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ALMOGAREN XLI/2010MM23 ALMOGAREN XLI/2010 IC ICDIGITAL Separata XLI-3 24MMALMOGAREN XLI/2010 ICDIGITAL Eine PDF-Serie des Institutum Canarium herausgegeben von Hans-Joachim Ulbrich Technische Hinweise für den Leser: Die vorliegende Datei ist die digitale Version eines im Jahrbuch "Almogaren" ge-druckten Aufsatzes. Aus technischen Gründen konnte – nur bei Aufsätzen vor 1990 – der originale Zeilenfall nicht beibehalten werden. Das bedeutet, dass Zeilen-nummern hier nicht unbedingt jenen im Original entsprechen. Nach wie vor un-verändert ist jedoch der Text pro Seite, so dass Zitate von Textstellen in der ge-druckten wie in der digitalen Version identisch sind, d.h. gleiche Seitenzahlen (Pa-ginierung) aufweisen. Der im Aufsatzkopf erwähnte Erscheinungsort kann vom Sitz der Gesellschaft abweichen, wenn die Publikation nicht im Selbstverlag er-schienen ist (z.B. Vereinssitz = Hallein, Verlagsort = Graz wie bei Almogaren III). Die deutsche Rechtschreibung wurde – mit Ausnahme von Literaturzitaten – den aktuellen Regeln angepasst. Englischsprachige Keywords wurden zum Teil nach-träglich ergänzt. PDF-Dokumente des IC lassen sich mit dem kostenlosen Adobe Acrobat Reader (Version 7.0 oder höher) lesen. Für den Inhalt der Aufsätze sind allein die Autoren verantwortlich. Dunkelrot gefärbter Text kennzeichnet spätere Einfügungen der Redaktion. Alle Vervielfältigungs- und Medien-Rechte dieses Beitrags liegen beim Institutum Canarium Hauslabgasse 31/6 A-1050 Wien IC-Separatas werden für den privaten bzw. wissenschaftlichen Bereich kostenlos zur Verfügung gestellt. Digitale oder gedruckte Kopien von diesen PDFs herzu-stellen und gegen Gebühr zu verbreiten, ist jedoch strengstens untersagt und be-deutet eine schwerwiegende Verletzung der Urheberrechte. Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten: institutum-canarium.org almogaren.org Abbildung Titelseite: Original-Umschlag des gedruckten Jahrbuches. Institutum Canarium 1969-2014 für alle seine Logos, Services und Internetinhalte ALMOGAREN XLI/2010MM25 Inhaltsverzeichnis (der kompletten Print-Version) Hans-Joachim Ulbrich: Die prähispanischen Ortsnamen in der Lanzarote-Karte von Dámaso de Quezada y Chaves (18. Jh.) .................................................. 7 Samia Ait Ali Yahia: Nouvelles stèles à inscriptions libyques de la Grande Kabylie ...................... 17 Franz Trost: Das Feindbild der alten Ägypter ................................................................. 27 Nicole Honoré, Susan Searight-Martinet, France & François Soleilhavoup: Wa-n-Kalia, un site rupestre dans l'Aramat, Libye ...................................... 65 Joaquín Caridad Arias: Las antiguas divinidades Tanit, Támara o Tamar, Tara o Tana y su proyección en la religión de los canarios ...................... 95 Werner Pichler & Alain Rodrigue: Oued Rheris II: A new site of rock paintings in the South of Morocco ....... 113 Franz Trost: Bemerkungen zu Herodots Angaben über ägyptische Könige .................... 135 Alain Rodrigue: Les gravures rupestres de Smara (Sahara Occidental) – note complémentaire .................................................................................. 139 Yves Gauthier, Bernard Veneur, Norbert Desaphy, Pierre Seuriel: Nouvelles gravures en style de Tazina: figurations du Nord de l'Immidir, Algérie ................................................. 149 Hartwig-E. Steiner: Archäologische Fundstätten auf Selvagem Grande. Erweiterte, revidierte Fundkarte nach der 2. IC-Expedition 2007. ............. 193 Hartwig-E. Steiner: Historische Wirtschaftsbauten auf Selvagem Grande / Ilhas Selvagens, Portugal ............................................. 205 Friedrich Berger: Felskunst westlich von Dakhla (Ägypten) – Beispiele für Darstellungen von Naturphänomenen, insbesondere von Wasser .................. 269 26MMALMOGAREN XLI/2010 Trost, Franz (2010): Das Feindbild der alten Ägypter.- Almogaren XLI (Institutum Canarium), Wien, 27-64 Zitieren Sie bitte diesen Aufsatz folgendermaßen / Please cite this article as follows: ALMOGAREN XLI/2010MM27 Almogaren XLI / 2010 Wien 2010 27 - 64 Franz Trost Das Feindbild der alten Ägypter Keywords: Ancient Egypt, public relation, foreign countries, enemy symbols Zusammenfassung: Ausgehend von einem Überblick über die geographisch-kulturelle Namensgebung und die Lebensbedingungen im alten Ägypten, beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Verhält-nis des Reiches und seiner Menschen zum Ausland sowie zur Problematik des Fremd-seins an sich. Dabei werden fünf Zeitabschnitte, vom Alten und Mittleren Reich über die Amarnazeit, die 19. Dynastie bis einschließlich der Dritten Zwischenzeit, herausgearbei-tet, während welcher sich das anfänglich negative Bild des Auslandes und seiner Men-schen über eine – vor allem in deren Bedeutung für die ägyptische Wirtschaft begründete – vorübergehende Aufwertung wieder in schroffe Ablehnung zurück verwandelte, ehe sich die ägyptische Kultur mit der hellenistischen vermischte. Als Beleg für diese Er-kenntnis wird eine Anzahl von Bildern und Hieroglyphen-Inschriften auf Pyramiden, Tempeln sowie Alltagsgegenständen wiedergegeben, und deren Inhalte werden erläutert beziehungsweise bewertet. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bietet die Erschlie-ßung von Texten, wobei es vor allem um etymologische Argumente geht. Abstract: Starting from a survey of geographic and cultural nomenclature and from living conditions in ancient Egypt, this paper treats the relationship of the Empire and its inhabitants with foreign countries as well as the problems arising from 'being foreign'. Five periods are stressed: the Ancient and Middle Empires, the Amarna Period, the 19th Dynasty including the Third Intermediate Time during which the initially negative view of foreign countries and their inhabitants changed to temporary appreciation due to their importance for Egyptian economy, deteriorating again into rude rejection before Egyptian culture mixed with Hellenistic culture. To prove this, a number of pictures and hieroglyphic inscriptions on pyramids, temples and objects of everyday life are reproduced, their contents being explained and evaluated. Interpretation of texts is another focal point of this paper stressing etymological arguments above all. Résumé: Partant d'un examen de la nomenclature géographique et culturelle dans l'ancienne Egypte, ce travail s'occupe de la relation de l'Empire et de ses habitants avec l'étranger ainsi que de la problématique «d'être étrange» telle quelle. Cinque époques y seront mises en relief: l'Ancien et le Moyen Empires, la période d'Amarna, la 19e dynastie et enfin la Troisième Epoque Intermédiaire pendant laquelle l'image d'abord négative de l'étranger et de ses habitants – changeant vers une amélioration transistoire, fondée sur son 28MMALMOGAREN XLI/2010 importance pour l'économie de l'Egypte – repasse dans une répudiation brusque avant que la culture égyptienne ne se soit mélangée à la culture helléniste. Comme preuves de cette constatation un nombre d'images et d'inscriptions hiéroglyphiques sur pyramides, temples et objects de tous les jours y sont reproduites avec interprétation et évaluation de leur contenus. L'interprétation de certains textes est un autre point d'intérêt du travail, traitant surtout d'arguments étymologiques. Die alten Ägypter gebrauchten für ihr Land mehrere Namen, von denen Kemet, "das schwarze (Frucht)Land", der volkstümlich gebräuchlichste war und an die dunklen, an den Uferseiten des Nils abgelagerten Schwebstoffe anknüpft. Die den Fluss umgebenden Wüstengebiete nannten sie nach der Farbe des Bodens Deschret, "das rote Land". Herodot, der Ägypten in der Zeit zwischen 450 und 440 v.Chr. bereiste, erklärt dies deutlich mit folgenden Worten (2, 1): "In Ägypten ist der Boden schwarz und brüchig, eben weil er aus Nil-schlamm besteht, den der Nil aus Äthiopien herabgeführt hat. Von Libyen wissen wir, dass es rötlichen, sandigen Boden hat." Bekannt ist auch die Stelle von Plutarch in seiner Schrift De Iside et Osiride, die sich in der römischen Welt nach dem Verlust des Glaubens an die eigenen Götter rasch verbreitete: "Sie nennen Ägypten Khemia, weil es schwarz ist wie der schwarze Teil [Pupille] des Auges und sie vergleichen es mit dem Herzen; denn es ist warm und feucht und wird im Wesentlichen von den südlichen Teilen der bewohn-ten Erde eingeschlossen und umgrenzt wie das Herz von der linken Seite des Menschen." Ein weiterer Name für Ägypten lautete (besonders für das ägyptische Kern-land, das Nilland) ta-meri, "das geliebte Land", der deutlich das Gefühl der Bewohner für ihre Heimat zum Ausdruck bringt; ta war der Begriff für das fruchtbare Land schlechthin, das oft mit dem Demonstrativum "dieses Land" oder dem Possessivum "unser Land" apostrophiert wurde. Sehr gut wird das in der Geschichte des Schiffbrüchigen deutlich, einem Vorläufer von Sindbad dem Seefahrer, der nach bestandenen Abenteuern wieder sicher in seine Hei-mat zurückkehrt und bekundet: "Siehe, wir sind glücklich heimgekehrt und haben unser Land (ta) erreicht." Die Lebensader Ägyptens ist der Nil oder, wie es Herodot 2,5 treffend aus-drückt: "Die Gebiete Ägyptens... sind ein Geschenk des Stromes." Ohne die Zuverlässigkeit dieses Stromes, mit der er Mensch und Tier mit Wasser ver-sorgt und die Felder bewässert, hätte das Niltal keine Siedler angezogen und hätte die ägyptische Zivilisation nicht entstehen können. Auch wäre ohne den Nil als Wasserstraße und direkte Verbindung zwischen den verschiedenen ALMOGAREN XLI/2010MM29 Bevölkerungszentren ein Einheitsstaat nicht denkbar gewesen. Die Welt der Ägypter war nun mal die des fließenden Wassers und die der Sonne. Die Pha-raonen beschäftigten daher ein Heer von Schreibern, die an mehreren Stellen des Flusslaufes die präzise geeichten Nilometer ablasen, die wie eine steile Steintreppe ins Wasser hinabführten. Wenn Hapi, die göttliche Verehrung der Überschwemmung des Nils, gütig war und dem Land reichlich Bewässerung und fruchtbaren Schlamm beschert hatte, war es wohl recht, Hymnen und Lobgesänge zu verfassen, um den Fluss zu preisen: "Heil dir, Nil, der du aus der Erde kommst und wiederkehrst, um Äygpten zu ernähren, der du die Gesetze gibst und die beiden Ufer gedeihen lässt... der du Menschen und Tiere am Leben erhältst mit deinen Gaben des Feldes." Der Verlauf des Nils diente den Bewohnern des Landes auch als Orientie-rung, und da sie es nur natürlich fanden, dass Flüsse nach Norden fließen, galt für sie stromauf Süden und stromab Norden. Der Euphrat wurde als "umge-drehtes Wasser, das stromab zieht, indem es nach Süden fließt" ausgewiesen (Urkunden IV, 85). Versuche, die Grenzen der Wüsten festzulegen, die im Osten und im Westen das Schwemmland des Tales scharf umrahmen, gab es kaum, und es wurde die Bahn des Sonnenlaufes für die Teilung der beiden von Randgebirgen begrenzten Uferstreifen angesehen. Im Weltbild der alten Ägypter galt nur das von ihnen bewohnte Land als der eigentliche Mittel-punkt einer geordneten, sicheren Welt. Jenseits der ägyptischen Grenzen la-gen die Bezirke der Unordnung, der Wüsten und der Fremdländer – das Cha-os schlechthin! Dieses Chaos war dem Ägypter eine feste Größe, das ihn immer bedrohte und das es stets zu bekämpfen galt. Permanente Aufgabe des Pharaos, des Garanten der Weltordnung war es daher, gegen Störenfriede vor-zugehen, d.h. die ägyptische Herrschaft real oder rituell bis an die Grenzen der Welt auszudehnen, um über sie zu gebieten und die Wiederkehr der Sonne (jeden Abend musste Seth in der Sonnenbarke die Apophisschlange mit dem Stoß eines großen Speeres schlagen) und des Nilschlammes zu garantieren. Dieses "Leitprogramm" als nützliches Instrument königlicher Herrschaft wur-de durch die gesamte Geschichte des Pharaonenreiches hindurch aufrecht erhalten. Auch Herodot, dessen Ägyptenreise höchstens vier Monate während der Überschwemmungszeit gedauert haben mag, musste die unüberwindbare Ablehnung spüren, mit der die Ägypter seiner Zeit die Fremden betrachteten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hekateios von Milet bekam Herodot we-nig Zugang zu den Ägyptern der gebildeten Kreise – ein Umstand, der in den unterschiedlichen Verhältnissen lag, unter denen ein Grieche zur Zeit des Saïtenkönigs Amasis (570 - 526 v.Chr.), der als Griechenfreund und trink- 30MMALMOGAREN XLI/2010 freudig geschildert wird, und zu der der ersten Perserzeit unter Artaxerxes I. (465 – 424 v.Chr.) in Ägypten reiste und Aufnahme fand. Als Herodot den Tempel von Medinet Habu besuchte, zeigten ihm die dortigen Priester eine Reihe Holzstatuen aus der Vergangenheit und gaben kund, dass "von den Urbildern dieser Standbilder hier immer ein Mensch auf den anderen gefolgt sei, Piromis von Piromis, und es im Ganzen 345 solche Standbilder seien" (2, 143). Pi-rômi hat die Bedeutung "Mensch" (remet), die bei den Ägyptern seit Beginn ihrer Geschichte in der urtümlichen Vorstellung wurzelte, dass nur sie allein einen besonderen Menschentyp verkörperten. Nur die eigene Lebens-führung stellte die einzige gültige Form der menschlichen Existenzver-wirklichung dar, und es war daher nur dem indigenen Bewohner des Niltales vorbehalten, sich in seiner Sprache als remet zu apostrophieren. Dem Auslän-der wurde zwar nirgends die Zugehörigkeit zur biologischen Masse "Mensch" aberkannt, denn "er ist zwar Mensch, aber nicht ein solcher, den man respek-tieren müsste". Im erweiterten Sinn wurde der Begriff remet geopolitisch für "Mitglied des ägyptischen Volkes/Nation" (remet n Kemet = Ägypter) und schließlich soziologisch mit der Opposition "Unterschicht" verwendet. Bereits in den Pyramidentexten der königlichen Grabanlagen des Alten Reiches, welche seit König Unas (ca. 2387 – 2367 v.Chr.) die ältesten ausführ-lichen Niederschriften über die religiöse Vorstellung der Ägypter darstellen und eine bereits stark differenzierte Götterwelt bezeugen, begriff sich das geschichtliche, ethnozentrische Ägypten als Mitte der Welt, wenn gesprochen wird: "Die Tore über dir erheben sich schützend. Sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Westens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Ostens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Nordens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Südens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern der Erdmitte, aber sie öffnen sich für Horus! Er ist es, der sie erschaffen hat, er ist es, der sie aufgerichtet hat, der sie bewahrt hat vor allen Angriffen" (Pyr. 1588-1606). Edda Bresciani spricht hier von "einer frühen, mythologischen Rechtferti-gung für die Unterscheidung zwischen Ägypten und seinen Nachbarn in allen vier Himmelsrichtungen, zwischen dem Reich des Horus, Ägypten, wo eine vollkommene Ordnung herrscht, und dem Reich Seth – den 'Fremdländern', dem Reich des 'Andersartigen', der Unordnung" (2004: 261). ALMOGAREN XLI/2010MM31 Dieses Chaos, das die Ordnung umgab und bedrohte, galt es zu vernichten – auch mit Zauber! Zu diesem Zweck wurden grobe, nicht glasierte Tongefäße wie auch aus Ton, Wachs, Holz oder Stein gefertigte Figuren gefesselter Fein-de mit den Namen der Personen, Orte beziehungsweise Länder beschriftet, gegen die sich der Zauber richten sollte. Gelegentlich waren es unterschied-lich lange Schmähtexte, die sich gegen Einzelpersonen, Landesfeinde oder ganz generelles Übel richteten, wobei oft die Vertreter der vier von den Ägyp-tern unterschiedenen Menschenrassen in einer Art Proskriptionsliste ange-führt erscheinen. Die Reihenfolge der vier Völker ist dabei meist die folgende: die Afrikaner des Südens, die Asiaten des Nordens, die Libyer des Westens und schließlich jene Ägypter selbst, die als Feinde der bestehenden Staats-ordnung des Niltales anzusehen waren. Auf die Nennung der Völker und ihrer verschiedenen Teile folgte in der Regel eine kurze "Rebellionsformel", die offenbar den Zweck hatte, nur diejenigen in die Ächtung einzubeziehen, die sich schlechter Handlungen gegenüber Ägypten schuldig gemacht hatten (Fig. 1). Um die Vernichtung der oder des Genannten magisch herbeizuführen, wurden die beschrifteten Figuren und Gefäße rituell zerschlagen und begra-ben, als könnte man in der Materie, auf die man den Namen des Feindes ge-schrieben hatte, seine Existenz dingfest machen und durch das Zerschlagen des Objektes vernichten oder doch schwächen. Im späten Zauber wurde die-ser Brauch zur magischen Vernichtung ganzer gegnerischen Heere gesteigert. Aus den zahlreichen Funden sei jener aus dem Westfriedhof der Cheops-pyramide hervorgehoben, der zwei dickwandige Krüge aus ziegelrot gebrann-tem Ton mit 223 ganzen und 26 in Bruchstücken erhaltenen rechteckigen Namenfigürchen und eine in viele Teile zerbrochene "Tafel" mit hieratischen Aufschriften enthielt. Abu Bakr und Jürgen Osing geben bekannt (1973: 98), dass "alle Figürchen von flacher, hoch rechteckiger Form mit abgerundeten Ecken und einem stielartigen oberen Ansatz sind. Sie messen durchschnitt-lich 5,5 x 2 cm bei einer Dicke von 0,4 - 0,9 cm. Der jetzigen Form der Figür-chen, die einen menschlichen Rumpf mit Kopf oder nur den Hals andeuten sollen, liegt ein flacher Quader zugrunde... Auf der geglätteten Vorderfläche tragen die Figürchen hieratische Aufschriften, ... die grundsätzlich senkrecht verlaufen, wobei man um volle Ausnützung des verfügbaren Raumes bemüht gewesen ist" (Fig. 2). Die Lesung des Textes auf der großen "Tafel" (Fig. 3A) stieß auf Schwie-rigkeiten, "da viele hieratische Zeichen und somit viele Wörter nur unvoll-ständig sind". Erst die genaue Auswertung einer in ihrer Ganzheit gebliebe-nen Figur mit hieratischer Aufschrift (Nr. JdE 88136A), die von der im Jahr 1927 unter der Leitung von G.A. Reisner durchgeführten Grabung im Fried- 32MMALMOGAREN XLI/2010 hof östlich der Cheopspyramide stammt, ermöglichte es Jürgen Osing (1976) das oben genannte fragmentarische Parallelstück (Sigel A GrF) analog zu vervollständigen. Der mit Hilfe des Reisner-Fundes ergänzte Text ist in Fig. 3B wiedergegeben, seine Übersetzung lautet: "Jeder Rebell dieses Landes, alle Menschen [d.s. alle Ägypter], alle Beam-ten, alle Untertanen, alle Männer, alle Kastraten, alle Frauen; jeder Fürst, je-der Nubier, jeder 'Starke' [Kämpfer], jeder Bote, jeder 'Verbündete', jeder Ver-einigte [Bundesgenosse] von einem Fremdland, die rebellieren sollten, in (den Ländern) Wawat, Irtjet, Satju, Jam, Janech, Masit und Kau, die damals gegen Ober- und Unterägypten rebellieren oder aufgrund von Propagierung der Subversion oder aufgrund irgendwelcher böser Äußerung Subversion bege-hen sollten (werden für immer vernichtet werden)." Spezielle Rituale dieser Art zeugen von der durch eigene Anschauung ge-wonnenen Kenntnis von Geographie, Toponomastik und jenen Gebieten, über welche der Pharao die Herrschaft beanspruchen oder ausüben wollte, aber auch von den Fremden und Fremdländern, von denen er befürchtete, dass sie Un-ruhe verbreiten und Verschwörung anzetteln könnten. Mit den "Ächtungstexten" in Verbindung gebracht werden kann eine gegen Feinde und Feindliches gerichtete Ritualhandlung, und zwar das sog. "Zer-brechen der roten Gefäße". Der dafür früheste textliche Hinweis findet sich in den Pyramidentexten, Spruch 244: "O Osiris NN! Dies hier ist das [harte] Auge des Horus, tu es dir in die Hand, damit du siegesbewusst wirst und 'er' sich vor dir abschrecke." Das "harte Horusauge" scheint jene Keule zu sein, mit der die symbolische Handlung, in diesem Fall das "Zerstoßen der roten Gefäße", vollzogen wird, während sich die Schlussworte auf den bösen Feind Seth beziehen, der sich vor dem angesprochenen Osiris beziehungsweise dem toten König fürchten soll. Das Zeremoniell wird im Spruch 32 (CT VII, 128j-k) von einer Symbol-handlung begleitet, die im Schlachthof des Pyramidentempels durchgeführt wurde. Das Ritual wird in sehr lebendiger Art im memphitischen Grab des Königs Haremheb (1319 – 1292 v.Chr.) in Reliefserien gezeigt, von denen in Fig. 4 ein Ausschnitt gegeben wird: Die Stände sind mit reichlichen Speise- und Trankopfer gefüllt und die Türöffnungen mit eiförmigen Gebilden und Zweigen behangen. Zwischen den Ständen befinden sich mit Palmzweigen geschmückte Lauben und weitere Speiseopfer. Räuchergefäße bedecken die Gaben und gebundene Rinder lie-gen zum Schlachten bereit. In der dritten Laube schneidet ein Mann den Kopf eines der heiligen Tiere ab, während im gleichen Moment ein Priester das ALMOGAREN XLI/2010MM33 erste große Gefäß fasst, dem zuvor die Tonplombe und der Verschluss ent-fernt wurden, um es zu zerbrechen. Bemerkenswert ist die Art, wie der Künst-ler die zerbrochenen Gefäße mit den auslaufenden Flüssigkeiten und den Schmerz der Trauernden dargestellt hat. In einer weiteren Szene füllt ein Pries-ter aus einem in seiner linken Hand befindlichen Behälter ein Räuchergefäß so stark auf, dass hohe Flammen aus ihm aufsteigen. Nach der allgemeinen Ansicht ist das Zerbrechen der dšrt-Gefäße mit Verwünschungszeremonien verknüpft. Auch ist gesagt worden, dass die gleichzeitige Handlung des Zerbrechens dieser Gefäße und die Tötung der Tiere die Vernichtung der Gottesfeinde symbolisiert. Van Dijk liegt sicher rich-tig und interpretiert das Zeremoniell als "a rite of reassurance, enacted to reassure and thereby protect the participants of the ritual when they approach the dangerous borderline between the ordered world and the domain of the power of chaos" (1993: 188). In der ägyptischen Kunst begegnet uns schon früh ein programmatisches Motiv in der Führungsideologie, welches das Oberhaupt einer Bevölkerungs-gruppe, eines Gebietes oder Landes beim Sieg über feindliche Nachbarvölker zeigt. Der streng ikonographisch geprägte Typus, der bald zu einer regelrecht heraldischen Komposition des Bildes führte, zeigt den König meist in Schritt-stellung, wie er einen oder mehrere in die Knie gesunkene Feinde mit der vorderen Hand am Haarschopf packt und mit einer Waffe – Keule, Axt oder Sichelschwert – in der anderen Hand bedroht (Fig. 5 und 6). Die bislang frü-heste Darstellung im emblematischen Schema des "Erschlagens der Feinde" begegnet uns im sogenannten Bemalten Grab von Hierakonpolis aus der ent-wickelten Naqada IIc-Zeit (um 3300 v.Chr.) (Fig. 7). Das Bild zeigt eine ste-hende, nach rechts gerichtete Person, der jedes Rangabzeichen fehlt, und die eine Keule über drei in einer Reihe auf die Knie gesunkener Feinde schwingt. Da im ägyptischen Sprachsystem die Drei eine Zahl für den Plural ist, die erst kurz vor der Thinitenzeit durch die Einzahl abgelöst wurde (s. Narmerpalette), dürfte hier die rituelle Opferung einer Vielzahl von Feinden vor sich gehen. Die vordere Hand der stehenden Person packt den Schopf des ihm nächsten Gegners, der beide Arme hebt und um sich zu blicken scheint. Die Größe des Siegers, der im Schlagen vorwärts drängt, veranschaulicht seine Stärke ge-genüber den wesentlich kleineren, auf eine Standlinie gesetzten Feinden, die ihm mit den Füßen abgewendet sind. Ebenfalls aus der Frühzeit Ägyptens ist eine Variation des "Erschlagens der Feinde" bekannt, in der die Hieroglyphe des Königsnamens menschliche Arme zeigt und Feinde bedroht. Auf dem in Fig. 8 gezeigten kleinen Elfenbein-zylinder aus den "Main Deposit" in Hierakonpolis ist im linken Mittelfeld ein 34MMALMOGAREN XLI/2010 Wels (Lautwert: ncr) angebracht, der sich mit dem darunter befindlichen Mei-ßel (Lautwert: mr) zum Namen "Narmer", dem letzten König der 0. Dynastie ergänzen lässt. Dieser Wels hält in seinen Händen einen langen Stock, den er über die in drei Registern hockenden sieben Gefangenen schwingt und damit die Zeremonie des "Erschlagens der Feinde" zelebriert. Mit ihrem Haarschopf und Bart stellen sie augenscheinlich den libyschen Typus dar. Unter den Namenshieroglyphen des Königs sind drei Völkernamen angebracht, von de-nen der oberste und der linke untere jeweils Thn.w zu lesen sind, d.h. Bewoh-ner von Tjehenu, i.e. "Libyer". Über dem königlichen Namenstier ist links ein Geier mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt, offenbar die Geiergöttin Nechbet, die Hauptgottheit von Elkab. Als Himmelsgöttin beschützt sie ihren irdischen Sohn Narmer. Ihr zugewandt ist ein Falke, also der Horus, mit einem Lebens-zeichen in der Hand. Ein analoges Dokument liefert ein 1996 von einem deutschen Archäologen-team in Abydos gefundenes Jahrestäfelchen Narmers, worauf ein Wels (der Hauptbestandteil des Königsnamens) mit seinen Armen eine Keule schwingt und einen stürzenden Feind am Papyruspflanzen-Schopf packt (Dreyer 2007: 215). Die Papyruspflanze ist das Symbol für Unterägypten, wodurch die Sze-ne Klarheit bekommt: König Narmer unterwirft die Bewohner des Deltas, die als Tjehenu ausgewiesen sind. Zweifellos beziehen sich beide Dokumente, der Elfenbeinzylinder aus Hierakonpolis und das Jahrestäfelchen aus Abydos, auf das gleiche Ereignis, das auch auf der Rückseite der berühmten Narmer-Prunk-palette angeführt ist – den Triumph, den letzten lokalen Delta-Fürsten ge-waltsam beseitigt und damit die aufständischen Gebiete unterworfen zu ha-ben. Es wird damit also keine fiktive Handlung wiedergegeben, sondern eine konkrete Tatsache! Die vollzogene Unterwerfung der Feinde wird neben dem Erschlagen auch in Form von deren Zertreten durch den König in Tiergestalt (Löwe, Stier) oder als tierisches Mischwesen (Sphinx, Greif) dargestellt. Durch die jeweilige Gestalt nimmt der König bestimmte Eigenschaften des betreffenden Tieres an, die für den Kampf gegen die Feinde besonders erfolgversprechend sind. Das Motiv "Zertreten der Feinde" ist seit vordynastischer Zeit bekannt, aus der wir die fragmentarisch erhaltene Schlachtfeldpalette herausgreifen (Fig. 9). Die Napfseite der Palette zeigt als Zentralfigur die symbolische Erschei-nungsform des kraftvollen, siegreichen Königs in Gestalt eines Löwen, des-sen Schwanz sich eingerollt um das rechte Hinterbein schlingt und der sich anschickt, einen ungefesselten Feind zu zerfleischen. Der Mann mit zurück-geworfenen Armen ist vollkommen nackt, wie es für einen Überwundenen üblich ist, genau wie seine Begleiter, die den inneren Teil der Palette einneh- ALMOGAREN XLI/2010MM35 men. Sie tragen dicht gekräuseltes Haar und einen länglichen Backen-Kinn-bart. Einem von ihnen sind die Arme auf den Rücken gebunden, die anderen sind ungefesselt, scheinen aber schwer verletzt oder tot zu sein. Die symboli-sche Sphäre wird durch das Herannahen von Geiern und Krähen verstärkt. Rechts von der zentralen Gruppe sind zwei fragmentarische Personen zu er-kennen: ein nackter Gefangener mit zurückgebundenen Armen, vor einer Gestalt schreitend, die in einen langen Mantel mit gefranstem Saum und ova-len Mustern gehüllt ist. Ihre Arme dürften über die Brusthöhe erhoben gewe-sen sein, was zum Anflehen des Königs passen würde. Die Palette zeigt einen Sieg über Feinde, deren Nationalität durch den Rest einer Hieroglyphe vor dem schon gefesselten Gefangenen erkennbar wird und die aus einem länglich-ovalen Zeichen, dem alten Determinativum für "Land", besteht. Versuchen wir dieses Oval mit einem Büschel von sechs Papyrus-stängeln zu ergänzen, so erhalten wir die Hieroglyphe "Papyrusdickicht" als Herkunftsbezeichnung der hier offensichtlich Besiegten. Die Szene wird ver-vollständigt durch einen in merkwürdiger Haltung dargestellten Feind links des Löwen und durch eine sehr interessante Gruppe auf dem oberen, kleinen Palettenbruchstück: Zu erkennen sind Emblemstandarten mit dem Falken- und Ibisbild als handelnde, in die dargestellte Szene eingreifende Mächte, welche durch Anfügung von Armen personifiziert, gefesselte Feinde vor sich hertrei-ben. Solche Tierfiguren auf Tragstangen sind als Zeichen für Gottheiten seit spätvorgeschichtlicher Zeit durch Darstellungen auf Paletten sowie Punk-keulen bekannt. Sie wurden in Prozessionen mitgeführt und an Kultplätzen aufgestellt. Es ist daher gut vorstellbar, dass diese zoomorphen Figuren auf-grund ihrer Funktion im Kult zu persönlichen Schutzzeichen wurden. Offen-sichtlich versuchten die Eliten jener Zeit, ihre Macht und ihr Ansehen auch auf diese Weise sichtbar zu machen. Leider ist die Schlachtfeldpalette nicht genau datierbar, sie dürfte jedoch von einem der ersten bekannten Könige geweiht worden sein und somit der protodynastischen Zeit angehören. Man hat öfter versucht, in der Mantelgestalt einen "Libyer" zu erkennen, was sich als unrichtig herausstellte, da der lange Mantel wohl den "Libyern" des Neuen Reiches zugehört, aber kein Beklei-dungsstück der frühen Bewohner des Westdeltas war. Auch ist der Hinweis auf eine Gottheit, z.B. auf den mit einem langen Mantel dargestellten Gott Onuris von This, unrichtig, da anthropomorphe Götter auf vorthinitischen Denkmälern nicht belegt sind. Möglicherweise gehört die bemantelte Figur den sog. "Zipfelmützenleuten" an, wie sie bildlich auf kleinen Elfenbein-fragmenten aus abydenischen Königsgräbern erscheinen und zeitlich kaum jüngeren Datums sind (s. Petrie 1901: Taf. IV, Nr. 4, 5). Dort wird ein Mann in 36MMALMOGAREN XLI/2010 unterwürfiger Haltung mit einem Kinnbart und Friedenszweig (?) in der Hand gezeigt, der wie die Gestalt auf der Schminkpalette einen langen Mantel trägt. Während aber das Muster der Palettenfigur waagrecht verläuft, ist es auf dem Elfenbeinfragment sekrecht angeordnet. Wer waren diese "Zipfelmützenleute"? Vielleicht Angehörige jener Dynas-tie, die in dem leider nur stark fragmentarisch überlieferten Turiner Königs-papyrus als "Die im Papyrus" bezeichnet wird und 19 Herrscher umfasst ha-ben soll? Zwar tragen die auf der Palette gefesselten beziehungsweise bereits toten Feinde keine Zipfelmütze, was aber sicher damit zusammen hängt, dass sie als Besiegte völlig nackt sind. Nach Ansicht von Wolfgang Helck (1987: 86) "haben wir es bei den 'Zipfelmützenleuten' mit dem Fleckenmantel mit den Bewohnern jenes Gebietes zu tun, das von der 'Papyrusdickicht-Dynas-tie' beherrscht wurde". Hier ist es angebracht, nochmals auf die Darstellung der Narmerpalette hinzuweisen, wo der siegreiche "Horus" dem in heroischer Körpergröße gezeigten König ein mit Papyruspflanzen bewachsenes Land-stück übergibt, dessen eines Ende in der Form eines menschlichen Kopfes ausläuft, während der König selbst gerade im Begriff ist, den vor ihm knien-den Feind zu erschlagen. Dieser kann, wie schon erwähnt, als der letzte lokale Herrscher des Deltas und damit der "Papyrusdickicht-Dynastie" des Turiner Königspapyrus angesehen werden. Nach der gewaltsamen Beseitigung der Delta-Eliten war es dem siegreichen König Narmer möglich, sowohl die han-delspolitisch wichtigen Ortschaften im Delta zu übernehmen, als auch nun beide Kronen als Ausdruck des dualistischen Machtprinzips der "Beiden Län-der" zu tragen: die Weiße Krone für den oberägyptischen Landesteil und die Rote Krone für die unterägyptische Landeshälfte. Der gegen die potentiellen Feinde Ägyptens als Fabelwesen agierende König begegnet uns auch noch in der Kuschitenzeit, in welcher der nubische König Taharqa (690 – 664 v.Chr.) in Kawa einen neuen Tempel (Tempel T) für Gott Amun errichten ließ. Dazu wurden Handwerker und ein Architekt aus Memphis geholt, deren Aufgabe es war, die archaischen Kunstformen der königlichen Totentempel von Sahure und Niuserre in Abusir und von Pepi II. in Saqqara nachzuahmen. Die Vollendung der Arbeiten und Einsetzung Amuns in sein neues Haus erfolgte zu Beginn von Taharqas 10. Regierungsjahr um 680 v.Chr. Die Umzeichnung eines nach gewünschten Vorlagen sorgfältig modellierten Flachreliefs zeigt Fig. 10: Der König erscheint als riesiger, aus Großkatzenkörper und Menschenkopf zusammengesetzter Sphinx, der mit riesigen Tatzen drei Feinde zertritt. Unter den Flachbildwerken der Pyramiden-zeit lässt sich ein West-, ein Ost- und ein Südländer erkennen. Der Text lautet: "Zertreten aller Fremdländer"; vor dem Westländer ist zu lesen: "Er hat alle ALMOGAREN XLI/2010MM37 Herden und Herdenbesitzer gefangen genommen". Über diesen Worten be-finden sich drei Rinder. Sie stellen eine stark abgeschwächte Zahl jener den Unterworfenen abgenommenen Beutetiere dar, die in einer kunstvolleren Version im Säulenhof des Sahure-Tempels in vier Reihen zu sehen sind und zahlenmäßig mit 243 688 Schafen, 232 413 Ziegen, 223 400 Eseln und 123 440 Rindern angegeben werden. Dieser Viehreichtum scheint jedoch für eine Wüstenpopulation, in diesem Fall der Westländer, stark übertrieben zu sein. In den kanonisierten Darstellungen werden die äußeren Feinde Ägyptens auch in den Jagdbildern und (teils fiktiven) Schlachtenbildern dargestellt, welche die große Gestalt des Pharaos beherrschend in den Mittelpunkt stel-len, wodurch – nach ägyptischen Glaubensvorstellungen – der Sieg bereits garantiert wird. In gleicher Weise werden die Feinde gefesselt, als dem König von Göttern zugeführt gezeigt (Fig. 11). Sie erscheinen als Tributbringer und Gesandte in der Residenz (Fig. 12), bei Statuen unter den Sohlen des Königs und auch von Göttern, sie dienen als Dekoration von Thronpodesten und Palastböden sowie Schemeln, ebenso wie als Gefangene auf Stadtringen, wo sie auf Sockeln von königlichen Kolossalstatuen stehen. Auf letzteren treten sie als Bogenvölker in weitgehend kanonisierter Reihenfolge auf (Fig. 13). Als feste Bestandteile der Feindsymbolik erscheinen die ägyptischen Feinde auch auf Waffen, Geräten und Sandalen des Königs (Fig. 14) sowie als Gefangenen-statuen und –köpfe in den königlichen Anlagen (Fig. 15). Es sind vorwiegend Zauberbilder, welche die Angehörigen der fremden und somit feindlichen Völker im Zustand ihrer Unterwerfung zeigen und diesen Zustand auch ga-rantieren sollen. Gerne wurde die kultische Verehrung des lebenden Königs mit Kolossalstatuen verbunden und sein Bild als antithetische Szene auf den Vorderseiten der beiden Pylontürme an den Tempeleingängen angebracht (Fig. 16): Das sonnenhafte Wesen des Pharaos sollte – Lichtstrahlen gleich – die Finsternis, die feindlichen Mächte und damit das Chaos vertreiben. Die architektonische Blütezeit begann zeitgleich mit der 3. Dynastie mit den monumentalen Stufenpyramiden als Symbol des zentralen Königtums und erreichte ihren Höhepunkt in der 4. Dynastie mit der Cheopspyramide, wel-che die Griechen der hellenistischen Zeit zu den Sieben Weltwundern zählten – Weltwunder nicht nur mit Bezug auf die vollendete Form und die Beherr-schung der Bautechnik, sondern auch als Ausdruck eines geschlossenen Welt-bildes. Die intensive Bautätigkeit der Könige in Ägypten zur Zeit der Pyrami-den führte sehr rasch zu einer verstärkten Erschließung einheimischer und auswärtiger Rohstoffquellen wie z.B. dem Abbau der Grauwacke in der Ost-wüste im Wadi Hammamat oder des Basalts am Gebel Qatrani nördlich des Qarum-Sees im Fajjum und bei Assuan. Der Kupferabbau auf der Sinai-Halb- 38MMALMOGAREN XLI/2010 insel wurde von Djoser (ca. 2702 – 2633 v.Chr.), dem ersten König der 3. Dy-nastie, erneut aktiviert; die Gewinnung des Nebenproduktes Türkis dürfte nicht viel später in der gleichen Region eingesetzt haben. Wie Inschriften im Wadi Maghara belegen, haben die vor allem in den Wintermonaten auf den Sinai geschickten Expeditionen 400 bis 500 Mann umfasst, eine Inschrift er-wähnt sogar 1400 Mann. Mehrmals zogen ägyptische Heere gegen die bedu-inischen "Sandbewohner" der Sinai-Halbinsel, die eher als die aus dem Nor-den vordringenden Asiaten gewillt waren, für die Ägypter zu arbeiten. Außer-dem wurde traditionell Bauholz aus den Häfen der Levante, vor allem aus Byblos am Fuße des Libanon, direkt auf dem Seeweg nach dem holzhungrigen Ägypten geholt. Koniferenholz, das nur aus dem Libanon gekommen sein kann, fand sich bereits in vorgeschichtlichen Gräbern. Mit Snofru (ca. 2633 – 2585 v.Chr.), dem Vater des großen Pyramidenbauers Cheops, lässt der ägyptische Geschichtsschreiber Manetho eine neue Dynas-tie, die 4. Dynastie, beginnen. Glücklicherweise haben die Annalen von Snofrus 24-jähriger Regierung einige Angaben erhalten. So bezeugt der Palermostein im Jahr nach dem 6. Mal der Viehzählung den Bau von Schiffen und berichtet von einem Zug gegen Nubien, bei dem 7000 Gefangene und 200 000 Stück Vieh erbeutet wurden. Noch im gleichen Jahr bringen 40 Schif-fe Tannenholz aus dem Libanon (Urkunden I 235,8-12; s. Fig. 17), das im nächs-ten Jahr (7. Mal der Zählung) wieder zu Schiffen verbaut wurde. Der Annalen-stein Kairo Nr. 4,4,2 (= Urkunden I 237,3) erwähnt am Ende von Snofrus Re-gierung einen Zug gegen die Libyer: "Bringen aus Tjehenu 1100 Gefangene und 13 100 Stück Vieh." In diesem Zusammenhang sind zwei Felsinschriften nördlich des Khor el- Aqiba auf dem Ostufer des Nils zu erwähnen, die zeitlich wohl irgendwann während der 4. Dynastie entstanden und von einem Zug berichten, der "20000 Soldaten umfasste, (um) das Nubierland zu zerhacken" (A) und dabei "17000 Nubier einfingen" (B) (Fig. 18). Wie schon in der oben angeführten Annalen-notiz (Urkunden I 236,10) aus der Zeit des Snofru erwähnt, machen diese Angaben deutlich, dass es sich hier nicht um Kriege zur Abwehr feindlicher Gruppen gehandelt hat, die gegen Ägypten anstürmten, sondern eindeutig um Beutezüge zum Einfangen von Mensch und Vieh. Die hohe Soldatenzahl ver-deutlicht aber auch die Absicht, durch die Anlage neuer Festungen, wie z.B. Buhen am 2. Katarakt, dauerhaft Soldaten zu stationieren. Das erbeutete Vieh wurde zu Herden zusammengefasst, die gefangenen Nubier setzte man als Landarbeiter und zur Kolonialisierung von neuem Land ein. Doch diese Neukolonialisierung überstieg eindeutig das vorhandene Potential an Arbeits-kräften, sodass ein Rückgriff auf das Reservoir außerhalb der (südlichen) ALMOGAREN XLI/2010MM39 Reichsgrenzen nötig war. Diese im vorliegenden Fall als nhsjw, "Südländer", bezeichneten Personen, scheinen rasch integriert worden zu sein, was auch daran gelegen sein dürfte, dass im Alten Reich die (möglicherweise auch sprachliche) Verwandtschaft zwischen den Ägyptern und den nhsjw eher eng war. So konnten Produktionsengpässe überwunden werden, ohne dass dabei Spannungen emotionaler Art entstehen konnten. Ein neuerliches negatives Echo gegenüber den Fremdländern wurde wach-gerufen, als gegen Ende des Alten Reiches umherziehende vorderasiatische Nomaden mit ihrem Vieh in das Ostdelta zogen. Nur das Eingreifen eines mächtigen Mannes im Staat konnte Ägypten vor schlimmen Folgen bewah-ren. Und dieser Retter war der aus Oberägypten stammende Amenemhet I., der als Wesir und damit nach dem Pharao ranghöchster Mann im Staat, die Nachfolge des schwachen, kinderlosen Mentuhotep IV. antrat und etwa im Jahr 1976 v.Chr. die 12. Dynastie begründete. König Amenemhet I. ordnete das Land und sicherte im Nordosten die Grenzen seines Reiches durch die in den Weissagungen des Neferti erwähnten "Mauern des Herrschers". Diese bil-deten ein engmaschiges Netz von Befestigungsanlagen, das seinen Grenz-soldaten eine wirksame Kontrolle in diesem Gebiet erlaubte, "um die Asiaten nicht nach Ägypten hineinzulassen; demütig sollen sie um Wasser flehen, um ihre Herden zu tränken" (nach Hornung 2006: 215f.). Der historische Text des Lesepriesters Neferti, der an den Hof des Königs gerufen worden war, um ihn mit "gewählten Worten" zu unterhalten, war aber nichts anderes als königliche Propaganda, deren Inhalt von Schulkindern über Jahrhunderte rezidiert und in ramessidischer Zeit als Klassiker der ägypti-schen Literatur verehrt wurde. Er rechtfertigt die Taten des Königs, der sein Volk vor dem jenseits der Grenzen lauernden Chaos schützen wollte, aber auch zu wiederholten Expeditionen gezwungen war, um die Westgrenze gegen Angriffe der kriegerischen libyschen Stämme zu sichern, wo ein Befestigungs-system wie die "Fürstenmauer" nicht hergestellt werden konnte. Für die Ägypter stellten aber nicht allein die fremden Menschen eine feind-liche Macht dar, sondern auch das ungewohnte Wesen fremder Landschaften. Dies kommt eindringlich in der ältesten Beschreibung der palästinensischen Landschaft zum Ausdruck, in der sog. Lehre für König Merikare aus der Hieraklepolitenzeit zu Beginn des 2. Jahrtausends v.Chr.: "Folgende Sachen werden über die Fremden erzählt: Der ärmliche Asiate leidet wirklich unter dem Ort, in dem er lebt: dürftig an Wasser, mangelnd an Bäumen, wo viele Wege hinführen und die Berge Schwierigkeiten bereiten; er ist nie an einem sitzen geblieben, und der Hunger wird seine Füße immer drängen; seit Horus Zeit ist er am kämpfen, ohne siegen zu können, aber auch 40MMALMOGAREN XLI/2010 ohne besiegt zu werden; denn er gibt seinen Kampftag nicht bekannt, genau wie ein Dieb, der sich vor dem Arm der Truppe fürchtet" (nach Loprieno 1988: 22f.). Hier wird das Ungewohnte zur Drohung. In der von den Asiaten bewohn-ten Gegend herrscht die Unnatur: Regen statt Überschwemmung, Wälder und Berge an Stelle des offenen und ebenen Niltales. Außerdem galt es sowohl im Alten wie auch im Mittleren Reich als barbarisch, wenn der Feind den Tag des Kampfes nicht ansagte. Eine sehr eindrucksvolle Schilderung, in der die Gefährdung durch die asiatische Landschaft und ihre Bewohner beschrieben wird, liefert uns der satirische Papyrus Anastasi I, dessen Entstehung allerdings erst unter Ramses II. (ca. 1279 – 1213 v.Chr.) anzusetzen ist: "Siehe, da ist (...) ein Abgrund von zweitausend Ellen Tiefe, der voll ist von Blöcken und Geröll (...). Gefährlich ist das enge Tal, da dort Beduinen unter Büschen verborgen sind; unter ihnen sind solche von vier Ellen oder fünf El-len, von der Nase bis zur Fußsohle, weitblickende, deren Herz nicht freund-lich ist und auf Schmeicheleien hören sie nicht! Du bist allein, kein Helfer ist mit dir und kein Heer ist hinter dir. Du findest keinen Führer, dass er dir einen Übergang zeige. Du entscheidest dich, vorwärts zu gehen, obschon du den Weg nicht kennst. Schaudern befällt dich, dein Haar sträubt sich und deine Seele liegt auf deiner Hand. Dein Weg ist voll von Blöcken und Geröll und es ist kein Ort zum Übergang, da er bewachsen ist mit Gras, Dornbüschen, Schlinggewächsen und 'Wolfsfuß'. Die Abgründe hast du auf der einen Seite und der Berg ragt auf der anderen Seite, so gehst du und führst deinen Wagen neben dir und fürchtest dich, deine Pferde nicht zu sehr anzutreiben (...). Dein Herz ekelt sich und du machst dich daran, zu Fuß zu gehen; Der Himmel ist offen [unbewölkt, heiß] und du meinst, der Feind stehe hinter dir. Da befällt dich Zittern. Ach, hättest du doch eine Hecke (hinter der du verschwinden könntest)" (nach Erman 1923: 284). Diese außergewöhnliche Beschreibung der asiatischen Landschaft, die in ähnlicher Weise weder von Nubien noch von Libyen bekannt ist, lässt vermu-ten, dass die Ägypter diese beiden Gebiete als nicht in dem Maß chaotisch empfanden wie das asiatische Land. Die Erschwernisse und Unberechenbar-keiten, wie sie in der asiatischen Landschaft hervortraten, fand der Ägypter auch bei deren Bewohnern. Kann doch in einem unübersichtlichen Gelände hinter jedem Busch der Feind lauern! Es herrschte also die Angst vor dem ganz Anderen, welches außerhalb der Grenzen Ägyptens lag und das den Bewohnern des Niltales so bedrohlich erschien. Alles Ausländische galt daher als "schlecht" (hsj) und offeriert damit deutlich die Mehrschichtigkeit als be-sonderen Wesenszug im ägyptischen Denken. ALMOGAREN XLI/2010MM41 Kehren wir nochmals zu Amenemhet I. zurück, der zu Beginn seines 21. Regierungsjahres seinen Sohn Sesostris I. als Mitregenten eingesetzt hatte, eine Praxis, in der ihm die späteren Könige des Mittleren Reiches gefolgt sind. Während nun Sesostris I. im Jahre 30 seiner Herrschaft auf einem Feldzug gegen die Libyer vom Hofe abwesend war, wurde im "3. Monat der Achet- Jahreszeit, Tag 7 [15. Februar 1962 v.Chr.] (...) der König Sehetepibre [Thron-name des Amenemhet I.] zum Himmel entrückt und vereinte sich mit der Sonne (...). Die Beamten des Palastes sandten Botschaft nach Westen, um den Königssohn über die Lage zu unterrichten, die im Königskabinett entstanden war." So beginnt eines der populärsten Literaturstücke aus dem pharaonischen Ägypten, die Geschichte des Sinuhe, eines fiktiven "Gefolgsmannes seines Herrn, eines Angestellten des königlichen Harims (bei) der hochbegnadeten Fürstin, der Gemahlin des Königs Sesostris und Tochter des Königs Amenemhet, Nofru." Diese Geschichte stellt ein frühes Beispiel für autobiographische Reise-literatur dar, in welcher den Helden, der gehört hatte, wie über den angeblich gewaltsamen Tod des alten Königs gesprochen wurde, die Panik ergriff und er aus Angst vor Intrigen Hals über Kopf flüchtete. Damals floh man nicht nach Nubien oder Libyen, nur Syrien oder Kanaan waren für Ägypter ein einigermaßen adäquates Refugium. So überquerte Sinuhe also bei Nacht die befestigte, als "Mauer des Herrschers" bekannte Grenze und fand in Syrien freundliche Aufnahme beim Fürsten von Ober-Retenu namens Ammunenschi, der ihn mit seiner ältesten Tochter verheiratete. Hier, in dieser fremden Welt, wurde Sinuhe angenommen und geschätzt. Er gründete eine Familie und wurde "wohlhabend an Gütern und reich an Herden." An seinem Lebensa-bend ergriff ihn die Sehnsucht nach seiner Heimat und der Wunsch, im Land seiner Geburt bestattet zu werden, galt doch den Ägyptern als einzig gültige Form einer ordentlichen Grablegung jene, nach ägyptischem Ritus begraben zu werden! Sinuhe schrieb einen demütigen Bittbrief an den regierenden Kö-nig Sesostris I. und dieser antwortete ihm, indem er in seinem Brief die asia-tischen Gebräuche gegen die ägyptischen stellte: "Nicht Asiaten sollen dich bestatten, nicht in ein Widderfell sollst du ge-hüllt, keine Steinmarkierung soll für dich gemacht werden (...). Sorge für das leibliche (Fortleben) und kehre zurück!" Sinuhe zögerte nicht, das Angebot anzunehmen und kehrte im Triumph, vom Pharao willkommen geheißen, heim. "In feinstes Leinen wurde ich (nun) gekleidet, mit bestem Öl gesalbt, auf ein Bett wurde ich zur Ruhe gelegt. Ich gab den Sand denen, die in ihm woh-nen, und das (schmierige) Baumöl dem, der sich damit salbt... Ein Steingrab 42MMALMOGAREN XLI/2010 wurde mir errichtet im Pyramidenbezirk. Der Oberbaumeister der Pyramide hob (persönlich) das Fundament aus (?), der Oberzeichner malte in ihm, der Oberbildhauer meißelte in ihm, der Bauleiter der Nekropole kümmert sich darum. Die gesamte Ausstattung, die zu einem Grab gehört, wurde bereit ge-stellt, Totenpriester wurden mir zugeteilt. Ein Nekropolengarten wurde für mich angelegt, Beete und Bäume waren am richtigen Platz, wie es für einen Hofrat ersten Ranges gemacht wird. Meine Grabstatue war mit Gold überzo-gen, ihr Schurz aus Weißgold, Seine Majestät gab sie (persönlich) in Auftrag – es gibt keinen schlichten Bürger, dem Gleiches widerfuhr! Ich blieb in der Gunst des Königs, bis der Tag des Hinscheidens gekommen war" (nach Hor-nung 2006: 28ff.). Das ist alles pure Fiktion! Doch die Erzählung zeigt, dass es für einen kul-tivierten Ausländer mit einer ihm eigenen Identität durchaus als möglich er-achtet wurde, im Fremdland der Asiaten zu leben und eine Familie zu grün-den. Nur wollte man in der Heimat bestattet werden, womit die Überzeugung von der Richtigkeit und Unanfechtbarkeit der eigenen, der ägyptischen Ver-hältnisse deutlich zum Durchbruch kommt. Andererseits mussten aus der Fremde nach Ägypten kommende Personen erst ägyptisiert werden, ehe sie integriert wurden. Oft erhielten sie einen ägyptischen Namen oder trugen ei-nen Doppelnamen (ersichtlich im Papyrus Brooklyn 351446). Doch das Miss-trauen gegenüber den "Fremdländern" blieb weiter bestehen, wie folgendes Beispiel zeigt: Als der Vizekönig von Nubien Usersatet den Versuch wagte, einen Nubier zum ägyptischen Beamten zu machen, schickte Amenophis II. (1428 - 1397 v.Chr.) – es war im Jahr 23 seiner Herrschaft – einen Brief an seinen alten Waffenkameraden. Der Pharao verzichtete darin auf die üblichen einleiten-den Brieffloskeln und beendete das Schreiben mit eindeutigen und unmiss-verständlichen Aussagen über die Bewohner des Gebietes, das Usersatet un-terstand: "Traue ja nicht den Nubiern, sondern hüte dich vor ihren Leuten und ihren Zaubereien. Sieh doch diese Diener eines kleinen Mannes, den du geholt hast, um ihn zum Beamten zu machen, obwohl das kein Beamter ist, den du Seiner Majestät hättest melden dürfen. Oder wolltest du veranlassen, dass man hört: 'Fehlt ein Kriegsbeil aus Gold, eingelegt mit Bronze, (so tuts auch) ein fester Knüppel von der Wasserstelle oder ein anderer vom Akazienbrunnen?' Hör also nicht auf ihre Worte und kümmere dich nicht um ihre Botschaften" (nach Helck 1961: 50). Damit stellte es Amenophis II. als völlig unmöglich dar, einen Nichtägypter zum Ägypter zu machen. Das sei doch etwa so, als wenn man bei der feierli- ALMOGAREN XLI/2010MM43 chen Parade anstelle eines Prunkbeiles mit einem Knüppel vom nächsten Brunnen aufmarschieren würde! Die königliche Propagandaliteratur beschreibt die Nubier als Feiglinge, "kein Volk, das er [Sesostris III.] respektiert, sie sind Wichte, rabenherzig. Denn der Nubier hört, und schon durch das bloße Wort fällt er um: es genügt, ihm zu antworten, um ihn in die Flucht zu treiben. Greift man ihn an, so zeigt er seinen Rücken: sagt man bloß 'Zurück!', so hört er mit dem Angriff auf. Es sind keine Menschen, die Respekt verdienen: es sind arme Leute mit zerbro-chenem Herzen" (nach Loprieno 1988: 25). In dieser Aussage gilt das Interesse ähnlich wie in der Übertreibung der physischen Züge im Papyrus Anastasi I dem moralisch verwerflichen Verhal-ten des Fremden: der Nubier, der keinen Respekt verdient, kann nur ärmlich und feige sein. In dieser Darlegung kommt der semantische Gehalt von "Mensch" deutlich zum Ausdruck, bezeichnet doch der Begriff remet im Ägyp-tischen nicht nur den Menschen im Allgemeinen, sondern in ganz besonde-rem Maße den Ägypter selbst. Nur der, der sich freiwillig und in Kenntnis ihrer absoluten Richtigkeit den Fesseln des damaligen Staates unterwarf, galt als wahrer Mensch. Nicht zufällig wird die Literatur des Alten Reiches be-herrscht von den Weisheitslehren, welche ausdrücklich diese Beschränkun-gen des persönlichen Wollens darlegen und zu begründen wünschen (Helck 1964: 104). Erst etwas später, in der sog. Zweiten Zwischenzeit (ca. 1794 – 1550 v.Chr.) begegnet uns in der Determinierung des Begriffs remet derjenige, der die ägyptische Sitte kennt und der eventuell auch in Folge des Erlernens oder der Erziehung sich wie ein Ägypter zu verhalten weiß und die ägyptische Sprache beherrscht. Einen Hinweis dazu liefert der durch einen Skarabäus bezeugte König Ani der 13. (oder 14.?) Dynastie (Thronname: Der die Zufriedenheit liebt, ein Re), der für seinen Sohn Chonshotep eine Lehre verfasst hatte: "Man unterrichte Nubier und Syrer und alle anderen Ausländer [mit denen man damals einen intensiven Kontakt pflegte] in der ägyptischen Sprache" (Ani BX, 5-7). Ägyptisch konnte man damals im Ausland lernen, wie man andererseits in Ägypten fremde Sprachen kannte. Es gab genügend Schreiber, die vor allem des Arkadischen mächtig waren, das die Rolle einer Lingua franca spielte; auch Hethitisch und Hurritisch wurden verstanden. Semitische Sprachen be-gannen mit der Intensivierung der Kontakte zu Vorderasien eine immer grö-ßere Rolle zu spielen. Aus dem Alten und Mittleren Reich liegen mehrere Belege vor, aus denen hervorgeht, dass es eine gewisse Schicht von Fremd-sprachigen gab, vor allem sog. Vorsteher, die in ägyptischen Diensten auf 44MMALMOGAREN XLI/2010 Expeditionen eingesetzt wurden. Andererseits drangen durch die Verbringung zahlreicher Ausländer nach Ägypten als Kriegsgefangene, Sklaven und Söld-ner viele kanaanäische Fremdwörter ins Ägyptische ein. Die Ägypter muss-ten endlich erkennen, dass es neben ihrer eigenen Sprache, der "Sprache der Menschen", noch andere gleichwertige Sprachen gab. Die Existenz von Dol-metschern, d.h. von "Sprechern einer fremden Sprache", wurde daher immer wichtiger, was im Zusammenhang damit zu sehen ist, dass Ägypten schon sehr früh Handelsbeziehungen auf internationaler Ebene zu pflegen begann. All dies bewirkte einen gewissen Wandel im Umgang mit den Fremden, der sogar dazu führte, königliche Geschenke an befreundete Höfe ins nördliche und südliche Ausland zu senden. Auch erkannten die Ägypter, dass Ausländer in bestimmten Berufsbranchen besondere Geschicklichkeit besaßen und wur-den dadurch geradezu "gezwungen", dem Fremdbild neben der grimmigen Staatsideologie ein menschliches Gesicht zur Seite zu stellen. Ernste Zweifel an den alten Vorstellungen von der Ordnung drinnen und draußen im Umgang mit den Fremden tauchten verstärkt in der Regentschaft von Amenophis IV. (1351 – 1334 v.Chr.) auf, der im 5. Regierungsjahr seinen traditionellen Namen "Amun ist zufrieden" auf Echnaton, "Nützlich dem Aton", änderte. Ein einzigartiger Vorgang! Die Namensänderung entsprang seiner ketzerischen Ablehnung der 100 traditionellen Götter: Die zu jenem Zeitpunkt schon 1500 Jahre bestehende ägyptische Religion war das Ergebnis einer Verschmelzung zahlreicher, ursprünglich voneinander unabhängiger Stammeskulte. Jede Stadt hatte ihre eigene Gottheit, die sich in der Gestalt eines Tieres manifestierte. Diese Tiergottheiten wurden mit menschen-förmigen Körpern und Gliedern sowie menschlichen Eigenschaften und Hand-lungsweisen ausgestattet. Die verwirrende Vielfalt dieses Pantheons, wie sie von der ägyptischen Priesterschaft herangebildet wurde, musste geradezu eine Gegenbewegung auslösen. Der königliche Erneuerer setzte ihr eigene religiö-se und ästhetische Vorstellungen entgegen. Er hielt das Licht der Sonne, wel-ches der Erde täglich Leben spendet, für die höchste Macht von allen und setzte den Glauben an seinen Gott Aton als einzigen erlaubten Kult durch. Der Bruch infolge dieses Umdenkens war tiefgreifend. Hohe Beamte fie-len in Ungnade, neue Männer - darunter oft Ausländer – wurden eingesetzt. Man stellte immer mehr fest, dass die Völker, zu denen man vordrang bezie-hungsweise mit denen man zu tun hatte, über eine ähnlich entwickelte Orga-nisation des Daseins verfügten und dass demnach auch draußen eine Ord-nung herrschte, die von Gott war, auch wenn sie nicht der ägyptischen ent-sprach. Diese Vorstellung findet sich erst spät ausgesprochen in dem bekann-ten "Sonnengesang Echnatons", aufgezeichnet im Felsgrab seines Erziehers ALMOGAREN XLI/2010MM45 Eje in Amarna um 1340 v.Chr. In diesem Hymnus bekennt der Dichter die prinzipielle Gleichstellung aller Menschen ohne Unterschied und ohne Rück-sicht auf Herkunft und Volkszugehörigkeit. Amenophis IV./Echnaton starb, ohne einen designierten Nachfolger aus der Herrscherfamilie zu hinterlassen und seine revolutionären Ideen starben mit ihm. Das Volk nahm die öffentliche Verehrung der vielen Götter, die es wäh-rend der Oberherrschaft Atons im Geheimen hatte ausüben müssen, erneut auf. Die Hauptstadt Achet-Aton wurde zugunsten von Memphis verlassen und das Königsgrab des Nachfolgers wieder in Theben angelegt. Eine neue Gei-steshaltung mit dem Bestreben, Frieden zwischen draußen und drinnen zu schließen, bahnte sich an. Diese Wandlung setzte die Verhältnisse im Neuen Reich deutlich gegenüber jenen älterer Zeiten ab und fand nach der Nierder-lage Ramses II. gegen die Hethiter in der berühmten Schlacht von Qadesch (1275/4 v.Chr.) und weiteren militärischen Kampagnen ihren Höhepunkt im Friedensvertrag zwischen Ägypten und Hatti, dem Reich der Hethiter. Es ist dies der älteste erhaltene Friedensvertrag der Menschheitsgeschichte, der in zwei hieroglyphischen Abschriften und einer keilschriftlichen Fassung doku-mentiert wurde. Hatte die Schlacht bei Qadesch im 5. Regierungsjahr Ramses' II. stattgefunden und war der Friedensvertrag mit Hattuschili III. erst in sei-nem 21. Jahr geschlossen worden, so fand das nächste ägyptisch-hethitische Großereignis als Folge der immer weiter verbesserten Beziehungen der beiden Großmächte im 34. Jahr der Regierung Ramses' II. statt: seine Vermählung mit der ältesten Tochter des hethitischen Königspaares Hattuschili III. und Pudu-hepa. Neben den ägyptischen Quellen liegen darüber auch Brieffragmente aus der regen Korrespondenz zwischen dem ägyptischen und hethitischen Hofe auf Keilschrifttafeln vor. Hier ein Auszug aus einem authentischen Dokument: "Ich habe die Tafeln gesehen, die (meine) Schwester (mir hat bringen las-sen), und ich habe alle Angelegenheiten gehört, über die die Großkönigin von Hatti [Puduhepa], (meine Schwester mi)r in sehr, sehr schöner Weise (geschrie-ben hat). So (sprich) zu meiner Schwester: Siehe, der (Großkö)nig, (der König von Hatti, mein Bruder), hat mir so geschrieben: 'Lasse Leute kommen, um (gutes Feinöl auf das Haupt mei)ner (Tochter) zu gie(ßen), und möge (man s)ie ins Haus des Großkönigs, des Königs von Ägypten (bringen!' So hat mein Bruder mir geschrieben. Siehe), sehr, sehr (gut) ist dieser Beschluss (über den mein) Bruder (mir geschrieben hat; der Sonnengott hat ihn veranlasst) und der Wettergott hat ihn veranlasst; die Götter (Ägyptens und die Götter von Hatti haben veranlasst), dass dieser (schöne) Entschluss gefasst wurde, (um die zwei großen Länder) auf ewig zu einem Lande (werden zu lassen...)" (nach Edel 1952/53: 164f.). 46MMALMOGAREN XLI/2010 Nachdem das Verlöbnis durch die feierliche Handlung des Ölausgießens auf den Kopf der hethitischen Prinzessin durchgeführt worden war, konnte ihre Überstellung in die Ramsesstadt (Piramesse) im Ostdelta beginnen. Als Mitgift wurden in den Briefen von Puduhepa und Hattuschili III. an Ramses II. 500 "Zivilgefangene" genannt (d.s. Leute des nördlich an Hatti angrenzen-den Kaschkäerlandes, die nicht während einer Schlacht gefangen, sondern danach deportiert wurden) sowie eine große Zahl von Pferden, Jungstieren, Rindern und Schafen. Die ägyptische Propaganda spricht in der von Ramses II. in Karnak angebrachten "Hochzeitsstele" folgendes: "Dann veranlasste seine Majestät [Hattuschili III.], dass seine älteste Toch-ter gebracht werde mit beträchtlichen und zahlreichen Geschenken aus Gold, Silber und Kupfer von guter Qualität, Sklaven, Pferden ohne Zahl, Rindern, Ziegen und Schafen zu Zehntausenden" (nach Lefevbre 1925: 40). Auch hier wird wieder offensichtlich übertrieben. Nach beiden Quellen-gruppen zog die Prinzessin im Winter nach Ägypten und musste "unzugäng-liche Berge und mühsame Schluchten überwinden". Eine gut erhaltene Dar-stellung zeigt sie zusammen mit ihrem Vater links von der Fassade des großen Ramsestempels von Abu Simbel (Fig. 19). Das Bild erweckt den Eindruck, Hattuschili III. hätte seine Tochter persönlich nach Ägypten begleitet, um sie dem zwischen Gottheiten sitzenden Ramses II. zuzuführen. Wie uns aber die ägyptisch-hethitische Korrespondenz informiert, hatte der Hethiter-König wegen "brennender Füße" seinen Besuch abgesagt und die Stadt offenbar niemals betreten. Die beiden Männer lernten sich demnach persönlich nie kennen und der einzige Hethiter-König, den Ramses II. je sah, war Muwattalis II. auf dem Schlachtfeld von Qadesch. Der Text in der "Hochzeitsstele" in Karnak berichtet: "Die Tochter des Großfürsten von Hatti... marschierte auf Ägypten zu. Die Infanterie, die Streitwagentruppe und die Beamten seiner Majestät gaben ihr das Geleit, vermischt mit der Infanterie, den Streitwagentruppen und den Beamten von Hatti, den tohar [Helden, "Freibeutern"], wie die menfi [Trup-pen] (von Ramses), auch seine Kavallerie; und das Volk von Hatti mischte sich unter jenes von Ägypten. Sie aßen und tranken zusammen und waren eines Herzens wie Brüder, ohne sich gegenseitig (zu stören). Der Friede herrschte unter ihnen wie Gott selbst, Ramses" (nach Kuentz 1925: 234). Hier wird ausdrücklich das Treffen von Angehörigen zweier, einander frem-der Gruppen auf einer gemeinsamen Ebene betont, was eine große Ausnahme von der sonst üblichen Sitte, nicht gemeinsam zu essen, bedeutete: "Denn die Ägypter dürfen nicht essen mit den Hebräern oder anderen Frem-den; denn es ist ihnen ein Greuel" (1Mo 43: 32b; vgl. Herodot 2,41). ALMOGAREN XLI/2010MM47 Die starren Fesseln lockerten sich also immer mehr und begannen, die al-ten Reinheitsvorschriften Fremden gegenüber zu zersetzen. Auch trat neben die zur ägyptischen Lebensform erkorene Selbstbeherrschung nun auch die Erotik als neues Lebensgefühl, welche der Ägypter mit Vorliebe bei syrischen Frauen (sowie nubischen und asiatischen Knaben) zu finden hoffte. Nicht zufällig berichtet der Papyrus Anastasi I vom Liebesabenteuer eines königli-chen Abgeordneten mit einem Mädchen aus Joppe (heute Jaffa/Tel Aviv-Yafo): "Wenn du nach Joppe kommst, so findest du, wie das Feld grünt zu seiner Zeit. Du dringst ein... und findest das schöne Mädchen, welches die Weinber-ge bewacht. Sie befreundet sich mit dir als Genossen und gibt dir die Farbe ihres Schoßes" (nach Erman 1923: 291). Aber wie so viele Gedanken und Erkenntnisse, die sich im Verlauf der lan-gen ägyptischen Geschichte entwickelt hatten und bis in die Zeit Ramses' II. weiterleben konnten, begannen auch sie abzusterben, um den Weg wieder für die alte Tradition frei zu machen. Schon lange zuvor führte die bei den Ägyp-tern tief verwurzelte Verachtung und Herabsetzung der Fremden auch dazu, sie lächerlich und belustigend zu finden. Dies musste selbst Sinuhe erfahren, als er in seiner asiatischen Tracht die Königin und die Königskinder beim Empfang zum Lachen reizte: "Da ließ seine Majestät die Königskinder hereinführen und seine Majestät sprach zur Königin: 'Schau, der Sinuhe ist gekommen – ein Asiat, ein Ge-schöpf der Beduinen!' Sie schrien laut auf und die Königskinder brüllten alle zusammen" (nach Hornung 2006: 45). Grund zur Unterhaltung gab sicher auch die äußere Erscheinung der unför-migen Fürstin Ati von Punt auf dem bemalten Relief im Totentempel der Königin Hatschepsut (Fig. 20). Mit Realismus und Humor wird die fettleibige Frau mit einer stark gekrümmten Wirbelsäule und mit Fettwülsten an Armen, Beinen und am Oberkörper wiedergegeben, was ganz im Kontrast zum ägyp-tischen Schönheitsideal stand und zum Lachen reizte. (Heute will man darin die Decrum'sche Krankheit erkennen, die sich in Steatopygie, einer krankhaf-ten Krümmung der Wirbelsäule und überhängendem Fettgewebe äußert.) Eine weitere Belustigung empfand der Ägypter auch im Wesen der Frem-den. Die Darstellungen auf den Reliefblöcken des heute zerstörten Grabes des Militärbeamten und späteren Königs Haremheb (1319 – 1292 v.Chr.) in Saqqara geben dafür ein amüsantes Beispiel. Der heute in Leiden befindliche Basis-block zeigt eine universale Gruppe von flehenden Feinden in ungewohnter und überspitzter Haltung (Fig. 21). Auf dem Boden liegen zwei Asiaten, wel-che an die Grußformel der Amarnabriefe erinnern: "Zu den Füßen des Kö-nigs, meines Herrn, werfe ich mich nieder sieben Mal und sieben Mal auf 48MMALMOGAREN XLI/2010 Bauch und Rücken." Mit dieser Szene verstand es der ganz im Geiste der Amarnakunst lebende Bildhauer in hervorragender Weise, die lächerlichen Bewegungen der Ausländer ganz im Gegensatz zu den würdevollen Verbeu-gungen der ägyptischen Beamten herauszuarbeiten und die Fremden zum Gespött zu machen. In vielen Fällen wurde die apotropäische Wirkung der Feindsymbolik nicht nur politisch verwendet, sondern auch zum Schutz vor chaotischen Mächten der Unterwelt. Die religiöse Feindsymbolik bediente sich zum Bann der Wi-dersacher vor allem des Opfers der Feinde in Tierform oder in Menschenge-stalt, wobei es die wichtigste Aufgabe des ägyptischen Königs war, "Ordnung" an die Stelle von Unordnung zu setzen, sei es im Götter- oder Totenkult. Mit dem Ende des Neuen Reiches geriet die sich neu anbahnende Geistes-haltung in eine starke Krise, von der sich Ägypten nicht mehr erholen sollte. Eine immer unaufhaltsamere Überfremdung setzte ein, die schon in der 18. Dynastie unter den Thutmosiden damit begonnen hatte, dass man tausende und abertausende Kriegsgefangene nach Ägypten brachte und sie im ganzen Land bei staatlichen Großprojekten, etwa beim Tempelbau oder der Instand-haltung von Bewässerungsanlagen, in Bergwerken und Steinbrüchen einsetz-te. Dazu kam die Übermacht der Priester, die den Staat der Ramessiden aus-höhlten und das Land geradewegs in Richtung Gottesstaat führten. Dieser Priesterschaft war jedoch kein sehr langes Leben beschieden und das Geschick Ägyptens wurde von neuen Herrschern gelenkt, die nun libyscher und später nubischer Abstammung waren. Als Pije (Pianchi), der Wegbereiter der Kuschitenherrschaft (25. Dynastie) in Ägypten, das memphitische Gebiet un-terworfen hatte, erfolgte der Besuch zweier Fürsten aus dem Norden und zweier Fürsten aus dem Süden als Vertreter des ganzen Landes beim König, um ihm zu huldigen. Der besonders fromme und traditionsbewusste Pije ließ jedoch nur einen der Fürsten, den rituell reinen Namilt, in den Palast, da die anderen "Fischesser" waren und deshalb als unrein galten. Diese an sich un-bedeutende Einzelheit führt uns jedoch vor Augen, wie sehr diese ethische und geistige Haltung bereits von jener unter Ramses II. entfernt lag, in der Ägypter und Hethiter noch unbefangen miteinander aßen und Gastfreund-schaft die Grundlage jeden Zusammentreffens war! Zusammenfassend kann über die von der ägyptischen Literatur und der historischen Auffassung vermittelte "Ausländerfigur" folgende Klimax gesetzt werden (nach Loprieno 1988): • Altes Reich - Mittleres Reich negative Wertung des Ausländers • Amarnazeit "Aufwertung" des Ausländers durch die Aton-Theologie ALMOGAREN XLI/2010MM49 • 19. Dynastie intensiver kriegerischer, aber auch kultureller Aus-tausch zwischen Ägyptern und Ausländern, ins-besonders Asiaten • Dritte Zwischenzeit "Ausländerhass" infolge häufiger Fremdherrschaft • Ptolemäerzeit Übergang zwischen ägyptischer Kultur und Helle-nismus Zitierte Literatur: Abu Bakr, A. M. und Jürgen Osing (1973): Ächtungstexte aus dem Alten Reich. In Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 29: 97-133, Tafeln 31-56. Borchardt, Ludwig (1913): Das Grabdenkmal des Königs Sahu-Re, Bd. 2: Die Wandbilder. Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-gesellschaft 26, Leipzig. Bresciani, Edda (2004): Der Fremde. 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Osing 1973: Nr. 82, 191 und 199). 1 2 52MMALMOGAREN XLI/2010 Fig. 3A: Faksimilezeichnung der mit hieratischen Schriftzeichen versehenen großen Tafel (A GrF) aus dem Westfriedhof der Cheopspyramide; H 6,4 cm, B 8,5 cm, D 1,4 cm (nach Abu Bakr und J. Osing 1973: Taf. 56). Fig. 3B: Durch Schriftergänzung erstellte Texterweiterung obiger Tafel (Punktierung zur Kennzeichnung zerstörter Zeichen) (nach Osing 1976: 153). 3 ALMOGAREN XLI/2010MM53 Fig. 4: Das Zerbrechen der Gefäße und die Schlachtung der Tiere als Begräbniszere-monie im memphitischen Grab des Haremheb, zweiter Hofraum, Nordwand (nach Martin 1987: Taf. 123, Ausschnitt). Fig. 5: Umzeichnung eines Reliefs im Beit el-Wali Tempel, Eingangshalle, Nordwand: Ramses II. in heroischer Haltung, auf dem Haupt die Blaue Krone, hält in der linken Hand einen Bogen und in der rechten ein Sichelschwert, das er über den Kopf eines um Gnade flehenden Libyers schwingt. Rechts im Bild wird der Pharao vom Kron-prinzen Amenhiwonemef und von ägyptischen Beamten gepriesen: "So spricht der Fächerträger zur Rechten des Pharaos, der Kronprinz, der getreue Schreiber des Königs, von ihm geliebt, Prinz Amenhiwonemef, berechtigt, seinen Herrn zu verehren und seine Macht lobend zu verkünden: 'Groß ist deine Stärke o König, Horus reich an Jahren, deine Schlagkraft ist gewaltig. Du hast [ge]siegt über die Fremdländer. Du hast geschlagen die Oberhäupter. [Deine] Stärke [ist wie (die 4 54MMALMOGAREN XLI/2010 von dem)... der am] Himmel ist; die Strahlen der Sonne über... '. So sprechen die Beamten, die in Gegenwart seiner Majestät bei der Verherrlichung des Herrn der Beiden Länder sind: '[Dein] Sichelschwert ist an Mut und Sieg gewaltig. Du hast über die Rebellen gesiegt. Die Sonne scheint nicht über [den Ort], in welchem du wüten wirst. Deine Untertanen werden nicht die Oberhand gewinnen. Der Mut des Landes Khor schwindet. Geschlagen ist das Land K[usch]... '" (nach Ricke et al. 1967: Taf. 14). Fig. 6: Ramses II., der seine Feinde massakriert. Bemalter Kalkstein; H 99,5 cm, B 89 cm, T 50 cm. Der Block wurde in einem Bauwerk des Königs Merenptah aufge-funden und 1917 vom Museum Kairo erworben, JE 46189. Wie in Fig. 5 ist der Pharao angetan mit Prunkgewändern und der Blauen Krone. In der linken Hand hält er eine Axt und mit der rechten packt er den Haarschopf dreier Gefangener: eines Nubiers, eines Libyers und eines Syrers. Die beiden Letzteren heben die Hand und bitten um Gnade, offenbar die einzige, den Fremdländern in der Ikono-graphie erlaubte Geste. Am oberen Rand des Blocks ist ein Teil der Kartuschen des 5 ALMOGAREN XLI/2010MM55 Pharaos zu erkennen; die Hieroglyphengruppe hinter dem König wird allgemein "(Aller) Schutz sei hinter ihm wie Re" gelesen. Fig. 7: Detail aus dem großen Wandbild im Grab 100 von Hierakonpolis (nach Quibell und Green 1902: Taf. 76, Ausschnitt). Fig. 8: Siegelzylinder des Narmer, letzter König der 0. Dynastie. Hierakonpolis, Main Deposit. Es ist eines der frühesten Beispiele mit der Beischrift "Tjehenu" (nach Kaplony 1963: Taf. 5). 6 7 8 56MMALMOGAREN XLI/2010 Fig. 9: Napfseite der Schlachtfeldpalette. Schiefer, H des unteren Fragments 0,198 m, protodynastisch. Teile in Oxford, Ashmolean Museum, 1892.11.71 (oberes linkes Bruch-stück) und London, British Museum, EA 20791 (nach Schott 1950: Abb. 4). Fig. 10: Der königliche Sphinx zertrampelt seine Feinde. Reliefausschnitt aus dem Tempel T (1. Hof, südliche Hälfte der Westmauer) in Kawa, obernubischer Ort am östlichen Nilufer im fruchtbaren Kerma-Becken (Umzeichnung nach Macadam 1955: Taf. 9). 9 10 ALMOGAREN XLI/2010MM57 Fig. 11: Dem König werden Vertreter feindlicher Völker vorgeführt. Reliefausschnitt aus dem Pyramidentempel des Sahure; Memphis/Abusir, um 2440 v.Chr. Die Fremdländer wurden von den Ägyptern aufs Genaueste nach ihrer Physiogno-mie, nach Haar- und Barttracht, Kleidung und Schmuck auseinandergehalten. Der Nubier links unterscheidet sich von dem Ägypter eigentlich nur durch das Stirnband, die Perlensträhnen am Haar, die Form des Gürtels und den charakteristischen, auch archäologisch nachgewiesenen Oberarmreif. Der rechts neben ihm stehende Libyer mit gefesselten Unterarmen trägt langes Haar mit einer Locke an der Stirn und einen kurzen Kinnbart. An einer Halskette hängt ein langes Perlenband, um den Oberkör-per ist ein breites ornamentiertes Band kreuzweise geschlungen. Seine Bekleidung besteht nur aus einem Gürtel, von dem eine Phallustasche und ein Tierschwanz her-abhängen. Die Tracht der daneben stehenden Westasiaten beschränkt sich auf ein Stirnband und einen kurzen, engen Schurz, ihr Bart und ihre Hakennase weist sie als Bewohner des Sinai und des syrisch-palästinensischen Raumes aus (Umzeichnung nach Borchardt 1913: Blatt 7). Fig. 12: Fremdländische Gesandte. Malerei auf Kalkstein, Sheikh Abd el-Qurna, Grab des Ramose (TT 55), Säulenhalle. Ramose kam in der Spätzeit von Amenophis III. zum Amt eines Wesirs. Der König, mit dem er im Grab zusammen gezeigt wird, ist jedoch dessen Sohn Amenophis IV./ Echnaton. In obiger Bildszene nimmt Ramose den Jubel der Untertanen des Königs entgegen, als er sich ausländischen Gesandten zuwendet und sie begrüßt. Diese Grup-pe, formell in vier, drei und einer Reihe ausgerichtet, lässt anhand der Haartracht, Gesichtszüge und Bekleidung vier Nubier, zwei Westasiaten und einen Libyer erken-nen. Der Gesichtstypus des Libyers ist besonders attraktiv und seine feinen Merk-male unterscheiden sich auffällig von den hamitischen und semitischen gewohnten. 11 58MMALMOGAREN XLI/2010 Es scheint, als ob sie alle freie Menschen sind und ihre aufrechte Haltung gibt ihnen tatsächlich mehr Würde als die gekrümmten Rücken der Ägypter (Umzeichnung nach Davies 1941: Taf. 37). Fig. 13: Städteringe mit Namen von vier "Neunbogen-Völkern". Grab des Amenemhet Surer, Theben-West (TT 48), Säulenhalle, Reliefschmuck am Sockel des Königsthrones (Ausschnitt). Amenemhet Surer war unter Amenophis III. Ober-Domänenvorsteher mit dem Rang-titel eines "Wedelträgers zur Rechten des Königs". Seit diesem König tritt die "Neun-bogenliste" in kanonisierter Reihenfolge auf. Von links nach rechts sind dies die Asi-aten, Nubier, Libyer, Ostwüste (?) und Unterägypten; nicht dargestellt sind die Oasen-bewohner, Oberägypten und Obernubier. Diese Liste wurde in der Ramessidenzeit aktualisiert und erweitert, konnte aber je nach Kontext auch vollkommen umgeformt werden (z.B. in den Seevölker-Berichten Ramses' III. in Medinet Habu). (Umzeich-nung nach Säve-Söderbergh 1957: Taf. 30, Ausschnitt). 12 13 ALMOGAREN XLI/2010MM59 Fig. 14: Auf Sandalensohle aufgemalter gefesselter Gefangener, 20. Dynastie (nach Wilkinson 1878, I: 336, No. 444,3). Die demütigende Position wird für Fremdländer als angemessen betrachtet und auf den Monumenten häufig mit dem königlichen Text: "Du hast die Feinde mit deinen mächtigen Füßen zertreten" begleitet. Fig. 15: Gefangenenköpfe als Thron- oder Statuenbasis. Granit, L 45 cm, H 25 cm, T 20 cm. Saqqara, Bezirk der Stufenpyramide des Djoser, Eingangskolonnade; um 2600 v.Chr. Museum Kairo, JE 49613. Der linke Kopf zeigt einen Semiten mit langem Haar und Vollbart; Brauen, Lippen und Bartansatz werden durch gepunzte Linien gekennzeichnet. Der rechte Kopf sym-bolisiert den westlichen Nachbarn, den Libyer; er trägt ebenfalls langes Haar, aber einen Kinnbart. Wie der Bruch links zeigt, schloss sich ein weiterer Kopf an, sicherlich der Repräsentant des Südens, ein "Oberhaupt des elenden Kusch" (nach Firth und Quibell 1935, II: Taf. 57). Fig. 16: Totentempel Ramses' II., Medinet Habu. In der Mitte der geschmückten Fas-sade befindet sich das sog. Erscheinungsfenster, das der König durch Stufen vom Inneren des Tempelpalastes betrat, um den Hof und die Menge, die sich darin ver-sammelte, überschauen zu können und gelegentlichen Vorführungen beizuwohnen. Auch verteilte er von hier Geschenke und Belohnungen an seine Günstlinge. Die Bild- 14 15 60MMALMOGAREN XLI/2010 motive zeigen rechts und links vom Fenster den König, wie er an den Ellbogen gefes-selte Feinde am Haarschopf hält, während die daneben liegenden Bildfelder beidseits von dem in heroischer Haltung gezeigten Pharao mit der Antefkrone beherrscht wer-den. Dieser bedroht mit erhobener Keule kniende, um Gnade flehende Feinde. Das Fenstersims wird von sechs plastisch gearbeiteten Köpfen von Angehörigen der Fremd-völker gestützt. Weitere sieben Köpfe schließen sich links und rechts an. Der König scheint folglich auf den Körpern seiner besiegten Feinde zu stehen, die ihre Köpfe (und Schultern) aus der Wand herausstrecken. Im untersten Register gruppieren sich um das Bild des Verknüpfens von Lilie und Papyrus, den Wappenpflanzen Ober- und Unterägyptens, diverse Personen, die in unterschiedlichen Funktionen auftreten: Am äußeren Rand stehen beidseits Zuschauer, die ihre Aufmerksamkeit auf ein zwischen ihnen stattfindendes Kampfsportturnier richten. Zu sehen sind zehn Paare, die im Ringen oder im Stockfechten begriffen sind, wobei offensichtlich stets ein Ägypter gegen einen Ausländer (Libyer, Nubier, Syrer) kämpft und die Ägypter eindeutig die Sieger sind. Damit alles den Regeln entsprechend abläuft, ist den Athleten ein Kampf-richter beigestellt (Reprod. nach Hölscher 1933: Abb. 28). Fig. 17: Palermostein, Ausschnitt 6,2 der Vorderseite; König Snofru im Jahr nach dem 6. Mal der Zählung (Jahr X+2): "Bau eines dewatawi-Schiffes von 100 Ellen und von 60 Sechzehner-Schiffen aus mrw(Zedern)-Holz. Zerhacken das Nubierland und Bringen von 7000 gefesselten zu Erschlagenden und 200 000 Rinder und Kleinvieh. Erbauen der Mauer des Süd- und Nordlandes (namens) 'Güter-des-Snofru'. Bringen von 40 Schiffen mit Tannenholz. Nilhöhe: 2 Ellen, 2 Finger" (nach Schäfer 1902: 30). Fig. 18: Felsinschriften nördlich des Khor el-Aqiba im 17. oberägyptischen Gau. Ein Gauleiter, der nur seinen Hoftitel nennt, leitet einen Feldzug gegen Wawat mit 20 000 Soldaten (A) und nimmt 17 000 Südländer gefangen (B) (nach Helck 1974: 215). 16 ALMOGAREN XLI/2010MM61 Fig. 19: Die sog. Hochzeitsstele am großen Tempel Ramses' II. in Abu Simbel anläßlich seiner Vermählung mit der ältesten Tochter von Hattuschili III. und Puduhepa. Hattuschili erscheint hier als derjenige, der persönlich dem zwischen den Gottheiten Seth und Ptah in einem Kiosk sitzenden Pharao seine Tochter zuführt. Die Prinzessin wird dabei bereits in ägyptischer Kleidung dargestellt, während ihr Vater das hethi-tische Gewand und eine hohe spitze Mütze trägt. Die ägyptische Beischrift lautet: "Ich bin zu dir gekommen, ich bewundere deine Pracht als Bändiger der Fremdländer. Du bist wahrhaftig der Sohn des Gottes Seth; dieser hat dir das Hatti-Land zugewie-sen. Ich habe mich all meiner Güter entäußert, vor allem meiner ältesten Tochter, um sie vor dein Angesicht zu führen. Gut ist alles, was du für uns bestimmtest, ich selbst bin für immer und ewig unter deinen Füßen, zusammen mit dem gesamten Hatti- Land. Du bist auf dem Thron des Gottes Re erschienen und hast jedes Land für immer unter deinen Füßen!" 17 18 62MMALMOGAREN XLI/2010 Der hieroglyphische Text preist Ramses als den, der seine Grenzen dort setzt, wo immer er es wünscht, ohne Widerstand zu finden – "ausgenommen das (nunmehr ja verbündete) Hatti-Land" (nach Kitchen 1996: 87; Abb. nach Lepsius 1849 III, 196: 67). 19 ALMOGAREN XLI/2010MM63 Fig. 20: Relieffragment der Puntexpedition. Bemalter Kalkstein, max.H 49,3 cm, max.B 45 cm. Deir-el-Bahari, Totentempel der Hatschepsut, 18. Dynastie. Museum Kairo, JE 14276 = CG 89661. Das Fragment gehört zu einer Serie mit Szenen, welche detailliert die im 9. Jahr der Königin Hatschepsut unternommene berühmte Handelsexpedition nach Punt, das vermutlich an der somalischen Küste lag, darstellen. Ati, die fettleibige "Fürstin von Punt" ist mit einem ärmellosen Gewand bekleidet und trägt eine Halskette aus plat-ten Scheibchen sowie Fußkettchen an beiden Beinen. Ihre langen, hinter die Ohren gestrichenen Haare werden von einem Stirnband gehalten. Vor Ati ist ihr magerer Gatte Parehu zu sehen. Der Mann trägt einen kurzen Rock mit herabfallenden Quas-ten, einen Spitzbart, eine Halskette und einen Dolch im Gürtel. Auf seinem Kopf sitzt eine Kappe und in der linken Hand hält er einen nur teilweise erhalten gebliebenen Gegenstand. Dem Paar folgt ein Mann, der ein Produkt aus Punt transportiert. Das Relief hat Anteil an dem ersten figurativen Zeugnis, das den Kontakt zwischen Ägyp-ten und Punt belegt. 20 64MMALMOGAREN XLI/2010 Fig. 21: Ausschnitt eines sich über zwei Blöcke erstreckenden Reliefs aus dem mem-phitischen Grab des Haremheb, 2. Hofraum; heute in Leiden, H.III QQQQ. Wie die meisten hohen Beamten Tutanchamuns ließ sich der Militärführer und spä-tere König Haremheb nach der Verlegung der Residenz von Amarna nach Memphis eine Grabanlage in Saqqara errichten. Das Bild zeigt eine um Gnade und Schutz fle-hende Delegation von "Häuptlingen der Fremdländer". Nahe am äußersten rechten Ende ist dies ein junger, bartloser Mann mit Stirnband und daneben ein Schasu (i.e. ein Angehöriger einer Gruppe von asiatischen Beduinen, die ausschließlich in ägyp-tischen Urkunden erwähnt werden). Vor ihnen befinden sich in kniender Haltung zwei Libyer, erkennbar durch ihre Federn und Seitenlocken. Alle anderen sind Asiaten mit langen Bärten und mit vom Nacken herunterhängenden Haaren. Es mag bezeichnend sein, dass nur westasiatische und libysche Oberhäupter abgebildet sind und Hethiter sowie Südländer bei diesem Ereignis fehlen. Da die Fremden ihr Anliegen zweifellos in kanaanitischer oder akkadischer und libyscher Sprache vortrugen, war ein Dol-metscher unerläßlich, der hier im Bild in leicht gebeugter Haltung vor den Flehenden steht und die typische Kleidung zur Zeit der späten 18. Dynastie trägt. Über ihm befindet sich ein glattes Rechteck für eine Inschrift, die nie eingeschlagen wurde (Reproduktion nach Martin 1989: Taf. 115, Ausschnitt). 21
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Calificación | |
Colección | Almogaren |
Título y subtítulo | Das Feindbild der alten Ägypter |
Autor principal | Trost, Franz |
Entidad | Institutum Canarium |
Publicación fuente | Almogaren |
Numeración | Número 41 |
Tipo de documento | Artículo |
Lugar de publicación | Wien |
Editorial | Institutum Canarium |
Fecha | 2010 |
Páginas | pp. 027-064 |
Materias | Prehistoria ; Islas Canarias |
Copyright | http://biblioteca.ulpgc.es/avisomdc |
Formato digital | |
Tamaño de archivo | 7592941 Bytes |
Texto | ALMOGAREN XLI/2010MM23 ALMOGAREN XLI/2010 IC ICDIGITAL Separata XLI-3 24MMALMOGAREN XLI/2010 ICDIGITAL Eine PDF-Serie des Institutum Canarium herausgegeben von Hans-Joachim Ulbrich Technische Hinweise für den Leser: Die vorliegende Datei ist die digitale Version eines im Jahrbuch "Almogaren" ge-druckten Aufsatzes. Aus technischen Gründen konnte – nur bei Aufsätzen vor 1990 – der originale Zeilenfall nicht beibehalten werden. Das bedeutet, dass Zeilen-nummern hier nicht unbedingt jenen im Original entsprechen. Nach wie vor un-verändert ist jedoch der Text pro Seite, so dass Zitate von Textstellen in der ge-druckten wie in der digitalen Version identisch sind, d.h. gleiche Seitenzahlen (Pa-ginierung) aufweisen. Der im Aufsatzkopf erwähnte Erscheinungsort kann vom Sitz der Gesellschaft abweichen, wenn die Publikation nicht im Selbstverlag er-schienen ist (z.B. Vereinssitz = Hallein, Verlagsort = Graz wie bei Almogaren III). 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Institutum Canarium 1969-2014 für alle seine Logos, Services und Internetinhalte ALMOGAREN XLI/2010MM25 Inhaltsverzeichnis (der kompletten Print-Version) Hans-Joachim Ulbrich: Die prähispanischen Ortsnamen in der Lanzarote-Karte von Dámaso de Quezada y Chaves (18. Jh.) .................................................. 7 Samia Ait Ali Yahia: Nouvelles stèles à inscriptions libyques de la Grande Kabylie ...................... 17 Franz Trost: Das Feindbild der alten Ägypter ................................................................. 27 Nicole Honoré, Susan Searight-Martinet, France & François Soleilhavoup: Wa-n-Kalia, un site rupestre dans l'Aramat, Libye ...................................... 65 Joaquín Caridad Arias: Las antiguas divinidades Tanit, Támara o Tamar, Tara o Tana y su proyección en la religión de los canarios ...................... 95 Werner Pichler & Alain Rodrigue: Oued Rheris II: A new site of rock paintings in the South of Morocco ....... 113 Franz Trost: Bemerkungen zu Herodots Angaben über ägyptische Könige .................... 135 Alain Rodrigue: Les gravures rupestres de Smara (Sahara Occidental) – note complémentaire .................................................................................. 139 Yves Gauthier, Bernard Veneur, Norbert Desaphy, Pierre Seuriel: Nouvelles gravures en style de Tazina: figurations du Nord de l'Immidir, Algérie ................................................. 149 Hartwig-E. Steiner: Archäologische Fundstätten auf Selvagem Grande. Erweiterte, revidierte Fundkarte nach der 2. IC-Expedition 2007. ............. 193 Hartwig-E. Steiner: Historische Wirtschaftsbauten auf Selvagem Grande / Ilhas Selvagens, Portugal ............................................. 205 Friedrich Berger: Felskunst westlich von Dakhla (Ägypten) – Beispiele für Darstellungen von Naturphänomenen, insbesondere von Wasser .................. 269 26MMALMOGAREN XLI/2010 Trost, Franz (2010): Das Feindbild der alten Ägypter.- Almogaren XLI (Institutum Canarium), Wien, 27-64 Zitieren Sie bitte diesen Aufsatz folgendermaßen / Please cite this article as follows: ALMOGAREN XLI/2010MM27 Almogaren XLI / 2010 Wien 2010 27 - 64 Franz Trost Das Feindbild der alten Ägypter Keywords: Ancient Egypt, public relation, foreign countries, enemy symbols Zusammenfassung: Ausgehend von einem Überblick über die geographisch-kulturelle Namensgebung und die Lebensbedingungen im alten Ägypten, beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Verhält-nis des Reiches und seiner Menschen zum Ausland sowie zur Problematik des Fremd-seins an sich. Dabei werden fünf Zeitabschnitte, vom Alten und Mittleren Reich über die Amarnazeit, die 19. Dynastie bis einschließlich der Dritten Zwischenzeit, herausgearbei-tet, während welcher sich das anfänglich negative Bild des Auslandes und seiner Men-schen über eine – vor allem in deren Bedeutung für die ägyptische Wirtschaft begründete – vorübergehende Aufwertung wieder in schroffe Ablehnung zurück verwandelte, ehe sich die ägyptische Kultur mit der hellenistischen vermischte. Als Beleg für diese Er-kenntnis wird eine Anzahl von Bildern und Hieroglyphen-Inschriften auf Pyramiden, Tempeln sowie Alltagsgegenständen wiedergegeben, und deren Inhalte werden erläutert beziehungsweise bewertet. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bietet die Erschlie-ßung von Texten, wobei es vor allem um etymologische Argumente geht. Abstract: Starting from a survey of geographic and cultural nomenclature and from living conditions in ancient Egypt, this paper treats the relationship of the Empire and its inhabitants with foreign countries as well as the problems arising from 'being foreign'. Five periods are stressed: the Ancient and Middle Empires, the Amarna Period, the 19th Dynasty including the Third Intermediate Time during which the initially negative view of foreign countries and their inhabitants changed to temporary appreciation due to their importance for Egyptian economy, deteriorating again into rude rejection before Egyptian culture mixed with Hellenistic culture. To prove this, a number of pictures and hieroglyphic inscriptions on pyramids, temples and objects of everyday life are reproduced, their contents being explained and evaluated. Interpretation of texts is another focal point of this paper stressing etymological arguments above all. Résumé: Partant d'un examen de la nomenclature géographique et culturelle dans l'ancienne Egypte, ce travail s'occupe de la relation de l'Empire et de ses habitants avec l'étranger ainsi que de la problématique «d'être étrange» telle quelle. Cinque époques y seront mises en relief: l'Ancien et le Moyen Empires, la période d'Amarna, la 19e dynastie et enfin la Troisième Epoque Intermédiaire pendant laquelle l'image d'abord négative de l'étranger et de ses habitants – changeant vers une amélioration transistoire, fondée sur son 28MMALMOGAREN XLI/2010 importance pour l'économie de l'Egypte – repasse dans une répudiation brusque avant que la culture égyptienne ne se soit mélangée à la culture helléniste. Comme preuves de cette constatation un nombre d'images et d'inscriptions hiéroglyphiques sur pyramides, temples et objects de tous les jours y sont reproduites avec interprétation et évaluation de leur contenus. L'interprétation de certains textes est un autre point d'intérêt du travail, traitant surtout d'arguments étymologiques. Die alten Ägypter gebrauchten für ihr Land mehrere Namen, von denen Kemet, "das schwarze (Frucht)Land", der volkstümlich gebräuchlichste war und an die dunklen, an den Uferseiten des Nils abgelagerten Schwebstoffe anknüpft. Die den Fluss umgebenden Wüstengebiete nannten sie nach der Farbe des Bodens Deschret, "das rote Land". Herodot, der Ägypten in der Zeit zwischen 450 und 440 v.Chr. bereiste, erklärt dies deutlich mit folgenden Worten (2, 1): "In Ägypten ist der Boden schwarz und brüchig, eben weil er aus Nil-schlamm besteht, den der Nil aus Äthiopien herabgeführt hat. Von Libyen wissen wir, dass es rötlichen, sandigen Boden hat." Bekannt ist auch die Stelle von Plutarch in seiner Schrift De Iside et Osiride, die sich in der römischen Welt nach dem Verlust des Glaubens an die eigenen Götter rasch verbreitete: "Sie nennen Ägypten Khemia, weil es schwarz ist wie der schwarze Teil [Pupille] des Auges und sie vergleichen es mit dem Herzen; denn es ist warm und feucht und wird im Wesentlichen von den südlichen Teilen der bewohn-ten Erde eingeschlossen und umgrenzt wie das Herz von der linken Seite des Menschen." Ein weiterer Name für Ägypten lautete (besonders für das ägyptische Kern-land, das Nilland) ta-meri, "das geliebte Land", der deutlich das Gefühl der Bewohner für ihre Heimat zum Ausdruck bringt; ta war der Begriff für das fruchtbare Land schlechthin, das oft mit dem Demonstrativum "dieses Land" oder dem Possessivum "unser Land" apostrophiert wurde. Sehr gut wird das in der Geschichte des Schiffbrüchigen deutlich, einem Vorläufer von Sindbad dem Seefahrer, der nach bestandenen Abenteuern wieder sicher in seine Hei-mat zurückkehrt und bekundet: "Siehe, wir sind glücklich heimgekehrt und haben unser Land (ta) erreicht." Die Lebensader Ägyptens ist der Nil oder, wie es Herodot 2,5 treffend aus-drückt: "Die Gebiete Ägyptens... sind ein Geschenk des Stromes." Ohne die Zuverlässigkeit dieses Stromes, mit der er Mensch und Tier mit Wasser ver-sorgt und die Felder bewässert, hätte das Niltal keine Siedler angezogen und hätte die ägyptische Zivilisation nicht entstehen können. Auch wäre ohne den Nil als Wasserstraße und direkte Verbindung zwischen den verschiedenen ALMOGAREN XLI/2010MM29 Bevölkerungszentren ein Einheitsstaat nicht denkbar gewesen. Die Welt der Ägypter war nun mal die des fließenden Wassers und die der Sonne. Die Pha-raonen beschäftigten daher ein Heer von Schreibern, die an mehreren Stellen des Flusslaufes die präzise geeichten Nilometer ablasen, die wie eine steile Steintreppe ins Wasser hinabführten. Wenn Hapi, die göttliche Verehrung der Überschwemmung des Nils, gütig war und dem Land reichlich Bewässerung und fruchtbaren Schlamm beschert hatte, war es wohl recht, Hymnen und Lobgesänge zu verfassen, um den Fluss zu preisen: "Heil dir, Nil, der du aus der Erde kommst und wiederkehrst, um Äygpten zu ernähren, der du die Gesetze gibst und die beiden Ufer gedeihen lässt... der du Menschen und Tiere am Leben erhältst mit deinen Gaben des Feldes." Der Verlauf des Nils diente den Bewohnern des Landes auch als Orientie-rung, und da sie es nur natürlich fanden, dass Flüsse nach Norden fließen, galt für sie stromauf Süden und stromab Norden. Der Euphrat wurde als "umge-drehtes Wasser, das stromab zieht, indem es nach Süden fließt" ausgewiesen (Urkunden IV, 85). Versuche, die Grenzen der Wüsten festzulegen, die im Osten und im Westen das Schwemmland des Tales scharf umrahmen, gab es kaum, und es wurde die Bahn des Sonnenlaufes für die Teilung der beiden von Randgebirgen begrenzten Uferstreifen angesehen. Im Weltbild der alten Ägypter galt nur das von ihnen bewohnte Land als der eigentliche Mittel-punkt einer geordneten, sicheren Welt. Jenseits der ägyptischen Grenzen la-gen die Bezirke der Unordnung, der Wüsten und der Fremdländer – das Cha-os schlechthin! Dieses Chaos war dem Ägypter eine feste Größe, das ihn immer bedrohte und das es stets zu bekämpfen galt. Permanente Aufgabe des Pharaos, des Garanten der Weltordnung war es daher, gegen Störenfriede vor-zugehen, d.h. die ägyptische Herrschaft real oder rituell bis an die Grenzen der Welt auszudehnen, um über sie zu gebieten und die Wiederkehr der Sonne (jeden Abend musste Seth in der Sonnenbarke die Apophisschlange mit dem Stoß eines großen Speeres schlagen) und des Nilschlammes zu garantieren. Dieses "Leitprogramm" als nützliches Instrument königlicher Herrschaft wur-de durch die gesamte Geschichte des Pharaonenreiches hindurch aufrecht erhalten. Auch Herodot, dessen Ägyptenreise höchstens vier Monate während der Überschwemmungszeit gedauert haben mag, musste die unüberwindbare Ablehnung spüren, mit der die Ägypter seiner Zeit die Fremden betrachteten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hekateios von Milet bekam Herodot we-nig Zugang zu den Ägyptern der gebildeten Kreise – ein Umstand, der in den unterschiedlichen Verhältnissen lag, unter denen ein Grieche zur Zeit des Saïtenkönigs Amasis (570 - 526 v.Chr.), der als Griechenfreund und trink- 30MMALMOGAREN XLI/2010 freudig geschildert wird, und zu der der ersten Perserzeit unter Artaxerxes I. (465 – 424 v.Chr.) in Ägypten reiste und Aufnahme fand. Als Herodot den Tempel von Medinet Habu besuchte, zeigten ihm die dortigen Priester eine Reihe Holzstatuen aus der Vergangenheit und gaben kund, dass "von den Urbildern dieser Standbilder hier immer ein Mensch auf den anderen gefolgt sei, Piromis von Piromis, und es im Ganzen 345 solche Standbilder seien" (2, 143). Pi-rômi hat die Bedeutung "Mensch" (remet), die bei den Ägyptern seit Beginn ihrer Geschichte in der urtümlichen Vorstellung wurzelte, dass nur sie allein einen besonderen Menschentyp verkörperten. Nur die eigene Lebens-führung stellte die einzige gültige Form der menschlichen Existenzver-wirklichung dar, und es war daher nur dem indigenen Bewohner des Niltales vorbehalten, sich in seiner Sprache als remet zu apostrophieren. Dem Auslän-der wurde zwar nirgends die Zugehörigkeit zur biologischen Masse "Mensch" aberkannt, denn "er ist zwar Mensch, aber nicht ein solcher, den man respek-tieren müsste". Im erweiterten Sinn wurde der Begriff remet geopolitisch für "Mitglied des ägyptischen Volkes/Nation" (remet n Kemet = Ägypter) und schließlich soziologisch mit der Opposition "Unterschicht" verwendet. Bereits in den Pyramidentexten der königlichen Grabanlagen des Alten Reiches, welche seit König Unas (ca. 2387 – 2367 v.Chr.) die ältesten ausführ-lichen Niederschriften über die religiöse Vorstellung der Ägypter darstellen und eine bereits stark differenzierte Götterwelt bezeugen, begriff sich das geschichtliche, ethnozentrische Ägypten als Mitte der Welt, wenn gesprochen wird: "Die Tore über dir erheben sich schützend. Sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Westens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Ostens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Nordens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern des Südens, sie öffnen sich nicht den Bewohnern der Erdmitte, aber sie öffnen sich für Horus! Er ist es, der sie erschaffen hat, er ist es, der sie aufgerichtet hat, der sie bewahrt hat vor allen Angriffen" (Pyr. 1588-1606). Edda Bresciani spricht hier von "einer frühen, mythologischen Rechtferti-gung für die Unterscheidung zwischen Ägypten und seinen Nachbarn in allen vier Himmelsrichtungen, zwischen dem Reich des Horus, Ägypten, wo eine vollkommene Ordnung herrscht, und dem Reich Seth – den 'Fremdländern', dem Reich des 'Andersartigen', der Unordnung" (2004: 261). ALMOGAREN XLI/2010MM31 Dieses Chaos, das die Ordnung umgab und bedrohte, galt es zu vernichten – auch mit Zauber! Zu diesem Zweck wurden grobe, nicht glasierte Tongefäße wie auch aus Ton, Wachs, Holz oder Stein gefertigte Figuren gefesselter Fein-de mit den Namen der Personen, Orte beziehungsweise Länder beschriftet, gegen die sich der Zauber richten sollte. Gelegentlich waren es unterschied-lich lange Schmähtexte, die sich gegen Einzelpersonen, Landesfeinde oder ganz generelles Übel richteten, wobei oft die Vertreter der vier von den Ägyp-tern unterschiedenen Menschenrassen in einer Art Proskriptionsliste ange-führt erscheinen. Die Reihenfolge der vier Völker ist dabei meist die folgende: die Afrikaner des Südens, die Asiaten des Nordens, die Libyer des Westens und schließlich jene Ägypter selbst, die als Feinde der bestehenden Staats-ordnung des Niltales anzusehen waren. Auf die Nennung der Völker und ihrer verschiedenen Teile folgte in der Regel eine kurze "Rebellionsformel", die offenbar den Zweck hatte, nur diejenigen in die Ächtung einzubeziehen, die sich schlechter Handlungen gegenüber Ägypten schuldig gemacht hatten (Fig. 1). Um die Vernichtung der oder des Genannten magisch herbeizuführen, wurden die beschrifteten Figuren und Gefäße rituell zerschlagen und begra-ben, als könnte man in der Materie, auf die man den Namen des Feindes ge-schrieben hatte, seine Existenz dingfest machen und durch das Zerschlagen des Objektes vernichten oder doch schwächen. Im späten Zauber wurde die-ser Brauch zur magischen Vernichtung ganzer gegnerischen Heere gesteigert. Aus den zahlreichen Funden sei jener aus dem Westfriedhof der Cheops-pyramide hervorgehoben, der zwei dickwandige Krüge aus ziegelrot gebrann-tem Ton mit 223 ganzen und 26 in Bruchstücken erhaltenen rechteckigen Namenfigürchen und eine in viele Teile zerbrochene "Tafel" mit hieratischen Aufschriften enthielt. Abu Bakr und Jürgen Osing geben bekannt (1973: 98), dass "alle Figürchen von flacher, hoch rechteckiger Form mit abgerundeten Ecken und einem stielartigen oberen Ansatz sind. Sie messen durchschnitt-lich 5,5 x 2 cm bei einer Dicke von 0,4 - 0,9 cm. Der jetzigen Form der Figür-chen, die einen menschlichen Rumpf mit Kopf oder nur den Hals andeuten sollen, liegt ein flacher Quader zugrunde... Auf der geglätteten Vorderfläche tragen die Figürchen hieratische Aufschriften, ... die grundsätzlich senkrecht verlaufen, wobei man um volle Ausnützung des verfügbaren Raumes bemüht gewesen ist" (Fig. 2). Die Lesung des Textes auf der großen "Tafel" (Fig. 3A) stieß auf Schwie-rigkeiten, "da viele hieratische Zeichen und somit viele Wörter nur unvoll-ständig sind". Erst die genaue Auswertung einer in ihrer Ganzheit gebliebe-nen Figur mit hieratischer Aufschrift (Nr. JdE 88136A), die von der im Jahr 1927 unter der Leitung von G.A. Reisner durchgeführten Grabung im Fried- 32MMALMOGAREN XLI/2010 hof östlich der Cheopspyramide stammt, ermöglichte es Jürgen Osing (1976) das oben genannte fragmentarische Parallelstück (Sigel A GrF) analog zu vervollständigen. Der mit Hilfe des Reisner-Fundes ergänzte Text ist in Fig. 3B wiedergegeben, seine Übersetzung lautet: "Jeder Rebell dieses Landes, alle Menschen [d.s. alle Ägypter], alle Beam-ten, alle Untertanen, alle Männer, alle Kastraten, alle Frauen; jeder Fürst, je-der Nubier, jeder 'Starke' [Kämpfer], jeder Bote, jeder 'Verbündete', jeder Ver-einigte [Bundesgenosse] von einem Fremdland, die rebellieren sollten, in (den Ländern) Wawat, Irtjet, Satju, Jam, Janech, Masit und Kau, die damals gegen Ober- und Unterägypten rebellieren oder aufgrund von Propagierung der Subversion oder aufgrund irgendwelcher böser Äußerung Subversion bege-hen sollten (werden für immer vernichtet werden)." Spezielle Rituale dieser Art zeugen von der durch eigene Anschauung ge-wonnenen Kenntnis von Geographie, Toponomastik und jenen Gebieten, über welche der Pharao die Herrschaft beanspruchen oder ausüben wollte, aber auch von den Fremden und Fremdländern, von denen er befürchtete, dass sie Un-ruhe verbreiten und Verschwörung anzetteln könnten. Mit den "Ächtungstexten" in Verbindung gebracht werden kann eine gegen Feinde und Feindliches gerichtete Ritualhandlung, und zwar das sog. "Zer-brechen der roten Gefäße". Der dafür früheste textliche Hinweis findet sich in den Pyramidentexten, Spruch 244: "O Osiris NN! Dies hier ist das [harte] Auge des Horus, tu es dir in die Hand, damit du siegesbewusst wirst und 'er' sich vor dir abschrecke." Das "harte Horusauge" scheint jene Keule zu sein, mit der die symbolische Handlung, in diesem Fall das "Zerstoßen der roten Gefäße", vollzogen wird, während sich die Schlussworte auf den bösen Feind Seth beziehen, der sich vor dem angesprochenen Osiris beziehungsweise dem toten König fürchten soll. Das Zeremoniell wird im Spruch 32 (CT VII, 128j-k) von einer Symbol-handlung begleitet, die im Schlachthof des Pyramidentempels durchgeführt wurde. Das Ritual wird in sehr lebendiger Art im memphitischen Grab des Königs Haremheb (1319 – 1292 v.Chr.) in Reliefserien gezeigt, von denen in Fig. 4 ein Ausschnitt gegeben wird: Die Stände sind mit reichlichen Speise- und Trankopfer gefüllt und die Türöffnungen mit eiförmigen Gebilden und Zweigen behangen. Zwischen den Ständen befinden sich mit Palmzweigen geschmückte Lauben und weitere Speiseopfer. Räuchergefäße bedecken die Gaben und gebundene Rinder lie-gen zum Schlachten bereit. In der dritten Laube schneidet ein Mann den Kopf eines der heiligen Tiere ab, während im gleichen Moment ein Priester das ALMOGAREN XLI/2010MM33 erste große Gefäß fasst, dem zuvor die Tonplombe und der Verschluss ent-fernt wurden, um es zu zerbrechen. Bemerkenswert ist die Art, wie der Künst-ler die zerbrochenen Gefäße mit den auslaufenden Flüssigkeiten und den Schmerz der Trauernden dargestellt hat. In einer weiteren Szene füllt ein Pries-ter aus einem in seiner linken Hand befindlichen Behälter ein Räuchergefäß so stark auf, dass hohe Flammen aus ihm aufsteigen. Nach der allgemeinen Ansicht ist das Zerbrechen der dšrt-Gefäße mit Verwünschungszeremonien verknüpft. Auch ist gesagt worden, dass die gleichzeitige Handlung des Zerbrechens dieser Gefäße und die Tötung der Tiere die Vernichtung der Gottesfeinde symbolisiert. Van Dijk liegt sicher rich-tig und interpretiert das Zeremoniell als "a rite of reassurance, enacted to reassure and thereby protect the participants of the ritual when they approach the dangerous borderline between the ordered world and the domain of the power of chaos" (1993: 188). In der ägyptischen Kunst begegnet uns schon früh ein programmatisches Motiv in der Führungsideologie, welches das Oberhaupt einer Bevölkerungs-gruppe, eines Gebietes oder Landes beim Sieg über feindliche Nachbarvölker zeigt. Der streng ikonographisch geprägte Typus, der bald zu einer regelrecht heraldischen Komposition des Bildes führte, zeigt den König meist in Schritt-stellung, wie er einen oder mehrere in die Knie gesunkene Feinde mit der vorderen Hand am Haarschopf packt und mit einer Waffe – Keule, Axt oder Sichelschwert – in der anderen Hand bedroht (Fig. 5 und 6). Die bislang frü-heste Darstellung im emblematischen Schema des "Erschlagens der Feinde" begegnet uns im sogenannten Bemalten Grab von Hierakonpolis aus der ent-wickelten Naqada IIc-Zeit (um 3300 v.Chr.) (Fig. 7). Das Bild zeigt eine ste-hende, nach rechts gerichtete Person, der jedes Rangabzeichen fehlt, und die eine Keule über drei in einer Reihe auf die Knie gesunkener Feinde schwingt. Da im ägyptischen Sprachsystem die Drei eine Zahl für den Plural ist, die erst kurz vor der Thinitenzeit durch die Einzahl abgelöst wurde (s. Narmerpalette), dürfte hier die rituelle Opferung einer Vielzahl von Feinden vor sich gehen. Die vordere Hand der stehenden Person packt den Schopf des ihm nächsten Gegners, der beide Arme hebt und um sich zu blicken scheint. Die Größe des Siegers, der im Schlagen vorwärts drängt, veranschaulicht seine Stärke ge-genüber den wesentlich kleineren, auf eine Standlinie gesetzten Feinden, die ihm mit den Füßen abgewendet sind. Ebenfalls aus der Frühzeit Ägyptens ist eine Variation des "Erschlagens der Feinde" bekannt, in der die Hieroglyphe des Königsnamens menschliche Arme zeigt und Feinde bedroht. Auf dem in Fig. 8 gezeigten kleinen Elfenbein-zylinder aus den "Main Deposit" in Hierakonpolis ist im linken Mittelfeld ein 34MMALMOGAREN XLI/2010 Wels (Lautwert: ncr) angebracht, der sich mit dem darunter befindlichen Mei-ßel (Lautwert: mr) zum Namen "Narmer", dem letzten König der 0. Dynastie ergänzen lässt. Dieser Wels hält in seinen Händen einen langen Stock, den er über die in drei Registern hockenden sieben Gefangenen schwingt und damit die Zeremonie des "Erschlagens der Feinde" zelebriert. Mit ihrem Haarschopf und Bart stellen sie augenscheinlich den libyschen Typus dar. Unter den Namenshieroglyphen des Königs sind drei Völkernamen angebracht, von de-nen der oberste und der linke untere jeweils Thn.w zu lesen sind, d.h. Bewoh-ner von Tjehenu, i.e. "Libyer". Über dem königlichen Namenstier ist links ein Geier mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt, offenbar die Geiergöttin Nechbet, die Hauptgottheit von Elkab. Als Himmelsgöttin beschützt sie ihren irdischen Sohn Narmer. Ihr zugewandt ist ein Falke, also der Horus, mit einem Lebens-zeichen in der Hand. Ein analoges Dokument liefert ein 1996 von einem deutschen Archäologen-team in Abydos gefundenes Jahrestäfelchen Narmers, worauf ein Wels (der Hauptbestandteil des Königsnamens) mit seinen Armen eine Keule schwingt und einen stürzenden Feind am Papyruspflanzen-Schopf packt (Dreyer 2007: 215). Die Papyruspflanze ist das Symbol für Unterägypten, wodurch die Sze-ne Klarheit bekommt: König Narmer unterwirft die Bewohner des Deltas, die als Tjehenu ausgewiesen sind. Zweifellos beziehen sich beide Dokumente, der Elfenbeinzylinder aus Hierakonpolis und das Jahrestäfelchen aus Abydos, auf das gleiche Ereignis, das auch auf der Rückseite der berühmten Narmer-Prunk-palette angeführt ist – den Triumph, den letzten lokalen Delta-Fürsten ge-waltsam beseitigt und damit die aufständischen Gebiete unterworfen zu ha-ben. Es wird damit also keine fiktive Handlung wiedergegeben, sondern eine konkrete Tatsache! Die vollzogene Unterwerfung der Feinde wird neben dem Erschlagen auch in Form von deren Zertreten durch den König in Tiergestalt (Löwe, Stier) oder als tierisches Mischwesen (Sphinx, Greif) dargestellt. Durch die jeweilige Gestalt nimmt der König bestimmte Eigenschaften des betreffenden Tieres an, die für den Kampf gegen die Feinde besonders erfolgversprechend sind. Das Motiv "Zertreten der Feinde" ist seit vordynastischer Zeit bekannt, aus der wir die fragmentarisch erhaltene Schlachtfeldpalette herausgreifen (Fig. 9). Die Napfseite der Palette zeigt als Zentralfigur die symbolische Erschei-nungsform des kraftvollen, siegreichen Königs in Gestalt eines Löwen, des-sen Schwanz sich eingerollt um das rechte Hinterbein schlingt und der sich anschickt, einen ungefesselten Feind zu zerfleischen. Der Mann mit zurück-geworfenen Armen ist vollkommen nackt, wie es für einen Überwundenen üblich ist, genau wie seine Begleiter, die den inneren Teil der Palette einneh- ALMOGAREN XLI/2010MM35 men. Sie tragen dicht gekräuseltes Haar und einen länglichen Backen-Kinn-bart. Einem von ihnen sind die Arme auf den Rücken gebunden, die anderen sind ungefesselt, scheinen aber schwer verletzt oder tot zu sein. Die symboli-sche Sphäre wird durch das Herannahen von Geiern und Krähen verstärkt. Rechts von der zentralen Gruppe sind zwei fragmentarische Personen zu er-kennen: ein nackter Gefangener mit zurückgebundenen Armen, vor einer Gestalt schreitend, die in einen langen Mantel mit gefranstem Saum und ova-len Mustern gehüllt ist. Ihre Arme dürften über die Brusthöhe erhoben gewe-sen sein, was zum Anflehen des Königs passen würde. Die Palette zeigt einen Sieg über Feinde, deren Nationalität durch den Rest einer Hieroglyphe vor dem schon gefesselten Gefangenen erkennbar wird und die aus einem länglich-ovalen Zeichen, dem alten Determinativum für "Land", besteht. Versuchen wir dieses Oval mit einem Büschel von sechs Papyrus-stängeln zu ergänzen, so erhalten wir die Hieroglyphe "Papyrusdickicht" als Herkunftsbezeichnung der hier offensichtlich Besiegten. Die Szene wird ver-vollständigt durch einen in merkwürdiger Haltung dargestellten Feind links des Löwen und durch eine sehr interessante Gruppe auf dem oberen, kleinen Palettenbruchstück: Zu erkennen sind Emblemstandarten mit dem Falken- und Ibisbild als handelnde, in die dargestellte Szene eingreifende Mächte, welche durch Anfügung von Armen personifiziert, gefesselte Feinde vor sich hertrei-ben. Solche Tierfiguren auf Tragstangen sind als Zeichen für Gottheiten seit spätvorgeschichtlicher Zeit durch Darstellungen auf Paletten sowie Punk-keulen bekannt. Sie wurden in Prozessionen mitgeführt und an Kultplätzen aufgestellt. Es ist daher gut vorstellbar, dass diese zoomorphen Figuren auf-grund ihrer Funktion im Kult zu persönlichen Schutzzeichen wurden. Offen-sichtlich versuchten die Eliten jener Zeit, ihre Macht und ihr Ansehen auch auf diese Weise sichtbar zu machen. Leider ist die Schlachtfeldpalette nicht genau datierbar, sie dürfte jedoch von einem der ersten bekannten Könige geweiht worden sein und somit der protodynastischen Zeit angehören. Man hat öfter versucht, in der Mantelgestalt einen "Libyer" zu erkennen, was sich als unrichtig herausstellte, da der lange Mantel wohl den "Libyern" des Neuen Reiches zugehört, aber kein Beklei-dungsstück der frühen Bewohner des Westdeltas war. Auch ist der Hinweis auf eine Gottheit, z.B. auf den mit einem langen Mantel dargestellten Gott Onuris von This, unrichtig, da anthropomorphe Götter auf vorthinitischen Denkmälern nicht belegt sind. Möglicherweise gehört die bemantelte Figur den sog. "Zipfelmützenleuten" an, wie sie bildlich auf kleinen Elfenbein-fragmenten aus abydenischen Königsgräbern erscheinen und zeitlich kaum jüngeren Datums sind (s. Petrie 1901: Taf. IV, Nr. 4, 5). Dort wird ein Mann in 36MMALMOGAREN XLI/2010 unterwürfiger Haltung mit einem Kinnbart und Friedenszweig (?) in der Hand gezeigt, der wie die Gestalt auf der Schminkpalette einen langen Mantel trägt. Während aber das Muster der Palettenfigur waagrecht verläuft, ist es auf dem Elfenbeinfragment sekrecht angeordnet. Wer waren diese "Zipfelmützenleute"? Vielleicht Angehörige jener Dynas-tie, die in dem leider nur stark fragmentarisch überlieferten Turiner Königs-papyrus als "Die im Papyrus" bezeichnet wird und 19 Herrscher umfasst ha-ben soll? Zwar tragen die auf der Palette gefesselten beziehungsweise bereits toten Feinde keine Zipfelmütze, was aber sicher damit zusammen hängt, dass sie als Besiegte völlig nackt sind. Nach Ansicht von Wolfgang Helck (1987: 86) "haben wir es bei den 'Zipfelmützenleuten' mit dem Fleckenmantel mit den Bewohnern jenes Gebietes zu tun, das von der 'Papyrusdickicht-Dynas-tie' beherrscht wurde". Hier ist es angebracht, nochmals auf die Darstellung der Narmerpalette hinzuweisen, wo der siegreiche "Horus" dem in heroischer Körpergröße gezeigten König ein mit Papyruspflanzen bewachsenes Land-stück übergibt, dessen eines Ende in der Form eines menschlichen Kopfes ausläuft, während der König selbst gerade im Begriff ist, den vor ihm knien-den Feind zu erschlagen. Dieser kann, wie schon erwähnt, als der letzte lokale Herrscher des Deltas und damit der "Papyrusdickicht-Dynastie" des Turiner Königspapyrus angesehen werden. Nach der gewaltsamen Beseitigung der Delta-Eliten war es dem siegreichen König Narmer möglich, sowohl die han-delspolitisch wichtigen Ortschaften im Delta zu übernehmen, als auch nun beide Kronen als Ausdruck des dualistischen Machtprinzips der "Beiden Län-der" zu tragen: die Weiße Krone für den oberägyptischen Landesteil und die Rote Krone für die unterägyptische Landeshälfte. Der gegen die potentiellen Feinde Ägyptens als Fabelwesen agierende König begegnet uns auch noch in der Kuschitenzeit, in welcher der nubische König Taharqa (690 – 664 v.Chr.) in Kawa einen neuen Tempel (Tempel T) für Gott Amun errichten ließ. Dazu wurden Handwerker und ein Architekt aus Memphis geholt, deren Aufgabe es war, die archaischen Kunstformen der königlichen Totentempel von Sahure und Niuserre in Abusir und von Pepi II. in Saqqara nachzuahmen. Die Vollendung der Arbeiten und Einsetzung Amuns in sein neues Haus erfolgte zu Beginn von Taharqas 10. Regierungsjahr um 680 v.Chr. Die Umzeichnung eines nach gewünschten Vorlagen sorgfältig modellierten Flachreliefs zeigt Fig. 10: Der König erscheint als riesiger, aus Großkatzenkörper und Menschenkopf zusammengesetzter Sphinx, der mit riesigen Tatzen drei Feinde zertritt. Unter den Flachbildwerken der Pyramiden-zeit lässt sich ein West-, ein Ost- und ein Südländer erkennen. Der Text lautet: "Zertreten aller Fremdländer"; vor dem Westländer ist zu lesen: "Er hat alle ALMOGAREN XLI/2010MM37 Herden und Herdenbesitzer gefangen genommen". Über diesen Worten be-finden sich drei Rinder. Sie stellen eine stark abgeschwächte Zahl jener den Unterworfenen abgenommenen Beutetiere dar, die in einer kunstvolleren Version im Säulenhof des Sahure-Tempels in vier Reihen zu sehen sind und zahlenmäßig mit 243 688 Schafen, 232 413 Ziegen, 223 400 Eseln und 123 440 Rindern angegeben werden. Dieser Viehreichtum scheint jedoch für eine Wüstenpopulation, in diesem Fall der Westländer, stark übertrieben zu sein. In den kanonisierten Darstellungen werden die äußeren Feinde Ägyptens auch in den Jagdbildern und (teils fiktiven) Schlachtenbildern dargestellt, welche die große Gestalt des Pharaos beherrschend in den Mittelpunkt stel-len, wodurch – nach ägyptischen Glaubensvorstellungen – der Sieg bereits garantiert wird. In gleicher Weise werden die Feinde gefesselt, als dem König von Göttern zugeführt gezeigt (Fig. 11). Sie erscheinen als Tributbringer und Gesandte in der Residenz (Fig. 12), bei Statuen unter den Sohlen des Königs und auch von Göttern, sie dienen als Dekoration von Thronpodesten und Palastböden sowie Schemeln, ebenso wie als Gefangene auf Stadtringen, wo sie auf Sockeln von königlichen Kolossalstatuen stehen. Auf letzteren treten sie als Bogenvölker in weitgehend kanonisierter Reihenfolge auf (Fig. 13). Als feste Bestandteile der Feindsymbolik erscheinen die ägyptischen Feinde auch auf Waffen, Geräten und Sandalen des Königs (Fig. 14) sowie als Gefangenen-statuen und –köpfe in den königlichen Anlagen (Fig. 15). Es sind vorwiegend Zauberbilder, welche die Angehörigen der fremden und somit feindlichen Völker im Zustand ihrer Unterwerfung zeigen und diesen Zustand auch ga-rantieren sollen. Gerne wurde die kultische Verehrung des lebenden Königs mit Kolossalstatuen verbunden und sein Bild als antithetische Szene auf den Vorderseiten der beiden Pylontürme an den Tempeleingängen angebracht (Fig. 16): Das sonnenhafte Wesen des Pharaos sollte – Lichtstrahlen gleich – die Finsternis, die feindlichen Mächte und damit das Chaos vertreiben. Die architektonische Blütezeit begann zeitgleich mit der 3. Dynastie mit den monumentalen Stufenpyramiden als Symbol des zentralen Königtums und erreichte ihren Höhepunkt in der 4. Dynastie mit der Cheopspyramide, wel-che die Griechen der hellenistischen Zeit zu den Sieben Weltwundern zählten – Weltwunder nicht nur mit Bezug auf die vollendete Form und die Beherr-schung der Bautechnik, sondern auch als Ausdruck eines geschlossenen Welt-bildes. Die intensive Bautätigkeit der Könige in Ägypten zur Zeit der Pyrami-den führte sehr rasch zu einer verstärkten Erschließung einheimischer und auswärtiger Rohstoffquellen wie z.B. dem Abbau der Grauwacke in der Ost-wüste im Wadi Hammamat oder des Basalts am Gebel Qatrani nördlich des Qarum-Sees im Fajjum und bei Assuan. Der Kupferabbau auf der Sinai-Halb- 38MMALMOGAREN XLI/2010 insel wurde von Djoser (ca. 2702 – 2633 v.Chr.), dem ersten König der 3. Dy-nastie, erneut aktiviert; die Gewinnung des Nebenproduktes Türkis dürfte nicht viel später in der gleichen Region eingesetzt haben. Wie Inschriften im Wadi Maghara belegen, haben die vor allem in den Wintermonaten auf den Sinai geschickten Expeditionen 400 bis 500 Mann umfasst, eine Inschrift er-wähnt sogar 1400 Mann. Mehrmals zogen ägyptische Heere gegen die bedu-inischen "Sandbewohner" der Sinai-Halbinsel, die eher als die aus dem Nor-den vordringenden Asiaten gewillt waren, für die Ägypter zu arbeiten. Außer-dem wurde traditionell Bauholz aus den Häfen der Levante, vor allem aus Byblos am Fuße des Libanon, direkt auf dem Seeweg nach dem holzhungrigen Ägypten geholt. Koniferenholz, das nur aus dem Libanon gekommen sein kann, fand sich bereits in vorgeschichtlichen Gräbern. Mit Snofru (ca. 2633 – 2585 v.Chr.), dem Vater des großen Pyramidenbauers Cheops, lässt der ägyptische Geschichtsschreiber Manetho eine neue Dynas-tie, die 4. Dynastie, beginnen. Glücklicherweise haben die Annalen von Snofrus 24-jähriger Regierung einige Angaben erhalten. So bezeugt der Palermostein im Jahr nach dem 6. Mal der Viehzählung den Bau von Schiffen und berichtet von einem Zug gegen Nubien, bei dem 7000 Gefangene und 200 000 Stück Vieh erbeutet wurden. Noch im gleichen Jahr bringen 40 Schif-fe Tannenholz aus dem Libanon (Urkunden I 235,8-12; s. Fig. 17), das im nächs-ten Jahr (7. Mal der Zählung) wieder zu Schiffen verbaut wurde. Der Annalen-stein Kairo Nr. 4,4,2 (= Urkunden I 237,3) erwähnt am Ende von Snofrus Re-gierung einen Zug gegen die Libyer: "Bringen aus Tjehenu 1100 Gefangene und 13 100 Stück Vieh." In diesem Zusammenhang sind zwei Felsinschriften nördlich des Khor el- Aqiba auf dem Ostufer des Nils zu erwähnen, die zeitlich wohl irgendwann während der 4. Dynastie entstanden und von einem Zug berichten, der "20000 Soldaten umfasste, (um) das Nubierland zu zerhacken" (A) und dabei "17000 Nubier einfingen" (B) (Fig. 18). Wie schon in der oben angeführten Annalen-notiz (Urkunden I 236,10) aus der Zeit des Snofru erwähnt, machen diese Angaben deutlich, dass es sich hier nicht um Kriege zur Abwehr feindlicher Gruppen gehandelt hat, die gegen Ägypten anstürmten, sondern eindeutig um Beutezüge zum Einfangen von Mensch und Vieh. Die hohe Soldatenzahl ver-deutlicht aber auch die Absicht, durch die Anlage neuer Festungen, wie z.B. Buhen am 2. Katarakt, dauerhaft Soldaten zu stationieren. Das erbeutete Vieh wurde zu Herden zusammengefasst, die gefangenen Nubier setzte man als Landarbeiter und zur Kolonialisierung von neuem Land ein. Doch diese Neukolonialisierung überstieg eindeutig das vorhandene Potential an Arbeits-kräften, sodass ein Rückgriff auf das Reservoir außerhalb der (südlichen) ALMOGAREN XLI/2010MM39 Reichsgrenzen nötig war. Diese im vorliegenden Fall als nhsjw, "Südländer", bezeichneten Personen, scheinen rasch integriert worden zu sein, was auch daran gelegen sein dürfte, dass im Alten Reich die (möglicherweise auch sprachliche) Verwandtschaft zwischen den Ägyptern und den nhsjw eher eng war. So konnten Produktionsengpässe überwunden werden, ohne dass dabei Spannungen emotionaler Art entstehen konnten. Ein neuerliches negatives Echo gegenüber den Fremdländern wurde wach-gerufen, als gegen Ende des Alten Reiches umherziehende vorderasiatische Nomaden mit ihrem Vieh in das Ostdelta zogen. Nur das Eingreifen eines mächtigen Mannes im Staat konnte Ägypten vor schlimmen Folgen bewah-ren. Und dieser Retter war der aus Oberägypten stammende Amenemhet I., der als Wesir und damit nach dem Pharao ranghöchster Mann im Staat, die Nachfolge des schwachen, kinderlosen Mentuhotep IV. antrat und etwa im Jahr 1976 v.Chr. die 12. Dynastie begründete. König Amenemhet I. ordnete das Land und sicherte im Nordosten die Grenzen seines Reiches durch die in den Weissagungen des Neferti erwähnten "Mauern des Herrschers". Diese bil-deten ein engmaschiges Netz von Befestigungsanlagen, das seinen Grenz-soldaten eine wirksame Kontrolle in diesem Gebiet erlaubte, "um die Asiaten nicht nach Ägypten hineinzulassen; demütig sollen sie um Wasser flehen, um ihre Herden zu tränken" (nach Hornung 2006: 215f.). Der historische Text des Lesepriesters Neferti, der an den Hof des Königs gerufen worden war, um ihn mit "gewählten Worten" zu unterhalten, war aber nichts anderes als königliche Propaganda, deren Inhalt von Schulkindern über Jahrhunderte rezidiert und in ramessidischer Zeit als Klassiker der ägypti-schen Literatur verehrt wurde. Er rechtfertigt die Taten des Königs, der sein Volk vor dem jenseits der Grenzen lauernden Chaos schützen wollte, aber auch zu wiederholten Expeditionen gezwungen war, um die Westgrenze gegen Angriffe der kriegerischen libyschen Stämme zu sichern, wo ein Befestigungs-system wie die "Fürstenmauer" nicht hergestellt werden konnte. Für die Ägypter stellten aber nicht allein die fremden Menschen eine feind-liche Macht dar, sondern auch das ungewohnte Wesen fremder Landschaften. Dies kommt eindringlich in der ältesten Beschreibung der palästinensischen Landschaft zum Ausdruck, in der sog. Lehre für König Merikare aus der Hieraklepolitenzeit zu Beginn des 2. Jahrtausends v.Chr.: "Folgende Sachen werden über die Fremden erzählt: Der ärmliche Asiate leidet wirklich unter dem Ort, in dem er lebt: dürftig an Wasser, mangelnd an Bäumen, wo viele Wege hinführen und die Berge Schwierigkeiten bereiten; er ist nie an einem sitzen geblieben, und der Hunger wird seine Füße immer drängen; seit Horus Zeit ist er am kämpfen, ohne siegen zu können, aber auch 40MMALMOGAREN XLI/2010 ohne besiegt zu werden; denn er gibt seinen Kampftag nicht bekannt, genau wie ein Dieb, der sich vor dem Arm der Truppe fürchtet" (nach Loprieno 1988: 22f.). Hier wird das Ungewohnte zur Drohung. In der von den Asiaten bewohn-ten Gegend herrscht die Unnatur: Regen statt Überschwemmung, Wälder und Berge an Stelle des offenen und ebenen Niltales. Außerdem galt es sowohl im Alten wie auch im Mittleren Reich als barbarisch, wenn der Feind den Tag des Kampfes nicht ansagte. Eine sehr eindrucksvolle Schilderung, in der die Gefährdung durch die asiatische Landschaft und ihre Bewohner beschrieben wird, liefert uns der satirische Papyrus Anastasi I, dessen Entstehung allerdings erst unter Ramses II. (ca. 1279 – 1213 v.Chr.) anzusetzen ist: "Siehe, da ist (...) ein Abgrund von zweitausend Ellen Tiefe, der voll ist von Blöcken und Geröll (...). Gefährlich ist das enge Tal, da dort Beduinen unter Büschen verborgen sind; unter ihnen sind solche von vier Ellen oder fünf El-len, von der Nase bis zur Fußsohle, weitblickende, deren Herz nicht freund-lich ist und auf Schmeicheleien hören sie nicht! Du bist allein, kein Helfer ist mit dir und kein Heer ist hinter dir. Du findest keinen Führer, dass er dir einen Übergang zeige. Du entscheidest dich, vorwärts zu gehen, obschon du den Weg nicht kennst. Schaudern befällt dich, dein Haar sträubt sich und deine Seele liegt auf deiner Hand. Dein Weg ist voll von Blöcken und Geröll und es ist kein Ort zum Übergang, da er bewachsen ist mit Gras, Dornbüschen, Schlinggewächsen und 'Wolfsfuß'. Die Abgründe hast du auf der einen Seite und der Berg ragt auf der anderen Seite, so gehst du und führst deinen Wagen neben dir und fürchtest dich, deine Pferde nicht zu sehr anzutreiben (...). Dein Herz ekelt sich und du machst dich daran, zu Fuß zu gehen; Der Himmel ist offen [unbewölkt, heiß] und du meinst, der Feind stehe hinter dir. Da befällt dich Zittern. Ach, hättest du doch eine Hecke (hinter der du verschwinden könntest)" (nach Erman 1923: 284). Diese außergewöhnliche Beschreibung der asiatischen Landschaft, die in ähnlicher Weise weder von Nubien noch von Libyen bekannt ist, lässt vermu-ten, dass die Ägypter diese beiden Gebiete als nicht in dem Maß chaotisch empfanden wie das asiatische Land. Die Erschwernisse und Unberechenbar-keiten, wie sie in der asiatischen Landschaft hervortraten, fand der Ägypter auch bei deren Bewohnern. Kann doch in einem unübersichtlichen Gelände hinter jedem Busch der Feind lauern! Es herrschte also die Angst vor dem ganz Anderen, welches außerhalb der Grenzen Ägyptens lag und das den Bewohnern des Niltales so bedrohlich erschien. Alles Ausländische galt daher als "schlecht" (hsj) und offeriert damit deutlich die Mehrschichtigkeit als be-sonderen Wesenszug im ägyptischen Denken. ALMOGAREN XLI/2010MM41 Kehren wir nochmals zu Amenemhet I. zurück, der zu Beginn seines 21. Regierungsjahres seinen Sohn Sesostris I. als Mitregenten eingesetzt hatte, eine Praxis, in der ihm die späteren Könige des Mittleren Reiches gefolgt sind. Während nun Sesostris I. im Jahre 30 seiner Herrschaft auf einem Feldzug gegen die Libyer vom Hofe abwesend war, wurde im "3. Monat der Achet- Jahreszeit, Tag 7 [15. Februar 1962 v.Chr.] (...) der König Sehetepibre [Thron-name des Amenemhet I.] zum Himmel entrückt und vereinte sich mit der Sonne (...). Die Beamten des Palastes sandten Botschaft nach Westen, um den Königssohn über die Lage zu unterrichten, die im Königskabinett entstanden war." So beginnt eines der populärsten Literaturstücke aus dem pharaonischen Ägypten, die Geschichte des Sinuhe, eines fiktiven "Gefolgsmannes seines Herrn, eines Angestellten des königlichen Harims (bei) der hochbegnadeten Fürstin, der Gemahlin des Königs Sesostris und Tochter des Königs Amenemhet, Nofru." Diese Geschichte stellt ein frühes Beispiel für autobiographische Reise-literatur dar, in welcher den Helden, der gehört hatte, wie über den angeblich gewaltsamen Tod des alten Königs gesprochen wurde, die Panik ergriff und er aus Angst vor Intrigen Hals über Kopf flüchtete. Damals floh man nicht nach Nubien oder Libyen, nur Syrien oder Kanaan waren für Ägypter ein einigermaßen adäquates Refugium. So überquerte Sinuhe also bei Nacht die befestigte, als "Mauer des Herrschers" bekannte Grenze und fand in Syrien freundliche Aufnahme beim Fürsten von Ober-Retenu namens Ammunenschi, der ihn mit seiner ältesten Tochter verheiratete. Hier, in dieser fremden Welt, wurde Sinuhe angenommen und geschätzt. Er gründete eine Familie und wurde "wohlhabend an Gütern und reich an Herden." An seinem Lebensa-bend ergriff ihn die Sehnsucht nach seiner Heimat und der Wunsch, im Land seiner Geburt bestattet zu werden, galt doch den Ägyptern als einzig gültige Form einer ordentlichen Grablegung jene, nach ägyptischem Ritus begraben zu werden! Sinuhe schrieb einen demütigen Bittbrief an den regierenden Kö-nig Sesostris I. und dieser antwortete ihm, indem er in seinem Brief die asia-tischen Gebräuche gegen die ägyptischen stellte: "Nicht Asiaten sollen dich bestatten, nicht in ein Widderfell sollst du ge-hüllt, keine Steinmarkierung soll für dich gemacht werden (...). Sorge für das leibliche (Fortleben) und kehre zurück!" Sinuhe zögerte nicht, das Angebot anzunehmen und kehrte im Triumph, vom Pharao willkommen geheißen, heim. "In feinstes Leinen wurde ich (nun) gekleidet, mit bestem Öl gesalbt, auf ein Bett wurde ich zur Ruhe gelegt. Ich gab den Sand denen, die in ihm woh-nen, und das (schmierige) Baumöl dem, der sich damit salbt... Ein Steingrab 42MMALMOGAREN XLI/2010 wurde mir errichtet im Pyramidenbezirk. Der Oberbaumeister der Pyramide hob (persönlich) das Fundament aus (?), der Oberzeichner malte in ihm, der Oberbildhauer meißelte in ihm, der Bauleiter der Nekropole kümmert sich darum. Die gesamte Ausstattung, die zu einem Grab gehört, wurde bereit ge-stellt, Totenpriester wurden mir zugeteilt. Ein Nekropolengarten wurde für mich angelegt, Beete und Bäume waren am richtigen Platz, wie es für einen Hofrat ersten Ranges gemacht wird. Meine Grabstatue war mit Gold überzo-gen, ihr Schurz aus Weißgold, Seine Majestät gab sie (persönlich) in Auftrag – es gibt keinen schlichten Bürger, dem Gleiches widerfuhr! Ich blieb in der Gunst des Königs, bis der Tag des Hinscheidens gekommen war" (nach Hor-nung 2006: 28ff.). Das ist alles pure Fiktion! Doch die Erzählung zeigt, dass es für einen kul-tivierten Ausländer mit einer ihm eigenen Identität durchaus als möglich er-achtet wurde, im Fremdland der Asiaten zu leben und eine Familie zu grün-den. Nur wollte man in der Heimat bestattet werden, womit die Überzeugung von der Richtigkeit und Unanfechtbarkeit der eigenen, der ägyptischen Ver-hältnisse deutlich zum Durchbruch kommt. Andererseits mussten aus der Fremde nach Ägypten kommende Personen erst ägyptisiert werden, ehe sie integriert wurden. Oft erhielten sie einen ägyptischen Namen oder trugen ei-nen Doppelnamen (ersichtlich im Papyrus Brooklyn 351446). Doch das Miss-trauen gegenüber den "Fremdländern" blieb weiter bestehen, wie folgendes Beispiel zeigt: Als der Vizekönig von Nubien Usersatet den Versuch wagte, einen Nubier zum ägyptischen Beamten zu machen, schickte Amenophis II. (1428 - 1397 v.Chr.) – es war im Jahr 23 seiner Herrschaft – einen Brief an seinen alten Waffenkameraden. Der Pharao verzichtete darin auf die üblichen einleiten-den Brieffloskeln und beendete das Schreiben mit eindeutigen und unmiss-verständlichen Aussagen über die Bewohner des Gebietes, das Usersatet un-terstand: "Traue ja nicht den Nubiern, sondern hüte dich vor ihren Leuten und ihren Zaubereien. Sieh doch diese Diener eines kleinen Mannes, den du geholt hast, um ihn zum Beamten zu machen, obwohl das kein Beamter ist, den du Seiner Majestät hättest melden dürfen. Oder wolltest du veranlassen, dass man hört: 'Fehlt ein Kriegsbeil aus Gold, eingelegt mit Bronze, (so tuts auch) ein fester Knüppel von der Wasserstelle oder ein anderer vom Akazienbrunnen?' Hör also nicht auf ihre Worte und kümmere dich nicht um ihre Botschaften" (nach Helck 1961: 50). Damit stellte es Amenophis II. als völlig unmöglich dar, einen Nichtägypter zum Ägypter zu machen. Das sei doch etwa so, als wenn man bei der feierli- ALMOGAREN XLI/2010MM43 chen Parade anstelle eines Prunkbeiles mit einem Knüppel vom nächsten Brunnen aufmarschieren würde! Die königliche Propagandaliteratur beschreibt die Nubier als Feiglinge, "kein Volk, das er [Sesostris III.] respektiert, sie sind Wichte, rabenherzig. Denn der Nubier hört, und schon durch das bloße Wort fällt er um: es genügt, ihm zu antworten, um ihn in die Flucht zu treiben. Greift man ihn an, so zeigt er seinen Rücken: sagt man bloß 'Zurück!', so hört er mit dem Angriff auf. Es sind keine Menschen, die Respekt verdienen: es sind arme Leute mit zerbro-chenem Herzen" (nach Loprieno 1988: 25). In dieser Aussage gilt das Interesse ähnlich wie in der Übertreibung der physischen Züge im Papyrus Anastasi I dem moralisch verwerflichen Verhal-ten des Fremden: der Nubier, der keinen Respekt verdient, kann nur ärmlich und feige sein. In dieser Darlegung kommt der semantische Gehalt von "Mensch" deutlich zum Ausdruck, bezeichnet doch der Begriff remet im Ägyp-tischen nicht nur den Menschen im Allgemeinen, sondern in ganz besonde-rem Maße den Ägypter selbst. Nur der, der sich freiwillig und in Kenntnis ihrer absoluten Richtigkeit den Fesseln des damaligen Staates unterwarf, galt als wahrer Mensch. Nicht zufällig wird die Literatur des Alten Reiches be-herrscht von den Weisheitslehren, welche ausdrücklich diese Beschränkun-gen des persönlichen Wollens darlegen und zu begründen wünschen (Helck 1964: 104). Erst etwas später, in der sog. Zweiten Zwischenzeit (ca. 1794 – 1550 v.Chr.) begegnet uns in der Determinierung des Begriffs remet derjenige, der die ägyptische Sitte kennt und der eventuell auch in Folge des Erlernens oder der Erziehung sich wie ein Ägypter zu verhalten weiß und die ägyptische Sprache beherrscht. Einen Hinweis dazu liefert der durch einen Skarabäus bezeugte König Ani der 13. (oder 14.?) Dynastie (Thronname: Der die Zufriedenheit liebt, ein Re), der für seinen Sohn Chonshotep eine Lehre verfasst hatte: "Man unterrichte Nubier und Syrer und alle anderen Ausländer [mit denen man damals einen intensiven Kontakt pflegte] in der ägyptischen Sprache" (Ani BX, 5-7). Ägyptisch konnte man damals im Ausland lernen, wie man andererseits in Ägypten fremde Sprachen kannte. Es gab genügend Schreiber, die vor allem des Arkadischen mächtig waren, das die Rolle einer Lingua franca spielte; auch Hethitisch und Hurritisch wurden verstanden. Semitische Sprachen be-gannen mit der Intensivierung der Kontakte zu Vorderasien eine immer grö-ßere Rolle zu spielen. Aus dem Alten und Mittleren Reich liegen mehrere Belege vor, aus denen hervorgeht, dass es eine gewisse Schicht von Fremd-sprachigen gab, vor allem sog. Vorsteher, die in ägyptischen Diensten auf 44MMALMOGAREN XLI/2010 Expeditionen eingesetzt wurden. Andererseits drangen durch die Verbringung zahlreicher Ausländer nach Ägypten als Kriegsgefangene, Sklaven und Söld-ner viele kanaanäische Fremdwörter ins Ägyptische ein. Die Ägypter muss-ten endlich erkennen, dass es neben ihrer eigenen Sprache, der "Sprache der Menschen", noch andere gleichwertige Sprachen gab. Die Existenz von Dol-metschern, d.h. von "Sprechern einer fremden Sprache", wurde daher immer wichtiger, was im Zusammenhang damit zu sehen ist, dass Ägypten schon sehr früh Handelsbeziehungen auf internationaler Ebene zu pflegen begann. All dies bewirkte einen gewissen Wandel im Umgang mit den Fremden, der sogar dazu führte, königliche Geschenke an befreundete Höfe ins nördliche und südliche Ausland zu senden. Auch erkannten die Ägypter, dass Ausländer in bestimmten Berufsbranchen besondere Geschicklichkeit besaßen und wur-den dadurch geradezu "gezwungen", dem Fremdbild neben der grimmigen Staatsideologie ein menschliches Gesicht zur Seite zu stellen. Ernste Zweifel an den alten Vorstellungen von der Ordnung drinnen und draußen im Umgang mit den Fremden tauchten verstärkt in der Regentschaft von Amenophis IV. (1351 – 1334 v.Chr.) auf, der im 5. Regierungsjahr seinen traditionellen Namen "Amun ist zufrieden" auf Echnaton, "Nützlich dem Aton", änderte. Ein einzigartiger Vorgang! Die Namensänderung entsprang seiner ketzerischen Ablehnung der 100 traditionellen Götter: Die zu jenem Zeitpunkt schon 1500 Jahre bestehende ägyptische Religion war das Ergebnis einer Verschmelzung zahlreicher, ursprünglich voneinander unabhängiger Stammeskulte. Jede Stadt hatte ihre eigene Gottheit, die sich in der Gestalt eines Tieres manifestierte. Diese Tiergottheiten wurden mit menschen-förmigen Körpern und Gliedern sowie menschlichen Eigenschaften und Hand-lungsweisen ausgestattet. Die verwirrende Vielfalt dieses Pantheons, wie sie von der ägyptischen Priesterschaft herangebildet wurde, musste geradezu eine Gegenbewegung auslösen. Der königliche Erneuerer setzte ihr eigene religiö-se und ästhetische Vorstellungen entgegen. Er hielt das Licht der Sonne, wel-ches der Erde täglich Leben spendet, für die höchste Macht von allen und setzte den Glauben an seinen Gott Aton als einzigen erlaubten Kult durch. Der Bruch infolge dieses Umdenkens war tiefgreifend. Hohe Beamte fie-len in Ungnade, neue Männer - darunter oft Ausländer – wurden eingesetzt. Man stellte immer mehr fest, dass die Völker, zu denen man vordrang bezie-hungsweise mit denen man zu tun hatte, über eine ähnlich entwickelte Orga-nisation des Daseins verfügten und dass demnach auch draußen eine Ord-nung herrschte, die von Gott war, auch wenn sie nicht der ägyptischen ent-sprach. Diese Vorstellung findet sich erst spät ausgesprochen in dem bekann-ten "Sonnengesang Echnatons", aufgezeichnet im Felsgrab seines Erziehers ALMOGAREN XLI/2010MM45 Eje in Amarna um 1340 v.Chr. In diesem Hymnus bekennt der Dichter die prinzipielle Gleichstellung aller Menschen ohne Unterschied und ohne Rück-sicht auf Herkunft und Volkszugehörigkeit. Amenophis IV./Echnaton starb, ohne einen designierten Nachfolger aus der Herrscherfamilie zu hinterlassen und seine revolutionären Ideen starben mit ihm. Das Volk nahm die öffentliche Verehrung der vielen Götter, die es wäh-rend der Oberherrschaft Atons im Geheimen hatte ausüben müssen, erneut auf. Die Hauptstadt Achet-Aton wurde zugunsten von Memphis verlassen und das Königsgrab des Nachfolgers wieder in Theben angelegt. Eine neue Gei-steshaltung mit dem Bestreben, Frieden zwischen draußen und drinnen zu schließen, bahnte sich an. Diese Wandlung setzte die Verhältnisse im Neuen Reich deutlich gegenüber jenen älterer Zeiten ab und fand nach der Nierder-lage Ramses II. gegen die Hethiter in der berühmten Schlacht von Qadesch (1275/4 v.Chr.) und weiteren militärischen Kampagnen ihren Höhepunkt im Friedensvertrag zwischen Ägypten und Hatti, dem Reich der Hethiter. Es ist dies der älteste erhaltene Friedensvertrag der Menschheitsgeschichte, der in zwei hieroglyphischen Abschriften und einer keilschriftlichen Fassung doku-mentiert wurde. Hatte die Schlacht bei Qadesch im 5. Regierungsjahr Ramses' II. stattgefunden und war der Friedensvertrag mit Hattuschili III. erst in sei-nem 21. Jahr geschlossen worden, so fand das nächste ägyptisch-hethitische Großereignis als Folge der immer weiter verbesserten Beziehungen der beiden Großmächte im 34. Jahr der Regierung Ramses' II. statt: seine Vermählung mit der ältesten Tochter des hethitischen Königspaares Hattuschili III. und Pudu-hepa. Neben den ägyptischen Quellen liegen darüber auch Brieffragmente aus der regen Korrespondenz zwischen dem ägyptischen und hethitischen Hofe auf Keilschrifttafeln vor. Hier ein Auszug aus einem authentischen Dokument: "Ich habe die Tafeln gesehen, die (meine) Schwester (mir hat bringen las-sen), und ich habe alle Angelegenheiten gehört, über die die Großkönigin von Hatti [Puduhepa], (meine Schwester mi)r in sehr, sehr schöner Weise (geschrie-ben hat). So (sprich) zu meiner Schwester: Siehe, der (Großkö)nig, (der König von Hatti, mein Bruder), hat mir so geschrieben: 'Lasse Leute kommen, um (gutes Feinöl auf das Haupt mei)ner (Tochter) zu gie(ßen), und möge (man s)ie ins Haus des Großkönigs, des Königs von Ägypten (bringen!' So hat mein Bruder mir geschrieben. Siehe), sehr, sehr (gut) ist dieser Beschluss (über den mein) Bruder (mir geschrieben hat; der Sonnengott hat ihn veranlasst) und der Wettergott hat ihn veranlasst; die Götter (Ägyptens und die Götter von Hatti haben veranlasst), dass dieser (schöne) Entschluss gefasst wurde, (um die zwei großen Länder) auf ewig zu einem Lande (werden zu lassen...)" (nach Edel 1952/53: 164f.). 46MMALMOGAREN XLI/2010 Nachdem das Verlöbnis durch die feierliche Handlung des Ölausgießens auf den Kopf der hethitischen Prinzessin durchgeführt worden war, konnte ihre Überstellung in die Ramsesstadt (Piramesse) im Ostdelta beginnen. Als Mitgift wurden in den Briefen von Puduhepa und Hattuschili III. an Ramses II. 500 "Zivilgefangene" genannt (d.s. Leute des nördlich an Hatti angrenzen-den Kaschkäerlandes, die nicht während einer Schlacht gefangen, sondern danach deportiert wurden) sowie eine große Zahl von Pferden, Jungstieren, Rindern und Schafen. Die ägyptische Propaganda spricht in der von Ramses II. in Karnak angebrachten "Hochzeitsstele" folgendes: "Dann veranlasste seine Majestät [Hattuschili III.], dass seine älteste Toch-ter gebracht werde mit beträchtlichen und zahlreichen Geschenken aus Gold, Silber und Kupfer von guter Qualität, Sklaven, Pferden ohne Zahl, Rindern, Ziegen und Schafen zu Zehntausenden" (nach Lefevbre 1925: 40). Auch hier wird wieder offensichtlich übertrieben. Nach beiden Quellen-gruppen zog die Prinzessin im Winter nach Ägypten und musste "unzugäng-liche Berge und mühsame Schluchten überwinden". Eine gut erhaltene Dar-stellung zeigt sie zusammen mit ihrem Vater links von der Fassade des großen Ramsestempels von Abu Simbel (Fig. 19). Das Bild erweckt den Eindruck, Hattuschili III. hätte seine Tochter persönlich nach Ägypten begleitet, um sie dem zwischen Gottheiten sitzenden Ramses II. zuzuführen. Wie uns aber die ägyptisch-hethitische Korrespondenz informiert, hatte der Hethiter-König wegen "brennender Füße" seinen Besuch abgesagt und die Stadt offenbar niemals betreten. Die beiden Männer lernten sich demnach persönlich nie kennen und der einzige Hethiter-König, den Ramses II. je sah, war Muwattalis II. auf dem Schlachtfeld von Qadesch. Der Text in der "Hochzeitsstele" in Karnak berichtet: "Die Tochter des Großfürsten von Hatti... marschierte auf Ägypten zu. Die Infanterie, die Streitwagentruppe und die Beamten seiner Majestät gaben ihr das Geleit, vermischt mit der Infanterie, den Streitwagentruppen und den Beamten von Hatti, den tohar [Helden, "Freibeutern"], wie die menfi [Trup-pen] (von Ramses), auch seine Kavallerie; und das Volk von Hatti mischte sich unter jenes von Ägypten. Sie aßen und tranken zusammen und waren eines Herzens wie Brüder, ohne sich gegenseitig (zu stören). Der Friede herrschte unter ihnen wie Gott selbst, Ramses" (nach Kuentz 1925: 234). Hier wird ausdrücklich das Treffen von Angehörigen zweier, einander frem-der Gruppen auf einer gemeinsamen Ebene betont, was eine große Ausnahme von der sonst üblichen Sitte, nicht gemeinsam zu essen, bedeutete: "Denn die Ägypter dürfen nicht essen mit den Hebräern oder anderen Frem-den; denn es ist ihnen ein Greuel" (1Mo 43: 32b; vgl. Herodot 2,41). ALMOGAREN XLI/2010MM47 Die starren Fesseln lockerten sich also immer mehr und begannen, die al-ten Reinheitsvorschriften Fremden gegenüber zu zersetzen. Auch trat neben die zur ägyptischen Lebensform erkorene Selbstbeherrschung nun auch die Erotik als neues Lebensgefühl, welche der Ägypter mit Vorliebe bei syrischen Frauen (sowie nubischen und asiatischen Knaben) zu finden hoffte. Nicht zufällig berichtet der Papyrus Anastasi I vom Liebesabenteuer eines königli-chen Abgeordneten mit einem Mädchen aus Joppe (heute Jaffa/Tel Aviv-Yafo): "Wenn du nach Joppe kommst, so findest du, wie das Feld grünt zu seiner Zeit. Du dringst ein... und findest das schöne Mädchen, welches die Weinber-ge bewacht. Sie befreundet sich mit dir als Genossen und gibt dir die Farbe ihres Schoßes" (nach Erman 1923: 291). Aber wie so viele Gedanken und Erkenntnisse, die sich im Verlauf der lan-gen ägyptischen Geschichte entwickelt hatten und bis in die Zeit Ramses' II. weiterleben konnten, begannen auch sie abzusterben, um den Weg wieder für die alte Tradition frei zu machen. Schon lange zuvor führte die bei den Ägyp-tern tief verwurzelte Verachtung und Herabsetzung der Fremden auch dazu, sie lächerlich und belustigend zu finden. Dies musste selbst Sinuhe erfahren, als er in seiner asiatischen Tracht die Königin und die Königskinder beim Empfang zum Lachen reizte: "Da ließ seine Majestät die Königskinder hereinführen und seine Majestät sprach zur Königin: 'Schau, der Sinuhe ist gekommen – ein Asiat, ein Ge-schöpf der Beduinen!' Sie schrien laut auf und die Königskinder brüllten alle zusammen" (nach Hornung 2006: 45). Grund zur Unterhaltung gab sicher auch die äußere Erscheinung der unför-migen Fürstin Ati von Punt auf dem bemalten Relief im Totentempel der Königin Hatschepsut (Fig. 20). Mit Realismus und Humor wird die fettleibige Frau mit einer stark gekrümmten Wirbelsäule und mit Fettwülsten an Armen, Beinen und am Oberkörper wiedergegeben, was ganz im Kontrast zum ägyp-tischen Schönheitsideal stand und zum Lachen reizte. (Heute will man darin die Decrum'sche Krankheit erkennen, die sich in Steatopygie, einer krankhaf-ten Krümmung der Wirbelsäule und überhängendem Fettgewebe äußert.) Eine weitere Belustigung empfand der Ägypter auch im Wesen der Frem-den. Die Darstellungen auf den Reliefblöcken des heute zerstörten Grabes des Militärbeamten und späteren Königs Haremheb (1319 – 1292 v.Chr.) in Saqqara geben dafür ein amüsantes Beispiel. Der heute in Leiden befindliche Basis-block zeigt eine universale Gruppe von flehenden Feinden in ungewohnter und überspitzter Haltung (Fig. 21). Auf dem Boden liegen zwei Asiaten, wel-che an die Grußformel der Amarnabriefe erinnern: "Zu den Füßen des Kö-nigs, meines Herrn, werfe ich mich nieder sieben Mal und sieben Mal auf 48MMALMOGAREN XLI/2010 Bauch und Rücken." Mit dieser Szene verstand es der ganz im Geiste der Amarnakunst lebende Bildhauer in hervorragender Weise, die lächerlichen Bewegungen der Ausländer ganz im Gegensatz zu den würdevollen Verbeu-gungen der ägyptischen Beamten herauszuarbeiten und die Fremden zum Gespött zu machen. In vielen Fällen wurde die apotropäische Wirkung der Feindsymbolik nicht nur politisch verwendet, sondern auch zum Schutz vor chaotischen Mächten der Unterwelt. Die religiöse Feindsymbolik bediente sich zum Bann der Wi-dersacher vor allem des Opfers der Feinde in Tierform oder in Menschenge-stalt, wobei es die wichtigste Aufgabe des ägyptischen Königs war, "Ordnung" an die Stelle von Unordnung zu setzen, sei es im Götter- oder Totenkult. Mit dem Ende des Neuen Reiches geriet die sich neu anbahnende Geistes-haltung in eine starke Krise, von der sich Ägypten nicht mehr erholen sollte. Eine immer unaufhaltsamere Überfremdung setzte ein, die schon in der 18. Dynastie unter den Thutmosiden damit begonnen hatte, dass man tausende und abertausende Kriegsgefangene nach Ägypten brachte und sie im ganzen Land bei staatlichen Großprojekten, etwa beim Tempelbau oder der Instand-haltung von Bewässerungsanlagen, in Bergwerken und Steinbrüchen einsetz-te. Dazu kam die Übermacht der Priester, die den Staat der Ramessiden aus-höhlten und das Land geradewegs in Richtung Gottesstaat führten. Dieser Priesterschaft war jedoch kein sehr langes Leben beschieden und das Geschick Ägyptens wurde von neuen Herrschern gelenkt, die nun libyscher und später nubischer Abstammung waren. Als Pije (Pianchi), der Wegbereiter der Kuschitenherrschaft (25. Dynastie) in Ägypten, das memphitische Gebiet un-terworfen hatte, erfolgte der Besuch zweier Fürsten aus dem Norden und zweier Fürsten aus dem Süden als Vertreter des ganzen Landes beim König, um ihm zu huldigen. Der besonders fromme und traditionsbewusste Pije ließ jedoch nur einen der Fürsten, den rituell reinen Namilt, in den Palast, da die anderen "Fischesser" waren und deshalb als unrein galten. Diese an sich un-bedeutende Einzelheit führt uns jedoch vor Augen, wie sehr diese ethische und geistige Haltung bereits von jener unter Ramses II. entfernt lag, in der Ägypter und Hethiter noch unbefangen miteinander aßen und Gastfreund-schaft die Grundlage jeden Zusammentreffens war! Zusammenfassend kann über die von der ägyptischen Literatur und der historischen Auffassung vermittelte "Ausländerfigur" folgende Klimax gesetzt werden (nach Loprieno 1988): • Altes Reich - Mittleres Reich negative Wertung des Ausländers • Amarnazeit "Aufwertung" des Ausländers durch die Aton-Theologie ALMOGAREN XLI/2010MM49 • 19. Dynastie intensiver kriegerischer, aber auch kultureller Aus-tausch zwischen Ägyptern und Ausländern, ins-besonders Asiaten • Dritte Zwischenzeit "Ausländerhass" infolge häufiger Fremdherrschaft • Ptolemäerzeit Übergang zwischen ägyptischer Kultur und Helle-nismus Zitierte Literatur: Abu Bakr, A. M. und Jürgen Osing (1973): Ächtungstexte aus dem Alten Reich. In Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 29: 97-133, Tafeln 31-56. Borchardt, Ludwig (1913): Das Grabdenkmal des Königs Sahu-Re, Bd. 2: Die Wandbilder. Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-gesellschaft 26, Leipzig. Bresciani, Edda (2004): Der Fremde. 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Osing 1973: Nr. 82, 191 und 199). 1 2 52MMALMOGAREN XLI/2010 Fig. 3A: Faksimilezeichnung der mit hieratischen Schriftzeichen versehenen großen Tafel (A GrF) aus dem Westfriedhof der Cheopspyramide; H 6,4 cm, B 8,5 cm, D 1,4 cm (nach Abu Bakr und J. Osing 1973: Taf. 56). Fig. 3B: Durch Schriftergänzung erstellte Texterweiterung obiger Tafel (Punktierung zur Kennzeichnung zerstörter Zeichen) (nach Osing 1976: 153). 3 ALMOGAREN XLI/2010MM53 Fig. 4: Das Zerbrechen der Gefäße und die Schlachtung der Tiere als Begräbniszere-monie im memphitischen Grab des Haremheb, zweiter Hofraum, Nordwand (nach Martin 1987: Taf. 123, Ausschnitt). Fig. 5: Umzeichnung eines Reliefs im Beit el-Wali Tempel, Eingangshalle, Nordwand: Ramses II. in heroischer Haltung, auf dem Haupt die Blaue Krone, hält in der linken Hand einen Bogen und in der rechten ein Sichelschwert, das er über den Kopf eines um Gnade flehenden Libyers schwingt. Rechts im Bild wird der Pharao vom Kron-prinzen Amenhiwonemef und von ägyptischen Beamten gepriesen: "So spricht der Fächerträger zur Rechten des Pharaos, der Kronprinz, der getreue Schreiber des Königs, von ihm geliebt, Prinz Amenhiwonemef, berechtigt, seinen Herrn zu verehren und seine Macht lobend zu verkünden: 'Groß ist deine Stärke o König, Horus reich an Jahren, deine Schlagkraft ist gewaltig. Du hast [ge]siegt über die Fremdländer. Du hast geschlagen die Oberhäupter. [Deine] Stärke [ist wie (die 4 54MMALMOGAREN XLI/2010 von dem)... der am] Himmel ist; die Strahlen der Sonne über... '. So sprechen die Beamten, die in Gegenwart seiner Majestät bei der Verherrlichung des Herrn der Beiden Länder sind: '[Dein] Sichelschwert ist an Mut und Sieg gewaltig. Du hast über die Rebellen gesiegt. Die Sonne scheint nicht über [den Ort], in welchem du wüten wirst. Deine Untertanen werden nicht die Oberhand gewinnen. Der Mut des Landes Khor schwindet. Geschlagen ist das Land K[usch]... '" (nach Ricke et al. 1967: Taf. 14). Fig. 6: Ramses II., der seine Feinde massakriert. Bemalter Kalkstein; H 99,5 cm, B 89 cm, T 50 cm. Der Block wurde in einem Bauwerk des Königs Merenptah aufge-funden und 1917 vom Museum Kairo erworben, JE 46189. Wie in Fig. 5 ist der Pharao angetan mit Prunkgewändern und der Blauen Krone. In der linken Hand hält er eine Axt und mit der rechten packt er den Haarschopf dreier Gefangener: eines Nubiers, eines Libyers und eines Syrers. Die beiden Letzteren heben die Hand und bitten um Gnade, offenbar die einzige, den Fremdländern in der Ikono-graphie erlaubte Geste. Am oberen Rand des Blocks ist ein Teil der Kartuschen des 5 ALMOGAREN XLI/2010MM55 Pharaos zu erkennen; die Hieroglyphengruppe hinter dem König wird allgemein "(Aller) Schutz sei hinter ihm wie Re" gelesen. Fig. 7: Detail aus dem großen Wandbild im Grab 100 von Hierakonpolis (nach Quibell und Green 1902: Taf. 76, Ausschnitt). Fig. 8: Siegelzylinder des Narmer, letzter König der 0. Dynastie. Hierakonpolis, Main Deposit. Es ist eines der frühesten Beispiele mit der Beischrift "Tjehenu" (nach Kaplony 1963: Taf. 5). 6 7 8 56MMALMOGAREN XLI/2010 Fig. 9: Napfseite der Schlachtfeldpalette. Schiefer, H des unteren Fragments 0,198 m, protodynastisch. Teile in Oxford, Ashmolean Museum, 1892.11.71 (oberes linkes Bruch-stück) und London, British Museum, EA 20791 (nach Schott 1950: Abb. 4). Fig. 10: Der königliche Sphinx zertrampelt seine Feinde. Reliefausschnitt aus dem Tempel T (1. Hof, südliche Hälfte der Westmauer) in Kawa, obernubischer Ort am östlichen Nilufer im fruchtbaren Kerma-Becken (Umzeichnung nach Macadam 1955: Taf. 9). 9 10 ALMOGAREN XLI/2010MM57 Fig. 11: Dem König werden Vertreter feindlicher Völker vorgeführt. Reliefausschnitt aus dem Pyramidentempel des Sahure; Memphis/Abusir, um 2440 v.Chr. Die Fremdländer wurden von den Ägyptern aufs Genaueste nach ihrer Physiogno-mie, nach Haar- und Barttracht, Kleidung und Schmuck auseinandergehalten. Der Nubier links unterscheidet sich von dem Ägypter eigentlich nur durch das Stirnband, die Perlensträhnen am Haar, die Form des Gürtels und den charakteristischen, auch archäologisch nachgewiesenen Oberarmreif. Der rechts neben ihm stehende Libyer mit gefesselten Unterarmen trägt langes Haar mit einer Locke an der Stirn und einen kurzen Kinnbart. An einer Halskette hängt ein langes Perlenband, um den Oberkör-per ist ein breites ornamentiertes Band kreuzweise geschlungen. Seine Bekleidung besteht nur aus einem Gürtel, von dem eine Phallustasche und ein Tierschwanz her-abhängen. Die Tracht der daneben stehenden Westasiaten beschränkt sich auf ein Stirnband und einen kurzen, engen Schurz, ihr Bart und ihre Hakennase weist sie als Bewohner des Sinai und des syrisch-palästinensischen Raumes aus (Umzeichnung nach Borchardt 1913: Blatt 7). Fig. 12: Fremdländische Gesandte. Malerei auf Kalkstein, Sheikh Abd el-Qurna, Grab des Ramose (TT 55), Säulenhalle. Ramose kam in der Spätzeit von Amenophis III. zum Amt eines Wesirs. Der König, mit dem er im Grab zusammen gezeigt wird, ist jedoch dessen Sohn Amenophis IV./ Echnaton. In obiger Bildszene nimmt Ramose den Jubel der Untertanen des Königs entgegen, als er sich ausländischen Gesandten zuwendet und sie begrüßt. Diese Grup-pe, formell in vier, drei und einer Reihe ausgerichtet, lässt anhand der Haartracht, Gesichtszüge und Bekleidung vier Nubier, zwei Westasiaten und einen Libyer erken-nen. Der Gesichtstypus des Libyers ist besonders attraktiv und seine feinen Merk-male unterscheiden sich auffällig von den hamitischen und semitischen gewohnten. 11 58MMALMOGAREN XLI/2010 Es scheint, als ob sie alle freie Menschen sind und ihre aufrechte Haltung gibt ihnen tatsächlich mehr Würde als die gekrümmten Rücken der Ägypter (Umzeichnung nach Davies 1941: Taf. 37). Fig. 13: Städteringe mit Namen von vier "Neunbogen-Völkern". Grab des Amenemhet Surer, Theben-West (TT 48), Säulenhalle, Reliefschmuck am Sockel des Königsthrones (Ausschnitt). Amenemhet Surer war unter Amenophis III. Ober-Domänenvorsteher mit dem Rang-titel eines "Wedelträgers zur Rechten des Königs". Seit diesem König tritt die "Neun-bogenliste" in kanonisierter Reihenfolge auf. Von links nach rechts sind dies die Asi-aten, Nubier, Libyer, Ostwüste (?) und Unterägypten; nicht dargestellt sind die Oasen-bewohner, Oberägypten und Obernubier. Diese Liste wurde in der Ramessidenzeit aktualisiert und erweitert, konnte aber je nach Kontext auch vollkommen umgeformt werden (z.B. in den Seevölker-Berichten Ramses' III. in Medinet Habu). (Umzeich-nung nach Säve-Söderbergh 1957: Taf. 30, Ausschnitt). 12 13 ALMOGAREN XLI/2010MM59 Fig. 14: Auf Sandalensohle aufgemalter gefesselter Gefangener, 20. Dynastie (nach Wilkinson 1878, I: 336, No. 444,3). Die demütigende Position wird für Fremdländer als angemessen betrachtet und auf den Monumenten häufig mit dem königlichen Text: "Du hast die Feinde mit deinen mächtigen Füßen zertreten" begleitet. Fig. 15: Gefangenenköpfe als Thron- oder Statuenbasis. Granit, L 45 cm, H 25 cm, T 20 cm. Saqqara, Bezirk der Stufenpyramide des Djoser, Eingangskolonnade; um 2600 v.Chr. Museum Kairo, JE 49613. Der linke Kopf zeigt einen Semiten mit langem Haar und Vollbart; Brauen, Lippen und Bartansatz werden durch gepunzte Linien gekennzeichnet. Der rechte Kopf sym-bolisiert den westlichen Nachbarn, den Libyer; er trägt ebenfalls langes Haar, aber einen Kinnbart. Wie der Bruch links zeigt, schloss sich ein weiterer Kopf an, sicherlich der Repräsentant des Südens, ein "Oberhaupt des elenden Kusch" (nach Firth und Quibell 1935, II: Taf. 57). Fig. 16: Totentempel Ramses' II., Medinet Habu. In der Mitte der geschmückten Fas-sade befindet sich das sog. Erscheinungsfenster, das der König durch Stufen vom Inneren des Tempelpalastes betrat, um den Hof und die Menge, die sich darin ver-sammelte, überschauen zu können und gelegentlichen Vorführungen beizuwohnen. Auch verteilte er von hier Geschenke und Belohnungen an seine Günstlinge. Die Bild- 14 15 60MMALMOGAREN XLI/2010 motive zeigen rechts und links vom Fenster den König, wie er an den Ellbogen gefes-selte Feinde am Haarschopf hält, während die daneben liegenden Bildfelder beidseits von dem in heroischer Haltung gezeigten Pharao mit der Antefkrone beherrscht wer-den. Dieser bedroht mit erhobener Keule kniende, um Gnade flehende Feinde. Das Fenstersims wird von sechs plastisch gearbeiteten Köpfen von Angehörigen der Fremd-völker gestützt. Weitere sieben Köpfe schließen sich links und rechts an. Der König scheint folglich auf den Körpern seiner besiegten Feinde zu stehen, die ihre Köpfe (und Schultern) aus der Wand herausstrecken. Im untersten Register gruppieren sich um das Bild des Verknüpfens von Lilie und Papyrus, den Wappenpflanzen Ober- und Unterägyptens, diverse Personen, die in unterschiedlichen Funktionen auftreten: Am äußeren Rand stehen beidseits Zuschauer, die ihre Aufmerksamkeit auf ein zwischen ihnen stattfindendes Kampfsportturnier richten. Zu sehen sind zehn Paare, die im Ringen oder im Stockfechten begriffen sind, wobei offensichtlich stets ein Ägypter gegen einen Ausländer (Libyer, Nubier, Syrer) kämpft und die Ägypter eindeutig die Sieger sind. Damit alles den Regeln entsprechend abläuft, ist den Athleten ein Kampf-richter beigestellt (Reprod. nach Hölscher 1933: Abb. 28). Fig. 17: Palermostein, Ausschnitt 6,2 der Vorderseite; König Snofru im Jahr nach dem 6. Mal der Zählung (Jahr X+2): "Bau eines dewatawi-Schiffes von 100 Ellen und von 60 Sechzehner-Schiffen aus mrw(Zedern)-Holz. Zerhacken das Nubierland und Bringen von 7000 gefesselten zu Erschlagenden und 200 000 Rinder und Kleinvieh. Erbauen der Mauer des Süd- und Nordlandes (namens) 'Güter-des-Snofru'. Bringen von 40 Schiffen mit Tannenholz. Nilhöhe: 2 Ellen, 2 Finger" (nach Schäfer 1902: 30). Fig. 18: Felsinschriften nördlich des Khor el-Aqiba im 17. oberägyptischen Gau. Ein Gauleiter, der nur seinen Hoftitel nennt, leitet einen Feldzug gegen Wawat mit 20 000 Soldaten (A) und nimmt 17 000 Südländer gefangen (B) (nach Helck 1974: 215). 16 ALMOGAREN XLI/2010MM61 Fig. 19: Die sog. Hochzeitsstele am großen Tempel Ramses' II. in Abu Simbel anläßlich seiner Vermählung mit der ältesten Tochter von Hattuschili III. und Puduhepa. Hattuschili erscheint hier als derjenige, der persönlich dem zwischen den Gottheiten Seth und Ptah in einem Kiosk sitzenden Pharao seine Tochter zuführt. Die Prinzessin wird dabei bereits in ägyptischer Kleidung dargestellt, während ihr Vater das hethi-tische Gewand und eine hohe spitze Mütze trägt. Die ägyptische Beischrift lautet: "Ich bin zu dir gekommen, ich bewundere deine Pracht als Bändiger der Fremdländer. Du bist wahrhaftig der Sohn des Gottes Seth; dieser hat dir das Hatti-Land zugewie-sen. Ich habe mich all meiner Güter entäußert, vor allem meiner ältesten Tochter, um sie vor dein Angesicht zu führen. Gut ist alles, was du für uns bestimmtest, ich selbst bin für immer und ewig unter deinen Füßen, zusammen mit dem gesamten Hatti- Land. Du bist auf dem Thron des Gottes Re erschienen und hast jedes Land für immer unter deinen Füßen!" 17 18 62MMALMOGAREN XLI/2010 Der hieroglyphische Text preist Ramses als den, der seine Grenzen dort setzt, wo immer er es wünscht, ohne Widerstand zu finden – "ausgenommen das (nunmehr ja verbündete) Hatti-Land" (nach Kitchen 1996: 87; Abb. nach Lepsius 1849 III, 196: 67). 19 ALMOGAREN XLI/2010MM63 Fig. 20: Relieffragment der Puntexpedition. Bemalter Kalkstein, max.H 49,3 cm, max.B 45 cm. Deir-el-Bahari, Totentempel der Hatschepsut, 18. Dynastie. Museum Kairo, JE 14276 = CG 89661. Das Fragment gehört zu einer Serie mit Szenen, welche detailliert die im 9. Jahr der Königin Hatschepsut unternommene berühmte Handelsexpedition nach Punt, das vermutlich an der somalischen Küste lag, darstellen. Ati, die fettleibige "Fürstin von Punt" ist mit einem ärmellosen Gewand bekleidet und trägt eine Halskette aus plat-ten Scheibchen sowie Fußkettchen an beiden Beinen. Ihre langen, hinter die Ohren gestrichenen Haare werden von einem Stirnband gehalten. Vor Ati ist ihr magerer Gatte Parehu zu sehen. Der Mann trägt einen kurzen Rock mit herabfallenden Quas-ten, einen Spitzbart, eine Halskette und einen Dolch im Gürtel. Auf seinem Kopf sitzt eine Kappe und in der linken Hand hält er einen nur teilweise erhalten gebliebenen Gegenstand. Dem Paar folgt ein Mann, der ein Produkt aus Punt transportiert. Das Relief hat Anteil an dem ersten figurativen Zeugnis, das den Kontakt zwischen Ägyp-ten und Punt belegt. 20 64MMALMOGAREN XLI/2010 Fig. 21: Ausschnitt eines sich über zwei Blöcke erstreckenden Reliefs aus dem mem-phitischen Grab des Haremheb, 2. Hofraum; heute in Leiden, H.III QQQQ. Wie die meisten hohen Beamten Tutanchamuns ließ sich der Militärführer und spä-tere König Haremheb nach der Verlegung der Residenz von Amarna nach Memphis eine Grabanlage in Saqqara errichten. Das Bild zeigt eine um Gnade und Schutz fle-hende Delegation von "Häuptlingen der Fremdländer". Nahe am äußersten rechten Ende ist dies ein junger, bartloser Mann mit Stirnband und daneben ein Schasu (i.e. ein Angehöriger einer Gruppe von asiatischen Beduinen, die ausschließlich in ägyp-tischen Urkunden erwähnt werden). Vor ihnen befinden sich in kniender Haltung zwei Libyer, erkennbar durch ihre Federn und Seitenlocken. Alle anderen sind Asiaten mit langen Bärten und mit vom Nacken herunterhängenden Haaren. Es mag bezeichnend sein, dass nur westasiatische und libysche Oberhäupter abgebildet sind und Hethiter sowie Südländer bei diesem Ereignis fehlen. Da die Fremden ihr Anliegen zweifellos in kanaanitischer oder akkadischer und libyscher Sprache vortrugen, war ein Dol-metscher unerläßlich, der hier im Bild in leicht gebeugter Haltung vor den Flehenden steht und die typische Kleidung zur Zeit der späten 18. Dynastie trägt. Über ihm befindet sich ein glattes Rechteck für eine Inschrift, die nie eingeschlagen wurde (Reproduktion nach Martin 1989: Taf. 115, Ausschnitt). 21 |
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