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Die geographische und archäologische Situation
Lanzarote ist die nordöstlichste der sieben großen Kanarischen Inseln
(Fläche: 862 km2, höchste Erhebung: Pefias del Chache 671 m) und verfugt
geologisch gesehen über einen rein vulkanischen Aufbau mit zum Großteil
stark verwitterten Basalten: im Norden das Famara-Guatifay-Massiv mit seinem
abrupten Abfall an der Westküste, im Süden das Ajaches-Gebirge, dazwischen
eine Kette quartärer Vulkane (Mfia. Guatisea usw.) und das aus
Karbonatsanden bestehende Dünengebiet "EI Jable". Subrezent ist die Mfia.
Corona im äußersten Norden und das dazugehörende Brachland "Malpais de
la Corona". Geschichtlich dagegen (1730-36) ist das im Westteil gelegene
Ausbruchsgebiet der Mias. del Fuego ("Feuerberge") rund um den Vulkan
Mfia. Timanfaya (genaue Beschreibung bei ULBRICH 1990b). Den äußersten
Süden bildet ein "El Rubic6n" genanntes Flachland mit dem isolierten
Vulkan "Mfia. Roja".
Das Klima kann als ausgeglichen mit wüstenhafter Tendenz bezeichnet
werden mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von rund 21 • C, wobei
auf Lanzarote durch die Nähe zum afrikanischen Kontinent die Temperaturschwankungen
größer und die Niederschläge niedriger sind, als auf den
Westinseln. Im Sommer können gelegentlich Hitzeeinbrüche aus der Sahara
auftreten, die auch erheblichen Staub mit sich bringen. Die durchschnittliche
jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 135 mm mit den stärksten Regenf'allen
in den Wintermonaten November bis Januar. Der Wind weht meist kräftig von
Nordost (Passat). Im Hinblick auf eine möglicherweise schon im ausgehenden
4. Jahrtausend v.Chr. einsetzende Besiedlung Lanzarotes kan jedoch
von vor- und frühgeschichtlichen Wetterverhältnissen ausgegangen werden,
die ähnlichen Klimaschwankungen unterworfen waren, wie die der Sahara
(z.B. die postneolithische Feuchtperiode in den letzten 1500 Jahren der v orchristlichen
Ära); zeitweilig wirkte also ein feuchteres Klima als heute.
Die Vegetation sieht oberflächlich betrachtet arm aus und scheint besonders
im Sommer nur aus wenig attraktivem halophytischem und xerophytischem
Buschwerk zu bestehen. Tatsächlich sind es aber rund 600 höhere
Pflanzen, die besonders in den Monaten Februar bis Mai nach einem
regenreichen Winter zu beobachten sind. Es handelt sich zum Großteil um
Arten, die aus mediterran-nordafrikanischen Gebieten stammen, und zum
kleineren Teil um Endemiten. Der von den Westinseln bekannte Kiefernwald
existiert auf Lanzarote nicht; doch der Lorbeerwald mit seinen typischen
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Abb.1
LANZAROTE
Maßstab 1: 430.000
Punta de l'apagayo
•
Mancha
Blanca
Masdache
•
•
Testelna
w
Mozaga
•
TEGUISE
MftL
Guenla
A
• Zonzamas Tahlche
. : . .
S. BARTOLOM
Atla ntik
Pflanzenassoziationen soll noch im letzten Jahrhundert auf den Pefias del
Chache in bescheidenen Resten zu beobachten gewesen sein (BOLLE 1893).
Die I nsel dürfte also zur Zeit der Conquista ( 1402) bedeutend grüner ausgesehen
haben, erst recht natürlich zur Zeit der Erstbesiedlung. Der Getreideanbau
der lanzarotischen Ureinwohner wird als sehr fruchtbar beschrieben
(BOUTIER & LEVERRIER 1405). Wie so oft war es aber nicht das Klima,
das die ökologisch gravierendsten Veränderungen hervorrief, sondern der
Mensch mit seinem Holzbedarf, mit seiner L andwirtschaft und seinen Haustieren.
Vor allem natürlich die Beweidung durch Ziegen, die auf Lanzarote
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schon mit den Ureinwohnern begann, hat der Vegetation großen Schaden
zugefügt. Bereits Andres Bernaldez, Zeitgenosse und Chronist der Katholischen
Könige Ferdinand und Isabella, stellte vor nahezu 500 Jahren fest, daß
Ziegen und Schafe auf Lanzarote jeglichen Baumwuchs verhindern würden.
Auf eine Darstellung der lanzarotischen Fauna kann im Zusammenhang
mit dem vorliegenden Thema verzichtet werden (siehe dazu: J.J. Bacallado
Aränega [ direc. ], Fauna marina y terrestre del archipielago canario. - EDIRCA,
Las Palmas de Gran Canaria 1984, 356 S.).
So gut Lanzarote in naturwissenschaftlicher Hinsicht untersucht ist, so
wenig ist bisher auf dem Gebiet der prä- und protohistorischen Forschung
(besonders hinsichtlich Ethnologie, Archäologie und Anthropologie) erfolgt
und so lückenhaft sind unsere diesbezüglichen Kenntnisse. Zusammenfassungen
bieten BALBfN BEHRMANN et al. (1985), T EJERA GASPAR &
GONZALEZ ANTÖN (1987: 127-138) und CABRERA PEREZ (1989). Die
erste deutschsprachige Übersicht erschien bei NOWAK (1977, 1978). Die
soziale Struktur der lanzarotischen Ureinwohner behandeln besonders
CABRERA PEREZ (1985 und 1987) und PEREZ SAAVEDRA (1989). Zur
Gesamtsituation der Altkanarierforschung siehe ULBRICH (1989a).
Trotz zahlreicher Siedlungsspuren der Ureinwohner wurden bis jetzt
nur an zwei Stellen Ausgrabungen vorgenommen (Zonzamas bei Tahiche und
EI Bebedero bei Tiagua; die Ausgrabungen von Teguise betrefen wahrscheinlich
schon spanische Zeiten), die im Fall des eminent wichtigen Zonzamas
noch nicht abgeschlossen sind bzw. seit sieben Jahren ruhen. Kaum untersuchte
Skelettfunde liegen nur von drei Lokalitäten vor (Mfia. Guanapay, Abri
bei der Mfia. Mina und Cueva Chifletera bei El Golfo; weitere Skelettfunde
bei Teguise sind als post-conquista einzustufen). Parallelen zu den gefundenen
Artefakten (Keramik, Kleinplastiken, Schmucksteine, Reibsteine usw.)
wurden bislang zu einseitig im altberberischen Bereich gesucht; dies trift
auch auf die für Lanzarote einmaligen "Queseras" zu (siehe Kap. 2d). Eine in
Zonzamas (Teguise) gefundene Kleinplastik einer sitzenden Magna Mater
deutet auf zusammenhänge mit mediterranen Kulturen hin (Abb. 2).
Amphorenfunde an der Küste von Arrecife (Lanzarote) und Graciosa wurden
noch nicht erschöpfend klassifiziert; ihre Zuteilung zu antiken Formen kann
nur als vorläufig betrachtet werden, mittelalterliche spanische Formen sind
nicht auszuschließen.
Die auf Lanzarote relativ reichlich vorhandene Felsbildkunst der
Ureinwohner ist nur teilweise und verstreut in der Fachliteratur beschrieben
(und vielfach falsch und/oder mit falschem Blickwinkel abgebildet). Eine
detaillierte Bestandsaufnahme aller Felsbild-Fundstellen einschließlich Re-
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produktionen existiert trotz der spezifischen Arbeiten von LEÖN HERNANDEZ
(1990), LEÖN HERNANDEZ et al. (1982, 1988), CORTES
V AZQUEZ ( 1985) und BELT RAN MARTiNEZ ( 1981) nicht. Besonders die
bisher publizierten Abbildungen stellen nicht den bekannten Korpus dar. Einige
der vielen Fundstellen sind nur durch im Museo Arqueol6gico "Castillo
de San Gabriel" (Arrecife) ausgehängte Zeichnungen beschrieben. Es ist
deshalb Absicht des Autors, einen weitgehend kompletten Überblick über die
Fundstellen und die Typologie der Felsbilder zu geben, verbunden mit der
Darstellung einiger Neufunde und relevanter historischer Erkenntnisse.
Die Reproduktionen dieses Aufsatzes beruhen auf Feldforschungen,
die jeweils im Herbst 1989 und 1990 auf Lanzarote durchgeführt wurden.
Durch die planmäßig für Ende 1991 vorgesehene Herausgabe dieses zweiten
Teils des Jahrbuches Almogaren XXI/1990 konnten noch einige Fundstellen
aufg enommen werden, die im Juni 1991 untersucht wurden.
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Abb. 2 Anthropomorphe Kleinplastik von der Fundstelle Zonzamas (T eguise, Lanzarote),
deutbar als mediterrane Magna Mater (Zeichnung aus DUG GODOY 198).
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