlreichen Formen A-ten-, A-tin- sowie auch A- 23 und vielen anderen, wie z. B. mit der 'roten Farbe' (baskisch gom), die, als Gottheit betrachtet, den Sonnenuntergang symbolisiert; mit dem Schwein (goro, guaro, gorrino ... ), einem Tier, das traditionell mit der jenseitigen Welt und seiner Gottheit in Beziehung steht, wenn es nicht gar sein Alter Ego darstellt. Aufgrund dieser Gegebenheiten entsprechen die wortgetreuen Interpretationen zahlreicher Toponyme nicht der Realität. 24 W. Vycichl: "La lengua de los antiguos canarios", in: Revista de Historia XVIII 40 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 chen-, A-chin-, die mit Artikel ausgestattet sind. Eine Bestätigung dieser Vermutung ergibt sich aus der Existenz der Form Achinech(e ), einer Variante von Chinech, dem Namen der Insel, mit dem maskulinen Artikel a-, dem nachfolgenden Eigennamen und einem - vielleicht possessiven - Sufix. Das zweite Element in Tener-ife hat man, wie bereits gesagt, mit dem Adjektiv 'weiß' zu identifizieren versucht, herrührend von einem mutmaßlichen 'weißen / verschneiten Berg' - eine Etymologie, die heute verworfen wird. Andere Thesen sind bemüht, in den Berbersprachen ein Äquivalent zu dem Namen 'Hölleninsel' zu finden, eine Möglichkeit, die nicht von der Hand zu weisen ist. Denkbar ist sogar die Möglichkeit, dass dieses mit 'Hölle' wiedergegebene -erfe, -erifi oder -erife mit dem alten Namen des Erebos (Erepha) 'Finsternis' in Beziehung steht, der gleichbedeutend ist mit Hades oder 'Hölle'. Es ist bezeichnend, dass der griechische Name Erebos von Cicero, in der lateinischen Form Erebus, als Eigennname der Höllengottheit vorgestellt wird, während ihn Vergil als Appellativum für 'die Hölle' gebraucht. Ähnliche Zweideutung ist der Fall mit dem Namen Orkus der sowohl die Unterwelt wie den Unterweltsgott bezeichnet. Auf dieselbe Doppelverwendung stoßen wir bei dem Theonym Acheron, das unterschiedslos auf die Hölle und auf die Höllengottheit angewandt wird. Daher wäre es durchaus nicht verwunderlich, falls auch Tenerife diese Doppelfunktion beinhalten sollte. Der gleiche Radikal ist auch in klassischen Namen wie Eriphosa - eine der Äolischen Inseln - präsent, weiterhin in Eriphia, Name einer Nayade, sowie in Erebinthote, Name einer Insel25 in der Propontis (Plin.) u. a. W Vycichl sucht auch nach einer Möglichkeit, das zweite Element (r-f) von Ten-erife mit der berberischen Wurzelj-r-f'rösten, braten' zu identifizieren, der das Verbum aref entstammt. In der Tashelhit-Sprache bedeutet irifi 'der Durst'. Abercromby (1917) übersetzt Tenenfe als ti-n-irifi lta-n-urif'(das Land) der Hitze' oder '-des Zorns'. Angesichts all dieser Gegebenheiten, die eindeutig auf eine gleichzeitig mit der Höhe und dem Abgrund, dem Feuer wie den unterirdischen Höhlen in Verbindung stehende Gottheit archaischer Charakteristik verweisen, kommen wir zu der Überzeugung, dass viele Toponyme mit der Wurzel Tin- oder Chin, wie Tinet oder Chinech, Tinerfe oder Tenerife usw., nicht nur dem hohen Berg und gleichzeitig der tiefsten Hölle - die sich vermutlich in den Schlünden des Teide befindet - ihren Namen geben, sondern auch dem 'Herrn des Abgrunds', 25 Möglicherweise handelt es sich um eine der zahlreichen 'Inseln der Toten', die im gesamten europäischen Bereich zu finden sind, wie Avalon, Sein oder Antros - letztere auch Cauros /Coros genannt, vgl. das kanarische A-coron, das klassische A-cheron usw. 41 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 der zugleich der personalisierte und vergöttlichte V ulkan selbst ist, gemäß einem überaus verbreiteten Stereotyp, das tief im religiösen Denken des Menschen verwurzelt ist. Beim Anblick der hoch aufragenden Felsen und der abgrundtiefen Schluchten spürte der Kanare das W irken und Walten höherer Kräfte. Es ist daher nur allzu verständlich, dass die Menschen auf diesen Inseln - ebenso wie die Völker in anderen Weltgegenden - in solchen Naturphänomenen die Gegenwart von göttlichen Numina bzw. personal begreifbaren Wesenheiten vermuteten und die betreffenden landschaftlichen Merkmale als eine Materialisierung der Gottheit selbst identifizierten. Allem Anschein nach handelt es sich hier um eine pan-kanarische Gottheit, tief verwurzelt in den alten mittelmeerischen Mythologien. Die Situation zum Zeitpunkt der Ankunft der Europäer auf dem kanarischen Archipel scheint dem Entwicklungsstand einer fortgeschrittenen Akkulturation entsprochen zu haben. Indessen ist bei den Chronisten mit keinem Wort von der großen Muttergöttin die Rede, einer Gottheit, deren überragende Bedeutung und augenscheinliche Vorherrschaft in dem Reichtum an Ikonographie und Symbolik zum Ausdruck kommt, die sich auf die Göttin beziehen und uns in Form von Bildnissen, Petroglyphen, Dekorationen auf Keramikgefäßen, Stempeln usw. überliefert sind. Allerdings könnten einige Beinamen Gottes und der Jungfrau Maria (in kanarischer Sprache), die von den Chronisten verwendet werden, wie z. B. Achguayaxerax 'Erhalter des Himmels und der Erde' (Espinosa) bzw. Atmayceguayaxirax 'Mutter dessen, der die Welt erhält' (Abreu Galindo), auf eine frühe Mutter-Sohn-Relation hindeuten, wenn es sich hier nicht einfach um eine spätere Anpassung an das katholische Dogma handelt. Da aber die Chronisten bekanntermaßen des Kanarischen mitnichten mächtig waren, bleibt die Sache ofen. Die männliche Gottheit vermochte sich demgegenüber besser zu behaupten, und sogar ihr Name blieb erhalten, unzweifelhaft dank späterer, insbesondere islamischer Kultureinflüsse, die die religiöse Vorstellungswelt der Eingeborenen auf eine entsprechende Richtung hin prägten, wobei sie jedoch ausschließlich die himmlische Seite einer alten Gottheit mit doppeltem Aspekt zur Geltung kommen ließen. Der finale Sachstand entspricht dem anderer Kulturen in vergleichbarer Situation, d. h. es wird eine scharfe Trennungslinie zwischen "Göttern", oder einem einzigen Gott, und unterirdischen Gottheiten, oder "Teufeln", gezogen, wobei letztere für gewöhnlich mit den unterworfenen Göttern identifiziert wurden (Charon, Acheron, Gerion, Ahriman ... oder Satan26). 42 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Auf den Kanarischen Inseln muss es zu einer Aufspaltung dieser Art gekommen sein, die sich dann infolge der Christianisierung vollständig durchsetzte. Jedoch ist aus den ersten schriftlichen Berichten über die religiösen Vorstellungen der Kanarier noch eine gewisse Vermengung der Funktionen der beiden Wesenheiten - der himmlischen, guten bzw. der unterirdischen, bösen - abzulesen, eine Konfusion, die sogar bei deren Namensnennung spürbar wird. *** 26 Satan ist im übrigen, mutatis mutandis, namensgleich mit Saturnus ( < etr. Satre oder Sature, Gott der Nacht und des Winters, mit dem Tod der Natur) sowie mit dem ägyptischen Seth (der seinerseits auch der Gott der Wüste und der Sommerdürre ist). 43 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
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Calificación | |
Colección | Almogaren |
Título y subtítulo | "Tenerife": Überlegungen zur Herkunft des Namens |
Autor principal | Caridad Armas, Joaquín |
Entidad | Institutum Canarium |
Publicación fuente | Almogaren |
Numeración | Número 31 |
Tipo de documento | Artículo |
Lugar de publicación | Wien |
Editorial | Institutum Canarium |
Fecha | 2000 |
Páginas | pp. 019-043 |
Materias | Prehistoria ; Islas Canarias ; Tenerife |
Copyright | http://biblioteca.ulpgc.es/avisomdc |
Formato digital | |
Tamaño de archivo | 1072763 Bytes |
Texto | Almogaren XXXI / 2000 Wien2000 Joaquin Caridad Arias ''TENERIFE'': 19 - 43 Überlegungen zur Herkunft des Namens Zusammenfassung: Die uns aus der Vorzeit überlieferten Ortsnamen zeugen von dem überragenden Einfluss, den die Religionen auf sämtliche Kulturen der Welt ausgeübt haben. Eine entsprechende Wirkung zeigt sich in der Tatsache, dass Namen von göttlichen Wesenheiten oder individuell vorgestellten Gottheiten, auf Personen, menschliche Gruppen, Siedlungen usw,. aber auch auf eine Vielzahl von Geländeformationen übertragen wurden, insbesondere auf die herausragenden und auffälligsten Berge, Schluchten, Höhlen, Flüsse usw. Dabei sind die zugehörigen Toponyme oftmals nicht naturbeschreibend, sondern teophor, von Götternamen abgeleitet. Der hier vorgestellte Artikel unterzieht die gängigen Interpretationen des Toponyms Tenerife einer eingehenden Prüfung, wobei der Autor sich kritisch mit - apriorischen oder aposteriorischen - volksetymologischen Deutungen wie 'weißer Berg' auseinander setzt, und es ergibt sich, dass diese ganz allgemein einer genauen sprachvergleichenden Gegenüberstellung nicht standhalten. Die Aufmerksamkeit richtet sich so vor allem auf offenkundige Zusammenhänge zwischen dem in Frage stehenden Toponym und Namen oder Epitetha alteingesessener Gottheiten des mittelmeerisch-nordafrikanischen Bereichs, in dem die kulturelle Tradition der prähispanischen Völkerschaften der Kanarischen Inseln eingebettet ist. Sumario: EI fuerte impacto ejercido por las religiones en todas las culturas tuvo como resultado la asignaci6n de nombres de numenes o divinidades ep6nimas tanto a los individuos como a los grupos y asentamientos humanos, asi como a un gran numero de accidentes de! terreno, en especial lo mas conspicuos y destacados: montafias, cuevas, barrancos, rios ... Frecuentemente, estos top6nimos no son descriptivos, sino teof6ricos. Se examinan criticamente las interpretaciones habituales del top6nimo Tenerife, tales como 'monte blanco', etc., que el autor estima basadas en etimologias populares aprioristicas (y tardias), y que las lenguas comparadas no confirman convincentemente. La busca se orienta aqui a las conexiones de! top6nimo con los nombres y epitetos de antiguas divinidades de! ambito mediterraneo y norteafricano, del que proceden los antecedentes culturales de las poblaciones prehispanicas de Canarias. 19 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Summary Religions have exerted from old a strong impact on the anthroponimy and the toponimy of all lands and cultures, so that persons, peoples and places often bear the names of their protector numina or divinities, especially those referred to especially conspicuous or outstanding features of the landscape, like rivers, mountains, gorges, caves, etc. The usual interpretations of the name Tenerife, such as 'white mountain' and others, are critically examined by the author, who considers them to be late aprioristic etymologies of a popular type, not convincingly confirmed by the languages compared. The search is oriented here to the old theonymes known from the Mediterranean and North-African area at a time approximately coincident with the antecedents of the Canarian culture. Vorbemerkung Angesichts der Tatsache, dass die Religion offenkundig einen entscheidenden Einfluss auf die Namengebung, im Falle der Anthroponyme wie der Benennung von Naturgegebenheiten (Landschaftsformen, Wasserläufe usw.), ausübt, stützt sich die vorliegende Untersuchung vorwiegend auf die Beobachtung der funktionalen Parallelismen, die sich an den verschiedenen Kosmogonien und Gottheiten der alten mediterranen Welt beobachten lassen - einer Welt, deren weit in die Vorgeschichte zurückreichende Ursprünge uns bekannt oder doch unserer Vorstellungskraft hinreichend zugänglich sind. Die vergleichende - auf bekannten Entwicklungs-Prinzipien sowie eindeutig belegten Äquivalenzen beruhende - Analyse der verschiedenen Varianten bei Toponymen und Anthroponymen erlaubt es uns, mit einiger Sicherheit die direkten Entsprechungen, ja mitunter sogar völligen Übereinstimmungen im Falle von Namen diverser Gottheiten nachzuweisen, die in ganz unterschiedlichen Kultursphären auf einem gemeinsamen Bildungsmuster, einem Archetypus, beruhen, mögen sie auch oftmals zeitlich und räumlich weit auseinanderliegen oder bisweilen unter dem Einfluss einer sich neu formierenden organisierten menschlichen Religiosität entstanden sein. So schrieb bereits in den 60er Jahren der spanische Philologe Ram6n Menendez Pidal: "Das Studium der Toponymie wird, mehr als man sich vorzustellen vermag, die Namen der Gottheiten klar zum Vorschein bringen." Drei Jahrzehnte später äußert sich, in seinem Werk Kelten, der herausragende Keltologe H. Birkham folgendermaßen: "Dies [ sc. die keltischen Toponyme in Gallien] sind in der Regel Ableitungen von Individualnamen (für Personen, Stämme und Götter) sowie von Appellativen." Man könnte hinzufügen, dass die Namen von Personen und Gruppen ihrerseits nicht selten die Namen ihrer Titular- und Schutzgottheiten enthalten, womit sich der Kreis der Überlegungen schließt. Was die Kanarischen Inseln angeht, so hat uns das Studium der Toponyme zu der 20 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Auffassung gebracht, dass die einheimischen Ortsnamen in einer Vielzahl von Fällen die Namen von archaischen Gottheiten durchscheinen lassen, die oftmals älter sind als die Indoeuropäisierung oder sogar die Berberisierung der geographisch benachbarten Regionen. Selbstverständlich sind nicht alle Ortsoder Personennamen theophorisch: Eine nicht unerhebliche Anzahl von ihnen - darunter viele Namen berberischen Ursprungs - enthalten Anspielungen auf die Geländebeschaffenheit, aufklimatische Bedingungen oder lokale Charakteristika menschlicher Siedlungen sowie auf Fauna und Flora. Letztere gehören im wesentlichen nicht zum Gegenstand dieser Arbeit und verbleiben somit absichtsvoll im Hintergrund. Tenerife Die größte Kanareninsel, auf der sich der alles überragende Vulkan Teide erhebt, trägt seit Urzeiten einen Namen, der von den Chronisten in einer Vielzahl von Varianten, wie Tanerif-e, Tehinerf-e, Chinech-e, Achinech u.a., erwähnt wird, die allesamt auf dem in der kanarischen Toponomastik außerordentlich produktiven Konsonantenschema T-N beruhen. Die Anfangssilbe te-/ti- oder che-/chi- ist in diesem Fall nicht Artikel (den diese Form bereits verloren hat), sondern Teil des eigentlichen Namens, während ihn hingegen die Version A-chinech (* A-tin-ech)- mit dem maskulinen Artikel - noch bewahrt. Das Toponym Tenerife erscheint in zahlreichen Varianten, mit einer Vokalalternanz e-a-i-o, die häufig auf Metathese beruht: Tenarife / Tanerife - Fructuoso / Abreu Teneife / Theneife / Theneref - Mar. y Cubas / Bibl. Mun. Sta Cruz / Alv. Rixo; Arch. Vatic. Tehineife / Tineif-e / Thineife - Viera / Mar. y Cubas / Nufi. de la Pefia Teniife, Thynaif - Viana / C6d. Marin Tenerefiz, Tenerfix - Libro del Conosc;imiento (1350) / Boutier Therrife - Fructuoso Tonerfis / Toner.fix- Leverrier / Mill. Cubas; mit dem Vokal o, was, in Bereichen fern der Kanarischen Inseln, an die französische Form tonnerre (sowie im übrigen auch an das palmerische Toponym Tenera) erinnert. Und Formen mit palatalisierten Anfangskonsonanten - mit und ohne mask. Artikel a-, wie: Cheneife, Chenerif - Archivo Municipal Canario, Berthelot. Chinec, Chineche, Chinechi, Chinet, Cheneife - Nufiez de la Pefia / Abreu / Torriani / N.P, Millares / Berthelot. Achinac, Achineche, -i, Atchinetch - Espinosa / Espinosa, Glas, Berthelot, 21 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Abreu / Berthelot, Chil, Arch. Mun. Can. Chinech und Tenerife bedeuten nicht genau dasselbe, da erstere Form lediglich den Namen Tinet bzw. Chinech enthält, wohl mit einem Sufix, das Besitz oder Zugehörigkeit anzeigt, während die andere Form bithematisch zu sein scheint, mit einem zweiten Element -rife, -erfe, dem man eine ethymologische Funktion mit der Bedeutung 'weiß(er Berg)' zugeordnet hat. Torriani (68V ) berichtet, dass der Name dieser Insel durch die Bewohner der Nachbarinsel La Palma gegeben wurde "da i palmessi [fu detta J Tenerife ehe tanto significa in lingua Joro come monte di neve " - 'Schneeberg', worin, nach gängigem volkstümlichen Sprachgebrauch, gewiss nur eine beschreibende Benennung zu sehen ist. Andere Autoren liefern noch folgenden Interpretationen: Abreu Galindo (191) gibt die gleiche Erklärung, konkretisiert aber, dass Tenerife auf den Elementen: tener. 'Berg', und ife: 'weiß', besteht, "so dass Tenerife also 'monte nevado' - 'verschneiter Berg' bedeutet." (?). Für Espinosa ( III) ist jetzt tener 'Schnee' und fe 'Berg'; damit bedeutet Tenerife: der 'Schneeberg', das gleiche wie Nivaria. Für Viana (8v) ist aber tener'la blanca nieve' - 'der weiße Schnee' und ife 'monte alto' - 'hoher Berg'. Er übersetzt Tenerife als 'monte de la nieve' - 'Schneeberg". Nach Marcy entspräche der zweite Wortbestandteil, -ife (oder -iffa) dem Begrif' glänzen' oder 'leuchten'. Andere Autoren stützen sich, mit kleinen Varianten, auf die oberen Versionen, insbesondere auf die Hauptquellen, in diesem Fall, Abreu, Espinosa und Torriani. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine Volksetymologie, deren Elemente arbiträr - und widersprüchlich - interpretiert worden sind. Was einmal als 'weiß' erklärt wird, erscheint das nächste Mal als 'Schnee' oder ( hoher) 'Berg' oder auch 'glänzend'- ein "unauflösbarer Widerspruch", wie Wölfel meint. Das Wort ife - od. tener (?) - für Berg, angeblich ein palmerischer Begrif, hat man jedoch auf La Palma (oder jeder der anderen Inseln) nicht feststellen können. Im ganzen Bereich der in Frage kommenden Vergleichssprachen, zitiert dieser Autor - probeweise - die folgenden Möglichkeiten. 'BERG': a) baskisch' thini'Gipfel', 'Baumkrone' b) Sus L. afa, afaten 'Hügel' - kaum überzeugend, wenn wir dazu noch in Betracht ziehen, dass für einige Autoren tener 'Schnee' bzw. 'weiß' bedeuten soll. 'W EISS' / 'SCHNEE': Über dieses Element liefern uns die Vergleichs- 1 Die Verwandtschaft des Baskischen und Palmerischen ist, natürlich, sehr fraglich. 22 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 sprachen ebenfalls keine akzeptable Erklärung. Zitiert werden: amell-a 'blanc' (herb.), zuri(bask.) oder fari'weiß' (haussa). Wölfel denkt sogar an die (mehr als fragliche) Möglichkeit einer Metathese: fari > * rafi, und daraus "rife". Auf Grund des Fehlens von überzeugenden Referenzwörtern - d.h. Sachnamen -die uns den Namen Tenerife erklären könnten, haben verschiedene Autoren auf noch fernere Möglichkeiten zurückgegrifen, wie z. B.: Abercromby: tiniri: 'a plain' (Taitsprache); ihf: 'ein Kopf' (Zenaga); tenari: 'a desert', 'a forest' (Zenaga); aref, yuref: 'braten, grillen' (Shilha). Für den britischen Autor wäre es vielleicht erfu 'to get angry', vom Kabyl. urrif'anger', oder vielleicht irifi 'thirst, heat'; silha if'Kopf', und damit würde Tenerife etwa soviel wie "(the land) of heat, or anger -with reference to the Peak of Tenerife" bedeuten. George Glas akzeptiert die Version 'Schneeberg', versucht aber den entsprechenden Königsnamen Tinerfe2 aufgrund der Elemente tin 'Palme' und erfe 'Erbe' (kanarisch?) mit "Erbschaft der Palme" zu übersetzen. Marcy (MC 11/2) schlägt die Form ti-n-irfa vor. Tenerife wäre so 'die (Insel) del Vulkansteine', womit sich ihr Name von zenaga ref'kochen', Idau semlal {irf / rfan 'flache Brotofensteine', ableiten würde. Mit seinem wohlbekannten bon jugement überlegt sich Wölfel, dass die Erklärung "Schneeberg" (die anderen übergeht er kommentarlos) lediglich eine späte Reinterpretation darstellen könnte, so dass alle folgenden Etymologien mit 'Berg', 'Weiß', 'Schnee' und 'glänzen' sich als unhaltbar erweisen würden. Mit Bezug auf die Version von Marcy sagt er schließlich: "Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Einwohner von La Palma, deren Heimatinsel voller vulkanischer Steine ist - und das Gleiche gilt auch für Tenerife - gerade diese Charakteristik als Hauptmerkmal und Bezeichnung besonders für diese Insel gewählt haben sollten". Diese Widersprüche vermitteln uns den Eindruck, als handele es sich lediglich um Versuche einer etymologischen Erklärung, die aus einer vorgedachten "logischen" Bedeutung Wef/3er Berg oder Schneeberg entstanden sein könnte. Kein Wunder also, dass die verfügbaren Elemente letztendlich doch nicht zusammenpassen. In der gleichen Linie steht eine andere Interpretierung, diesmal des Ortsnamens Tazacorte auf La Palma, auch ein vorhispanisches Toponym. Der diesmalige Chronist informiert uns, dass die Dorfältesten ihm erzählten, dass Tazacorte - 'la taza de Corte'- "die Tasse von Corte" (unbekannte Person), bedeutete, wegen der Tassenform (l ?) des Platzes, aber es könnte auch 'la 2 Des mytischen Vereinerkönigs der Insel Tererife, ob er wirklich existiert hat oder nicht. 23 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 corte de Taza' - "der Hof vom Taza", ein vermutlicher König von dort (auch unbekannt). Eine volkstümliche Art, Toponyme überall zu erklären. Gemäß einer weiteren, in diesem Fall lokalen, Version bedeutete Tenerife 'Hölle', wegen der mächtigen Feuerausbrüche und der Lavaströme, die der Vulkan Teide unter gewaltigen Erderschütterungen ausstieß. Man könnte wohl auch an die Möglichkeit denken, dass das Bildungselement -ech/-ife eine Endung mit Possessivfunktion darstellt. In diesem Falle ergäbe sich die Bedeutung 'diejenige des Tin (oder Chin)', mit Bezug auf die Insel, die Unterwelt oder auch die Gottheit, die dort wohnt - wenn nicht sogar auf alle drei zugleich. Die frühe Version Tenerefiz (1350) = 'Hölleninsel' / 'Isla del Infierno', stammt vom Libro del conos<;imiento de todo el mundo (Franciscano Espaiol), des weiteren von den französischen Verfassern von Le Canarien, von Boutier (LXVII) und anderen Autoren. Sollten Tenerefiz und Tenerife zwei Varianten des gleichen Namens, mit der gleichen Bedeutung, sein, dann könnte sich die Übersetzung 'Schneeberg' (s. o.) als eine falsche, späte Interpretation erweisen. Durch die alternative Form Tehinerfe zu Tinerfe, ergibt sich eine Identität von Tin und Tehin- /Tejin- /Tegin-. Damit werden wir auf ein altes Theonym verwiesen, das in späterer Zeit als Beiname Jupiters Verwendung findet: Tegius oder Tigius, Formen, aus denen sich Anthroponyme wie z. B. Tigillus, Tigellius, Tigellinus (Neros Prätorianerhauptmann!), Tegonius, Tigi-dius usw. ableiten. Die Bedeutung dieses Namens wäre, in kanarischer Version, 'der Himmlische' und könnte in direkter Verbindung mit dem auf der Insel La Palma vorkommenden historischen Fürstennamen Mayantigo stehen - der mit 'Stück Himmel' (Abreu Galindo) wiederzugeben wäre - sowie auch mit weiteren, wie Tejina, Tegyna oder Teguyna, einem alten Anthroponym und gleichzeitig Ortsnamen auf Tenerifa (La Laguna und Guia de Isora). Das Anthroponym Guan-tejina spielt möglicherweise auf die Herkunft einer Person an, mit der Bedeutung 'Sohn der Ortschaft Tejina', oder, wenn es theonymisch verwendet wird, 'Sohn der Gottheit Tejina'3 • Der kanarische Name Ben-tinerfe, mit dem Element Ben- vergleichbar mit Guan-, erscheint auch in den Formen Beni-chin, Bin-cheni, Bin-chini und Ben- 3 Hier sei daran erinnert, dass im Altertum die persischen, parthischen, armenischen oder assyrischen - und nicht zuletzt kanarischen! - Herrscher oft eine entsprechende Formel mit der Abkunft von der Gottheit gebrauchten. Beispiele hierzu wären: Arta-banus, Artabaces, Artafemes (ein General), Arta-xerxes (Artajxathra), der keltische Name Arto-rix > Artrix (irl. rix 'König') sowie der kanarische Königstitel Guan-arteme 'Sohn der Arteme'(höchstwahrscheinlich auf die mediterrane Göttin Artemis bezogen). 24 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 tcheni(ben = 'Sohn des' oder 'der von'), die Tin (oder Chin) mit dem in Tinerfe enthaltenen ersten Bestandteil gleichsetzen. Daraus lässt sich ableiten, dass der erste Teil der Zusammensetzung den eigentlichen Namen, der zweite jedoch lediglich ein Epitheton oder eine Endung darstellt, die der Name bei sich haben kann oder auch nicht. Gleiches gilt gleichfalls für die Ableitungen Guanchtinerf, Guanchinerfe, Guanchinet, Guanchinec und schließlich Guanche, die sich ebensowohl auf die Insel beziehen wie einen allgemeineren, weiteren Sinn annehmen können, unter Anspielung auf die "Hölle" wie auf die Gottheit, die sie bewohnt, womit die Existenz von ähnlich gearteten Toponymen und Anthroponymen auf anderen Inseln zu erklären wäre. Auf Fuerteventura nimmt dieses Wort die Bedeutung 'hoch gewachsene(r) Mann oder Frau' an. 0 Unter den in numidischen Schriftzeichen verfassten li- 1 byschen Inschriften von La Caleta (El Hierro), die von Ernst + 0 Zyhlarz entzifert wurden, findet sich eine mit dem theo- 0 H phorischen Anthroponym Zbr u-Rtn (siehe Abbildung), das 10 mit '(dies schrieb) Z., Sohn des Rtn (*arTan, ira Tan o. ä.)' II wiedergegeben wird, wobei der Autor Rtn mit der Gottheit Libysch-herbe- Tan in Verbindung bringt. Dieses Theonym begegnet uns rische Inschrift häufig in Anthroponymen, die dem nordafrikanischen Bevon La Caleta, reich zuzuordnen sind, wie beispielsweise in: Iugurtha ('Tan EI Hierro hat gesiegt') oder Iurathan ('Tan hat gewährt'). Plastische Darstellungen der männlichen Gottheit(en) sind uns nicht erhalten, obgleich es sie wohl gegeben hat, wie wir aus Berichten zur Zeit der Konquista wissen. Der Name der Insel Teneriffa, Chinech (und Varianten) wies, wie Alonso de Espinosa, Viana und andere Chronisten behaupten, auf die Hölle, deren Eingang sich auf der Spitze des Teide befand, weswegen die Abenteurer und Seefahrer des 16. Jahrhunderts, in direkter Übersetzung des einheimischen Namens, von der "Insel Tenerife" oder der "Insel der Hölle" (Isla del Infierno) sprechen. Noch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts konnte man, wie Juan Bethencourt Alfonso4 berichtet, "in den Ortschaften des Südteils der Insel, wenn ein für ruchlos geltender Mensch stirbt, Sätze wie die folgenden hören: Der kommt nach Chinechi. Fahr in die tiefste Tiefe von Chinechi! oder: Aus Chinechi sollst du nie wieder herauskommen!, weil manchmal die Verdammten wieder zurückkamen, um Besitz von den Lebenden zu nehmen, um sie zu quälen". 4 Historia del pueblo guanche, Bd. 1, La Laguna: Lemus 1991. 25 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Tenerife außerhalb Teneriffas Der Krater des Teide war nicht der einzige Zugang zur Unterwelt, wie die zahlreichen Toponyme bezeugen, die sich auf Teufelshöhlen, Höllenerdlöcher oder -schluchten beziehen, die im gesamten Archipel zu finden sind. Das Vorhandensein von identischen oder sehr ähnlichen Toponymen auf anderen Inseln des Archipels weist auf eine allgemeinere Verwendung und Bedeutung des Namens hin, der, wie es scheint, nicht auf die Insel Tenerife beschränkt war. Hier wären zu erwähnen: Tenerife, Name eines Vulkanbergs auf El Hierro. Teneftra, mit Metathese, das ehedem ein (feminines?) Anthroponym auf La Palma war. Zu eben diesem Typus gehören auch die Reduktionsformen Chaftra ( Tfe.) sowie Taftra (G.C.); außerdem mutmaßlich Tarifa (berberischen Ursprungs), der Name eines Kaps an der Südspitze der Iberischen Halbinsel . Als weitere Reduktionsformen lassen sich benennen: Terife oder Terrife; in moderner Zeit bezeichnen sie (auf Fuerteventura) eine Bucht, ein Tal, einen Gebirgsausläufer (morro), eine Landzunge sowie einen Abhang. Dieser Name bezieht sich wohl in der Tat auf einen ganzen geographischen Bezirk, ein Sachverhalt, der seine Parallele in Tacor6n (auf El Hierro) findet, einem weiteren Namen der höchsten Gottheit der Kanaren, der konkret eine Bucht, einen Gebirgshang, eine Höhle sowie einen Vulkan bezeichnet. Die genannte, zur Westküste (d. h. zum Sonnenuntergang) hin geöffnete Höhle wird im volkstümlichen Sprachgebrauch mit dem Namen Cueva del Diablo belegt, der gut zum teuflisch-unwirtlichen Aussehen der Umgebung - und vor allem zur der dort hausenden Gottheit! - passt. Derselbe Zusammenhang ist in dem südgriechischen Ortsnamen- und Begrifspaar Tenaro (ein Kap) und Acherusia (ein ebenda lokalisierter "Eingang zur Hölle") gegeben (s. u.). Im Vulkan Teide befindet sich auch die Eishöhle oder Cueva del Hielo laut Bethencourt, ein 'unergründlicher Abgrund'. Terenche, eine Schlucht auf La Gomera, dürfte als Metathese-Entsprechung zu *Tenerche anzusehen sein, das an Chinech bzw. *Chinerche erinnert. Chinerque seinerseits ist eine Ortschaft im Süden der Insel Teneriffa (Gemeinde Abona). Möglicherweise Antenara (* An-tenara) in Gran Canaria. Die übliche Wiedergabe des Namens Tenerife mit 'weißer Berg' erscheint in all diesen Fällen als völlig unangebracht. Zu dem Typus Chinech, Chineche scheinen gleichfalls Chen-chenigue, heute Hoya del Diablo ('Teufelssenke' ), sowie auch der Name der Quelle Chinchigue (mit Reduktion ), beide auf La Gomera, zu gehören. 26 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Tinacheund Tinachd', Vulkanberge auf Lanzarote (Hariaund Tinajo); vgl. Chinech, Chineche usw. Das Toponym Taneruf, in der West-Sahara - gewissermaßen der Vorhof der Kanaren - ist im Wesentlichen identisch mit Tanerif-e, Tenerif-e, Tinerf-e und lässt erkennen, dass der Name bzw. das Theonym T n die Aussprache Ten, Tin oder Tan aufweisen konnte. Weitere kanarische Toponyme Die Grundform Ten- oder Tin- erscheint in zahlreichen Toponymen und Anthroponymen auf dem gesamten Archipel, unzweifelhaft im Einklang mit der überragenden Bedeutung einer solchen Gottheit bzw. Gottheiten, denn nicht wenige unter ihnen dürften ursprünglich auf eine weibliche Gottheit verweisen, die in späterer Zeit nahezu generell zugunsten des männlichen Hauptgottes an Bedeutung verloren haben mag. Hier wären die reichlich belegten Formen Tan-, Tana, nna u. a. m. einzuordnen (vgl. Tanit). Nicht außer acht zu lassen ist die im Berberischen häufig vorkommende Formulierung ti-n (mit Wortanfangsstellung) 'der von .. .', wobei es sich um Anthroponyme handeln kann, aber auch um die Bedeutung 'der (Ort) von .. .' / 'dort wo es ... gibt'. Weitere mögliche etymologische Zusammenhänge lassen sich bei ten-o 'Berg' und time 'Steilhang' vermuten. Nicht selten ergeben sich hierbei funktionale Doppelungen, die die Entscheidung, ob es sich um ein Toponym oder aber um ein Anthroponym handelt, erschweren. Weitere Belege für Ten- / Tin- sind: Tenafo , Ebene auf La Gomera; Tenefe, Quelle, Kap und Strand auf Gran Canaria, vermutlich Reduktionen der Form Tenerife, wie auch Chinefa (s.u. ) Tenaro, kan. Anthroponym. Teno ist in Teneriffa der Name eines Gebietes, sowie eines Vorgebirges, von zwei Ortschaften, Höhlen, Felsen und Bergen. Tenaroine, Tenasar, Teneguya, Teneriste, Tenercina sind alte palmerische Anthroponyme. Tenerra, Ort im Innern der Caldera de Taburiente sowie eine Schlucht in El Paso (L.P.). Der palmerische Frauenname Tenisca erinnert an das etruskische Tinsku, eine Possessivform, die einem '(der/die) des Tin' oder ' ... der Tina' (die römische Diana) entspricht- auch hier wieder ein Anthroponym auf theonymischer Basis. Denselben Ursprung hat zweifellos der Ortsname Tenisque oder Tenisca, der eine Gegend und eine Schlucht imAridane-Tal (L.P.) bezeichnet. 5 H.-J. Ulbrich: "Prähispanische Ortsnamen von Lanzarote (Kanarische Inseln)", in: Almogaren, XVI/1995. 27 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Tenaca, Berg auf El Hierro; Tenaco oder Tenanco, auf Lanzarote; Tenega, Gebiet auf La Gomera. Teneque, Schlucht aufEl Hierro; Tenche, Berghang auf La Gomera; (tenique ist die kanarische Bezeichnung für jeden der drei Steine, die die Feuerstelle bilden; daher eine denkbare Beziehung zum Feuer!). Tin ca, Anthroponym, und Tin eo, Brunnen auf El Hierro. Tinajo, Tinajas (Lanzarote). Tineja und Chineja, auf Tenerifa, sind Namen für eine Höhle in Anaga bzw. ein Ort in Chasca. Ersterer wurde auch als Anthroponym gebraucht. Tinerfe, Name eines mencey aufTenerife, identisch mit dem Inselnamen6 • Augenscheinliche Entsprechungen zum Typus ti-n / te-n, einem Lokalformativ, die nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem Namen Tin stehen: Tenecheide oder Tinecheide, in den Montafias del Fuego, Lanzarote 7. Letzterer ist der alte kanarische Name für einen Vulkankegel (heute: Islote de Hilario), ein Name, in dem sich ebenfalls die Elemente Tin (oder Teno) und Echeide verbunden haben könnten (s.u. "Gottheit T-Nim alten Mittelmeerraum"). Teneguia (-ia als Pluralsufix?), Fels mit Petroglyphen auf Tenerifa, der in prähispanischer Zeit eine Kultstätte war. Ein weiteres Teneguia ist ein Hügel bei Santa Cruz de Tenerife. Tenejia oder Tenejias ist ein Fels bei Anaga. Tenagua, Vulkanberg und Fürstentum auf La Palma; Tenigua, Teniguarfa, aufFuerteventura; Tenaso, Höhenzüge und Schlucht auf Teneriffa. Tinaguacho, auf Lanzarote; vgl. Tenagua. Formen Chen-, Chin- für Ten-, Tin-: In vielen Namen, die mit Ten- /Tin-, Chen- / Chin- beginnen, findet sich in intervokalischer Position eine Varianz - n---m-. Chenaco, mit Varianten Chamaco, Chamoco, bezeichnet einen Felsen in Buenavista (Tenerife). Chenauco, Echenuco oder Ehenauca, Anthroponym auf La Palma, denen Tenaco oder Tenanco (Lanzarote) sowie Teneque (El Hierro) parallel zuzuordnen sind. Chenerf, Chenerfe oder Chenerif = Tenenfe, das auch in der Form Chinec vorkommt. 6 Nach Ansicht von Alvarez Delgado handelt es sich um einen Namen, der von Viana erfunden worden sei. 7 Reifenberger schlägt eine Etymologie vor, die auf den Tuareg-Wörtern basieren, die '(ver)brennen' und 'grausam sein' bedeuten; möglicherweise die Verben ekked'verbrennen' und aked'beleidigend herabsetzen', die von Ch. de Foucauld erwähnt werden. H.-J. Ulbrich erkennt hier die Elemente ti-n 'der/das von' und echeide 'vulkanisch'(?). Könnte man folglich hier nicht präziser 'der/das von der Hölle' interpretieren (s. o.)? 28 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Chinefa, Chineja, Ortsbezeichnungen in Adeje und Chasna (Tfe.). Vgl. oben Tenafo, Tenefe. Möglicherweise Chinife, in Archinife, eine Gegend auf Gran Canaria (Bethencourt). Chenerepil, Felswand in Agulo, La Gomera; vgl. Chenerife. Chimeche, Chinech (Tenerife). Die Toponyme Chinechi, Chimechi, Chimeyche, Chimeque, Chimiche, auf Teneriffa, und auch Timichchi, im Atlasgebirge. Die Gottheit T-N im alten Mittelmeerraum Wenn ich mich im Verlauf dieser Arbeit auf die Namen von Gottheiten beziehe - oder Vergleiche mit diesen anstellen -, die der etruskischen Götterwelt angehören, beabsichtige ich keineswegs, direkte Beziehungen oder Verbindungen zwischen den Etruskern und den Kanariern herzustellen, was in der Tat mehr als zweifelhaft wäre. Allerdings halte ich es sehr wohl für angebracht, derartige Theonyme und ihre einschlägige Charakteristik und Funktion als Bezugspunkte heranzuziehen, die es uns ermöglichen, den im westlichen Mittelmeer gegebenen religiösen Hintergrund in seinem zeitlichen wie räumlichen Rahmen so deutlich als möglich zu erhellen. Diese Gegebenheiten fallen ziemlich genau mit dem historischen Moment zusammen, in dem die Auswanderung der nordafrikanischen Völker ihren Anfang nimmt - einer "Völkerwanderung", die ihren Abschluss im Erreichen der Kanarischen Inseln finden mochte. Es kann als gesichert gelten, dass die Etrusker, zusammen mit den Iberern, den Minoern, den Pelasgern sowie einigen weiteren, weniger bekannten Völkern, die letzten Vertreter der alten mittelmeerischen Welt, eben an der Schwelle zur Geschichte, darstellen. Ihre Religion, die ausgeprägte archaische Züge aufweist, hat ihre Wurzeln in einer grauen Vorzeit, lange vor dem Aufkommen der olympischen Theogonie, in einer kultischen Umwelt, die in der Verehrung der Vorfahren sowie der Gottheiten des Himmels und der Unterwelt gründet, von denen Regen und Fruchtbarkeit ausgehen und die möglicherweise neues Leben in einem Jenseits verheißen. Der etruskische Name der höchsten Gottheit, die auf der Spitze des Berges ihre Wohnstätte hat, ist Tin oder Tne, gleichzusetzen mit dem klassisch-römischen Jupiter sowie dem griechischen Zeus, dessen indoeuropäischer Name dem vedischen Dyauh pitar, altrömisch Dis Pater oder 'Gott Vater' und 'Herr der Toten' entspricht, wobei die Römer Dis (Pater) interessanterweise mit Pluto, dem Gott der Unterwelt, identifizierten (für Vergil ist Dis oder Ditis 8 wie die Berner Lukan-Skolien belegen. 29 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 einfach 'die Hölle'). In beiden Fällen - Tin!Fne wie Jupiter - ist sowohl ein semantischer als auch morphologischer Zusammenhang mit Wcirtern gegeben, die 'der Tag' bedeuten (lat. dies; etr. tin 's 'der Tag', das Reich des 'Lichtgottes', womit die Sonne oder auch das Feuer gemeint ist). Weiterhin kann im Etruskischen dieser Name mit 'Gott' übersetzt werden; jedoch bezieht er sich konkret auf den Gott des Donners, dessen Wafe der dreifache Blitzstrahl bildet, gleich der gallischen Donnergottheit Tannos. Tin, mit den Varianten Tinia und Tinu, ist der etruskische Gott des Lichtes, Schützer und Garant der Grenzen, ein Äquivalent des römischen Jupiters (Garant des Rechtes und der Verträge). Er war auch in Nordafrika bekannt, und zwar im Innern Tunesiens, wo eine etruskische Kolonie in den letzten Jahrhunderten vor unserer Ära existierte, wie der Fund von drei an Tin gewidmete Grenzsteine bezeugt. Tinos (Inschrift von Voltino) ist ein gallisches Theonym, das auf der gleichen Basis beruht. Das Theonym Tinia Calusna (Bu 471) könnte den "unterirdischen Tinia" meinen. Siegbert Hummel zufolge ist ein anderer etruskischer Gott, Voltumna, wahrscheinlich ein personifizierter Aspekt des Tinia, unter Einschmelzung einer chthonischen Gottheit9 • Wir sehen uns hier wiederum einer altmittelmeerischen Himmels- und Lichtgottheit (mit dem Radikal Tin- von Tenerife) gegenüber, die auf der anderen Seite eine unterirdische Natur besitzt. Duno oder Dunnis ist der Name einer vorrömischen Gottheit der Bergeshöhen, die uns aus Inschriften der aquitanisch-pyrenäischen Region bekannt ist. Auf Jupiter bezogene - auf derselben Wurzel T-N fußende - Beinamen waren: Tonans'derTönende' und Tinantor'der die Erde zum Erzittern bringt', in seiner Funktion als Gott der Höhen, des Donners, des Blitzes und der Erdbeben. Seine griechische Entsprechung, Zeus, wurde auch Argi-Keraun6s - Apyi Kepavvoq 'der gleißende Blitzstrahl', genannt. Taranis, der höchste gallische Gott, Gebieter über Donner und Gewitter der Jupiter Fulguratorentspricht, wird auch Taranus in Gallien ( CIL XII, 820) und Tanarus [tinarus] genannt, in einer Inschrift von Chester (CIL V II 168; RIB 452) 15 4 n.Chr., die dem I(ovi) O(ptimo) M(aximo) TANARO gewidmet ist. Eine andere, aus Blockberg, (CILIII 10418) bezieht sich auf I(ovi) O(ptimo) M(aximo) T(anaro) oder T(aranuco) oderT(onitratori). Die Deutung des Namens ist klar; das Grundwort ist * taran "Donner", vgl. air. torann, kymr, bret. 9 Hummel, S.: Anmerkungen zu Ambros Josef Pfifig: Religio etrusca, in ALMOGAREN V-VI (1974-75). 30 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 taran. Dieser Name lässt sich unmittelbar mit dem des germanischen Gottes Donar in Verbindung bringen. Es ist demnach von einem Gott auszugehen, der mit den Himmelsphänomen des Donners in Beziehung stand. Die Identifikation mit Jupiter ist leicht verständlich, genauso wie die Identifikation des Donar mit Jupiter; dazu bot die Blitzwafe dazu eine naheliegende Veranlassung10 Wir finden hier wiederum das Schema t-r-n / t-n-r, wie in Tenerife. Die Gottheit besitzt eine dreifache Funktion, als Vatergott, Gewittergott (Gott des Himmels) und Berggott. Dieser scheint indoeuropäischer Herkunft zu sein. Gleiche Konsonantenradikale weist der Name der Göttin Tamaroder Tamara auf, um von einem Gott auszugehen. Das Formativ tan- / ten- / tin-11 dieser Götternamen legt den Vergleich mit anderen indoeuropäischen Gottheiten nahe, wie dem altgermanischen * Thunaraz, dem altnordischen Thorr oder P6rr, germanisch Donar; vgl. auch gr. wv6r; lat. tono, tonitms, frz. tonnerre, typische Attribute dieser Gottheiten. Im modernen Walisischen bedeutet taran 'Donner'(!). Bei den alten Pikten (Schottland ) ist das Anthroponym Taran belegt (Holder II. 1726); Ableitungen hiervon finden sich bei den Galliern. Trotz dieser maskulinen Präzedenzen kann Taranisursprünglich sehr wohl eine Göttin des Todes, der Fruchtbarkeit usw. - gemäß dem archaischen Schema - gewesen sein12 • Tanarus ist auch der alte Flussgott des Po, in Italien (Plin., Nat. hist. 3, 318), der noch heute einem seiner Zuflüsse, dem Tanaro, den Namen gibt. Tatsächlich werden wohl zahlreiche Namen mit dieser Wurzel auf ein protokeltisches Substrat zurückgehen, wobei zweifellos eine Verwandtschaft mit anderen alten Wassergottheiten, wie den bereits erwähnten Tamar, Tamara, sowie im übrigen auch mit dem keltiberischen Tameobrigo, gegeben ist. All diese Theonyme weisen eine überraschende Ähnlichkeit auf, gleichfalls auch einige hispanische Toponyme, wie z. B. Tanario (Santander), Tanarro (Segovia) und das kanarische Tenerra, in der Caldera de Taburiente (La Palma), deren weitgehende Übereinstimmung kaum auf Zufall beruhen kann. Wir sehen hier, dass in allen Fällen auf ein und denselben Typ Gottheit Bezug genommen wird: den himmlischen Herrn des Gebirges und des Donners -wie JupiterTonans, Donaroder Taranis, der gleichzeitigjedoch auch in enger Verbindung mit den Toten, der Unterwelt, den Vulkanen oder - was dasselbe ist - der Hölle steht; so auch der etruskische Velcan, der römische 10 Jan de Vries: Keltische Religion, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 11 A. Holder: Alt-keltischer Sprachschatz. Graz 1961. 12 Sir Robert Graves: The Mite Goddess - A historical Grammar of poetic Myth. London 1946. 31 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Vulcanus, der griechische Hephaistos, der ägyptische Phtah sowie die keltischen Dagda ('der gute Gott' ) und Sucellus, 'der große Schläger', ausgestattet mit einem gewaltigen Hammer, dem Doppelsymbol für Donner und Schmiedekunst. Auch sollte nicht übersehen werden, dass der himmlische Gott des Gewitters in engem Zusammenhang mit dem Wasser - als Regenspender - zu sehen ist, was ihm die Rolle des in Zeiten der Wasserknappheit Anzurufenden zuweist. Daraus, wie auch aufgrund seiner Funktion als Gott der Unterwelt, leitet sich gleichfalls die häufige Präsenz seines Namens in der Hydronymie ab. Die etruskische Gottheit Tin /Tne13 ist eine Doppelgottheit, entsprechend dem klassischen Dioskurenpaar Castor und Pollux, die zu archaischer Zeit in Griechenland und Italien mit dem Wasser der Quellen in Verbindung gebracht wurden, was immer eine Gleichsetzung mit der Unterwelt impliziert. Eine römische Parallele ist in der Nymphe Iutuma gegeben, deren Namen, nach Altheim, von Diu-tur- kommt, also von dius plus dem etruskischen tur 'Gefährte'. Tin entspricht dem hellenischen Pollux, dem rechtmäßigen Sohn des Zeus (himmlischer Aspekt), sowie auch dem biblischen Abel und dem vedischen Mitra, während Tnemit Castor(chthonischer Aspekt), Kainund Vamna gleichzusetzen ist14 • Ein gleich gearteter Parallelismus vermag gewiss das Vorhandensein einer Himmels- und gleichzeitig einer Höllengottheit im Teide zu erklären; und ebenso verhält es sich im Falle der Riten, mit denen aufEl Hierro der Regen erfleht wurde - in einem Zeremoniell, bei dem der himmlische Eraoranhan und, falls nötig, auch der höllische Aranfaibo ihre eindrucksvolle Rolle spielten. Eine weitere Konkretisierung der Wurzel T-N enthält das griechische Verbum tinasso - nvacrcrw - 'schütteln, erschüttern, (die Erde) erbeben lassen' sowie auch 'schwingen, (Blitze) schleudern'. Dieselben Handlungen kommen in dem Theonym Tinassa zum Ausdruck: 'der erschüttert, schleudert, schwingt', mit Anspielung auf die Fähigkeit, Gewitter und Erdbeben herniederfahren zu lassen. Alle vorgenannten Charakteristika beziehen sich, wie gesagt, auf einen zugleich uranischen und chthonischen Typ Gottheit, mit Donner, Blitz und 13 Vgl. Tin-erfe und Tenerife - wie bekannt, verzichtet die etruskische Schrift häufig auf die Setzung interkonsonantischer Vokale. 14 Eben demselben Typus entsprechen zweifellos die italischen Figuren Romulus und Remus, zwei antagononische Dioskuren, mit Namen, die von ein und derselben Wurzel abgeleitet sind. 32 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Feuer, und oft auch einer kriegerischen Seite - typisch für den Berggott -, der auf die Kulturen des vorklassischen Mittelmeerraums zurückgeht. Seine Präsenz in Nordafrika wird durch diese und weitere Ortsnamen sowie auch durch Inschriften und andere schriftliche Quellen bezeugt. In seinem doppelten Aspekt wird er einerseits mit der Sonne und dem hellen Tageslicht wie auch mit dem Gewittersturm und dem befruchtenden Regen identifiziert, andererseits aber, in seinem archaischsten Aspekt, ist er eine unterirdische Gottheit der dem Schoß der Erde entströmenden Quellen, der Fruchtbarkeit, des Todes und der Wiederauferstehung der Natur nach dem Winterschlaf, aber auch der Erderschütterungen und des in der Tiefe brodelnden Vulkanfeuers. All diese Funktionen machen ihn regelrecht zur personifizierten Unterwelt, zum Hades, zur Hölle, in den Figuren - und gleichzeitig mythischen Bezeichnungen der Hölle! - eines Saturn, Kronos, Charon, Acheron, Erebos, Acheloos, Lethe usw. Möglicherweise sehen wir uns hier den beiden Parallelgottheiten des kanarischen Archipels gegenüber - einer uranisch-solaren und einem 'bösen Geist' -, die in späterer Zeit von den Chronisten erwähnt werden, wenn sie von einem "himmlischen Gott" - mit einer Vielzahl von Namen - und einem unterirdischen, dem "Geist des Bösen" oder dem "Teufel" berichten. Beiden werden, bemerkenswerterweise, für gewöhnlich derselbe Aufenthaltsort und dieselben Fähigkeiten (beispielsweise die Macht, Regen zu schicken), mitunter sogar der gleiche Name (Ach-hu-canec i und Hu-canchaJ.) zugesprochen. Diese Dichotomie könnte in einer verhältnismäßig späten Zeit entstanden sein, wohl durch die islamische Indoktrination und Akkulturation, der die indigene Bevölkerung ausgesetzt war, und noch später, nach der Konquista, als Folge einer von Chronisten - oft Ordens- und Weltpriester! - vermittelten Version des Christentums, die auf dem dualistischen Schema Gott / Teufel beruht - und außerdem wohl auf einer völligen Unkenntnis der bestehenden einheimischen Theogonie. Männliche Gottheit - weibliche Gottheit? Neben der männlichen Gottheit erscheint oftmals, als weibliches Gegenstück, eine Mondgöttin, nach Art der etruskischen Tiuna sowie der punischen Tanit, beide mit der Wurzel T-N und beide derselben Region zugeordnet. Es könnte sogar sein, dass generell der feminine Typus der ältere ist; denn es ist allgemein bekannt, dass die Namen dieser weiblichen Gottheiten später auf männliche übertragen wurden. Daher auch die notorische Schwierigkeit, Toponyme wie Anthroponyme theophorischen Ursprungs stets geschlechtsspezifisch einer einzigen Gottheit (Tin /Teno oder aber Tina /Tana) zuzuwei- 33 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 sen, da es sich tatsächlich um ein und denselben Namen in zwei verschiedenen Versionen handelt, mit hypostatischer Spaltung eines Numens, wie sie bei zahlreichen Gottheiten der alten Welt gegeben ist (z.B. in Meno / Mino(s)Mania; Jano - Jana / Diana; gr. Athene - etr. T hne /Dne) 15 •••• Die ugaritischpalestinensische Anat / Anatha und die ägyptische Neith dürften Inversionsformen desselben Namens darstellen Das "Höhenheiligtum" auf dem Berg Tanna (Dschebel Tanna), nahe dem Toten Meer, war möglicherweise der Kultort einer diesem Typus entsprechenden Gottheit, die durch einen Pfosten bzw. in den Boden eingelassenen Pfeiler, den sog. asserah, dargestellt wurde, manchmal von einem lithischen Kreis umrahmt. Nebenbei bemerkt, stehen im Zusammenhang damit weitere Namen der Göttin, wie Astaroth oder Astarte und Ishtar sowie Assarica Nurus (ein Beiname der Venus). Die Heiligtümer auf Bergeshöhen fielen später, nach der jüdischen Landnahme, dem Jahwe-Kult anheim. Mehrere dieser Kultstätten, die in jüngster Zeit ausgegraben wurden, erinnern, wie D. J. Wölfel bemerkt, exakt an die auf den Kanarischen Inseln, wobei da und dort sämtliche dem Totenkult dienenden Gegenstände unversehrt erhalten sind. Die kanarischen Ortsnamen der Grundform Tan- könnten sich, wie gesagt, vielerorts auch auf eine weibliche Gottheit vom Typus Tanit oder Tamara beziehen. Es lässt sich kaum entscheiden, welche der beiden, die feminine oder die maskuline, die ursprüngliche ist; schließlich sind in den antiken Kulturen, von der mesopotamischen Epoche ab gerechnet, die Namen männlicher Sonnengottheiten, die einstmals weiblich waren, Legion: Ein entscheidender Wechsel in der Bevölkerung (etwa durch Invasion fremder Völkerschaften ) sowie im ökonomischen System bringen nachhaltige Veränderungen mit sich, die ihre Auswirkung auf die Stellung der Göttin haben: Sie kann eine Statusminderung erleiden oder sogar einem Geschlechtswechsel unterworfen werden. Unweit des kanarischen Archipels befindet sich die Einflusszone der mächtigen punischen Göttin Tanit, der Herrin Karthagos, die infolge der historischen Bevölkerungsverschiebungen auf die Gestaltung einigerToponyme und Anthroponyme des kanarischen Kulturkreises eingewirkt haben könnte. Weitere präklassische Gottheiten mit der Wurzel T-N Eine bedeutende, aus Inschriften bekannte vorindoeuropäische Gottheit ist Cosso Theinaeco (oder *Teniaco, *Tiniaco), eine Namenszusammensetzung 15 Zwei Versionen mit und ohne das prothetisches a-. Vgl. auch Fordisia (in Kleinasien) und Aphrodite (Gr.); Pullenida (Kleinasien) uns Apollonyd (Gr.); Pennin (Gottheit d. Höhen) und die Apenninen (lt.) 34 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 mit dem archaischen Theonym Cosso, der höchsten Gottheit, sowie dem Element teno oder tino, hier mit Funktion eines Epithetons oder Beinamens: 'der Donnernde' (vgl. JupiterTonans). Sie wurde auch mit dem weiteren Beinamen Cossus Meneoecus (oder Menoicus, Minoicus) belegt16 • Beide Theonyme entsprechen dem Gott des Jenseits und der Toten, der alten höchsten Gottheit präindoeuropäischer Zeit: Cos(s)o, der auch eine Funktion als Herr des Berges, des Sturmes, des Feuers usw. ausübt, mit mythischen Wurzeln, die wahrscheinlich auf die megalithische(n) Religion(en) zurückgehen. Der vorrömische Gott Cos(s )o oder Coro wurde bei der Romanisierung auch, mit dem Namen Mars Cossus, dem Mars gleichgesetzt. Ein weiterer Name, der ihm eignete, war Cosus Uranus, der auf seine himmlische Charakteristik anspielt ( CIL 6257, 53). Hier gilt es anzumerken, dass einige der Varianten des Theonyms Cos(s )o die Form Coro, Cauro, Curo, manchmal auch mit dem bekannten prothetischem a-, aufweisen: A-coro-n, A-choro-n. Aufgrund einer gängigen Rhotazismus-Alternanz r-s finden sich in der kanarischen Toponomastik Parallelversionen von Anthroponymen, wie z. B. Acoroida / Acoraida - Acosaida oder Guantacora - Guantacusa. Jupiter-Zeus hatte u. a. den Titel Tcenarius deus, d. h. 'der Gott des Tenarus', der einen in der Antike bekannten Eingang zum Tartarus oder Hades, in Lakonien (an der Südspitze Griechenlands), bildete. Ein weiterer derartiger Eingang zur Hölle war der Krater des Ätna, auf Sizilien, sowie eine unabsehbare Anzahl von Höhlen und Schluchten innerhalb und außerhalb des Mittelmeerraums. Zu dieser mythisch-topographischen Gruppe zählt natürlich auch der Krater des Teide. Die Te narias fauces sind der Schlund des Tenaros, am Kap Tenaros, heute Matapan, wo sich die heilige Höhle Acherusia befindet, die im Altertum als einer der Eingänge zur Unterwelt und zum Totenreich betrachtet wurde17 - eine Funktion, die ihr auch Horaz und Seneca zusprechen. Diese Namenwurzel ist wahrscheinlich eng verwandt mit Wörtern wie tenebrae und tenebrosus 'Finsternis, finster'. Das palmerische Toponym Tenerra, das auf derselben Wurzel beruht, bezeichnet eine Quelle, eine Schlucht und eine Stelle im Innern des Abgrunds von Acer6 - Abismo de Acer618 • Dieser Ortsname kann dem Toponym Tanarro, in der Provinz Segovia, gleichgesetzt werden. 16 Meno oder Minos ist der Herr der Unterwelt im minoischen Mythos. 17 Dort wurde Zeus unter dem archaischen Namen Pohoidan verehrt. 18 Die Quellen, Flüsse oder Schluchten (Wadis), sowie das der Erde entströmende Wasser im allgemeinen, sind in allen Kulturen auf das engste mit der Unterwelt verbunden, aus der es kommt. 35 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Weitere Varianten sind in Tanna und riva Tannaro (Sardinien), Tannari (Korsika) gegeben sowie in seinen altgermanischen Entsprechungen *Tannarahuz und Dan(n)ar(vgl. kelt. taran usw, s. o.); des weiteren* Tonno-durum, heute Tannerre, in Frankreich; Tonobrica oder Tongobriga, in Hispanien (Ptol. 2, 6, 38) und Tonnari auf Sardinien. Einige unter ihnen weisen Gemination r > rr in der Endsilbe und intervokalischer Stellung auf, was auch im Iberischen und Keltiberischen häufig zu beobachten ist. Properz, ein Dichter der augusteischen Zeit, wendet den Namen Tenarus auf Neptunus an, den Gott des Meeres und der Unterwelt, dessen griechisches Pendant Paseidan bildet, der Erdbeben und Vulkanausbrüche verursacht 19, was uns ein weiteres Mal auf den Dualismus Himmel / Unterwelt in den antiken Theogonien verweist. Der Vorläufer von Neptunus ist der etruskische Nequns, der nicht nur dem Wasser, besonders dem Quellwasser, zuzuordnen ist, sondern auch dem Erdinnern und dem Totenreich20 , In der Epigraphie erscheint auch ein Donarius, keltischer "Mars" genannt - ohne jeden Zweifel eine einheimische Gottheit, die dem römischen Kriegsgott anverwandelt wurde, was auf eine kriegerische Funktion schließen lässt, die andererseits auch dem Berggott zugeeignet ist. In der libyschen Religion, deren Verwandtschaft mit der kanarischen der prähispanischen Epoche als sehr eng anzusehen ist, wird in einer Inschrift Jupiter Tre narius mit der Gottheit A utaman in Verbindung gebracht ( CIL V II 9010), in einem anderen Fall mit Mercurius. Angesprochen ist hier zweifellos der chthonische bzw tellurische Charakter des Merkur wie des Trenarius, was dazu führt, dass D. J. Wölfel die Beziehung dieses libyschen Autaman zum kanarischen Gott, der den Namen des Himmels selbst trägt, nämlich Ataman oder Achaman (nach einer anderen Version die Sonne als Gott), als "zweifelhaft" ansieht. All dies trotz seiner unbestreitbaren sprachlichen wie funktionalen Verwandtschaft, geht der Autor doch prinzipiell von der Prämisse aus, eine absolute Dichotomie zwischen den himmlischen und den unterirdischen Gottheiten zu etablieren, wobei er letztere in die Kategorie 'dämonische Wesenheiten', 'Genien' usw. verweist. In Beziehung mit der hier in Frage stehenden Wurzel steht ebenfalls der Name Tan(n}e, der in iberischen Anthroponymen häufig vorkommt; vgl. das o. e. Taneruf(= Tenerife). Einige iberische, aus Inschriften bekannte Personennamen mit diesem Element sind: Tane-Paeseri, Tan(n)e-Gadinia, Tan(n)e- 19 Auf Kreta löste sie der Minotaurus mit Stößen seiner Hörner aus. 20 Selbst der römische Neptunus war ursprünglich kein Meergott, sondern ein Gott der Landgewässer. 36 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Galdunis, Tan(n)e Giscerris (CIL II 5840, 3796, 4040, 3794) und weitere in Italien, Frankreich, Deutschland u. a., wie Tannus, Tannius, -a, Tanitius, Tan(n)onius, Tanusius usw. Der Männername Tanno-genus ( CIL XII 5785), Inschrift bei Langres, ist möglicherweise ein theophorischer Name, der die übliche Formel 'der Sohn des Tanno' oder 'der von Tanno Gezeugte' zum Ausdruck bringt. Der anatolische Name Tane-gure entspricht dem griechischen A-tana-goras, hier mit archaischem Präfix a-, das in der kanarischen Toponomastik erhalten ist. Tannacus oder Teiennaio ist ein Ort in Lykaonien; Tanneium heißt heute Tannay, in Frankreich (Dep. Ardennes). Wie bekannt, wandern die Radikale der alten Theonyme von einem Kulturkreis zum andern, jedoch werden sie gemäß den jeweils eigenen sprachlichen Mustern interpretiert, und zwar innerhalb eines semantischen Bereichs, der Gestalt, Eigenschaften, Funktionen usw. umfasst, die einem bestimmten Archetypus von Gottheit zugeschrieben werden. Auf der Basis dieser sprachlichen Wurzel wurden häufig auch Namen von Pflanzen, Tieren oder Mineralien gebildet, die mit einer bestimmten Gottheit in Verbindung gebracht werden, aufgrund ihrer Form, ihrer Farbe, ihres Verhaltens, Aussehens oder spezifischer Eigenschaften, und nicht sosehr wegen des puren Vorhandenseins dieser Tiere, Pflanzen usw. an Orten, die mit solchen Toponymen benannt werden; hier geht ofenkundig die toponomastische Interpretation nicht selten in die Irre. In einer großen Anzahl von Fällen beruht die antike Toponymie auf einer theonymischen, und nicht auf deskriptiver Grundlage. Weitere antike Toponyme und Anthroponyme, die die vorgenannte Wortwurzel enthalten, sind: Temeno; dies ist ein weiterer Beiname des Sonnengottes Apollon. Diese "Beinamen" entstammen, wie wir wissen, häufig Namen von ehemaligen lokalen Gottheiten, die von den Hellenen nach ihrem Einfall in den Mittelmeerraum übernommen wurden. Tenerus, ein mythischer thebanischer König, Sohn des Apollon und der Okeanide Mela (Verbindung eines Sonnen-Vaters und einer Mond-Mutter, die mit der Unterwelt in Zusammenhang steht). Tenedos, eine Insel in der Troas, die heute den Namen Tinedo trägt (vgl. Tineo, in Asturien). Tenedo(n), heute Zurzach, eine altbekannte Heißwasserquelle im schweizerischen Kanton Aargau, enthält den Radikal * ten / * tep-n-, der im irischen tene, altbretonisch tan, gegeben ist und 'Feuer' bedeutet (A. Holder). Tenera war der Name des heutigen Dender, Nebenfluss der Schelde (vgl. Tenerra, s. o.). Tenita ist der Name einer alten Gottheit in Latium; er erinnert an das ka- 37 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 narische Cheniche (Palatalisierung t > eh), überdies an das punische weibliche Theonym Tanit(s. o.). Vgl. auch Chimiche, Tfe. Teno-brica ('Stadt des Teno'), Ortschaft in Asturien (Rav. 4, 4 3 ). Teni-genonia (mögliche maskuline altkeltische Variante: Teööi-c nius). Die beiden letztgenannten Beispiele sind Orts- bzw. Personennamen, de-ren erstes Element ein Name des gleichen Typs ist. Von dem Theonym Tin leiten sich Personennamen wie die etruskischen Tindur und Tinani ab, zusammen mit ihrer lateinischen Entsprechung Tinnanius sowie dem Flußnamen Tinia, in Umbrien ( Sil.). Derselben Wurzel gehören, diesmal in der minoischen Kultur, die Eigennamen Ti-ni, Ti-ni-ta und Ti-nu-ya an21 • Tynes (Livius), auch Tunis, war der antike Name der heutigen Stadt Tunis in Nordafrika. Tunes oder Tunez heißt auch eine Ortschaft auf Teneriffa. Weitere auf diesem Radikal beruhende Namen sind: Tunna, Männername in Britannien; Tunneius / Tonneius !Tunneus, Anthroponyme, in Nordafrika weit verbreitet; Tunnius, Anthropn. in Tunesien (CIL V 73 11). Tindaya, Tindufund weitere berberische Toponyme mögen sich gleichfalls von dieser Grundlage herleiten. Der zweite Bestandteil des letzteren könnte mit der alten Gottheit Dufin Verbindung stehen, die die Römer wegen ihrer kriegerischen Charakteristik als 'Mars' interpretierten. Tingis ist der alte Name der Stadt Tanger, die im Punischen mit T ng verschriftet wird. Hydronyme wie Tinus, Tines oder Tina sind (nach Ptol. 2, 3, 4) alte Namen des Flusses Tyne in England. Die gleiche Grundlage haben die Anthroponyme Tinius (CIL XII 1457), Tiniatius (Veneto), Tinnovero, heute Thiviers in Frankreich (vgl. das galicische Toponym Tio-bre). Tinnupasist der Name eines Nuraghen auf Sardinien. Gottheiten mit doppeltem Aspekt Die Übersetzung des Namens Tenerife - Tinezfe (und Varianten) wird von den Chronisten mit "Insel der Hölle" angegeben, einem Verfahren entsprechend, das diese Autoren auch andernorts anwenden, wenn sie nämlich den Namen einer Gottheit einfach mit "Gott" oder "der Teufel" bzw. "Geist des Bösen" (el espfritu del mal) wiedergeben. Es könnte jedoch sein, dass der Name, gemäß dem in der antiken Toponymie gängigen Muster, auf die lokale Gottheit anspielt: einen Berggott oder den vergöttlichten Berg selbst. Tenerife könnte solchermaßen 'der (Berg ) des Tin bzw. Teno' oder, was dasselbe ist, 21 H. L. Stoltenberg: Etruskische Gottnamen. 38 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 'der Berg der Hölle'22 sein, aufgrund der höllischen Komponente dieser Gottheit. Was diese Gottheit Tenerifes und des Teide angeht, weist, wie gesagt, alles darauf hin, dass es sich um eine duale Wesenheit handelte, um eine himmlische Epiphanie ("höchster Gott") sowie um eine weitere, unterweltliche oder infernale, die der Version 'Berg der Hölle' und dem darin waltenden Höllenwesen ( Guayota, Cancha ... ) entsprach. Die Polyvalenz der alten Gottheiten führt zu diversen, auf verschiedene Aspekte oder Wesenheiten anspielende Titel, Epitheta und Beinamen, die mitunter widersprüchlich und auf unterschiedliche Gottheiten bezogen zu sein scheinen. Diese Gottheiten können - u. U. auch als deren Begleiter - mit den unterschiedlichsten Arten von Tieren identifiziert sein, wie einerseits dem Adler, dem Stier und dem Widder, d. h. himmlischen Tieren, oder andererseits mit der Schlange, dem Schwein oder dem Hund, also Tieren, die mit der unterirdischen Sphäre und der Anderswelt verbunden werden, wobei sie in einer Reihe von Fällen als Gesundheits-, Fruchtbarkeits- usw. -spender auftreten, in anderen als Krankheits- und Todesbringer erscheinen. Ein klassischer Prototyp dieser Gottheiten istApollon, Sonnengott, Schutzherr derThermalwässer und Heilquellen, der mit seinen Pfeilen Leben und Gesundheit verleihen oder aber Tod und Pest bringen konnte. Apoll ist ursprünglich kein griechischer Gott, sondern eine archaische Gottheit, die mit den aus Kleinasien kommenden Invasoren in die Welt der Ägäis gelangte. Seine Zwillingsschwester Artemis oder Diana verkörpert dieselbe Gottheit in weiblicher Version und als Mondgöttin (eine hypostatische Doppelung) - womöglich noch todbringender als ihr Bruder. Ihre kulturelle Geltung erstreckt sich sogar bis zu den Kanarischen Inseln. Der keltische Dagda, 'der gute Vater', seinerseits schwingt eine Keule, die den Tod bringt, wenn er mit dem einen Keulenende zuschlägt, ganz im Gegensatz dazu jedoch das Leben zurückgibt, wenn er das andere Ende wirken lässt. Es handelt sich hier um verschiedene Versionen ein und desselben uralten Mythos. Ofenkundig hat die nachhaltige Spaltung, die eine jede der Wesenheiten verschiedenen Figuren zuwies, bereits in der alten griechischen Welt Gestalt 22 Die Vorstellung vom Eingang zur Hölle durch eine Höhle, die sich auf dem Berggipfel befindet - wie man es vom Teide annahm-, findet sich auch in sonstigen Theogonien, einschließlich der keltischen, die sie sicherlich von früheren, im alten Europa beheimateten, übernahm. In der ehemals keltischen Welt wurden, bei der Romanisierung, die einstmals der Sonnengottheit Lugus geweihten Berge nun Mars oder Jupiter zugewiesen und noch später, zur Zeit der Christianisierung, dem Erzengel Michael, den Heiligen Brendan, Patricius und anderen - genauso wie in der germanischen Welt die alten Kultstätten Wotans bzw. Donars in die Obhut des hl. Jakobus bzw. Petrus übergingen. 39 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 angenommen, im Zuge eines Entwicklungsprozesses, der in dem Dualismus Gott /Teufel in den als modern zu bezeichnenden Religionen enden sollte. Die Kultur(en) des kanarischen Archipels befand(en) sich vermutlich noch im ersten Stadium dieses Prozesses, als es noch nicht zu der genannten Dichotomie gekommen war, und dies erklärt, warum die einen Chronisten zu Bezeichnungen wie "Urheber der Schöpfung" (autor de Jo creado) greifen, während bei anderen einfach vom "Teufel" (el demonio) die Rede ist (vgl. Hucanech - Hucancha - Cancha). Diese Desintegration ist wahrscheinlich einem völligen Unverständnis des religiösen Hintergrunds sowie einer folgerichtigen Missinterpretation seitens der Chronisten zuzuschreiben. Zusammenfassung Derart bedeutende Toponyme wie Tenerife haben in den alten Kulturen für gewöhnlich keinen deskriptiven Charakter, vielmehr sind sie oftmals mit dem Namen der lokalen Gottheit auf das engste verbunden - die in unserem Falle Sinnbild für die gesamte Insel ist -, wobei die zugehörige Namenswurzel die Basis für eine Reihe von Gemeinnamen, Adjektiven usw. bildet, mit denen sie irgendwie in Zusammenhang steht. Erinnert sei hier an die Verbindung von Theonymen wie Coor / Goro, Caranicus oder des kanarischem Acoorn /A choron mit dem 'Felsen', dem 'Berg' oder der 'Höhe'23 , wie sie in dem hier gegebenen Fall auch mit ten-o 'Berg' und time 'hoher Steilhang' (risco alto) hergestellt werden könnte. W. Vycichl24 hält eine Ableitung von einer Form * Te-n-erife für denkbar, deren erstes Element te- femininer Artikel wäre, das zweite die Possessivpartikel -n- 'die von' und das letzte ein mutmaßlicher Name wie* Erife. Die Gesamtbedeutung wäre demnach 'die von Erife'; aber ein solcher Name ist weder in der kanarischen Toponymie noch Anthroponymie belegt. Am wahrscheinlichsten ist, dass Tenerife keine präponierte Artikelform beinhaltet. Bekanntlich war der kanarische Artikel vom Nomen trennbar, weshalb er auch in einigen Fällen anwesend ist, in anderen nicht, und alles scheint darauf hinzudeuten, dass die Namen, die mit Ten- oder Tin- beginnen, dasselbe meinen wie die zahlreichen Formen A-ten-, A-tin- sowie auch A- 23 und vielen anderen, wie z. B. mit der 'roten Farbe' (baskisch gom), die, als Gottheit betrachtet, den Sonnenuntergang symbolisiert; mit dem Schwein (goro, guaro, gorrino ... ), einem Tier, das traditionell mit der jenseitigen Welt und seiner Gottheit in Beziehung steht, wenn es nicht gar sein Alter Ego darstellt. Aufgrund dieser Gegebenheiten entsprechen die wortgetreuen Interpretationen zahlreicher Toponyme nicht der Realität. 24 W. Vycichl: "La lengua de los antiguos canarios", in: Revista de Historia XVIII 40 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 chen-, A-chin-, die mit Artikel ausgestattet sind. Eine Bestätigung dieser Vermutung ergibt sich aus der Existenz der Form Achinech(e ), einer Variante von Chinech, dem Namen der Insel, mit dem maskulinen Artikel a-, dem nachfolgenden Eigennamen und einem - vielleicht possessiven - Sufix. Das zweite Element in Tener-ife hat man, wie bereits gesagt, mit dem Adjektiv 'weiß' zu identifizieren versucht, herrührend von einem mutmaßlichen 'weißen / verschneiten Berg' - eine Etymologie, die heute verworfen wird. Andere Thesen sind bemüht, in den Berbersprachen ein Äquivalent zu dem Namen 'Hölleninsel' zu finden, eine Möglichkeit, die nicht von der Hand zu weisen ist. Denkbar ist sogar die Möglichkeit, dass dieses mit 'Hölle' wiedergegebene -erfe, -erifi oder -erife mit dem alten Namen des Erebos (Erepha) 'Finsternis' in Beziehung steht, der gleichbedeutend ist mit Hades oder 'Hölle'. Es ist bezeichnend, dass der griechische Name Erebos von Cicero, in der lateinischen Form Erebus, als Eigennname der Höllengottheit vorgestellt wird, während ihn Vergil als Appellativum für 'die Hölle' gebraucht. Ähnliche Zweideutung ist der Fall mit dem Namen Orkus der sowohl die Unterwelt wie den Unterweltsgott bezeichnet. Auf dieselbe Doppelverwendung stoßen wir bei dem Theonym Acheron, das unterschiedslos auf die Hölle und auf die Höllengottheit angewandt wird. Daher wäre es durchaus nicht verwunderlich, falls auch Tenerife diese Doppelfunktion beinhalten sollte. Der gleiche Radikal ist auch in klassischen Namen wie Eriphosa - eine der Äolischen Inseln - präsent, weiterhin in Eriphia, Name einer Nayade, sowie in Erebinthote, Name einer Insel25 in der Propontis (Plin.) u. a. W Vycichl sucht auch nach einer Möglichkeit, das zweite Element (r-f) von Ten-erife mit der berberischen Wurzelj-r-f'rösten, braten' zu identifizieren, der das Verbum aref entstammt. In der Tashelhit-Sprache bedeutet irifi 'der Durst'. Abercromby (1917) übersetzt Tenenfe als ti-n-irifi lta-n-urif'(das Land) der Hitze' oder '-des Zorns'. Angesichts all dieser Gegebenheiten, die eindeutig auf eine gleichzeitig mit der Höhe und dem Abgrund, dem Feuer wie den unterirdischen Höhlen in Verbindung stehende Gottheit archaischer Charakteristik verweisen, kommen wir zu der Überzeugung, dass viele Toponyme mit der Wurzel Tin- oder Chin, wie Tinet oder Chinech, Tinerfe oder Tenerife usw., nicht nur dem hohen Berg und gleichzeitig der tiefsten Hölle - die sich vermutlich in den Schlünden des Teide befindet - ihren Namen geben, sondern auch dem 'Herrn des Abgrunds', 25 Möglicherweise handelt es sich um eine der zahlreichen 'Inseln der Toten', die im gesamten europäischen Bereich zu finden sind, wie Avalon, Sein oder Antros - letztere auch Cauros /Coros genannt, vgl. das kanarische A-coron, das klassische A-cheron usw. 41 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 der zugleich der personalisierte und vergöttlichte V ulkan selbst ist, gemäß einem überaus verbreiteten Stereotyp, das tief im religiösen Denken des Menschen verwurzelt ist. Beim Anblick der hoch aufragenden Felsen und der abgrundtiefen Schluchten spürte der Kanare das W irken und Walten höherer Kräfte. Es ist daher nur allzu verständlich, dass die Menschen auf diesen Inseln - ebenso wie die Völker in anderen Weltgegenden - in solchen Naturphänomenen die Gegenwart von göttlichen Numina bzw. personal begreifbaren Wesenheiten vermuteten und die betreffenden landschaftlichen Merkmale als eine Materialisierung der Gottheit selbst identifizierten. Allem Anschein nach handelt es sich hier um eine pan-kanarische Gottheit, tief verwurzelt in den alten mittelmeerischen Mythologien. Die Situation zum Zeitpunkt der Ankunft der Europäer auf dem kanarischen Archipel scheint dem Entwicklungsstand einer fortgeschrittenen Akkulturation entsprochen zu haben. Indessen ist bei den Chronisten mit keinem Wort von der großen Muttergöttin die Rede, einer Gottheit, deren überragende Bedeutung und augenscheinliche Vorherrschaft in dem Reichtum an Ikonographie und Symbolik zum Ausdruck kommt, die sich auf die Göttin beziehen und uns in Form von Bildnissen, Petroglyphen, Dekorationen auf Keramikgefäßen, Stempeln usw. überliefert sind. Allerdings könnten einige Beinamen Gottes und der Jungfrau Maria (in kanarischer Sprache), die von den Chronisten verwendet werden, wie z. B. Achguayaxerax 'Erhalter des Himmels und der Erde' (Espinosa) bzw. Atmayceguayaxirax 'Mutter dessen, der die Welt erhält' (Abreu Galindo), auf eine frühe Mutter-Sohn-Relation hindeuten, wenn es sich hier nicht einfach um eine spätere Anpassung an das katholische Dogma handelt. Da aber die Chronisten bekanntermaßen des Kanarischen mitnichten mächtig waren, bleibt die Sache ofen. Die männliche Gottheit vermochte sich demgegenüber besser zu behaupten, und sogar ihr Name blieb erhalten, unzweifelhaft dank späterer, insbesondere islamischer Kultureinflüsse, die die religiöse Vorstellungswelt der Eingeborenen auf eine entsprechende Richtung hin prägten, wobei sie jedoch ausschließlich die himmlische Seite einer alten Gottheit mit doppeltem Aspekt zur Geltung kommen ließen. Der finale Sachstand entspricht dem anderer Kulturen in vergleichbarer Situation, d. h. es wird eine scharfe Trennungslinie zwischen "Göttern", oder einem einzigen Gott, und unterirdischen Gottheiten, oder "Teufeln", gezogen, wobei letztere für gewöhnlich mit den unterworfenen Göttern identifiziert wurden (Charon, Acheron, Gerion, Ahriman ... oder Satan26). 42 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Auf den Kanarischen Inseln muss es zu einer Aufspaltung dieser Art gekommen sein, die sich dann infolge der Christianisierung vollständig durchsetzte. Jedoch ist aus den ersten schriftlichen Berichten über die religiösen Vorstellungen der Kanarier noch eine gewisse Vermengung der Funktionen der beiden Wesenheiten - der himmlischen, guten bzw. der unterirdischen, bösen - abzulesen, eine Konfusion, die sogar bei deren Namensnennung spürbar wird. *** 26 Satan ist im übrigen, mutatis mutandis, namensgleich mit Saturnus ( < etr. Satre oder Sature, Gott der Nacht und des Winters, mit dem Tod der Natur) sowie mit dem ägyptischen Seth (der seinerseits auch der Gott der Wüste und der Sommerdürre ist). 43 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 |
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