Almogaren XIX / 1998 Vöcklabruck 1998 7 -19
Werner Pichler
Die libysche Sprache
Einleitung
Die Frage, was eine nahezu verschollene afrikanische Sprache des Altertums
mit der aktuellenAltkanarierforschung zu tun hat, ist einfach beantwortet.
Seit der Portugiese Gaspar Fructuoso (1522 - 1591 ) eine Äußerung des Eingeborenen
Anton Delgado dokumentierte, wonach die Sprachen einiger Kanarischer
Inseln jener der "moros", d.h. der Bewohner Nordafrikas sehr ähnlich
seien, sind die Vermutungen über eine Verwandtschaft der beiden Sprachgruppen
nicht abgerissen. Die Problematik wurde seit der Mitte des vorigen
Jahrhunderts sehr kontrovers diskutiert, eine kleine Zusammenfassung dessen
ist bei Pichler (199 4: 161ft) nachzulesen. Obwohl es auch neuerdings noch
kritische Stimmen gibt - so bezeichnet Wolf (1981: 175) den Versuch, die
Sprache der Kanarischen Inseln als Schwestersprache des "Berberischen" zu
sehen, als voreilig - erhärtet sich dennoch durch die Ergebnisse der neuesten
Feldforschungen die Annahme einer engen Beziehung. Die relativ wenigen
wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit diesem Thema beschäftigen, sind
zeitlich und nach Publikationsorganen weit verstreut. Aus diesen Gründen
erscheint es lohnend, eine Zusammenfassung des heutigen W issensstandes
über diese autochthone Sprache des antiken Nordafrika zu versuchen.
Terminologie
Um außer Streit zu stellen, wovon im einzelnen die Rede ist, soll vorerst -
anknüpfend an Galands "Petite lexique pour l'etude des inscriptions libycoberberes"
(1993 ) - eine Klärung der Terminologie vorgenommen werden.
Unbestritten ist die Tatsache, daß es im antiken Nordafrika neben dem
Ägyptischen eine zweite autochthone Eingeborenensprache gab. Über die Benennung
dieser Sprache (oder besser Sprachgruppe) gibt es allerdings keine
Einigkeit. Friedrich (1964 ) nennt sie numidisch, Bates (1970) und Zyhlarz
(1931/3 2) berberisch, Fevrier (1956), Masson (1975) und Benabou (1976) li-
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bysch, Chaker (1984) herbere ancienne und Prasse (1972) protoberbere. Noch
verworrener wird die Lage dadurch, daß manche Autoren (Ilevbare 1970,
McMullen 1966) die Begrife libysch und berberisch austauschbar verwenden.
Als die Römer im 2. Jh. v. Chr. begannen, den äußersten Norden Afrikas zu
kolonisieren, waren sie mit einer ganzen Reihe von Stämmen, Stammesföderationen
und Königreichen konfrontiert. In Nordmarokko siedelten die
Mauri, südlich davon die Gaetuli, weiter östlich die Masaesyli und Massyli,
die man - im Gegensatz zu den maurischen Stämmen - zusammen auch
Numidae nannte. Neben unzähligen Stammesnamen überlieferten die Römer
auch zahlreiche Daten, die militärisch und verwaltungstechnisch für sie relevant
waren. Nur für die Sprache(n) dieser "barbari" (= Berber) zeigten sie
keinerlei Interesse.
Daß diese Berber, wie Fushöller (1979: 11) unterstellt, "von jeher eine ethnisch-
kulturelle Einheit mit gemeinsamer Sprache" bildeten, ist trotz unseres
geringen Wissensstandes nicht anzunehmen. Ebenso wie es ganz ofensichtlich
nie eine einheitliche Schrift gegeben hat, so hat es auch mit Sicherheit
keine einheitliche Schriftsprache gegeben. Solange wir aber keinerlei Information
über die Unterschiede dieser Sprachen haben, ist ein Sammelbegrif
für sie zweckdienlicher als ihre terminologische Unterscheidung.
Während für Vycichl (1973) Berberisch der Überbegrif ist, unter dem er
Libysch, Numidisch, Gaetulisch etc. zusammenfaßt, möchte ich mich der
Terminologie Rösslers (1980) anschließen, der in Libysch den Sammelbegriff
für die antiken Sprachen Nordafrikas sieht. Numidisch ist für ihn eine andere
Bezeichnung für die Sprache Massyliens im Gegensatz zu der Masaesyliens.
Unter Berberisch verstehe ich im folgenden ausschließlich die aktuellen
Berbersprachen Nordafrikas.
Verwendet einer der zitierten Autoren einen der genannten Begrife abweichend
von dieser Festlegung, so wird dieser Begrif in Anführungszeichen
gesetzt.
Herkunft des Libyschen
In die Mitte des vorigen Jahrhunderts datiert die Entdeckung, daß es in
Afrika Sprachen gab, die mit den semitischen Sprachen Asiens verwandt waren.
U.a. wurde auch das Libysche in diese Betrachtungen einbezogen. Bald
darauf tauchte auch schon eine parallele Bezeichnung für diese Gruppe -
abgeleitet vom Alten Testament - auf: Hamitisch. Damit war eine Hypothese
begründet, die ein Jahrhundert lang in der Ethnologie und Afrikanistik dominieren
sollte: Die "hamitische These" nahm an, daß sich innerhalb des
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"Hamitosemitischen" zwei gleichberechtigte Sprachgruppen gegenüberstünden.
So stellte Lepsius, einer ihrer ersten entscheidenden Vertreter, 1863 dem
Semitischen die Sprachgruppe Ägyptisch, Äthiopisch, Libysch und Hottentottisch
gegenüber. Meinhof (1912 ) entwickelte diese These weiter, indem er
versuchte, die Gemeinsamkeiten der "hamitischen" Sprachen herauszuarbeiten.
Er war von der Vorstellung geprägt, daß die hellhäutige, hochgewachsene
kaukasoide Rasse aufgrund geistiger Überlegenheit und efektiverer Wafen
einen großen Teil der negroiden Bevölkerung unterworfen und einer höherentwickelten,
reflektierenden Sprache zum Durchbruch verholfen habe. Meinhof
zählte neben dem "Berberischen" auch Ful, Hausa, Kuschitisch und Maasai
zu den hamitischen Sprachen. Sowohl diese rassistisch geprägten Vorstellungen
als auch die beim vergleichenden Sprachstudium ungebührlich dominante
Stellung des Semitischen wirkten sich über viele Jahrzehnte negativ auf die
gesamte Afrikanistik aus.
Interessant ist, daß die wissenschaftlich wesentlich fundiertere Gegenthese
mindestens ebenso alt ist wie die hamitische. Man nennt sie "Schwesternfamilien-
Hypothese", weil sie Ägyptisch, "Berberisch", Kuschitisch und Tschadisch
neben dem Semitischen als gleichberechtigte Glieder einer Sprachfamilie
annimmt. Im Ansatz ist diese Idee bereits bei Beke (1845) und Lottner
(1860) vertreten, konnte sich jedoch gegen die übermächtige hamitische These
nicht durchsetzen. Der eigentliche Durchbruch beginnt erst mit Cohen
(1947), gefolgt von Greenberg, der in zahlreichen Artikeln (zuletzt 1963) die
Sprachfamilie in der heute allgemein akzeptierten Gestalt definiert: Er scheidet
Ful, Maasai und Hottentottisch endgültig aus und prägt für den Rest den
neuen Terminus "Afroasiatisch".
Schon Anfang der 50er Jahre glaubte Rössler zeigen zu können, "daß das
Libysche in einem so hohen Grad semitisch ist, daß es nicht mehr vom Semitischen
getrennt betrachtet werden kann und darf'' (1952: 121). Für ihn ist
Libysch keineswegs eine Schwestersprache des Ägyptischen, sondern steht
dem Akkadischen am nächsten. Einige Jahre später formuliert es Rössler
noch drastischer: "Das Libysch-Berberische ist typologisch ein wahres Nonplus-
ultra von Semitisch" (1964: 19 9f) - es kommt dem am nächsten, was
man sich als "Ursemitisch" vorstellen müßte. Laut Rössler hat sich das Libysche
vor Jahrtausenden zum selben Zeitpunkt vom semitischen Hauptstamm
gelöst wie das Akkadische. Er unterscheidet drei semitische Wellen aus dem
asiatischen in den afrikanischen Raum: erstens eine ägyptische, zweitens eine
libysche und drittens eine orientalische (Phöniker, Juden, Araber).
In der Folgezeit gibt es nur sehr wenige zusammenfassende Darstellungen
des Afroasiatischen. Die erste stammt von Diakonof (1965). Aufgrund der
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Übereinstimmungen innerhalb seiner Isoglossen postuliert er folgenden zeitlichen
Ablauf:
Die Urheimat des Afroasiatischen ist für ihn in der (östlichen) Sahara zu
suchen. Spätestens im 6. Jahrtausend v. Chr. teilte sich die Sprachengruppe in
einen nördlichen und einen südlichen Zweig. Als erste spalteten sich vom
südlichen Zweig das Proto-Tschadische, vom nördlichen Zweig das Ägyptische
ab. Die Sprecher des Proto-Semitischen wanderten später über das Niltal
in den arabischen Raum ein, die des Kuschitischen nach Südosten, während
die Sprecher des "Berbero-Libyschen" als einzige in ihrer Urheimat verblieben,
bzw. sich in Richtung Nildelta und Atlantik ausdehnten. In einer Karte
der Verteilung der "Semito-hamitischen" Sprachen im 1. Jahrtausend v. Chr.
benennt Diakonof den westlichen Teil des nordafrikanischen Sprachraums
"numidisch", den östlichen "libysch".
Der nächste Überblick ("Afroasiatic: an overview") stammt von Hodge
(1971), vermittelt jedoch keine neuen Erkenntnisse in bezug auf die Herkunft
und Aufteilung der Sprachengruppe. In späteren Veröfentlichungen hat Hodge
"Lisramic" als Sammelbegrif für die afroasiatischen Sprachen vorgeschlagen,
dies hat sich jedoch ebensowenig durchgesetzt wie die Bezeichnung
"Erythreic" von Tucker und Bryan (1966).
Behrens (1984 / 85) glaubt, mit sprachhistorischen Analysen nachweisen zu
können, daß die Proto-Berber bereits Viehzüchter waren, bevor sich ihre Sprache
aus dem Proto-Afroasiatischen ausgliederte, also bevor sie aus ihrer Urheimat
auswanderten. Mit dieser Wirtschaftsbasis waren sie natürlich sehr
stark von den klimatischen Gegebenheiten abhängig, sie war der Motor ihrer
weiträumigen Expansion. Nach Behrens gliederte sich das "Proto-Berber"
bereits an der Wende vom 7. zum 6. Jahrtausend v. Chr. aus dem Afroasiatischen
aus. Die viehzüchtenden Proto-Berber wanderten aus dem Süden (als
Urheimat nimmt Behrens - ohne es beweisen zu können - den Raum
Kordofan / Darfur im heutigen Sudan an) in eine savannenartige Sahara ein.
Behrens interpretiert die ihm zur Verfügung stehenden Klimadaten so, daß
nach einer Humidisierung des saharanischen Klimas nach 7000 v. etwa um
4500 v. wieder eine neue Trockenphase einsetzte, die im Osten und Westen
des nordafrikanischen Raumes zwei große aride Räume mit weniger als 50
mm Jahresniederschlag entstehen ließ. Dazwischen hielt sich ein schmaler
Korridor, der jedoch nur bis etwa 2500 v. passierbar war. Somit zerschnitt die
zunehmende Aridisierung das "berbersprachliche" Kontinuum in einen nördlichen
und südlichen Teil. Die Proto-Nordberber expandierten nach Westen
und Osten und erreichten schon um 2000 v. die ägyptische Reichsgrenze.
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Woher stammt unser Wissen über die libysche Sprache?
1. Es gibt etwa zehn punisch-libysche Bilinguen, d.h. Inschriften in
punischer und libysch-berberischer Schrift. Diese wenigen, meist kurzen Texte
ermöglichten überhaupt erst einen Zugang zur libyschen Sprache insofern,
als sie die libysch-berberische Schrift - zumindest in der Form des Massylischen
- lesbar machten. Darunter sind zwei Monumentalinschriften aus
dem Mausoleum von Dougga mit jeweils 7 Zeilen (RIL 1 und 2), die damit
schon zu den "großen" Inschriften gezählt werden. Der Rest besteht aus meist
3- bis 4-zeiligen Grabinschriften, davon sind einige so schlecht erhalten bzw.
dokumentiert, daß aus ihnen keinerlei linguistische Erkenntnisse abgeleitet
werden können (z.B. RIL 657). Darüber hinaus ist mit der Feststellung, daß
auf einem Stein punische und libysch-berberische Schriftzeichen angebracht
sind, noch lange nicht gesagt, daß es sich dabei in allen Fällen um den gleichen
Text handeln muß.
2. Daneben gibt es über 20 lateinisch-libysche Bilinguen. Auch sie sind
sehr kurz (3 - 5 Zeilen), zum Teil stark beschädigt und die libyschen Texte
stimmen nur bedingt mit den lateinischen überein.
Mit den aus diesen etwa 30 Bilinguen gewonnenen Erkenntnissen ausgestattet,
kann man sich daran wagen, auch die rein libysch-berberischen Inschriften
auszuwerten. Es sind dies:
3. Neun weitere - horizontal geschriebene - Monumentalinschriften von
Dougga und
4. über 1000 - vertikal geschriebene - Grabinschriften.
Diese Zahlen könnten den Eindruck erwecken, daß wir über eine Fülle an
sprachlichem Untersuchungsmaterial verfügen. Die ernüchternde Realität
sieht aber so aus, daß alle diese Texte zu weit über 90 % aus Personennamen
und Herkunftsbezeichnungen wie "Sohn des" bestehen.
Abgesehen von dieser Aufzählung an Namen (und Titeln) bleiben, wie es
bereits Zyhlarz (1931/32: 276) formuliert hat "vier erzählende Sätze": einer in
der Bilingue RIL 2, die übrigen in den rein libysch-berberischen Inschriften
RIL 3 und 8. Reichlich wenig für die Erschließung einer fremden Sprache und
dennoch ein brauchbarer Ansatzpunkt, wenn man zusätzliche Informationsquellen
einbezieht:
• Vergleiche mit heutigen Berbersprachen
• Vergleiche der Personennamen mit lateinischen und punischen Inschriften.
Dadurch sind z.B. Erkenntnisse über die Vokalisierung der rein konsonantisch
geschriebenen libyschen Wörter möglich.
Nun zu diesen Quellen im einzelnen.
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1. Die libysch-punischen Inschriften
Der erste Satz des punischen Textes der Inschrift RIL 2 lautet nach Zyhlarz:
"Dieses Heiligtum haben erbaut die Bürger von Dougga für Massinissa, königliche
Majestät, Sohn des Gaia, königliche Majestät, Sohn des ZLLSN, des
Sufeten, im zehnten Jahre des Königs Mikiwsan".
Der libysche Text beginnt mit:
KN TBGG BNYFS' MSNSN GLDT WGYY GLDT WZLLSN SFr SBSND'
SG(L)DT SYS' GLD MKWSN
"Es erbauten die Douggäer dieses Heiligtum für Massinissa, Majestät, Sohn
des Gaia, Majestät; Sohn des ZLLSN, Sufet, Jahr ..... seitdem gekommen ist
König Mikiwsan".
Somit entspricht der libysche Text fast wörtlich dem punischen mit dem
kleinen Unterschied, daß dieser ergänzt, daß das Heiligtum im zehnten
Regierungsjahr des Königs Mikiwsan (Mikipsa) erbaut worden sei.
Die genannten Namen sind uns mit Ausnahme des ZLLSN (Zililsan?) aus
der Genealogie des ostnumidischen Reiches wohlbekannt. König Gaia begegnet
uns in den römischen Aufzeichnungen über den 2. Punischen Krieg an der
Spitze einer Reitertruppe des punischen Heeres, er starb im Jahre 206 v. Chr.
Die Nachfolge trat sein Sohn Massinissa an, der im Schatten des Punischen
Krieges zu einer außergewöhnlichen Herrschergestalt heranreifte. Er starb als
Neunzigjähriger - nach 60 Jahren Regentschaft! - im Jahre 148, zwei Jahre vor
dem Ende des 3. Punischen Krieges. Seine drei Söhne Mikipsa, Gulussa und
Mastanabal übernahmen - in einer für die Antike ungewöhnlichen Ämterteilung
- die Regierung: Mikipsa als oberster Verwalter, Gulussa als Heerführer
und Mastanabal als oberster Richter. Zehn Jahre nach dem Beginn
ihrer gemeinsamen Regentschaft erscheint Mikipsa in der oben zitierten In-
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Abb. 1: Libysch-punische Bilingue (RIL 2)
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schrift bereits als Alleinherrscher. Somit ist diese punisch-libysche Inschrift
von Dougga auch die einzige exakt datierbare, nämlich in das Jahr 138 v. Chr.
Welche libyschen Wörter lassen sich in ihr isolieren, wenn wir sie mit dem
punischen Text vergleichen?
KN (vokalisiert ekan) müßte, abgeleitet von der Wurzel K, "sie bauten"
bedeuten, TBGG (tubgag) sind wohl die Douggäer, GLD entspricht der
punischen Bezeichnung für König und SFT dem punischen Titel "Sufet", SBS
könnte nach Zyhlarz "Jahr" bedeuten. In der Fortsetzung des ersten Satzes
liefert uns die Inschrift nur noch eine Aufeinanderfolge von Personennamen,
es sind dies wohl Beamte der Stadt Dougga, darunter ein MGN, das ist der
bekannte punische Name MAGAN (= er hat geschenkt). Neben dem häufigen
W- (= Sohn des) sind dem Text nur noch zwei Titel zu entnehmen: für MWSN'
steht im Punischen "Präfekt einer Hundertschaft", für GLDMCK steht "Herr
über 50 Mann".
Der Text von RIL 1 ist teilweise stark beschädigt und liefert keinen voll-ständigen
Aussagesatz, sondern nur einige zusätzliche Worter:
NBB etwa: Bearbeiter, Bauleute
ZLH Eisen
SQR' Holz
KSL Helfer, Diener
Aus den übrigen punisch-libyschen Inschriften sind kaum sprachliche Erkenntnisse
zu gewinnen. Außer den Personennamen, Titeln und einigen wenigen
Wortern sind es allerdings auch einige morphologische Details, die wir
den kurzen Texten entnehmen können:
-S Pers.pron. 3. pers.sing.masc. z.B. U-S = sein Sohn
T- -T Fern. z.B. KDN - TKDNT
-N Plural masc. z.B. KSL-N = die Diener
2. Die libysch-lateinischen Inschriften
Leider sind diese wenigen Inschriften z. T. nur fragmentarisch erhalten. So
weit wir sie überhaupt lesen können, ergeben beide Inschriftenarten auch
nicht immer denselben Text. Was wir aber immerhin aus ihnen lernen können,
ist die Vokalisierung einiger Namen:
FUST' - FAUSTUS
SRN' - ASPRENAS
NBDDSN - NABDHSEN
IMR - IHIMIR
KNDYL - CHINIDIAL
MSGT - MISIGIT
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Abb. 2: Libysch-lateinische
Inschrift {RIL 85)
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Abb. 3: Libysche Monumentalinschrift (RIL3)
3. Die libyschen Monumentalinschriften
Neben den zwei Bilinguen wurden bei den Ausgrabungen in Dougga neun
weitere, z. T. allerdings sehr kurze Monumentalinschriften gefunden. Versehen
mit den aus den Bilinguen gewonnenen Erkenntnissen haben sich einige
Autoren an eine Lesung dieser Zeilen gewagt.
So liest Zyhlarz (1931/32: 277f) den Beginn der Inschrift RIL 3:
BI)N TBGG TRFWTN DBNMZBK' DBN RKMN
als:
"Die Notahlen dieser Stadt Dougga sind es, welche erbauten den Altar hier,
welche erbauten diesen RKM".
Rössler (1941: 304f) sieht allerdings keinerlei etymologische Stützung der
Lesung von TRFWTN als "Stadt" und interpretiert das zweimal vorkommende
D- als "und".
Die restlichen beiden Aussagesätze entnimmt Zyhlarz der Inschrift RIL 8.
Die dreimal vorkommende, jedesmal mit anderen Namen verknüpfte Zeile
LWS YNT D NKFD ...
liest er als: "Dieses ist die Anzahl derer, welche zu ... gehören".
Die Schlußzeile
TTRB TR BTN NFKD ...
liest er als: "Geschrieben wurde diese Schrift seitens ... "
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Diese Deutung geht aufChabot (1921) und Beguinot (1927) zurück:
teturub = Verbum in der 3. Pers. Fern. des Passivs (t-t-rb)
tirabtin = fern. Nomen des gleichen Stammes 'rb = schreiben (t-rb-t-n).
Zyhlarz (1931/32:276) schließt sich dem an und ergänzt die Erklärung des
abschließenden -N als Demonstrativsuffix ( = dies). Auch Rössler (1941 :291)
findet diese Auslegung "ausgezeichnet".
4. Die libyschen Grabinschriften
Diese von Chabot (1940) erstmals systematisch
registrierten Grabinschriften verteilen sich über
einen weiten Raum Nordafrikas vom heutigen Tunesien
bis zur marokkanischen Atlantikküste. Sie
bestehen meist nur aus 2 - 4 kurzen Zeilen, die -
im Gegensatz zu den Monumentalinschriften -
senkrecht verlaufen und von unten nach oben gelesen
wurden. Sie enthalten unzählige Personennamen,
Chabot listet über 1000 verschiedene auf,
viele davon kommen nur einmal, andere bis zu
zehnmal vor. Wie üblich sind v iele der Namen
durch W- (= Sohn des) verbunden.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von immer
wiederkehrenden Zeichenkombinationen, die mit
großer Wahrscheinlichkeit kurze Formeln darstellen.
An erster Stelle ist hier die Formel BNS zu
erwähnen, die über 200mal registriert wurde.
Chabot (1940:XVI) erklärt sie als BN-S = "sein
Grab" entsprechend der Formel W-S = "sein
Sohn".
Rössler (1958:109 ) weist darauf hin, daß es
zwei unterschiedliche Wurzel-Nomina BN gibt:
eines im Sinne von "Haus, Gemahlin", das andere
im Sinne von "Stein". Er glaubt, anhand von
Doppelgrabstelen nachweisen zu können, daß erstere
Lesung, also BNS = "seine Gemahlin" zutrefe.
Auch weitere Verwandtschaftsbezeichnungen
sind mit großer Wahrscheinlichkeit nachweisbar:
WLT Tochter
MT = Mutter.
Abb. 4: Libysche Grabinschrift
(RIL 196)
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Zwei weitere Zeichengruppen, die jeweils etwa 80mal vorkommen (RC '
und MSW ') entziehen sich bis heute jeder Deutung.
Da libysche Personennamen nach afroasiatischer Tradition gramatikalische
Gebilde (Minimalsätze) sind, kann man durch ihren Vergleich grammatikalische
Elemente isolieren. Rössler nannte das die "Methode der analytischen
Tabellen", heute würde man dazu Segmentierung sagen. So isoliert
Rössler neben den bereits genannten Prä- und Sufixen z.B. die Elemente Y(
= er), -SN(= ihnen) und den Namen MS(= Herr, Gott).
Chaker (1984) geht noch einen Schritt weiter. Er unterscheidet nach ihrer
Bildungsweise 6 Grundtypen von Personennamen und übersetzt sie unter
Zuhilfenahme des Berberischen:
T yp 1: Y-SN = er sagt
T-ZMR = sie kann
Typ 2: Y-R-TN er liebt sie usw.
Fragen der Sprachverwandtschaft
Zwei grundlegende Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Sprache
der libysch-berberischen Inschriften Nordafrikas:
1. Welche Beziehung besteht zwischen der Sprache, die wir libysch genannt
haben und den heutigen Berbersprachen?
2. In welcher Beziehung steht die Sprache der kanarischen Inschriften zum
L ibyschen?
Ad 1: Natürlich ist die Untersuchungsbasis für eine Beantwortung dieser
Frage sehr schmal. Und dennoch hat in der bisherigen Forschungsgeschichte
kaum jemand an einem engen Zusammenhang beider Sprache gezweifelt. So
stellt Zyhlarz schon Anfang der 30er-Jahre fest, daß der Entwicklungsabstand
des "numidischen Berberisch" von seinen "modernen Epigonen" kaum so
groß anzusetzen sei wie der Abstand des Spätlateinischen von einem modernen
italienischen Dialekt (1931/3 2: 2 80). Rössler (1958: 120) glaubt, mit seinen
Sprachanalysen gezeigt zu haben, wie erschütternd gering der Unterschied
zwischen einem zweitausend Jahre alten "altlibyschen" und einem
rezenten "neulibyschen" Dialekt ist.
Bedenkt man, daß zum Beispiel W- auch noch im heutigen Berberisch
"Sohn" bedeutet und W LT "Tochter" und daß man für "König" heute noch
"agellid" sagt wie vor 2000 Jahren (GLD), so kann man sich nur der Meinung
Rösslers anschließen, der zusammenfaßt: "Das, was man weiß, stimmt zusammen,
nichts, was man vom Numidischen weiß, führt in eine andere Richtung
als zum Berberischen" (1979: 95). Er ist der festen Überzeugung, daß
das vorhandene Material für diese Art von Klassifizierung ausreicht. 1980
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formuliert er es noch extremer: "Die Einheit von Libysch und Berberisch
steht fest".
Andere Autoren sind in der Beurteilung vorsichtiger. So beantwortet Fevrier
am Ende seines hervorragenden Artikels über die libysche Sprache seine eigene
Frage, ob es sich dabei um eine Form des "Prä-Berberischen" handle,
ausweichend: "Je laisse a d'autres, plus competents, le soin de repondre" (1956:
273 ).
Unter den Linguisten der jüngeren Generation gibt es auch gegenteilige
Stimmen. Wolfhält die "sogenannten libyschen Inschriften" für in Wahrheit
unerforscht und stellt fest, daß ihre Sprache "ofensichtlich nicht Berberisch"
ist. Eine libysch-berberische Sprachverwandtschaft ist seiner Meinung nach
mit großer Skepsis zu betrachten. Mir sind allerdings keine stichhaltigen Argumente
bekannt, die die derzeitige opinio communis ernsthaft in Frage stellen
würden.
Ad 2 : Leider vermitteln uns die kanarischen Inschriften (sowohl die libysch-
berberischen als auch die latino-kanarischen ) noch weniger Hinweise
auf ihre Sprache als die afrikanischen. Abgesehen von W- (= Sohn des) überliefern
sie uns keine einzige sichere Vokabel, sondern nur Personennamen.
Doch ihre Analyse ergibt nicht nur eine frappante Übereinstimmung mit nordafrikanischen
Namen, sondern auch eine völlig idente Systematik der Wortbildung
(z.B. mit den Prä- und Sufixen Y-, MS-, -S N, -TN oder der Affixklammer
für das Femininum T- -T).
Anknüpfend an eine oben zitierte Äußerung Rösslers möchte ich daher
formulieren: Wir wissen wenig über die Sprache der kanarischen Inschriften.
Aber alles, was wir wissen, weist in eine Richtung, nämlich in die des Libyschen.
Literatur:
Behrens, P. (1984/85): Wanderungsbewegungen und Sprache der frühen saharanischen
Viehzüchter.- Sprache und Geschichte in Afrika, Band 6, 135-216
Beke, C.T. (1845): On the Languages and Dialects of Abyssinia and the
Countries to the South.- Proceedings ofthe Phililogical Society 2 , 8 9-107
Benabou, M. (1976): La resistance africaine a la romanisation.- Paris
Chabot, J.B. (1921): Melanges epigraphiques.- Journal Asiatique, XI.s., t.XVII
Chabot, J.B. (194 0 ): Recueil des Inscriptions libyques.- Paris
Chaker, S. (1984): Textes en Linguistique Herbere.- Paris
Diakonof, I.M. (19 65): Semito-Hamitic Languages. An Essay in Classification.-
Moskau
Fevrier, VJ.G. (1956): Que savons-nous du libyque?.- Revue Africaine t. C,
Paris, 2 63-273
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Tabelle: Vergleich von Personennamen kanarischer und nordafrikanischer Inschriften
KANARISCHE INSELN NORDAFRIKA
Latino-Kanarisch Libysch-Berberisch OC,ibysch-Berberisch Lateinisch
AFRAN FRN
MAKURAN MKRN MKRN MACCURASAN?
SRETAN SRTN
ISTRITAN MSTRTN
IMANfAN MNTN
SELAN/SILAN SLN SILAN(US) k
TAFAN TFN
IFNIN FNN
SIMA SM' SYM'
NETAN NT' NTN
MASUN MSWN MSWN MASUNA
KSN KSN ACASAN?
KT KT' CATA?
NSN NSN
NMR NMR NIMIRRA?
RKL RK'L ROCILLA?
KR KR' CARA?
MRS MRS MARIS?
YKS YKS
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