Herbert Nowak
DER REGENKULT DER ALTEN HERRENOS,
DIE LOKALISIERUNG DES KULTORTES.
Nach den Darstellungen über die Religion der Urbewohner
der kleinen Kanareninsel El Hierro (L. Torriani
1979, 188 ff.; J. de Abreu Galindo, 1977, 90 ff.; D. J.
Wölfel, 1980, 435; K. A. Wipf, 1982-1983, 91 ff.) könnte
man dieses Thema als genügend vorgestellt und erläutert
betrachten, es sei denn, dass neue Erkenntnisse es erforderlich
machen, dass es neu auf gegriffen wird. Dies wird
aus mehrfachen Gründen früher oder später immer wieder
geschehen müssen, da noch zu viele Fragen offen bzw.
nicht richtig beantwortet zu sein scheinen.
Einer der offenen Punkte ist die Lokalisierung jenes
Gebietes, in dem die Verehrung der beiden Idole - Moneiba
und "era"Oranhan - und die Regenzeremonie stattfand.
Mit diesem Thema haben sich im Laufe der Zeit
mehrere Autoren befasst, ohne sich näher zu kommen. Die
Lokalisierungen liegen generell entweder im Norden bzw.
im Süden der Insel, lediglich H. Nowak (1970) und U. und
A. Reifenberger ( 1986) verlegen besagte Örtlichkeit in den
Westen der Insel bzw. nach El Julan. Doch damit wollen
wir uns etwas später auseinandersetzen.
Um den Leser mit der Regenzeremonie und den
darin vorkommenden altkanarischen Worten vertraut zu
machen und Nachschlagearbeit zu ersparen, soll die Darstellung
des Chronisten J. de Abreu Galindo in der Übersetzung
von K. A. Wipf ( 1982-1983, 51 ff.) wiedergegeben
werden.
Abreu Galindo ( 1977, 90, 21 ff.) schreibt: "Und wie
der hauptsächliche Lebensunterhalt der Herrenos ihr Vieh
war, so hätte Wassermangel sie nicht für die Saat in
Angst versetzt, wohl aber ängsteten sie sich um die Triften
und die Weiden für ihr Vieh. Und so, wenn sie sahen,
dass das Wasser im Winter ausblieb, versammelten sie sich
in Be n t ayc a , wo sie glaubten, dass ihre Idole seien. Sie
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hielten sich ohne zu essen drei Tage um jene grossen Felsen
auf. Sie hungerten und weinten und das Vieh blökte,
und sie schrien zu ihren Götteridolen, dass sie ihnen
Wasser senden möchten".
Das Weinen der Menschen und das Blöken der hungernden
und durstenden Tiere sollte die Götter-Idole rühren
und Regen senden. K. A. Wipf sieht im Weinen einen
sympathiemagischen Akt, im jämmerlichen Blöken und
Schreien der Tiere ein Unterdrucksetzen des Himmels,
denn am Tod der Tiere wären die Götter schuld, nicht die
Menschen.
Abreu Galindo ( 1977, 91 ff.) setzt dann fort: "Wenn
es trotz dieser Bemühungen nicht regnete, ging einer der
Eingeborenen, den sie für heilig hielten, in das Gebiet und
zu dem Ort, den sie T a c u y t u n t a nannten, wo sich
eine H öhle befindet, die sie A s t e h e y t a hiessen, und,
nachdem er hineingegangen war und die Götteridole angerufen
hatte, kam von drinnen ein Tier in Gestalt eines
männlichen Schweines heraus, das sie Aranfaybo nannten,
was übersetzt 'Vermittler' heisst, weil jene Heiden,
da sie sahen, dass sie aufgrund ihrer Bitte nicht das
erhielten, worum sie baten, einen Vermittler dafür suchten.
Diesen Aranfaybo, der der Teufel war, hielten sie an
Stelle eines Heiligen. Er war ein Freund des Eraoranzan.
Sobald es (das Schwein) herauskam, nahm er (der Schamane)
es und trug es unter dem Mantel dorthin, wo die
meisten mit ihrem Vieh um jene grossen Felsblöcke versammelt
warteten. Alle gingen, indem sie Schreie und
Worte ausstiessen, in einer Prozession um jene beiden Felsen
herum, und er trug das Schwein unter dem Mantel.
Da der Teufel ein grosser Zauberer bezüglich natürlicher
Dinge ist, begann es zu regnen, denn sie waren durch
ihre Verehrung blind. Wenn der, der das Schwein trug,
sah, dass mehr Wasser nötig war, hielt er den Teufel bei
sich zurück, und wenn es ihm schien, dass es das Notwendige
geregnet habe, liess er es (das Schwein) los und es
kehrte unter den Augen aller in seine Höhle zurück."
Beschäftigen wir uns hier kurz mit den wichtigsten
Namen, die uns die Chroniken überlieferten und beginnen
wir mit dem Komplex der Religion, d.h. mit dem beschrie-
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benen Regenkult. Dieser wurde bei zwei Felsen ausgetragen,
die Sitz der männlichen und weiblichen Gottheit
waren.
Eraoranhan, mit allen Schreibvarianten wie Eranoranhan,
Eraoranzan, Erahoranhan usw., war der Name des
Gottes der Männer. Eine an sich einfache Sache, da wir
Gottesnamen wie Orahan von anderen Inseln überliefert
haben. Problematisch ist, wie Wölfel festhält, nur das
"era-":
"Der Unterschied <zu Oranhan> aber besteht offenkundig
in der Vorsetzung oder Nichtvorsetzung des Präfixes
era-, das uns in dieser Form, häufiger aber als ara-,
ar- vielfach im kanarischen Sprachmaterial belegt ist, ohne
allerdings in seiner Funktion oder Bedeutung geklärt
werden zu können" (Wölfel, 1965, 437).
Es ist meines Erachtens möglich, das Problem mit
dem in Funktion und Bedeutung "unbekannten Präfix" zu
lösen.
Stellen wir uns die Situation des Chronisten (Abreu
Galindo oder Torriani) und seines Berichterstatters vor.
Der Berichterstatter war ein in Hierro lebender Mensch,
ein guter Christ und vertrauenswürdig genug, um den
Chronisten über die heftig bekämpfte "heidnische" Zeit zu
berichten. Und vergessen wir dabei nicht, dass wir von einer
Zeit mindestens 180 Jahre nach der Conquista reden.
Der Chronist selbst war ein hochangesehener Mann,
im Falle Torrianis schrieb er einen Bericht für König
Phillip II. Es war also eine Begegnung zwischen einem
Hochangesehenen und einem, wenn wir es so nennen wollen,
Mindereren. Aber nicht nur der soziale Stand war eine
Barriere zwischen diesen beiden, sicherlich auch die
Sprache, und natürlich noch die ganze' Problematik des
Übertragens der altkanarischen Namen in das Spanische -
die der Berichterstatter sicherlich auch wieder nur so
wiedergab, wie sie ihm berichtet worden waren.
Über diese Fehlerquellen schreibt D. J. Wölfel ausführlich
und zeigt auf, dass Schreib- und Lesefehler ebenso
üblich sind wie orthographische und Hörfehler (D. J.
Wölfel, 1965, 17 ff.). So werden "b" und "v" regelmässig
willkürlich falsch angewandt, vielfach dafür ein "u" ge-
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schrieben. Bei Berücksichtigung all dieser Fehlermöglichkeiten
wäre ein simpler Hörfehler schon die Lösung für
das "era-" vor dem "oranhan". Es ist sicherlich möglich,
dass aus einem berichtetem " ... y su dios era oranhan",
" .•. und ihr Gott war Orahan", ein falsch verstandenes
und hingeschriebenes " ... y su dios eraoranhan", das
heisst " ••• und ihr Gott Eraoranhan ... ", wurde. Ich meine
damit, dass in dieser oder einer anderen Spielart der
Eraoranhan entstanden ist.
Dazu kommt noch, dass Abreu Galindo und Torriani
etwa um die gleiche Zeit in Hierro waren, daher sicherlich
den gleich Berichterstatter hatten, denn beide, die zu
den primären Quellen zählen, liefern den männlichen Gott
Oranhan als "Eraoranhan". Wenn sie schon nicht den gleichen
Berichterstatter hatten, so vielleicht eine uns heute
unbekannte schriftliche Quelle? Wohl den gleichen Informanten,
der beim einmal gehörten Eraoranhan verblieb und
nur mehr Flüchtigkeitsfehler machte, wenn er einmal
Eraorahan, Eraoranhan, Eraoranzan, Erahoranhan schrieb
oder sagte. Jedenfal ls heisst Oranhan "Gott", und dieses
Wort haben wir auch für andere Inseln belegt.
Die Göttin der Frauen war Moneiba mit den Variationen
Moneyba, Moreyba, Moreiba, Moheyra, Moheira.
Wobei noch festzuhalten ist, dass wir sowohl bei Torriani
wie Abreu Galindo "moneiba" haben, während die anderen
Namen bei den späteren Kompilatoren auftauchen. Paral lelen
in Vergleichssprachen zu Moneiba fand Wölfe} nicht
(Wölfe}, 1965, 438), doch ist Moneiba eine Stammesmutter,
viel leicht zu einer chthonischen Gottheit aufgehöht,
also einer Gottheit der Erdtiefe, was nicht schlecht zur
Virgen de los Reyes passen würde, die von den Hirten in
einer Höhle aufbewahrt wurde, in einem Berg, der Montafia
de la Virgen, und dort in einer Höhle, der Cueva del
Caracol. Doch zu diesem Thema kommen wir später.
Aranfaibo war ein Dämon in Gestalt eines Schweines,
und diese Aussage dürfen wir nicht vergessen. Torriani
schreibt aussdrücklich und wörtlich " ••. il demonio
in figura di porco ..• ", " ••• ein Dämon in Gestalt eines
Schweines ••• ". Auch Abreu Galindo ist eindeutig "buscaban
medianero para ello, y a este aranfaybo, que era el
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demonio", "(sie) suchten einen Vermittler für sie, und
dieser aranfaybo, der war der Dämon". In der Gestalt
dieses Tieres, eines Schweines, trat also ein Vermittler
zwischen den Menschen und den Göttern auf. Wölfe} hält
fest, dass im megalithischen Ahnenkult tatsächlich das
Tier die Rolle des "Vermittlers", des "Boten", mit und zu
den Ahnengeistern spielte (Wölfe}, 1965, 439). Damit ist
die Rolle des Aranfaibo abgesichert, wenngleich der Name
selbst sprachwissenschaftlich nicht zu verfolgen war.
Der vorgenannte "medianero", "Vermittler, Bote",
lebte in einer Höhle mit Namen asteheyta, auch abstenehita
usw., und diese Höhle befand sich in einem Gebiet
namens T a c u i t u n t a . Varianten dazu sind wie immer
zahlreich: tacuytunta, tacuentunta, taguasunte, taguacinte,
taguatunta usw., wobei wiederum festzuhalten ist, dass
Abreu Galindo und Torriani sich kaum unterscheiden: tacuitunta,
tacuytunta.
Eine Örtlichkeit namens tacuitunta ist also in den
Regenkult eingeschlossen, und vergessen wir dabei nicht,
dass dieser Regenkult mit "era-"Oranhan und Moneiba,
der Höhle Abstenehita und dem Vermittler Aranfaibo in
einem Gebiet stattfand das B e n t a y c a hiess.
Wenden wir uns also dem Wort t a c u i t u n t a zu
und zitieren wir dabei Wölfe}, der sich auf Menendez Pelayo
beruft, denn dieser wies darauf hin,
11 ••• dass jene Kultorte der Kanarische Inseln, wo die
Eingeborenen eine gewisse Regenzeremonie vornahmen, ursprünglich
den Namen baladero 'Ort des Blökens' hatten,
der später, als man den Zusammenhang nicht mehr
verstand, in bailadero 'Tanzplatz' abgeändert wurde. Die
Zeremonie bestand darin, dass man Mutterschafe und
Lämmer voneinander trennte, um durch das jämmerliche
Blöken der Tiere das Ohr der Gottheit zu rühren, so dass
sie Regen sandte. Tacuitunta war bestimmt ein solcher
baladero, und da doch anzunehmen ist, dass das Wort nur
die spanische Übersetzung des Eingeborenenwortes ist,
könnte man diese Bedeutung in dem Wort vermuten. 11
Die berberischen Worte für 'blöken' sind: agwa/ijwa
'beler' Ghat Nehlil; zua/zugua 'beler' Berrian; zukk a
Thems. Rif; ezeggu 'beler (brebis)' Senua. Wenn wir ta-
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kwuntu-n-ta ansetzten dürfen, dann wäre wohl die richtige
Übersetzung 'baladero' = Ort des Blökens (Wölfel,1965,
453). Es ist naheliegend, dass wir uns mit der Lokalisierung
der Örtlichkeit dieser Regenzeremonie befassen, denn
wir haben dazu schon mehr gewonnen, als es vielleicht im
Augenblick noch aussieht.
Es gibt natürlich einige Publikationen, die den von
den Chronisten geschilderten Regenkult in ganz andere
Gebiete verlegen als wir es tun werden. Und darauf müssen
wir vorerst eingehen.
Abreu Galindo schreibt in seiner Chronik über die
Örtlichkeit des Kultes, dass die beiden Felsköpfe von
era-Oranhan und Moneiba " ... estan en un termino que
llamaban Bentayca, que hoy llaman los Santillos de los
Antiguos; •.• "; d.h., dass sich die Felsköpfe in einem Gebiet
befinden, das Bentayca genannt wurde und das heute
(zur Zeit der Niederschrift der Chronik) "Die kleinen Hiligen
der Alten" heisst.
Wenig Mühe macht die Lokalisierung dem verdienten
Chronisten EI Hierros, Don Dacio Dar1as y Padr6n in seinem
Buch "Noticias generales hist6ricas sobre la Isla del
Hierro" (1929). Den Bentayca legt er in die Lomos de la
Villa auf den Bentegis, oberhalb von Valverde; die Höhle
Asteheyta war, wie er schreibt, entweder im Barranco de
Tejeleita, unterhalb von Valverde in Richtung La Caleta,
oder im Teneseita unterhalb von Mocanal (J. Alvarez Delgado,
1945, 409).
Dieser Version schliesst sich Maria de la Cruz Jimenez
G6mez an ( 1982, 13; 1985, 33), die die Örtlichkeiten
in der Nähe von Valverde sieht.
In einer sprachwissenschaftlichen Analyse erklärt
jedoch J. Alvarez Delgado, dass Benteg1s (oberhalb von
Valverde) nicht der Bentayca sein kann. Er verweist auf
eine Örtlichkeit südlich von El Pinar am Westfuss der
Montana Tembargena, die unter dem Namen "El Cercado
de los Santillos" bekannt ist. Er stellt damit die Verbindung
zu den "Los Santillos des los Antiguos" her, denn es
gibt dort zwei Felsen, drei bis vier Meter hoch, wie sie
auch von Abreu Galindo beschrieben wurden.
Mit "Tacuitunta" und "Asteheita" hat Alvarez Del-
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gado seine liebe Not und vermag trotz anstrengender Analyse
wenig zu erbringen. Dafür aber berichtet er von einer
"Cueva del Santo", einer "Höhle des Heiligen" in EI
Julan in einem Gebiet oberhalb, aber doch unweit der
Felsinschriften Los Let reros. Dieser Heilige ist heute San
Anton Abad, der Schutzpatron von Taibique. Es bleibt die
Frage, ob an dieser Höhle eines Heiligen nicht eine alte
Tradition gebunden ist und sie erst ab der Christianisierung
zur Höhle des christ lichen Heiligen wurde (Alvarez
Delgado, 1945, 408 ff; 1946, lOff.).
Ausführlich befasst sich L. Diego Cuscoy (1947, 157
ff.) mit "La Cueva de los Santillos". Seine Ausgrabungen
bringen Basaltklingen und Tonscherben an den Tag. Für
Wohnzwecke war die Höhle jedoch nicht geeignet, wohl
fand man teils angebrannte Knochen von Ziegen und Schafen
wie auch Muscheln. Mit diesem Hinweis auf Reste
von Nahrungsmitteln wäre diese Örtlichkeit als Platz
für die Regenzeremonie schon auszuscheiden, denn Abreu
Galindo (1955, 91) berichtet, dass die Menschen "estaban
sin comer tres dias, ..• ", also bei den Felsen drei Tage
ohne zu essen ausharrten. Und zudem berichten ja die
Chronisten, dass den beiden Idolen - Moneiba und Orahan
- keine Opfer gebracht wurden.
U. und A. Reiffenberger (1986) bringen die Anlage
um den "Tagoror" in El Julan als möglichen Platz für die
Regenzeremonie ins Gespräch. Ihrer Analyse wäre einiges
abzugewinnen, da sie erhellender ist als alles bisher dagewesene,
doch stören die beiden grossen Concheros (Muschelhaufen),
die auf reichliche Nahrungsnahme hinweisen,
doch erheblich. Selbstverständlich jedoch erbringt ihr Befund,
dass es an mehreren Stellen in EI Julan zu Brandopfern
kam. Im übrigen soll auf EI Julan zu einem späteren
Zeitpunkt in einer eigenen Studie zurückgekommen werden.
Somit liegt es nun an mir, die Lokalisierung, die
mir doch schlüssig erscheint, vorzulegen. Und dazu müssen
wir in den äussersten Westen der Insel, in die Dehesa zur
Ermita de la Virgen de los Reyes, also zur Einsiedelei der
Jungfrau der Heiligen Drei Könige, zur Jungfrau Maria,
der Schutzherrin der Insel. Dort angekommen gilt es
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folgendes festzuhalten:
Am 6. Jänner 1546 tauschten Hirten der Dehesa eine
Marienstatue von einem Schiff ein, das nach Kuba unterwegs
war, aber in einer Flaute bei der Punta de Orchilla
vor Anker lag. Sie gaben dafür Käse, Milch und
Wol le. Da es der 6. Jänner, der Festtag der Hei ligen Drei
Könige, de los Reyes, war, bekam diese Marienfigur den
Namen "Jungfrau der Heiligen Drei Könige", "Virgen de
los Reyes".
Die Hirten brachten die Marienstatue in die Höhle
eines Berges, der heute noch "Montaia de la Virgen"
heisst, genauso heisst die Höhle heute noch "Cueva de la
Virgen". In dieser Höhle wird heute noch ein mit Blumen
geschmücktes Bild der Virgen verehrt, obwohl die Statue
der Madonna schon längst in der kleinen Kirche, der "Ermita
de la Virgen de los Reyes" steht.
Die Cueva de la Virgen heisst aber auch Cueva del
Caracol, Höhle der Schnecke. Der Name kommt aber sicherlich
n i c h t von diesem Tier, sondern von Spirale, die
einfach gezeichnet die Form einer Schnecke hat.
Dazu eine Begebenheit aus dem Norden von La
Palma in der Gegend von San Antonio del Monte, als wir
bei einem Fundplatz mit spiralförmigen Petroglyphen sassen.
Mit uns war ein alter Mann. Ich sagte zu ihm, dass
immer dort, wo Wasser ist, Spiralen graviert wären. Er
erwiderte darauf: "Nein, Senor, das ist falsch! Die Spiralen
sind nicht dort, wo Wasser ist. Das Wasser ist dort,
wo Spiralen sind!" (Nowak, 1985, 12).
Wenn also die Spirale Wasser bedeutet und wenn
diese Aussage auch für die Hirten von El Hierro zutrifft,
und nichts spricht dagegen, dann ist verständlich, warum
eine Spiralgravierung in einem Wasserdepot (aljibe) in El
Julan eingemauert wurde. Im November 1985 fanden wir in
einem neuen aljibe, d.h. im dreieckigen "Fenster" dieses
Wasserdepots, eine Spiralgravierung eingemauert. Die
Steinplat te mit dieser Gravierung, so wie alle Steinplatten
des aljibes, wurden unweit davon aus einem glatten Lavastrom,
ähnlich den Los Let reros, gebrochen. Es war dies
sicherlich eine unbekannte Fundstelle von Felsgravierung,
deren Platten zur Mauerung verwendet wurde, nur die Fels-
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platte mit der Spirale ( = "Schnecke" "caracol") wurde als
"wasserbringendes" Symbol sichtbar eingemauert.
Die Bedeutung dieser Hirtenmadonna als Göttin des
Wassers geht aus den weiteren geschichtlichen Daten hervor.
Anlässlich der grossen Trockenheit im Jahre 1614
trugen die Hirten die Madonna nach Valverde - also in
einer Prozession, ähnlich der von Abreu Galindo berichteten,
als der Vermittler Aranfaybo um die beiden Idolsitze
getragen wurde, um Regen zu erbitten -, um dieses Unheil
abzuwenden.
Im Jahre 1740 wurde die Virgen im Auftrag des
Cabildos nach Valverde getragen. Aber schon 97 Jahre
vorher, am 24.12.1643, bekam die Hirten-Madonna bereits
den offiziellen Titel "Titularpatronin der Wasser, die dieser
Insel so sehr mangeln, und der Heuschreckenplage",
"Patrona titular de las aguas, que tanto carece esta isla y
de la langosta".
Im Jahre 1741 wurde angeordnet, dass alle vier Jahre
die Jungfrau Maria von der Dehesa nach Valverde
getragen werden soll. Somit kam es am 6. Mai 1745 zur
ersten sogenannten "Bajada de la Virgen" im Vier-JahresRhythmus.
Der Aufstieg der in der "Spiral "-Höhle untergebrachten
Hirtenmadonna Maria zur Wassergöttin dauerte
also, wie schon gesagt nur 97 Jahre. Erinnern wir uns,
dass Wölf el Moneiba, die "Göttin" der Frauen, als zur
c h t h o n i s c h e n G o t t h e i t , als eine Göttin der
Erdtiefe, erhöht ansah. Und die Jungfrau Maria kam in eine
Höhle des Berges der Moneiba, trat also voll in die
Funktion Moneibas ein, mit der sie identifiziert wurde.
Dass beide Namen, Moneiba und Maria, mit einem M beginnen,
ist sicherlich nur zufällig.
Mit dieser Darstellung der Göttin Moneiba und Gottesmutter
Maria, also der Örtlichkeit des Wirkens der
Virgen Maria, haben wir den ersten und wohl schon entscheidenden
Schritt zur Fixierung der Lokalität der
Regenzeremonie getan.
Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt, dass
neben der Montana de la Virgen ein zweiter Berg glei-
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eher Form sich befindet, wohl der, auf dem "era-"Oranhan
von den Männern verehrt wurde. Und im Einschnitt
zwischen diesen beiden Bergen, einen Steinwurf weit von
jedem entfernt, liegt heute die Ermita.
Bei der "Fiesta de los Pastores", dem "Fest der
Hirten", Ende April jeden Jahres, wird die Virgen aus der
Ermita heraus und um die Montana de la Virgen herumgetragen.
Vor der Cueva del Caracol, also jener Höhle, in
der sie in der ersten Zeit ihres Hierseins auf El Hierro
wohnte, wird angehalten. Man lässt die Madonna in ihre
alte Höhle und auf ihr dort befindliches mit Blumen geschmücktes
Bild blicken. In diesem Augenblick scheint die
Jungfrau Maria mit der alten chtonischen Göttin Moneiba=
Maria - auf deren Abbild sie blickt, wieder eins zu
werden. Schliesslich wird die Jungfrau Maria wieder in ihre
kleine Kirche zurückgebracht, während das Abbild Marias
in der Höhle verbleibt, die nach dem Fest wieder fest
verschlossen wird.
Einen weiteren Schritt zur Lokalisierung lässt uns
der Name Bentayca tun. Eine der Fehlerquellen im Spanischen
war die Verwechslung von B und V. Einen besonders
wertvollen Hinweis gibt uns Wölfel ( 1965, 23, § 30).
Die Schlussfolgerung dieses Abschnittes ist wörtlich: " .•.
Daraus erklärt sich ein Wechsel von y und in den
Schreibungen kanarischer Worte".
Wir haben nun in der Dehesa, etwa eine Wegstunde
von der Ermita de la Virgen entfernt einen 1216 m hohen
Berg, die Montafia Ventejea. Sie blickt in die Dehesa und
ist einer der Berge im Steilabfall zum mehr als 1000 m
tief er gelegenen Golfo.
Nehmen wir diesen Bergnamen und die gesicherten
Verschreibungen von "V" und "B" und von "j" und "y", so
erhalten wir
Ventejea
Benteyea
Wir brauchen lediglich im dritten "e" von Ventejea ein
falsch kopiertes "c" anzunehmen und der
Benteyca Bentayca
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liegt vor uns. Bei den tausenden Verschreibungen und Varianten
altkanarischer Worte, wie sie uns Wölfel in seinen
Monumenta Linguae Canariae zeigt, ist diese Analyse weder
kühn noch unmöglich, vielmehr auf dem Boden des real
Möglichen zu sehen.
Wir haben aber noch ein anderes Beweisstück parat,
und zwar das Wort
tacuitunta,
den alten baladero, Ort des Blökens. Erinnern wir uns,
dass Wölfel in seiner Wortanalyse letzlich
ta-kwutu-n-ta
ansetzte. Sicherlich würde jedermann, der dieses Wort hört
und niederschreiben soll, mehr oder weniger ein
tagutunta
festhalten. Und genau so heisst eine Örtlichkeit, etwa
zwischen dem Bentayca/Ventejea und der Ermita der Virgen
gelegen, und unweit der Montafia de las Cuevas, dem
Berg der Höhlen.
Halten wir noch einmal fest, was Abreu Galindo
(1955, 91) über die Regenzeremonie berichtet: Wenn
nach dreitägigem Fasten der Regen nicht eintraf, ging einer,
den sie für einen Heiligen hielten, in das Gebiet namens
T a c u y t u n t a • Dort ist die Höhle Asteheyta, in
der Aranfaibo hauste.
Die zur Örtlichkeit Tagutunta gehörige Höhle finden
wir in der Montafia de las Cuevas, wenngleich es unterhalb
von Tagutunta auch die eine oder andere Höhle
gibt. Die Montana de las Cuevas liegt etwa in der Mitte
des Weges zwischen Tagutunta und der Montafia de la
Virgen, die jeweils vielleicht eine Viertelstunde Fussweges
voneinander entfernt sind.
Nach der Lokalisierung des von Torriani und Abreu
Galindo vermittelten Regenkultes muss noch darauf hingewiesen
werden, dass es auf El Hierro natürlich weitere
Belege für religiöse Handlungen bzw. Hinweise auf solche
gibt. Denken wir nur an die Brandopferöfen in El Jul an
und an der Küste bei Sabinosa, den heiligen Baum Garoe
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oder den Bailadero de las Brujas, den ''Tanzplatz der Hexen",
der sich hoch oben in den Bergen, kurz bevor die
Strasse in den Golf abfällt, befindet. Nicht zu vergessen
den Barranco de Taguacinte bei Mocanal, dessen Name
recht gut in die Wortreihe von tacuytunta, tacuentunta,
taguatunta und taguacunte passt (taguacinte, siehe Seite
131).
Der "Bailadero de las Brujas" war sicherlich ein
"baladero", ein "Ort des Blökens", also ein Platz für Regenzeremonien,
und sicherlich waren es einheimische
Frauen, die nach der Christianisierung für ihr "heidnisches"
Tun als Hexen bezeichnet wurden. Die christliche
Lehre hat sich sicherlich nur sehr zögernd verbreiten können.
So bedurfte es einiger Interventionen der Priester,
dass die Madonnenstatue aus ihrer Höhle herauskam.
Doch all diese Pressionen nützten jedoch letztlich
wenig, die heidnische Moneiba kam in der Jungfrau Maria
wieder und ist heute noch immer die Schutzherrin ihrer
Insel, an die sich die Menschen in ihrer Not und mit ihrer
Verehrung wenden.
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