Klaus F. WELLMANN, Brooklyn, New York
ÜBER DAS 3. FELSKUNST..SYMPOSIUM DER AMERICAN ROCK ART RESEARCH ASSOCIATION
IN RIDGECREST, KALIFORNIEN, 29.-31. Mai 1976
Vom 29. bis 31. Mai fand in Ridgecrest (Kalifornien) die dritte Jahrestagung der American Rock
Art Research Association (ARARA) statt. Mit über 180 aktiven Teilnehmern war das Treffen
besser besucht als diejenigen der Vorjahre (1974 in Farmington, New Mexico, und 1975 in El Paso,
Texas). Die einleitenden Ansprachen wurden gehalten von Dr.John Cawley, Bakersfield, California,
Chairman des Symposium Committee, von Ken Robinson, Direktor des Maturango Museum, China
Lake, California, der für die ausgezeichnete lokale Organisation verantwortlich war, und von
Dr. Klaus F. Wellmann, Brooklyn, New York, der als Präsident der ARARA auch die Grußadressen
ausländischer Freunde und Organisationen (darunter Institutum Canarium und GISAF, Hallein)
verlas.
Während der beiden ersten Tage des Symposiums wurden insgesamt 21 Vorträge gehalten; als
Moderatoren der fünf Sitzungen fungierten Carnpbell Grant, Klaus F. Wellmann, John Cawley,
Kay Sutherland und Wilson G. Turner. Wie bei den Trefen der beiden Vorjahre befaßten sich die
meisten Vorträge mit der Bestandsaufnahme und Analyse der Felskunst bestimmter geographischer
Bezirke. So sprach Ken Hedges, San Diego, California, über Felsmalereien im Nordteil des mexikanischen
Staates Baja California; Campbell Grant, Carpinteria, California, behandelte Felsbilder in
der Sierra von Sonora, Mexiko; Daniel B. Fowler, Morgantown, West Virginia, berichtete über neuentdeckte
Ritzzeichnungen seines Staates; David Fresko, Brooklyn, New York, verglich anhand des
von Muvaffak Uyanik gesammelten Materials die Felsbilder des südöstlichen Anatolien mit denen
Nordamerikas; Alex Apostolides, El Paso, Texas, sprach über die Felskunst im Salt Dale-Bereich
der Mojavewüste; und John Cawley aus Bakersfield, California, erläuterte die Yokuts-Felsmalereien
von Rocky Hill bei Exeter in Kalifornien. Weitere regional determinierte Übersichtsreferate waren
die von Kenneth Castleton, Salt Lake City, Utah (Felskunst am San Juan River im südöstlichen
Utah); Paul P. Steed Jr., Dallas, Texas (Felsbilder der Cienega Mesa von Neumexiko); Ernest
E. Snyder, Tempe, Arizona (Sinagua-Felskunst im Hart Well Canyon, Arizona); King Hastings,
Ogden, Utah (Felsbilder im Grand Gulch, Utah); Donald Martin (105 Felskunststationen im Death
V alley von Kalifornien); und Teresa Miller und Read Haslarn (Felskunststile der nordkalifornischen
Küstenberge).
Vorwiegend funktionell orientiert waren die Vorträge von Dale und Eric Ritter, Chico, California
(Schamanismus in der Felskunst Nordamerikas), von Francine Marshall, Riverside, California
(Ästhetische Betrachtungen über den Great Basin Pecked Style), von Delcie Vuncannon, Palm
Springs, California (über die Möglichkeit, daß bestimmte Felsbilder der Mojavewüste im Rahmen
von Pubertätsriten angefertigt wurden), von Carol Rector, Riverside, California (über weitere
Deutungen der Felskunst im Ostteil der Mojavewüste), und von Kay Sutherland, El Paso, Texas
(Analyse des Maskenmotivs in Mogollon-Felsbildern). Zwei Vorträge befaßten sich mit astronomischen
Überlegungen U ack Stein bring, Winnipeg, Manitoba, sprach über mögliche Zusammenhänge
von halbmondförmigen Artefakten und Felsbildern im Bereich der Großen Seen mit der „alten
Kupferkultur"; und Dorothy Mayer, Berkeley, California, erweiterte ihre im Vorjahr begonnenen
Parallelen zwischen Felsbildern im Owenstal von Kalifornien und gewissen Konstellationen des
nächtlichen Himmels anhand eines weiteren Beispiels). Klaus F. Wellmann, Brooklyn, New York,
gab eine übersieht über Schiffs- und Bootdarstellungen in Felszeichnungen Nordamerikas und der
pazifischen Inseln, und Wilson G. Turner, Whittier, California, erläuterte Versuche, die Felsbilder
an der Salton Sea in Kalifornien mit Hilfe der Radiokarbonmethode zu datieren. Der Festvortrag
am Abend des zweiten Tages wurde von Ralph Story, einer Fernsehpersönlichkeit aus Hollywood,
gehalten; trotz des angekündigten Titels ( "Rock Art of Tomorrow") hatte er mit Felskunst nichts
zu tun, sondern wies Unterhaltungscharakter auf.
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Während der von Klaus F. Wellmann geleiteten Geschäftssitzung am Sonntagnachmittag wurde
der Satzungsentwurf, der der Mitgliedschaft bereits 197 5 in EI Paso vorgelegt und seitdem gründlich
revidiert worden war, nach kurzer Diskussion ohne Gegenstimmen akzeptiert. Paul P. Steed jr .,
Dallas, Texas, gab einen kurzen Bericht über die Tätigkeit des von ihm geleiteten NomenklaturAusschusses.
Mehrere Resolutionen befaßten sich mit den Kriterien, denen künftig zu haltende
Vorträge unterliegen sollen. Der bisherige Vorstand der American Rock Art Research Association
(Präsident: Klaus F. Wellmann, Brooklyn, New York; Vize-Präsident: John V. Davis, EI Paso,
Texas; Schriftführer und Schatzmeister: Alice J. Bock, Whittier, California- wurde für eine weitere
Amtsperiode von zwei Jahren einstimmig wiedergewählt.
Regen Zuspruch erfreute sich der Ausstellungsraum, der wie im Vorjahr wieder von Lou Cawley,
Bakersfield, California, organisiert worden war. Zahlreiche in verschiedenen Medien hergestellte
Felsbildreproduktionen sowie Bücher über Felskunst wurden gezeigt und zu einem guten Teil auch
verkauft.
Am letzten Tag des Symposiums wurde den Teilnehmern Gelegenheit gegeben, die zahlreichen
Felsgravierungen im nahegelegenen Coso-Gebirge zu besuchen. Diese Felskunststätten, die als beste
Beispiele des Great Basin Representational Style gelten, liegen auf dem Gelände der Raketenversuchsstation
der amerikanischen Marine und sind unter normalen Umständen nur an wenigen
Tagen des Jahres zugängig. Die Felsbilder, deren Alter auf ein- bis dreitausend Jahre geschätzt
wird, befinden sich daher auch in einem ausgezeichneten Erhaltungszustand, denn in dem seit
Jahrzehnten streng überwachten Militärgelände besteht für Vandalen kaum Gelegenheit, ihr zerstörerisches
Werk zu betreiben.
Die in Ridgecrest gehaltenen Vorträge sollen in einem Sammelband veröfentlicht werden. Der
Band mit den Vorträgen der Tagung von EI Baso ( 197 5) ist gerade erschienen ( "American Indian
Rock Art, Volume 2; Papers Presented at the Second Annual Rock Art Symposium, Edited by
Kay Sutherland; Published by EI Paso Archaeological Society, Inc., EI Paso, Texas, 1976") und
kann zum Preis von 8.- U.S. Dollar bezogen werden von Dr. Frank G. Bock, ARARA, P.O.Box
4219, Whittier, California 90607; dort werden auch Bestellungen für das Nachrichtenblatt der
Vereinigung "La Pintura", entgegengenommen ( ein Jahresabonnement von vier Nummern kostet
4.- Dollar).
Die nächste Jahrestagung der American Rock Art Research Association soll am letzten MaiWochenende
1977 in Tempe, Arizona, stattfinden; Vorsitzender des Symposium Committee wird
Dr. Ernest Snyder von der Arizona State University in Tempe sein.
Edmund DONDELINGER:
DIE TREIBTAFEL DES HERODOT AM BUG DES ÄGYPTISCHEN NILSCHIFFES
In manchen Darstellungen der Nachtfahrt des Sonnengottes durch die Unterwelt sieht man am Bug
der Sonnenbarke das in der nachstehenden Abbildung links wiedergegebene Gebilde, das zunächst
anmutet wie das Steuerruder am Heck eine modernen Dampfers.
Dieses Gebilde wurde von Sethe als Ziermatte angesehen - SPAW, 1928, 277 - seiner Deutung
ist bislang nicht widersprochen worden. In Wirklichkeit aber wird hier keine Ziermatte gezeigt,
sondern die bei Herodot II, 96 (in anderer Zählung II, 90) beschriebene Navigationsvorrichtung.
Es handelt sich um eine „mit Stricken aus Schilf zusammengenähte Tafel aus Tamariskenholz"
(Köster, 11), die bei Gegenwind senkrecht ins Wasser eingetaucht wurde. Sie sollte bei der Talfahrt
von der Strömung erfaßt werden und das Schif stromab ziehen, um die Bremswirkung des die
Schifsaufbauten angreifenden Gegenwindes in etwa zu kompensieren.
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Abb. 1: nach FORMAN-KISCHKEWITZ: Die altägyptische Zeichnung, Prag, 1971, Taf. 31
(Umzeichnung: I. Görner)
Ein Schiff ist nur dann steuerfähig, wenn es „Fahrt durch das Wasser" macht, d. h., wenn seine
Geschwindigkeit höher ist als die des stromab fließenden Wassers. Diese erhöhte Geschwindigkeit
erreicht das Schiff aufgrund seines erheblichen Eigengewichts. Wäre das Schif leicht wie ein
Korken, dann würde es wie ein Korken auf dem Wasser tanzen, würde vom Strom mit der Wassergeschwindigkeit
flußabwärts mitgenommen werden und würde daher, wie das Wasser, nur noch
,,Fahrt über Grund" machen. Dann aber wäre es ebensowenig steuerfähig wie der Korken.
Wenn nun bei der Talfahrt der Gegenwind die Schifsbauten angreift, verringert er die Geschwindigkeit
des Schiffes und damit seine Steuerfähigkeit. Diese entfällt vollends, wenn das Schif nur
noch „Fahrt über Grund" macht, also die Eigengeschwindigkeit des Wassers nicht überschreitet. Um
dann das Schif auf Kurs zu halten, wurde, nach Herodot, ein etwa 50 kg schwerer Stein an einem
Tau vom Heck ins Wasser gelassen. Bei auftretenden Wirbeln konnte das Schiff jetzt nicht mehr
ausgieren, da der nachgeschleppte Stein es „streckte" und somit auf Kurs hielt. Der Stein war eben
zu schwer, um etwaige Schlenkerbewegungen des Schifes mitzumachen.
Anderseits aber übte der nachgeschleppte Stein eine zusätzliche Bremswirkung aus, verminderte
somit die Geschwindigkeit des Schifes, die geringer wurde als die Geschwindigkeit des Wassers.
Jetzt mußte die von Herodot beschriebene Vorrichtung vom Bug herunter ins Wasser eingetaucht
werden. Die Strömung erfaßte dieses Lattengestell aus Tamariske und gab dem Schiff eine zusätzliche
Fahrt, die günstigstenfalls der „Fahrt über Grund" gleichkommen konnte. Das nachstehend
wiedergegebene Schaubild soll die vorstehend beschriebenen Vorgänge verdeutlichen.
Aufgrund ihrer Unkenntnis der nautischen Gegebenheiten haben die Ägyptologen eine handfeste
Navigationsvorrichtung als schmückende Ziermatte angesehen. Aus derselben nautischen
Unkenntnis heraus haben die Graezisten ihre Schwierigkeiten mit der korrekten Übersetzung von
Herodot II, 96, So sieht MARG in dem von Herodot als tyre bezeichneten Gestell ein „Floß",
das vor dem Schiff „dahintreibt". Dies kann schon deswegen nicht stimmen, weil das Floß viel
leichter ist als das Schif, und dieses aufgrund seines Eigengewichtes das leichte Floß bald „überlaufen"
würde. Auch GOYON sieht in dem Gestell des Herodot ein waagrecht auf dem Wasser
liegendes Floß, ein „systeme de guidage", das die Funktion gehabt hätte, das Schif zu steuern -
BIFAO LXIX, 29. Nun aber sagt Herodot ganz eindeutig, daß das vorgespannte Lattengestell das
Schif „ziehen" sollte, daß es also kein „systeme de guidage", kein Steuerungssystem, sondern ein
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