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Almogaren XXIV-XXV/ 1993-1994 Hallein 1994 17 - 43 Dominik Josef Wölfet Die Kanarischen Inseln, die westafrikanischen Hochkulturen und das alte Mittelmeer1 Als Leo Frobenius 1910 bis 1912 auf die Probleme der barbarischen Hochkulturen Westafrikas stieß, erkannte er mit seinem sicheren Gefühl, daß hier alte Zusammenhänge mit dem Mittelmeer gegeben waren (1). Wenn er dabei an das alte Märchen von Atlantis anknüpfte, so war das naheliegend, aber die vollkommen mythischen kurzen Auslassungen Platos (2), von denen wir nicht einmal wissen, ob Plato selbst sie ernst genommen hat, sind eine sehr dünne Grundlage für das Riesengebäude, das Phantastik und Dilettantismus darüber gebaut haben. Frobenius empfand das auch selbst und er suchte eine konkrete Anknüpfung, die er in dem alten Seefahrervolk der Etrusker fand. Die einzige Gemeinsamkeit freilich, die sich zwischen Westafrika und dem etruskischen Italien aufzeigen ließ, war das Impluvium der Yoruba-Bauten und das römisch-etruskische Atrium und das ist reichlich wenig. Evans (Palace of Cnossos) schwankte bei der Rekonstruktion gewisser Palasträume von Knossos wiederholt, ob er die vertieften Räume für Impluvia oder für Bäder halten solle. Außerdem ist die Kultur der Etrusker selbst kein Komplex, der sich eindeutig charakterisieren läßt. Sie zerfällt in zwei Schichten: eine altitalische, die sich auch bei anderen Völkern Italiens und schon vor dem Auftreten der Etrusker findet und deren Elemente, auch wenn sie auf westafrikanischem Boden auftreten würden, sich niemals mit Sicherheit auf die Etrusker zurückführen ließen, und eine am besten als archaisch-griechische Schicht zu bezeichnende, welche die Etrusker aus ihrer ägäischen Heimat mitbrachten und nach der wir ungefähr die Zeit der Einwanderung der Etrusker in ihre neue italische Heimat datieren können. Diese Schichtung zeigt sich auch in ihrer geistigen Kultur, in deren unitalischem Teil sie zur ersten Vermittlerin griechisch-vorderasiatischer Geisteswelt an die alteuropäischen Völker Italiens wurde. So sind die Elemente etruskischer Kultur fast niemals so eindeutig, daß man mit ihnen Einflüsse der Etrusker nachweisen könnte, auch wenn sie sich in Westafrika finden würden. Als relativ späte Eindringlinge in das Westbecken des Mittelmeeres, hat- 1Amnerkung der Almogaren-Redaktion: Der Beitrag erschien zuerst in Paideuma Bd. 4, Bamberg 1950, 231-253 17 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 ten sich die Etrusker mit den alten Seevölkern dieses Gebietes auseinamlerzusetzen und bevor sie diese Aufgabe erfolgreich abschließen konnten, wurden sie schon von Phönikern und Griechen auf dem Meere zurückgedrängt. Ihnen ist also eine Seefahrt bis nach Westafrika gar nicht zuzutrauen. Trotz aller Phantasien über die Kolonisationsfahrt des Karthagers Hanno, ist auch den Phönikern und ihren Erben eine Kolonisation irgendwie wesentlich über das Susgebiet Marokkos hinaus nicht zuzutrauen. Daß die Archäologie der Kanarischen Inseln nicht den geringsten Anhaltspunkt für phönikisch-karthagische Einflüsse zeigt, ist wohl Gegenbeweis genug gegen eine solche Kolonisation über das Cap Nun hinaus. Es dürften solche Erwägungen gewesen sein, die Frobenius veranlaßten, den Gedanken an Einflüsse auf dem Seeweg aus dem Mittelmeer nach Westafrika aufzugeben und breite Landverbindungen über den afrikanischen Kontinent hinweg als Brücke für die Kultureinflüsse anzunehmen. Dabei hat der Altmeister der Afrikanistik die paläogeographische und paläoklirnatische Situation zu wenig berücksichtigt. Wenn afrikanische Fatma und Flora an dem Regenwald eine Verbreitungsgrenze fand, wenn wir sehen, wie die Restvölker, die Restsprachen, an seinen Rand gedrückt sind und die Bantusprachen, statt sich quer durch ihn zu verbreiten, einen ungeheueren Bogen machen, um erst von Süden her sich an der Westküste hinaufzuschieben, dann erkennen wir im Regenwald eine alte Barriere auch für Völker- und Kulturverbreitungen. Ich habe in meinen "Hauptproblemen Weißafrikas" (3) klargestellt, daß die Parklandschaft anthropogen ist und einen vorhergehenden Hochwald voraussetzt. Daß Weißafrika bis tief in die Antike hinein noch immer fruchtbarer und bevölkerter war als heute, daß jedenfalls im Neolithikum und in der Bronzezeit dieses Gebiet als Hinterland des Mittelmeerraumes gelten konnte, ändert an dieser Tatsache nichts, denn eine von Rinderhirten und Ackerbauern besiedelte Sahara war sicher schwerer zu durchdringen als im heutigen Zustand mit den wenigen Bevölkerungszentren und den Riesensprüngen des Verkehrs von Oase zu Oase. So müssen wir in den großen schifbaren Strömen die einzigen Straßen durch den Regenwald an die Guineaküste sehen. Mit den nichtssagenden Etiketten "Jungsudanische Kulturen" oder "Tertiärkulturen des Sudan" (5) kommen wir der Frage nach dem Wesen der Großstaatbildungen und Hochkulturzüge im mittleren und westlichen Sudan nicht näher. Die Aufgabe, das Vorislamische daran herauszuarbeiten, ist außerordentlich schwierig und setzt eine sehr genaue Kenntnis der islamischen Kulturgeschichte voraus. Auch hier haben wir wieder eine mehrfach geschichtete Kultur vor uns. "Arabisch" ist an der islamischen Kultur das wenigste, im Wesen beruht sie auf einer Mischung von Hellenistisch-Vorderasiatischem mit 18 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Neupersisch-Vorderasiatischem und somit gibt es viele Kulturelemente, die ebensogut aus den alten Quellen wie aus der islamischen Mischung stammen können. Nun hat Leo Frobenius versucht, an Byzanz anzuknüpfen (6), und Siegfried Nadel (7) folgt ihm darin. Ich kann mich dieser Deutung der sudanischen Kulturen nicht anschließen, weil Byzanz eine solche Rolle gar nicht spielen konnte. Im Kolonisationsgebiet der Römer am Südufer des Mittelmeeres sehen wir deutlich, wie das vom byzantinischen Limes gedeckte Gebiet gegenüber dem römischen Limes um die Hälfte eingeschrumpft ist (8). In Ägypten verteidigt das Reich mühsam das südliche Oberägypten gegen Blemmyes und Nobatoi und hat kaum Möglichkeit darüber hinauszugreifen. Die christliche Mission könnte Trägerin byzantinischer Kultureinflüsse sein, wie das nubische Königreich und das Reich von Aksum-Äthiopien beweisen, aber da müßte erst erwiesen werden, daß zu jener vorislamischen Zeit wirklich solche Einflüsse vom mittleren und oberen Nil nach Westen gingen. Jedenfalls zeigt die islamische Missionsgeschichte und zeigen die arabischen Geographen und noch die Verhältnisse zu Barths (9) und Rohlfs (10) Zeit, daß man von Wadai und sogar von Darfur aus Handel und Beziehungen nach Fezzan und Tripolis, aber nicht nach Sennaar und Khartum hatte. Die libysche Wüste - sicherlich der am frühesten gänzlich verödete Teil der Sahara - und die Sumpfgebiete des oberen Nil - diese in älterer Zeit noch mehr als heute - müssen eine fast unübersteigliche Schranke gebildet haben. Wirklich tiefgehende Einflüsse von Byzanz scheinen mir also außerordentlich unwahrscheinlich. Ganz verfehlt ist es, wenn immer wieder von koptischen Einflüssen auf den Gelbguß der Guineagebiete gesprochen wird (11 ). Wenn man auf islamische Geschichtsklittereien von einem fernen Großherrn etwas geben will, dann vergleiche man einmal, wie schrecklich wenig die islamische Überlieferung der Atlasgebiete von der vorislamischen Zeit dort weiß und wie ganz entstellt auch dieses Wenige noch ist (12). Das Aussichtsvollste bei der Erforschung und Analyse der sudanischen Hochkulturen scheint mir noch in einer genauen Untersuchung der heidnischen Restvölker zu liegen, weil an den Rändern der Hochkulturzentren sich immer ältere Schichten erhalten, die in ihrem Ursprungs- oder Hauptgebiet längst von jüngeren Schichten weggeschwemmt oder unerkennbar überlagert sind. Ganz besonders wichtig wäre die Erforschung der Kultur der heidnischen Stämme mit Dialekten der Hausasprache im Tschadseegebiet (13). Soviel wir aus den leider WlZulänglichen Arbeiten über ihre Sprachen sehen, haben sie keinen geringeren Anteil an dem mit dem Berberischen gemeinsamen Wort- und Formenschatz als das Hausa der Mohammedaner. Wenn sie auch durch Jahrhunderte von Sklavenkriegen degeneriert sind, wird sich doch noch genug fin- 19 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 den, das uns in die vorislamische Zeit führen kann. Während alle Kulturerscheinungen des Sudans nur im Zusammenhang mit den Kulturen des gesamten Weißafrika behandelt werden können, haben die barbarischen Hochkulturen Negerafrikas einen inselartigen Charakter und zerfallen deutlich in Gruppen. Im Anschluß an Altägypten und sein Kolonisationsgebiet Meroe-Napata finden wir später das Reich der Nubier, das Reich der Fundz und schließlich das Reich der Silluk, wo sich bei allen dreien zeigt, daß die Herrenschichten sekundäre Eroberer sind und daß die Staatsidee und - Organisation sowie die Hochkulturelemente vor diesen Herrenschichten bestanden und von ihnen bloß übernommen wurden (14). Unmittelbar und deutlich als altägyptisch anzusprechende Kulturelemente sind kaum nachzuweisen; so wie bei Äthiopien ist die Grundstruktur entweder deutlich auf das christliche Vorderasien oder aber auf im Verhältnis zu Ägypten ältere, archaischere Schichten zurückzuführen. Am aussichtsreichsten ist ein Vergleich mit Altägypten noch bei den Hochkulturelementen im Mangbetureich und bei den Azande (15). Auch die nichtsemitischen Völker mit Hochkulturzügen im Osthorn Afrikas zeigen eher Beziehungen zu Vorderasien als zu Altägypten. Ägyptische Einflüsse sind ja nur dann sicher nachzuweisen, wenn es sich um Kulturelemente typisch ägyptischer Prägung handelt, nicht aber um solche Züge, die gemeinsames Gut Ägyptens mit allen oder mehreren alten Hochkulturen sind. Solche Elemente in Afrika außerhalb des ägyptischen Kolonisationsgebietes nachzuweisen, ist bisher nicht gelungen. Die Gruppe barbarischer Großstaaten und Hochkulturen im Zwischenseengebiet und ihre Beziehungen nach Monomatapa-Simbabwe sind mehrfach behandelt worden und hier sind zwei ausgezeichnete Arbeiten vorhanden, die sowohl die Zusammenhänge wie die komplizierte Schichtung zeigen (18). Leo Frobenius und Adolf Jensen haben auf die Zusammenhänge zwischen diesen Staatsbildungen und dem vorgeschichtlichen Bergbau energisch hingewiesen. Die Ausgrabungen haben ein verhältnismäßig sehr ärmliches Ergebnis geliefert, was nicht Wunder nehmen kann bei dem jahrhundertelangen Schatzgraben späterer Negerschichten in diesen Ruinen und Gräbern. Dieses Schatzgraben schildert Frobenius für das Yorubagebiet (17). Aber eine Gelegenheit zu aussichtsreichen Grabungen wurde bisher vernachlässigt: in den Abraumhalden des alten Bergbaubetriebes müssen sich Zeugnisse für Art und Kultur der alten Minenherren und ihrer Arbeiter finden lassen (18). Wesentlich für diese negerafrikanischen Hochkulturen im Osten sind die mutterrechtlichen Züge in der Königsfamilie mit der Rolle der SchwesterKönigsgattin und der Königsmutter, trotz der durchgehenden vaterrcchtlichen Haltung der aktuellen Herrenschichten (19). Die billige Hinwegerklärung des 20 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Problems durch den Hinweis auf "hamitische" (im Zwischenseengebiet in Wirklichkeit nilotische) Hirtenstämme als Staats- und Kulturträger und vage Redensarten über vorderasiatische Einflüsse können kaum als Lösung gelten. Die Verfolgung und der Vergleich konkreter Einzelzüge wie bei Schebesta und Jensen kann da allein weiterführen. Wenn wir uns jetzt dem Westen zuwenden, so läßt sich ein Zusammenhang des Lundareiches mit Monomatapa und dem Zwischenseengebiet schon aus den inneren Verwandtschaftsverhältnissen der Bantusprachen und einzelnen Kulturelemente, deren Weg sicher der Umgebungsbogen um den Urwald war, wahrscheinlich machen. Ein erfolgreicher Vergleich der mutterrechtlichen Struktur des Lundareiches mit ganz ähnlichen Erscheinungen im alten Elam wurde schon von F.W. König (20) durchgeführt. Damit ist natürlich noch nicht der Ursprung dieser Erscheinungen aus Mesopotamien nachgewiesen, weil wir sie genau so oder ähnlich in Westafrika, im alten Mittelmeerraum und in Westeuropa finden und, wie wir sehen werden, ganz andere Verbreitungswege möglich sind. An Lunda schließen sich die Staatsbildungen am unteren Kongo und seinen Nebenflüssen an. Eines ergibt sich deutlich: Große künstlerische Holzplastik kommt nicht vom Totemismus her, sondern findet sich nur im Verbreitungsgebiet negerafrikanischer Hochkulturen. Dies freilich hat eine Einschränkung, denn im Zwischenseengebiet haben die Großstaaten keine künstlerische Plastik und dafür, daß sie einst mit Monomatapa verbunden war, fehlen uns, trotz der Geierstelen, die Anhaltspunkte. Im Kongogebiet haben wir im Flechtband, in den Schminkschachteln usw., im Stil der Plastik, schon die Zusammenhänge mit den barbarischen Hochkulturen des Guineabogens. Bevor wir uns diesen zuwenden, müssen wir noch die Frage erörtern, inwieweit die Plastik, das Großstaatwesen und andere Elemente von Bali-Fumban in Kamerun mit der Kongo- und der Guinea-Gruppe der barbarischen Hochkulturen zusammenhängen. Die Plastik dieses Gebietes hat unzweifelhafte Beziehungen in Stil und Motiven sowohl zu Benin als auch zu Urua. Bei den Tikarvölkern sind ja auch die Wollkappen mit den angestrickten Hülsen für Holzzäpfchen zu finden, wie sie an den Terrakottaköpfen aus Y oruba, die Frobenius ausgrub, dargestellt sind. Urua bildet als Kunstprovinz ein Problem für sich. Solange man die hohe Schnitzkunst als "primitiv" oder gar als Ausdruck der "totemistischen Kultur" ansieht, wird man in der Behandlung dieser Fragen nicht weiter kommen. Im Gelbguß zeigt Bali-Fumban sowohl enge Gemeinschaften mit Yoruba und Aschanti, wie auch Sonderzüge, z.B. die kuriosen Mischwesen von Mensch und Tier oder von verschiedenen Tieren. In der Guineabucht treten uns barbarische Hochkulturen in großer Häufig- 21 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 keit und mit teilweise offenkundigem territorialem, kulturellem und oft sogar politischem Zusammenhang entgegen. Auch hier ist die Überlieferung sehr getrübt, aber doch nicht so sehr, wie bei den anderen Hochkulturgruppen. Daß die heutigen Herrenschichten dieses Gebietes nicht die Träger der barbarischen Hochkulturen, sondern deren Erben aus vierter oder zehnter Hand sind, scheint mir ofenkundig. Die meisten dieser Herrenschichten leiten sich selbst von aus dem Norden kommenden Eroberern ab (21), die unverkennbare Kulturverwandtschaft der Einzelgebiete leitet aber nicht nach dem Norden, sondern nur von einem Gebiet des Guineabogens zum andern. Gesellschaftlich finden wir die verschiedensten Auseinandersetzungen zwischen Vaterrecht und Mutterrecht, wobei aber das Mutterrecht gerade bei der Herrscherfamilie und im Erbgang der Herrscherfamilie aufscheint, auch dort wo, wie in Dahomey, das Vaterrecht sonst fast gänzlich zum Durchbruch gekommen ist (22). Das zeigt sich besonders in der Stellung der Königinnen-Mütter, die unverkennbar hinter und über dem die Königsfunktion ausübenden Mann stehen. Die für Aschanti bezeugte Erbfolge nach Generationen nach Mutterrecht gehört ebenfalls dazu (23). Im Osten haben wir eine Parallele in der Stellung der Königin-Hauptfrau und Königinwitwe (24). Hier müssen wir vorgreifen und auf die Thronfolgefragen in den archaischen Hochkulturen Eurafrikas verweisen. Auf den Kanarischen Inseln erkennen wir deutlich, daß das Herrscherrecht an einer weiblichen Person hängt und der Gatte dieser Person Ausüber der Herrscherfunktion ist. Daraus erklärt sich die Erbfolge der piktischen Könige (25), die Verstoßung und Thronentsetzung eines britischen Königs durch die Gattin (26), das Bettgespräch der Königin Medb bei den Iren (27) und - nur daraus allein - die Situation der Penelope zwischen den Freiern, trotz des Vorhandenseins eines Thronerben nach Vaterrecht, der als glatte Null aufscheint (28). Aber nicht nur Mutterrecht und Vaterrecht treten in den Hochkulturen Guineas in verschiedenen Mischungen auf, sondern auch magisches Königtum und - ja wir müssen wieder vorgreifen - megalithisches Primus-inter-ParesKönigtum, schon wieder seinerseits in der Entwicklung zum despotischen Eroberer- Königtum (29). überall ist die Stadt politische und soziale Einheit, die Staatsorganisation aber geht von Demokratie-Oligarchie bei den Ibo (30), über Untertanen-Sklaventum in Benin und Dahomey bis zum demokratischen Königtum der Aschanti (31). Außerdem haben wir durchgehend die Zweiteilung der Gesellschaft in feindliche und doch zur Einheit verbundene Gruppen (32), die uns schon ganz in den Mittelmeerraum hinüberführt. Der Frage nach den Zusammenhängen und Ursprüngen geht aber die Frage nach dem archäologischen und ergo logischen Befund voraus. Wenn wir von den Grabungen in den Simbabwe-Ruinen absehen, so hat einzig und allein Leo 22 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Frobcnius nach negerafrikanischer Archäologie gegraben (33). Wirklich systematische Grabungen stehen noch aus und sie sind dringend notwendig, das beweisen allein schon jene Funde im Yoruba-Gebiet, die in so absolutem Gegensatz zu der rezenten Unfähigkeit der Neger in der plastischen Behandlung des Steines stehen. Die Henkelstühle aus Quarz fallen aus dem technischen Vermögen der Neger ganz heraus (34). Die Monolithen der Y oruba sind nicht der einzige megalithische Zug, ebenso megalithisch sind ja die Gabelbäume mit der Opferschale für das Höchste Wesen (den Himmelsgott) (35). Der Zusammenhang des Orakelwesens mit Vorderasien ist ja wiederholt untersucht und behauptet worden. Nichts wäre freilich verfehlter, als den Komplex von Kulturelementen, wie er sich als mehr oder minder gemeinsames Gut der barbarischen Hochkulturen von Guinea darbietet, für eine einheitliche Schicht zu halten und auf einen einheitlichen Ursprung zurückzuführen. Sie sind allem Anschein nach in verschiedenen Weilen hereingekommen und haben sich in verschiedener W eise gemischt. Um diese Vorgänge zu klären, wären gründliche vergleichende Studien der barbarischen Hochkulturen Guineas vor allem notwendig, demnächst dann die archäologischen Grabungen. Was sich dabei schon als Schichtung ergeben wird, ist noch lange nichts Endgültiges. Erst die Verfolgung der Zusammenhänge der einzelnen Kulturelemente außerhalb Negerafrikas kann zur Objektivierung der Schichten und zur Klärung ihrer Aufeinanderfolge rühren. Aber einige Tatsachen lassen sich jetzt schon feststellen. Und wenn sie bisher nicht gesehen wurden, so lag das daran, daß man bei Vergleichen afrikanischen Kulturgutes mit außerafrikanischem das Mittelmeer und Westeuropa bisher immer geflissentlich übersehen hat. Ich glaube der erste gewesen zu sein, der die Parallelen zum afrikanischen Guß in verlorener Form im alten Mittelmeer, besonders Sardinien erkannte. Von ganz erstaunlicher Tragweite ist es, daß die bronzezeitliche und noch ältere nordische "Schnurkeramik" sich bei einer Konfrontierung als Umsetzung von Form und technischen Einzelheiten negerafrikanischer Spiralwulstkörbe in Ton erweist. In der gleichen Richtung liegt das Auftreten des Flechtbandmäanders der Kasai-Völker und Guineas in der nordischen Bronzezeit und die Formübereinstimmung der hölzernen Schminkschachteln vom Kongogebiet und der Metallschachteln Benins mit Metallschachteln wieder in der nordischen Bronzezeit. Bevor wir hier nach dem Ausgangspunkt fragen, müssen wir als wichtiges Charakteristikum der barbarischen Hochkulturen Guineas die Religion ins Auge fassen. Als Negerafrika völlig fremd ist der Polytheismus schon längst erkannt worden und wieder war es Leo Frobenius, der ausdrücklich darauf hinwies. Hier heißt es aber nun zwei Arbeitshypothesen und von ihnen vorausgesetzte 23 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 methodische Grundsätze in diese vorläufige grundsätzliche Auseinandersetzung einführen. Wenn wir den Ursprung der Hochkulturen klären wollen, dann können unsere Vergleiche und Untersuchungen nur von den archaischen, den altertümlichsten und verhältnismäßig einfachsten Formen ausgehen, nicht aber von Schreibtischkonstruktionen: Diese archaischen Kulturen haben nun ihrerseits weit mehr als die Hälfte, vielleicht kann man sogar sagen zwei Drittel aller ihrer Elemente gemeinsam. Die städtische Siedlung, der Bau mit behauenen Steinen, die hochneolithische und kupferzeitliche Technik, den Tierkreis mit zugehörigem Kalender usw. usw. Sie alle hier aufzuführen und zu belegen würde keine Arbeitshypothese, sondern schon die Beweisführung und ein dikkes Buch bedeuten. Das deutet aber auf einen gemeinsamen, einheitlichen Ursprung der ältesten Hochkulturen, und zwar nicht aus der örtlich und zeitlich in mehreren Etappen sich abspielenden Mischung gleicher Kulturkreise, sondern auf Grund eines konkreten historischen, einmalig gegebenen Vorganges und dann Verbreitung von einem Punkt aus. Ist dies so, dann ist es eine methodische Forderung, daß die ältesten Stufen dieser Hochkulturen in den äußersten Randlagen zu finden sein müssen und archaische Hochkulturen in den äußersten Randlagen sind - man erschrecke nicht vor dem räumlichen Sprung - die negerafrikanischen Hochkulturen und Altamerika. Wäre unsere Arbeitshypothese richtig, dann müßten diese äußersten Randlagen miteinander ganz besonders enge Parallelen zeigen. Im Überkragungskalender (36), in der Religion mit dem Himmelsgott über dem neuerlichen Himmelsgott mit der Erdgöttin (37), in den Göttertypen darunter mit dem noch ganz polydämonistischen Polytheismus, mit dem Gefangenen, der als Gott verehrt und gemästet wird, bevor man ihn opfert und frißt (38), sind solche enge Parallelen gegeben, die man noch vermehren kann, aber es sind auch genug fundamentale Unterschiede da in den Kulturelementen, wie es auch nicht anders sein kann, bei wirklicher historischer Beziehung. Nur leere Abstraktionen können sich restlos dekken. Wir dürfen hier nicht übersehen, daß der Polytheismus an sich und der Polydämonismus zwar untereinander irgendwie zusammengehören, nicht aber unbedingt mit allen archaischen Hochkulturen. Es gibt Vor- und Frühstufen der Hochkulturen ohne Polytheismus,ja auch ohne Polydämonismus und sogar mit einer Hochgottgestalt, wie es laut dem Befund der Kanarischen Inseln das Megalithikum war, was wir später ausführen werden, und wie es Altchina war. überhaupt gibt es keinen Polytheismus ohne die deutlichen Spuren einer alten monotheistischen Schicht. Der Polytheismus ist eine Sonderentwicklung innerhalb der Hochkulturen und so wie diese einheitlichen Ursprungs, scheint aber in zwei Schichten zu zerfallen, von denen die jüngere, frühhistorische in den 24 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Religionen Indiens, Vorderasiens und Griechenlands vorliegt, während die ältere vorhistorische Schicht in Mexiko und Guinea uns gegeben zu sein scheint. Solange wir nicht deutlich alle Übereinstimmungen und Unterschiede herausgearbeitet haben, wissen wir nicht, ob die Hochkulturschicht in Guinea als eine Einheit hereinkam oder in mehreren Weilen und dann auf dem neuen Kolonialboden sekundäre Mischungen erlitt, auch nicht ob, was ja wahrscheinlich ist, solche Einzelwellen schon Mischungen waren. Das megalithische Element könnte ja vielleicht zuerst und für sich allein gekommen sein, aber, da alle archaischen Hochkulturen wesenhafte Züge des Megalithikums zeigen und frühe Hochkulturen und Megalithikum entweder wurzelhaft oder durch frühe Zusammenschichtung mit einander verbunden sind, könnte auch in Guinea eine frühe komplexe Schicht die megalithischen Elemente mitgebracht haben. Wenn unsere Voraussetzungen richtig sind, würde sich ein doppelter Vorteil aus der Herausarbeitung der Parallelen Westeuropa-Altmittelmeer und Guinea ergeben. Wir könnten feststellen, wann und von wo die Hochkulturschichten nach Guinea und ins übrige Negerafrika gekommen sind und andererseits würde das dürre Gerippe eurafrikanischer Archäologie von dem Rückzugsgebiet Guinea her Blut und Fleisch gewinnen. In einer Arbeit über "Die Religionen des vorindogermanischen Europa" mache ich einen ersten Versuch in dieser Richtung und zeige, wie sich die Tatsachen des alten Mittelmeers, besonders Kretas und der Ägäis, aus den Befunden der barbarischen Hochkulturen Guineas interpretieren lassen (39). Daß wir zu solchen Vergleichen und Interpretationen berechtigt sind, lehren uns die neuen Ergebnisse in der Erforschung der Kanarischen Inseln. Dieses klassische Rückzugsgebiet des alten Eurafrika ist in seiner Bedeutung erst seit kurzer Zeit erkannt. Meine Archivstudien und meine Jagd nach alten Quellen haben das Berichtsmaterial verzehnfacht und sorgfältige Textkritik konnte dabei die Spreu vom Weizen sondern (40). Schon daraus allein ergab sich, daß die Kultur der alten Kanarier, so wie sie von den Europäern des Zeitalters der Entdeckungen vorgefunden und beschrieben wurde, alle Merkmale einer Hochkultur an sich trug. Auch sie ist schon den Berichten allein nach sicher nicht einheitlich, d.h. einschichtig. Als ich dann auf den Inseln selber die damals bekannte archäologische Hinterlassenschaft der Eingeborenen studieren konnte, war es mir klar, daß auf den Kanarischen Inseln das Megalithikum und eine frühe mittelmeerische Hochkultur bis zur Entdeckung Amerikas durch Kolumbus weitergelebt hatte. Seither - und ich glaube mir ein Verdienst daran beimessen zu können - hat eine rege Ausgrabungstätigkeit eingesetzt, welche die Berichte der Eroberer ergänzte und bestätigte. Immer wieder gibt es neue Überraschungen und wir wissen noch lange nicht, wie das volle Bild der 25 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Kulturentwicklung auf den Inseln war. Vor allem fehlen uns die Anhaltspunkte, um das archäologisch gewonnene Material in zeitlich getrennte Entwicklungsoder Einwanderungsstufen zu zerlegen. Es ist aber äußerst wahrscheinlich, daß die megalithischen und altmittelmeerischen Elemente nicht mit einer einheitlichen Mischkultur, sondern in mindestens zwei Wellen hereinkamen, einer im wesentlichen megalithischen und einer wesentlich altmittelmeerischen. Es ist nicht mehr möglich, über das vorindogermanische und sogar das frühindogermanische Alteuropa und Mittelmeer zu schreiben, ohne den Befund der Kanarischen Inseln in Betracht zu ziehen, weil sonst jede neue Arbeit von vorneherein als überholt gelten muß. Von meinen Freunden, welche die Ausgrabungen durchführen, sind noch auf längere Zeit nur Ausgrabungsberichte zu erwarten ( 41 ). Meine eigenen Arbeiten über die geistige Kultur der alten Kanarier sind noch lange nicht publikationsreif, weil vorerst die abschließende Arbeit über die Sprache der Eingeborenen in den Druck muß ( 42). So scheint es mir zweckmäßig, wenn ich im Zusammenhang mit einer Huldigung für das Frobenius-Institut und seinen Gründer eine kurze Übersicht über das gebe, was wir gegenwärtig von der Kultur der Ureinwohner der Kanarischen Inseln wissen. Wenn wir mit der Sprache beginnen, so können wir, abgesehen von neuen Quellenfunden, bereits Abschließendes geben. Die Schlüsselsprache zum kanarischen Sprachmaterial ist das heutige Berberische. Ein Viertel etwa des Wortmaterials läßt sich einwandfrei von daher etymologisieren, der Anteil steigt aufs Dappelte und Dreifache, wenn wir auch noch die Worte miteinschließen, welche mit den Nominalaffixen des Berberischen gebildet sind. Darüber hinaus aber bleibt dann ein Rest, der vom Berberischen her unanalysierbar ist. Man könnte dieses Ergebnis durch die Tatsache ergänzen, daß einer von den vier Typen Schrift, die auf den Felswänden der Inseln vorkommen, unzweifelhaft zur Schrift der numidischen Königsinschriften gehört (43). Man könnte danach sagen, daß die Sprachelemente mit berberischer Beziehung zugleich mit diesem Schrifttypus auf die Inseln gekommen sind. Das kann man aber nur dann, wenn es sich erweisen läßt, daß die Sprache der Inschriften in diesem Typus Berberisch oder Nurnidisch ist, was Marcy, ohne den Beweis anzutreten, behauptet hat ( 44), und daß die Sprache der numidischen Königsinschriften wirklich eine ältere Stufe des heutigen Berberisch ist, was ich meinerseits bezweifle (45). Die numidischen Inschriften geben eine Sprache wieder, die unvergleichlich fraglichere Beziehungen zum Berberischen hat als die Sprachreste der Kanaren. Sie sind in der Sprache der nichtpunischen Stadtbevölkerungen abgefaßt und es könnte sein, daß damals wie heute zwischen Stadtbewohnern und Gebirgsbewohnern ein Sprachunterschied bestand. 26 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Ich nenne die antiken Sprachreste aus Nordafrika deshalb vorsichtigerweise "Afrisch". Beim Vergleich der kanarischen Sprachreste mit allen durch Geographie, Archäologie, linguistische Gruppierungsversuche usw. als vergleichbar bezeichneten Sprachen ergab sich, daß Etymologien kanarischer Wörter auch von anderswoher zu gewinnen waren und daß es in den Sachbereichen altmittelmeerischer Kultur, alteuropäischer Fauna und Flora und megalithischer Kultur eine Sprachschicht gibt, die von Altägyptisch-Koptisch, Berberisch-Hausa, über Baskisch in die westeuropäischen Indogermanensprachen Griechisch, Latein, Keltisch und Germanisch geht. Wohlgemerkt in Sachbereichen, die archäologisch und kulturell sich als bodenständig in diesem Raum erweisen. Wenn diese Sprachschicht wegen der Übereinstimmung in der geographischen Verbreitung von mir mit der Megalithkultur in Zusammenhang gebracht wird, so obliegt mir natürlich die Aufgabe, dies im einzelnen zu beweisen. Die gesellschaftliche Organisation der alten Kanarier zeigt uns Doppelkönigtum mit mutterrechtlicher Erbfolge in jenem Sinn, den ich für Guinea usw. angab, alteuropäisch-demokratische Züge, aber doch auch Standesgliederung. Eine ganz hervorragende Stellung der Frau im Staat (wie wir sehen werden auch in der Religion) und in der Familie. Die Wirtschaftsform ist eine Verbindung von Ackerbau mit Kleinviehzucht. Gebaut wurden Gerste und Weizen, Brotbacken war aber unbekannt und es wurde der alteuropäische Sterz gegessen. Hülsenfrüchte sind ebenfalls belegt und von den Fruchtbäumen der mittelmeerischen Baumkultur die Dattelpalme, die Olive und die Feige. Auffällig für afrikanische Inseln ist das Fehlen der Hirse in der europäischen und in der afrikanischen Art. Hier sei nebenbei vermerkt, daß bei den Ahnenopfern Guineas nur Y ams aber keine Hirse verwendet wird. Die wichtigste Tatsache in der Viehzucht der Inseln ist das Fehlen des Rindes und natürlich auch des Pferdes. Hauptsächliches Haustier war die Ziege in der Prisca-Art, von der es auf allen Inseln Herden gab. Das Schaf war reichlich, aber nur als Haarschaf vertreten. Dazu ist anzumerken, daß, nach dem Vorkommen in Rückzugshorsten, auch in Halbinseleuropa und Weißafrika, das Haarschaf die ältere Rasse ist, obwohl in Ägypten das Wollschaf schon altbelegt ist. Das Schwein ist wenigstens für Gran Canaria und Hierro sicher belegt. Von Hunden war das mittelmeerische Windspiel sicher und der libysche Hirtenhund (als perro lanudo) wahrscheinlich belegt. Die Religion zeigt den Berichten nach vor allem einen deutlichen ethischen Hochgottglauben, doch lassen sich Hypostasen des höchsten Wesens in Himmel und Sonne belegen. Daneben gibt es, mindestens auf einer der Inseln, eine Verehrung des Stammelternpaares in Monolithen, wobei Hochgott und 27 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Stammvater ineinander verschmolzen erscheinen; dazu eine Reihe dämonischer Wesen, vor allem in Hundegestalt und allerlei Dunkles. Das Doppelkönigtum erfährt durch das Hinzutreten je eines Priesterkönigs zu den beiden Herrschern eine weitere Doppelung und daneben stehen dann auf zweien der Inseln noch je eine Walagestalt als dritte Doppelung ( 46). Die Kultplätze in Höhlen und auf Berggipfeln führen uns mit den Monolithen und den Grabanlagen schon zur Archäologie hinüber, vorher aber müssen wir noch die Ergologie der alten Kanarier besprechen. Hier ist die wichtigste Tatsache das Fehlen von Metall zur Zeit des Einsetzens der europäischen Eroberung und auch, nach dem Zeugnis der Ausgrabungen, in den vorhergegangenen Epochen. Das erscheint umso merkwürdiger, als doch die Kulturen von Guinea als Hauptcharakteristikum den Guß in verlorener Form haben, als sogar das von uns mit solcher Kühnheit zur Parallele herangezogene Mexiko vollkupferzeitlichja sogar schon etwas bronzezeitlich ist. Die Schwierigkeit besteht und darf nicht hinweginterpretiert werden, obwohl sie sich gerade nach dem, was wir weiter feststellen können, umso unerklärlicher zeigt. Das heißt, man könnte auf den Mangel an Metallerzen auf den Inseln verweisen und auf ihre offenbare Isoliertheit durch sehr lange Perioden. Können jene, welche die Inschriften von nurnidisch-libyschem Typus anbrachten, ohne Metallkenntnis gewesen sein? ( 46a) 28 1. Inschrift, Barranco de Balos, Gran Canaria, nach Dr. Hernandez. Ein großer Teil der Zeichen, auch der Zeichenligaturen, ist identisch mit den kretischen Linearschriften. © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Vollneolithisch war die Kultur der Kanarier auf jeden Fall. Wir haben geschliffene Steinbeile und jenes seltsame geschlifene, durch seine Dellen in die menschliche Hand geschäftete Universalinstrument, welches bis jetzt außerhalb Cran Canarias nirgends eine Parallele gefunden hat ( 47). Dazu kommen die zahllosen, ohne weitere Zurichtung verwendbaren, aus dem heimischen Phonolith geschlagenen Klingen. Die Beile aus Chloromelanit und anderem Material erweisen sich als Import von außerhalb der Inseln, während das genannte Universalwerkzeug aus dem Basalt der Inseln erzeugt ist und die roh zugeschlagenen Beispiele des Typus durch die starken Gebrauchsspuren beweisen, daß sie nicht Halbfabrikate oder typologische Vorstufen, sondern nur Werkzeug der Ärmeren waren. Sonst gab es noch Reibsteine, geschlifen und ungeschlifen, und Steinkugeln, zum Teil mit den Aufsatzdellen für den Stock, wodurch sie als Keulenknäufe erwiesen sind. Wurfstöcke vom altägyptischnubischen Typus scheinen als Würdezeichen der Häuptlinge gedient zu haben, daneben gab es Szepterstäbe; als Wafen dienten neben den von den Spaniern so gefürchteten hölzernen ( wahrscheinlich mit Steinsplittern armierten) Schwertkeulen und Kolbenkeulen, auch Stoßspeere und Wurfspieße, aber Bogen und Pfeil fehlten. Wir müssen hier auf die große Rolle der Keulen, besonders der mit Steinknäufen, in den ältesten Hochkulturen hinweisen. Die Lederbearbeitung war hochentwickelt und der nordafrikanischen ebenbürtig. Bewundernswert sind die feinen Nähte, die mit Pflanzenstacheln genäht wurden und die Bastgewebe und feinen Matten wurden von den neueuropäischen Eroberern sehr gerühmt. Die Kleidung bestand im alteuropäischen Kilt aus Bastgewebe (oder Leder?) und im Fell- oder Ledermantel, den wir von den Felsbildern der Sahara, von den Niloten und den Ost- oder Südafrikanern kennen. Das Sitzleder dieser Festlandsvölker ist wahrscheinlich, aber nicht belegt. Beinlinge erinnern an Alteuropäer und Berber, das Schuhwerk ist sogar durch das gleiche Wort mit den Berbern und Basken gemeinsam. Spiralwulstkörbe waren reichlich vertreten und scheinen sogar neben Fellmützen als Koptbedekkung gedient zu haben. Horn und Knochen wurden zu Nadeln, Ahlen, Angelhaken usw. verarbeitet. Zusammenfassende Arbeiten über die Keramik sind zum Teil vor kurzem erschienen, teils werden sie bald erscheinen ( 48). Als einem hervorragenden englischen Fachmann vom besten spanischen Fachmann Keramik von den Kanarischen Inseln vor kurzem in Madrid gezeigt wurde, agnoszierte er sie ohne Zögern als "megalithische Keramik der britischen Inseln und Skandinaviens" ( 49). Daneben fehlt es an den Typen des alten Mittelmeeres ebenso wenig. Hier sind die Zusammenhänge unverkennbar und man kann nicht verstehen, wie diese Keramik für unabhängig auf den Inseln entstanden gehalten werden 29 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 konnte (50). Daß die Herstellung auf manchen Inseln technisch primitiv ist, ändert an Art und Verwandtschaft der Typen nichts. Mit der Keramik zu behandeln sind auch die Knopf- und Grifsiegel aus Ton, die man als Pintaderas zu bezeichnen pflegt und welche man für Werkzeuge hält, um den Körper m.it Farbe zu bestempeln, obwohl das spanische Wort "pintadera" vor allem "Brotstempel" bedeutet. Niemals finden sich zwei identische Siegel und sie entsprechen vollkommen den geometrischen Siegeln Ägyptens, Kretas, Mesopotamiens usw. (51). 2. Szene mit Menschendarstellungen, Barranco de Balos, Gran Canaria, nach Dr. Hernandez. Und weil wir hier schon in die Nähe der Inschriften und Felsgravierungen gekommen sind, wollen wir diese gleich behandeln. Ich habe an anderer Stelle (52) vier verschiedene Typen von Inschriften unterschieden, zuerst einn1al "megalith.ische Petroglyphen", d.h. Spiralen, Doppelrollen und andere geometrische Gebilde, wie sie im Verbreitungsbereich megalithischer Kulturelemente über die ganze Erde verbreitet sind, dann Inschriften in Spiralen, Bogen usw., die eine weitgehende Zeichenidentität und noch weitergehende Zeichenähnlichkeit mit den kretischen Linearschriften zeigen, drittens dann Inschriften, die, wie schon erwähnt wurde, glatthin als in numidischem oder berberischem Alphabet vorkommend angesprochen werden können. Marcy, der sie gelesen haben will, ich habe das versucht und den Versuch als vorläufig undurchfiihrbar aufgegeben (53), spricht von den unbekannten Zeichen dazwischen. Es gibt nun aber solche Inschriften, bei denen die aus dem TifinaghAlphabet, beziehungsweise aus den numidischen Inschriften bekannten Zeichen n.icht einmal die Hälfte oder ein Drittel ausmachen, während die anderen Zeichen dieser Inschriften zu dem Schrifttypus mit kretischer Verwandtschaft gehören. Sie stellen also augenscheinlich entweder eine Mischung der zwei 30 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Schrifttypen, oder aber eine Vereinfachung des dem Kretischlinearen verwandten Schrifttyps dar und ich sehe in ihnen einen vierten, den Übergang von einer zeichenreichen Sinnbild- oder Silbenschrift zu einer Alphabetschrift bildenden Schrifttypus, den ich "Transitionsschrift" nenne. Aber nicht nur Inschriften sind in die Felswände graviert, auch Darstellungen von Menschen, baumähnliche Gebilde usw., nur Darstellungen von Tieren scheinen vorläufig zu fehlen. Das für uns Bedeutsamste sind aber die Gravierungen von Schiffen in demselben abgekürzten Zeichentypus, den wir von Bohuslän, kretischen und vordynastisch-ägyptischen Darstellungen auf Siegeln und Keramik und vor allem von Oberägypte1;1 kennen (54). Hier haben wir di wirklichen Kultur-"Träger" vor uns, auf solchen Schifen sind die Hochkulturelemente vom Mittelmeer und den atlantischen Küsten Europas nach den Kanarischen Inseln gekommen und eine Schiffahrt, welche die Kanarischen Inseln erreichte, konnte sicher auch Guinea erreichen und hat es auch erreicht. Aber wir wollen den so gesicherten Zusammenhang gleich zu einem dichteren Band erweitern, indem wir andere Kulturelemente der Kanarischen Inseln heranziehen. 3. Gravierungen vom Barranco de Balos, Gran Canaria, nach Dr. Hernandez (zur Verdeutlichung schwarz wiederholt); die beiden oberen Abb. sind Schiffsdarstellungen. Die Ausgrabungen der letzten Jahre haben uns auf Gran Canaria typisch städtische Siedlungen bloßgelegt, zum Teil mit hunderten von Feuerstätten. Die Gebäude sind zumeist von jenem Typus, den meine kanarischen Freunde cruciform (kreuzföm1ig) nennen, mit massiven Mauem, die nach außen ein eckenloses Oval darstellen. Häufig ist eine flankierende Mauer im Bogen vorgelegt, nach Art der Opfernischen an megalithischen Tumuli. Das für uns interessanteste Gebäude ist das vom Ausgräber Sebastian Jimenez Sanchez "audiencia" (Gerichtshof) genannte Gebäude, wo ein halbkreisförmiges Amphitheater von Sitzstufen an einen angegliederten Hof anschließt. Ofenbar wagten die 31 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 4. Anlage eines Amphitheaters auf Gran Canaria von Mykenae und Kreta. Dafür gibt es auch auf Gran Canaria wieder Wehrbauten mit Türmen verbunden mit Bestattungen in Steinkisten, ganz so, wie wir sie aus der mykenischen Kultur aus Sardinien kennen (55). Die subterranen Palastund vielleicht auch Kultbauten mit ihrer Mittelhalle mit Impluvium w1d den herurngelegten mehrstöckigen Räumen, entsprechen ebenfalls ganz dem alten Mittelmeer. Die Heiligtümer auf Berggipfeln habe ich bereits erwähnt. Sie sind in den lebendigen Fels geschnitten, haben eine Höhlen-Cella und sphärische Rinnen in den Boden eingeschnitten, für die ich vorläufig in Eurafrika außer - halb der Inseln noch keine Parallelen gefunden habe (56). Eine solche Kuhanlage auf Hierro hat eine richtige gepflasterte Cella und gepflasterte Zugänge w1d ist in räumlichem Zusammenhang mit dicht mit Inschriften bedeckten Felswänden (57). Zun1 Typus der Mittelmeerkultur gehört die Bestattung der Toten im Hause und deshalb lassen sich Wohn- und Grabanlagen nicht immer getrennt behandeln. Nach dem bisherigen archäologischen Befunde ist Brandbestattung 32 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 nirgends auf den Kanarischen Inseln belegt, es könnte aber immerhin sein, daß bei den Ausgrabungen nicht sorgfältig genug darauf geachtet wurde (57a). So wie natürliche und künstliche Höhlen die verbreitetste Form der Wohnstätten sind, so sind sie auch die verbreitetste Form der Bestattung. Wenn man von kanarischen "Mwnien" spricht, so ist das eigentlich eine Falschmeldung weil der Ausdruck Mwnie von rechtswegen nur auf eine durch besondere Methoden konservierte Leiche anwendbar ist. Obwohl in sekundären Quellen und späten Kompilationen solche Methoden künstlicher Präparierung erwähnt werden, so hat doch bisher keine nähere Untersuchung einer kanarischen Trockenleiche das bestätigt (57b). Wahrscheinlich wurde die Austrocknung der Gewebe durch Hitze und Raucheinwirkung beschleunigt, aber Anzeichen für die Anwendung von Drogen oder für die Entnahme des Hirns aus der Schädelkapsel wurden bisher nicht gefunden. Die Leichen wurden auf Holzrosten, über dem Boden erhöht, gelagert. Neben diesen Bestattungen in Höhlen sind Tumuli weit verbreitet. Sie sind als abgestumpfte Kegel, als runde Stufenpyramiden und auch als ganz gewaltige Stufenterrassen in Kreisform belegt. 5. Tumulus, Playa de Mogan, Gran Canaria Die Tumuli enthalten gewöhnlich Steinkisten für die Toten, es kommen aber auch Steinkisten ohne darüber auf gerichteten 'Tumulus vor. Ganz dem megalithisehen Bestattungsbrauch würden die unterirdischen Steinkammern der Ostinseln entsprechen (58), wenn wir sicher belegen könnten, daß sie zu Bestattungen benützt wurden. Jedenfalls sind sie in späterer Zeit als Wohnstätten verwendet worden. Ganz in den Bereich der mykenischen Kultur führen uns dreiteilige, miteinander verbundene Räume mit Überkragungskuppeln, die eine barbarisierte Form der mykenischen Tholosgräber darstellen (59). Neben Trockenmauern zu Wehrzwecken aus verhältnismäßig kleineren Felssteinen, findet sich auch kyklopisches Mauerwerk auf Gran Canaria und 33 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 den Ostinseln. Auf den Ostinseln wurden in diesen kyklopischen Anlagen auch Inschriften der Transitionsschrift gefunden. Irgendwelche Möglichkeiten, diese 6. Steinsetzungen auf Gran Canaria verschiedenen architektonischen Typen als zeitliche Schichten aufzufassen, haben sich bisher nicht ergeben. Tonperlen als Zylinderabschnitte, auch in Gruppen von vier und mehr durch Furchen geteilt, sind sehr häufig und entsprechen den Fayenceperlen des Mittelmeers, obwohl sie nicht glasiert sind. Nach brieflicher Mitteilung haben sich auf den Ostinseln Bruchstücke von Fayence gefunden, es fehlt mir aber eine genaue Beschreibung. Ganz eng an das alte Mittelmeer kommen wir mit den Idolen heran. Aus Lavagestein wurde bisher ein einziges größeres Idol von der Art der ägäischen Inselidole gefunden. Sonst haben wir Tonidole vor uns, die ziemlich eng jenen Kretas und der Ägäis entsprechen. Interessant ist für uns, daß nach den Fundumständen der kanarischen Inseln vorläufig keine Möglichkeit besteht, die verschiedenen Idoltypen in zeitliche Schichten einzuordnen. Für uns ist es außerordentlich wichtig, eine Kultur, oder wenigstens den Nachhall einer Kultur auf den kanarischen Inseln zu finden, die solche weibliche Idole besaß und von der wir zugleich Überlieferung ihrer Religion haben. Davon, daß diese "Idole" Muttergöttinnen darstellen, kann gar keine Rede sein. Die Ansicht C. Schuchardts, daß es sich un1 Ahnenfiguren handle (60), bestätigt sich von unseren Inseln her (60a). 34 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 7. Steinidol, Los Caserones, Gran Canaria Und damit kommen wir zu der Frage, ob sich Guinea und seine barbarischen Hochkulturen fruchtbar erweisen können für die Interpretierung der religiös aufzufassenden archäologischen Tatbestände Kretas, der Ägäis und des ganzen alten Mittelmeers. Die Ahnenverehrung, wie wir sie am besten von den Aschanti überliefert haben ( 61 ), entspricht vollkommen dem, was uns in Kreta entgegentritt. Die Ahnenheiligtümer bilden einen kleinen Teil, einen Einzelraum innerhalb des Palastes. Sie zeigen die Lehmbank für die Kultgegenstände und für die Seelensitze der Ahnen. Jene Rolle, die in Guinea die "Stühle" der verstorbenen Häuptlinge spielen, können wir freilich für Kreta nicht parallelisieren. Vorzüglich aber die Gefäße für die Speisung der Ahnen können wir in Kreta wiederfinden. Es scheint, daß die sogenannten "Libationstische" Kretas nichts anderes als Speisentische sind. Es ist hier nicht der Raum, um die wechselseitige Interpretierung Westafrikas durch Kreta und umgekehrt im einzelnen durchzuführen, das wird im ersten Versuch an anderer Stelle geschehen (62). Jedenfalls heißt es mit größter Vorsicht vorzugehen. Meine eigene Aufgabe sehe ich nicht darin, ein rundes geschlossenes Bild zu entwerfen, sondern vielmehr in einer 35 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Arbeit wie die des Ausgräbers, wo man die einzelnen gefundenen Stücke vom Lehm befreit, zurechtlegt und wartet, ob sich wieder irgendwo ein Scherben findet, der das Bruchstück ergänzen kann. 8. Kopfschmuck (Frisur) eines Idols, Arucas, Gran Canaria (Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Die kanarischen Fachleute indentifizieren dies als Tonfigur mit fehlendem Kopf; die seitlich angesetzten, dekorierten Elemente werden als Teil der Kleidung oder als Fortsetzung einer Frisur angesehen.) Für die Steinsetzungen des Megalithikums und des Mitelmeeres bieten die lnseln zahlreiche Beispiele. Von den Steinkreisen als Versammlungs- und Kultplätze haben wir schon gesprochen. Die Überlieferung aus der Eroberungszeit gibt uns typisch megalithische Zeremonien dazu. Danach wurde vor allem Milch geopfert, auch sonst mußten Schafe und Ziegen bei Zeremonien und, wie die angebrannten Knochen an den Altären zeigen, auch bei Opfern mitwirken. Auch das Schwein spielte im Kult eine Rolle. Wenn wir die Haupttatsachen übersehen, können wir mit Sicherheit annehmen, daß auf den Kanarischen Inseln die Kultur des Megalithikums w1d eine archaische Hochkultur des alten Mittelmeeres in langer Isolierung bis zu Kolumbus' Fahrt nach Amerika weitergelebt hat. Trotz aller Parallelen zu Kreta und der Ägäis kann m. E. nicht die Rede davon sein, daß das minoische Kreta oder die mykenische Ägäis selbst auf die Kanarischen Inseln eingewirkt w1d dort kolonisiert häte. Die Inseln zeigen uns eine Schwester mehr aus der Familie der eng verwandten und doch so individualisierten Inselkulturen des alten Mittelmeeres. Weder eindeutig Kretisches, noch eindeutig Dynastisch-Ägypti- 36 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 sches läßt sich auf den Inseln nachweisen, woher diese Kultur oder diese Kulturschichten auf die Inseln kamen, wissen wir nicht. Aber hier haben wir den einzigen Schlüssel zum Geist des Megalithikurns und zum Geist des alten Mittelmeeres. Wir dürfen freilich nicht vergessen, daß die gesellschaftlichen Einrichtungen, die Religion, die Gebräuche, welche die europäischen Eroberer des Entdeckungszeitalters vorfanden, gar nicht der unmittelbare Ausdruck des Megalithikums oder des alten Mittelmeers zu sein brauchen, weil ja dreieinhalb Jahrtausende dazwischen liegen. Aber wenn wir nun in der Kultur Weißafrikas forschen und sehen, daß die 9. Rundbau, Veneguera, Gran Canaria Religion und das Brauchtum der Berber unter der Islamisierungsschicht so typisch al teuropäisch-megalithisch geblieben sind, daß sie mit dem durch die moderne Volkskunde und durch alte geschriebene und archäologische Quellen belegten Brauchtum und der Religion Halbinseleuropas übereinstimmen, wenn wir in Weißafrika und Europa noch immer die gleichen Kulturschichten belegen können, obwohl dort und da alle möglichen Kulturbrüche und Umwälzungen darüber gegangen sind, dann können wir auch vertrauen, daß diese Inseln noch viel konservativer gewesen sein müssen. Und nicht anders geht es uns mit den barbarischen Hochkulturen Negerafrikas, besonders Guineas. So auf den ersten Anhieb und bevor wir nicht das Material durch weitere Untersuchungen und durch archäologische Entdekkungen ergänzt haben, können wir auch dort Altes und Neues nicht unterscheiden, auch nicht die einzelnen Schichten, denn es gab anscheinend mehrere. Aber, daß die Kulturen ausgesprochen archaisch sind und mit solchen Redensarten wie "jungsudanische Kultur" oder "tertiäre Hirtenkulturen" nicht abgetan werden können, läßt sich ernsthaft nicht mehr bestreiten. Auch die "westafri- 37 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 kanische · Bogenkultur" erweist sich als den Hochkulturelementen ebenso parallel, wie die "melanesische Bogenkultur" auf Neuguinea und in der Südsee. Dieser erste große Wurf von Frobenius war richtig gesehen, aber falsch interpretiert. Welche Arbeit ist noch zu leisten, bevor wir dort und da klar sehen können, bevor wir sicherstellen können, wie sich das Megalithikum ausbreitete und ob es wirklich der Mutterboden oder nur ein uralter Verbündeter der frühesten Hochkulturen war. Bevor wir auch werden sehen können, woher jene erste polytheistische Schicht kam, die zwischen Vorderasien, Nordeuropa und den Guineakulturen so enge Verbindungen herstellt wie etwa im Gewittergott mit Widder oder Bock und dem Donnerkeil und der Verehrung der Steinbeile und Steinhämmer; jene erste polytheistische Schicht, die den Monotheismus der Megalithiker entweder verdrängte oder mit ihm die wunderlichsten Mischungen einging. Daß es sich dabei um eine vorindogermanische Welt handelt, erweist sich daraus, daß die Parallelen stark und tief und meist viel klarer in Räume und Völker hineingehen, die sicher vorindogermaniseh waren und sicher niemals von indogermanischem Einfluß erreicht wurden. Und daran ändert auch nichts, daß indogermanisch gewordene Räume und Völker Gemeinsamkeiten zeigen, die man bisher immer auf ihr gemeinsames indogermanisches Erbe zurückgeführt hat. Niemand kann jetzt mehr bestreiten, daß Indien schon Indien war, bevor die Indogermanen dorthin kamen, man wird auch nicht mehr lange bestreiten können, daß Alteuropa schon Alteuropa war, bevor die Indogem1ancn von Osten nach Halbinseleuropa hereinkamen. Was indogermanisch ist und was nichtindogermanisch ist, kann man vom Studium der historischen Indogermanenvölker her allein nicht herausarbeiten, denn diese sind ja nicht bloß indogermanisch, sondern das Produkt der Ineinanderlagerung von Vorindogermanisch und Indogermanisch. Was Negerafrikanisch ist und was Archaisch-Hochkulturlich ist, das läßt sich von Afrika allein aus nicht feststellen. wir müssen den "Punkt außerhalb" finden, wo uns die eine der Mischungskomponenten allein oder in anderer Mischung entgegentritt. Da wir den außerordentlichen Glücksfall haben, daß Weißafrika, vor allem die Kanarischen Inseln, und die negerafrikanischen Hochkulturen vor allem im Guineaknie, uns als Rückzugsgebiete Epochen der allgemeinen und vor allem der alteuropäischen Kulturgeschichte einigermaßen intakt bewahrt haben, die in den Ursprungsgebieten verschollen und verschüttet sind, wollen wir die damit gebotenen Möglichkeiten ausnützen. Wie schwer, ja hoffuungslos es ist, dürre archäologische Tatsachen nur aus sich selbst interpretieren zu wollen, zeigt immer wieder Nilsson bei seinem Versuch die Kretisch-Mykenische Religion zu rekonstruieren (63). Wenn Hugo Schuchardt sagte, daß der simplifizistische Geist der 38 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 unwissenschaftliche Geist ist, so gilt das für alle Kulturwissenschaften. Kulturgeschichte kann und muß Kultunnorphologie sein. Kultunnorphologie muß immer auf genau erschlosener Kulturgeschichte beruhen. Anmerkungen: (1) Frobenius, Leo: Und Afrika sprach. I. Bd. Auf den Trümmern des klassischen Atlantis. Berlin-Ch. 1912, 288 f. (2) Im Kritias und im Timaeus. (3) Wölfet, Dominik Josef: Die Hauptprobleme Weißafrikas. Archiv für Anthropologie, N. F. XVII, 1941, 89-140. (4) Baumann, Hermann: Völker und Kulturen Afrikas. In: Völkerkunde von Afrika. Essen 1940, 40 f. (5) Schmidt, Wilhelm und Koppers, Wilhelm: Völker und Kulturen. I. Gesellschaft und Wirtschaft der Völker, Regensburg 1913-1924, 342,592,599 f. (6) Frobenius, Leo: a.a.O. II. Bd. An der Schwelle des verehrungswürdigen Byzanz; 333-364. (7) Nadel, Siegfried N.: A black Byzantium. Int. Inst. of Afric. Lang. & Cult., London, New York, Toronto, l. Aufl. 1942, 2. Aufl.1946. (8) Gautier, E. F.: Le passe de l'Afrique du Nord. Les siecles obscurs. Paris 1937, 210 f. (9) Barth, Dr. Heinrich: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Zentral-Afrika. Gotha 1857-1858. (10) Rohlfs, Gerhard: Land und Volk in Afrika. Berichte aus den Jahren 1865- 1870. (II) Hefe), Annemarie: Der afrikanische Gelbguß und seine Beziehungen zu den Mittelmeerländern. Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik V. 1943. (12) Gautier, a.a.O., 143f. Ibn Khaldun: Histoire des Berberes. Traduction de Slane. Alger 1852-56. Masqueray: Traditions de l 'Aouras Oriental. In: Bulletin Correspondance Africaine IV 1885, 72 f. (13) Johannes Lukas hat eine Tschado-Hamitische Sprachgruppe aufgestellt, Westermann spricht mit Recht von einer Hausa-Kotoko-Gruppe, ich selber möchte die Sprache als Hausa-Dialekte zusammenfassen, weil der Unterschied von einer zur anderen nicht größer ist als der der Berber-Mundarten untereinander, wobei freilich verschiedene sudanische Mischungskomponenten festzustellen sind. Das Hausa selbst ist in seinem nichtsudanischen Teil ganz eng mit dem Berberischen verwandt. (14) Schmidt,M arianne: Die Grundlagen der Nilotenkultur. Mit. Anthrop. Ges. 39 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Wien LXV, 1935. Vgl. Jensen, Im Lande des Gada, 581 f. (15) Rütimeyer, L.: Über altägyptische Relikte im heutigen Ägypten und Nubien sowie im übrigen Afrika. Verh. Naturforsch. Ges. Basel XL, 1928-29, 459 f. (16) Schebesta, Paul: Die Simbabwe-Kultur in Afrika. Anthropos XXI, 1926, 484. Jensen, Adolf E.: Simbabwe und die Megalithkultur. Paideuma I, 1939, 100- 119. Jensen AdolfE.: Im Lande des Gada. Wanderungen zwischen Volkstrümmern Südabessiniens. Stuttgart 1936. (17) Frobenius a.a.O. I, 318-346 und Jensen; Simbabwe. (18) Dart, R. A.: The Discovery of a Stone Age Manganese Mine at Chowa, N. Rhodesia. Trans. R. Soc. of S. Africa XXII, 1934, 55-70. Idem: The Bronze Age in South Africa. Nature 1929, 495 ff. Cipriani, L.: Le antiche rovine e miniere della Rhodesia. Firenze 1932. (19) Rattray, R.S.: Ashanti. Oxford 1923, 105f, 133f, 294ff. (20) Vortrag von F.W. König in der Wiener Anthropol. Gesellschaft. (21) So vor allem in Dahomey, siehe: Le Herisse, A.: L'Ancien Royaume du Dahomey. Moeurs, Religion, Histoire. Paris 1911. (22) Le Herisse, a.a.0., 209 f, 178 ff. (23) Rattray, a.a.O., 77 f. (24) Johnston, H.: The Uganda Protectorate. London 1902. Schebesta, a.a.0. (25) Skene, W. F.: Chronicles of the Picts, Chronicles of the Scots, and other early Memorials of Scotch History. Edinburgh 1867. (26) In seinem Buch "Mutterrecht oder Weibmächtigkeit" suchte Philipp mit aller Gewalt das Mutterrecht bei den Inselkelten hinweg zu interpretieren, hat aber das Belegmaterial dafür sehr gut zusammengetragen. (27) Windisch, E.: Die altirische Heldensage. Leipzig 1905. (28) Homer, Odyssee XXI, XXII. (29) Rattray, a.a.O., 133 f., (30) Basden, G.T.: Niger Ibos, London, 130 f. (31) Rattray, a.a.O. (32) Jefreys, M. D. W.: Dual Organization in Africa. African Studies V, 1946, 82-105, 157-176. (33) Caton-Thompson, G.: The Zimbabwe-Culture. Oxford 1931. Catalogue of the Loan Exhibition of Antiquities from Zimbabwe. April 7th to rniddle of May 1930, London. Frobenius, a.a.O. I. 40 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 (34) Frobenius, a.a.0. I, 328 Tafel. (35) Rattray, a.a.O. Fig. 52. (36) Rattray, 114 f. (37) Frobenius, a.a.0. I, 206-229. (38) Basden, a.a.O., 75 (72). Man vergleiche das mit Westafrika gleiche "Sündenbock-Menschenopfer" bei den Griechen, Hipponax, bei Tzetzes Chil, 726 f. (39) Wölfel, Dominik Josef: Die Religionen des vorindogennanischen Europa. In: Christus und die Weltreligionen. Herausgegeben von Doz. Dr. Franz König. Wien, Herder & Co. 1950. Man vergleiche auch: Wölfet, D. J.: Die Gottesnamen der Kanarier und der Berber. Festschrift Wilhelm Havers. Wien 1949. ( 40) Übersichten über die wichtigsten Quellen und Textkritik in: Leonardo Toriani: Die Kanarischen Inseln und ihre Urbewohner. Eine unbekannte Bilderhandschrift von 1590. Im italienischen Urtext und in deutscher Übersetzung sowie mit völkerkundlichen, historisch-geographischen, sprachlichen und archäologischen Beiträgen herausgegeben von Dr. Dominik Josef W ölfel. Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und Völkerkunde Bd. 6, K.F. Koehler Verlag, Leipzig 1940*. Wölfet, Dominik Josef: Die Kanarischen Sprachdenkmäler und die Sprache der Megalithkultur. Eine Studie zur Vor- und Frühgeschichte Weißafrikas. I. Teil: Kritik der Quellen und der Kompilatoren, sowie der bisherigen Bearbeiter des Kanarischen. - Das Werk wurde im Satz in Leipzig ausgebombt und soll nun beim Akademie-Verlag, Berlin, gemeinsam mit Köhler & Amelang, Leipzig, erscheinen**. (*/** Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Die Torriani-Ausgabe erschien als Nachdruck auch in Hallein 1979; die Monumenta Linguae Canariae erschienen schließlich posthum bei der ADEVA, Graz 1965.) (41) Herruindez, Dr. Pedro: Inscripciones y grabados rupestres del Barranco de Balos, Gran Canaria. EI Museo Canario VI, 1945, 3-14. Rio Ayala, Juan del: Arqueologia prehist6rica canaria. Ibidem III, 1935, 33 f. Hernandez, Pedro: Pintaderas. lbidem V, 1944, 15 f. Jimenez Sanchez, Sebastian: Nuevos idolos de los Canarios prehispanicos. Ibidem VI, 1945, 25 f. Idem: Relaci6n de los mas importantes yacimientos arqueol6gicos de los Guanches-Canarios prehispanicos de las Islas de Gran Canaria y Fuerteventura. Las Palmas de Gran Canaria 1946. Idem: Excavaciones arqueol6gicas en Gran Canaria, del plan nacional de 1942, 1943, 1944. Comisaria General de Excavaciones Arqueol6gicas, Madrid 1947. 4 1 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Idem: Ceramica neolitica de las Islas de Fuerteventura y Lanzarote. - Ceramica neolitica de la Isla de Gran Canaria. Publicaciones de EI Museo Canario 1946, 1948 (42) Wölfe!, D.J.: Kanarische Sprachdenkmäler, vgl. Anm. 40. (43) Wölfe! in Leonardo Torriani, Anhang III, 304 f, vgl. Anm. 40. ( 44) George Marcy starb März 1946. De mortuis nil nisi bene. Er hat wiederholt behauptet, daß er die Inschriften der Kanaren vollkommen lesen könne und daß sie in einem Tuareg-Dialekt geschrieben seien. Beweise ist er schuldig geblieben. Seine Methode bei der Erklärung kanarischer Texte mit erfundenen berberischen Worten läßt befürchten, daß seine Lesungen von derselben Art sind. (45) Basset, A.: La langue herbere. Chabot in Journal Asiatique 1918, 262 f.; ibid. 1921. Beguinot in L'Africa Italiana 1927. Zyhlarz, E.: Die Sprache Numidiens. Zeitschr. f. Eingeborenensprachen XXII, 1932. (46) Vergl. Wölfel, Torriani, 91 f, 107 f, und Wölfel, Gottesnamen (Anmerkung 39). ( 46a) Diese Ausführungen sind jetzt überholt, da nach brieflicher Mitteilung von Professor Martinez Santa Olalla 1949 auf der Insel La Palma "altmittelmeerische Bronzen" gefunden wurden.*** (*** Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Diese Nachricht wurde später widerrufen; es handelte sich nur um eine Fehlinformation; Wölfels Hinweis auf das Fehlen von Metallfunden stimmt nach wie vor.) (47) Wölfel, Hauptprobleme abgebildet. ( 48) Vgl. die in Anmerkung 41 angeführten Arbeiten. ( 49) Brief von Professor Martinez Santa Olalla an mich vom 14. VI. 1947 " ... hace un par de meses tuvimos aqui a mi amigo el Prof. Childe ... y a visitar mi Seminario de Historia Primitiva del Hombre, donde le mostramos algunas ceramicas decoradas iguales a las norte-europeas, sobre todo procedentes de sepulcros megaliticos, y que por tales las tom6 el, y las roma todo el mundo que las ve, pero ... que no son norte-europeas sino africanas, pues proceden de Canarias." (50) Abercromby, John: Tue prehistoric pottery of the Canary Islands and its makers. J. R. Anthrop. Inst. XLIV, 1914, 302. (51) Wölfe!, Torriani, Anhang III; Maatz, Kretische Siegel. (52) Wölfe!, Torriani, Anhang IH. (53) Ich möchte darauf hinweisen, daß unzweifelhafte Tuareginschriften schon genug Leseschwierigkeiten ergeben. 42 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 (54) Winkler, Hans Alexander: Völker und Völkerbewegungen im vorgeschichtlichen Oberägypten im Lichte neuer Felsbilderfunde. Stuttgart 1937. (55) Abbildung in Wölfet, Hauptprobleme. (56) Wölfet, Torriani, Abb. Tafel Xlla. Die von Evans als Badebecken angesprochenen vertieften Räume des Palastes von Knossos haben ebenfalls Rinnen und Kanälchen. Dafür entsprechen die Höhlenheiligtümer Syrien-Palästinas fast vollkommen. (57) Abbildung in Wölfet, Hauptprobleme. ( 57a) Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Feuerbestattung wurde zwischenzeitlich nachgewiesen, wobei im Einzelfall noch nicht geklärt ist, ob der Feuerritus vor oder nach der Skelettisierung statfand. (57b) Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Zum aktuellen Stand der kanarischen Mumienforschung siehe die Akten des "I Congreso Intemacional de Estudios sobre Momias", Pto. de la Cruz 1992 (58) Abbildung Wölfet, Torriani, Tafel XIVa. (59) Abbildung Wölfet, Hauptprobleme. ( 60) Schuchardt, Carl: Alteuropa, die Entwicklung seiner Kulturen und Völker. 4. Aufl. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1941, S. l lO. (60a) Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Die nach 1950 erfolgten Funde von Figurinen lassen jedoch zum Teil von Muttergöttinnen sprechen. (61) Rattray, a.a.O., 92-113. (62) Wölfel, Die Religionen des vorindogermanischen Europa; vgl. Anm. 39. (63) Nilsson, Martin P.: Geschichte der griechischen Religion. I. Bd. München 1941. Derselbe: The Minoan-Mycenaean Religion and its Survival in Greek Religion. Lund 1927. 43 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017
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Calificación | |
Colección | Almogaren |
Título y subtítulo | Die Kanarischen Inseln, die westafrikanischen Hochkulturen und das alte Mittelmeer |
Autor principal | Wölfel, Dominik Josef |
Entidad | Institutum Canarium |
Publicación fuente | Almogaren |
Numeración | Número 24-25 |
Tipo de documento | Artículo |
Lugar de publicación | Hallein |
Editorial | Institutum Canarium |
Fecha | 1993 |
Páginas | pp. 017-043 |
Materias | Prehistoria ; Islas Canarias ; África Occidental ; Mediterráneo |
Copyright | http://biblioteca.ulpgc.es/avisomdc |
Formato digital | |
Tamaño de archivo | 2528111 Bytes |
Texto | Almogaren XXIV-XXV/ 1993-1994 Hallein 1994 17 - 43 Dominik Josef Wölfet Die Kanarischen Inseln, die westafrikanischen Hochkulturen und das alte Mittelmeer1 Als Leo Frobenius 1910 bis 1912 auf die Probleme der barbarischen Hochkulturen Westafrikas stieß, erkannte er mit seinem sicheren Gefühl, daß hier alte Zusammenhänge mit dem Mittelmeer gegeben waren (1). Wenn er dabei an das alte Märchen von Atlantis anknüpfte, so war das naheliegend, aber die vollkommen mythischen kurzen Auslassungen Platos (2), von denen wir nicht einmal wissen, ob Plato selbst sie ernst genommen hat, sind eine sehr dünne Grundlage für das Riesengebäude, das Phantastik und Dilettantismus darüber gebaut haben. Frobenius empfand das auch selbst und er suchte eine konkrete Anknüpfung, die er in dem alten Seefahrervolk der Etrusker fand. Die einzige Gemeinsamkeit freilich, die sich zwischen Westafrika und dem etruskischen Italien aufzeigen ließ, war das Impluvium der Yoruba-Bauten und das römisch-etruskische Atrium und das ist reichlich wenig. Evans (Palace of Cnossos) schwankte bei der Rekonstruktion gewisser Palasträume von Knossos wiederholt, ob er die vertieften Räume für Impluvia oder für Bäder halten solle. Außerdem ist die Kultur der Etrusker selbst kein Komplex, der sich eindeutig charakterisieren läßt. Sie zerfällt in zwei Schichten: eine altitalische, die sich auch bei anderen Völkern Italiens und schon vor dem Auftreten der Etrusker findet und deren Elemente, auch wenn sie auf westafrikanischem Boden auftreten würden, sich niemals mit Sicherheit auf die Etrusker zurückführen ließen, und eine am besten als archaisch-griechische Schicht zu bezeichnende, welche die Etrusker aus ihrer ägäischen Heimat mitbrachten und nach der wir ungefähr die Zeit der Einwanderung der Etrusker in ihre neue italische Heimat datieren können. Diese Schichtung zeigt sich auch in ihrer geistigen Kultur, in deren unitalischem Teil sie zur ersten Vermittlerin griechisch-vorderasiatischer Geisteswelt an die alteuropäischen Völker Italiens wurde. So sind die Elemente etruskischer Kultur fast niemals so eindeutig, daß man mit ihnen Einflüsse der Etrusker nachweisen könnte, auch wenn sie sich in Westafrika finden würden. Als relativ späte Eindringlinge in das Westbecken des Mittelmeeres, hat- 1Amnerkung der Almogaren-Redaktion: Der Beitrag erschien zuerst in Paideuma Bd. 4, Bamberg 1950, 231-253 17 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 ten sich die Etrusker mit den alten Seevölkern dieses Gebietes auseinamlerzusetzen und bevor sie diese Aufgabe erfolgreich abschließen konnten, wurden sie schon von Phönikern und Griechen auf dem Meere zurückgedrängt. Ihnen ist also eine Seefahrt bis nach Westafrika gar nicht zuzutrauen. Trotz aller Phantasien über die Kolonisationsfahrt des Karthagers Hanno, ist auch den Phönikern und ihren Erben eine Kolonisation irgendwie wesentlich über das Susgebiet Marokkos hinaus nicht zuzutrauen. Daß die Archäologie der Kanarischen Inseln nicht den geringsten Anhaltspunkt für phönikisch-karthagische Einflüsse zeigt, ist wohl Gegenbeweis genug gegen eine solche Kolonisation über das Cap Nun hinaus. Es dürften solche Erwägungen gewesen sein, die Frobenius veranlaßten, den Gedanken an Einflüsse auf dem Seeweg aus dem Mittelmeer nach Westafrika aufzugeben und breite Landverbindungen über den afrikanischen Kontinent hinweg als Brücke für die Kultureinflüsse anzunehmen. Dabei hat der Altmeister der Afrikanistik die paläogeographische und paläoklirnatische Situation zu wenig berücksichtigt. Wenn afrikanische Fatma und Flora an dem Regenwald eine Verbreitungsgrenze fand, wenn wir sehen, wie die Restvölker, die Restsprachen, an seinen Rand gedrückt sind und die Bantusprachen, statt sich quer durch ihn zu verbreiten, einen ungeheueren Bogen machen, um erst von Süden her sich an der Westküste hinaufzuschieben, dann erkennen wir im Regenwald eine alte Barriere auch für Völker- und Kulturverbreitungen. Ich habe in meinen "Hauptproblemen Weißafrikas" (3) klargestellt, daß die Parklandschaft anthropogen ist und einen vorhergehenden Hochwald voraussetzt. Daß Weißafrika bis tief in die Antike hinein noch immer fruchtbarer und bevölkerter war als heute, daß jedenfalls im Neolithikum und in der Bronzezeit dieses Gebiet als Hinterland des Mittelmeerraumes gelten konnte, ändert an dieser Tatsache nichts, denn eine von Rinderhirten und Ackerbauern besiedelte Sahara war sicher schwerer zu durchdringen als im heutigen Zustand mit den wenigen Bevölkerungszentren und den Riesensprüngen des Verkehrs von Oase zu Oase. So müssen wir in den großen schifbaren Strömen die einzigen Straßen durch den Regenwald an die Guineaküste sehen. Mit den nichtssagenden Etiketten "Jungsudanische Kulturen" oder "Tertiärkulturen des Sudan" (5) kommen wir der Frage nach dem Wesen der Großstaatbildungen und Hochkulturzüge im mittleren und westlichen Sudan nicht näher. Die Aufgabe, das Vorislamische daran herauszuarbeiten, ist außerordentlich schwierig und setzt eine sehr genaue Kenntnis der islamischen Kulturgeschichte voraus. Auch hier haben wir wieder eine mehrfach geschichtete Kultur vor uns. "Arabisch" ist an der islamischen Kultur das wenigste, im Wesen beruht sie auf einer Mischung von Hellenistisch-Vorderasiatischem mit 18 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Neupersisch-Vorderasiatischem und somit gibt es viele Kulturelemente, die ebensogut aus den alten Quellen wie aus der islamischen Mischung stammen können. Nun hat Leo Frobenius versucht, an Byzanz anzuknüpfen (6), und Siegfried Nadel (7) folgt ihm darin. Ich kann mich dieser Deutung der sudanischen Kulturen nicht anschließen, weil Byzanz eine solche Rolle gar nicht spielen konnte. Im Kolonisationsgebiet der Römer am Südufer des Mittelmeeres sehen wir deutlich, wie das vom byzantinischen Limes gedeckte Gebiet gegenüber dem römischen Limes um die Hälfte eingeschrumpft ist (8). In Ägypten verteidigt das Reich mühsam das südliche Oberägypten gegen Blemmyes und Nobatoi und hat kaum Möglichkeit darüber hinauszugreifen. Die christliche Mission könnte Trägerin byzantinischer Kultureinflüsse sein, wie das nubische Königreich und das Reich von Aksum-Äthiopien beweisen, aber da müßte erst erwiesen werden, daß zu jener vorislamischen Zeit wirklich solche Einflüsse vom mittleren und oberen Nil nach Westen gingen. Jedenfalls zeigt die islamische Missionsgeschichte und zeigen die arabischen Geographen und noch die Verhältnisse zu Barths (9) und Rohlfs (10) Zeit, daß man von Wadai und sogar von Darfur aus Handel und Beziehungen nach Fezzan und Tripolis, aber nicht nach Sennaar und Khartum hatte. Die libysche Wüste - sicherlich der am frühesten gänzlich verödete Teil der Sahara - und die Sumpfgebiete des oberen Nil - diese in älterer Zeit noch mehr als heute - müssen eine fast unübersteigliche Schranke gebildet haben. Wirklich tiefgehende Einflüsse von Byzanz scheinen mir also außerordentlich unwahrscheinlich. Ganz verfehlt ist es, wenn immer wieder von koptischen Einflüssen auf den Gelbguß der Guineagebiete gesprochen wird (11 ). Wenn man auf islamische Geschichtsklittereien von einem fernen Großherrn etwas geben will, dann vergleiche man einmal, wie schrecklich wenig die islamische Überlieferung der Atlasgebiete von der vorislamischen Zeit dort weiß und wie ganz entstellt auch dieses Wenige noch ist (12). Das Aussichtsvollste bei der Erforschung und Analyse der sudanischen Hochkulturen scheint mir noch in einer genauen Untersuchung der heidnischen Restvölker zu liegen, weil an den Rändern der Hochkulturzentren sich immer ältere Schichten erhalten, die in ihrem Ursprungs- oder Hauptgebiet längst von jüngeren Schichten weggeschwemmt oder unerkennbar überlagert sind. Ganz besonders wichtig wäre die Erforschung der Kultur der heidnischen Stämme mit Dialekten der Hausasprache im Tschadseegebiet (13). Soviel wir aus den leider WlZulänglichen Arbeiten über ihre Sprachen sehen, haben sie keinen geringeren Anteil an dem mit dem Berberischen gemeinsamen Wort- und Formenschatz als das Hausa der Mohammedaner. Wenn sie auch durch Jahrhunderte von Sklavenkriegen degeneriert sind, wird sich doch noch genug fin- 19 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 den, das uns in die vorislamische Zeit führen kann. Während alle Kulturerscheinungen des Sudans nur im Zusammenhang mit den Kulturen des gesamten Weißafrika behandelt werden können, haben die barbarischen Hochkulturen Negerafrikas einen inselartigen Charakter und zerfallen deutlich in Gruppen. Im Anschluß an Altägypten und sein Kolonisationsgebiet Meroe-Napata finden wir später das Reich der Nubier, das Reich der Fundz und schließlich das Reich der Silluk, wo sich bei allen dreien zeigt, daß die Herrenschichten sekundäre Eroberer sind und daß die Staatsidee und - Organisation sowie die Hochkulturelemente vor diesen Herrenschichten bestanden und von ihnen bloß übernommen wurden (14). Unmittelbar und deutlich als altägyptisch anzusprechende Kulturelemente sind kaum nachzuweisen; so wie bei Äthiopien ist die Grundstruktur entweder deutlich auf das christliche Vorderasien oder aber auf im Verhältnis zu Ägypten ältere, archaischere Schichten zurückzuführen. Am aussichtsreichsten ist ein Vergleich mit Altägypten noch bei den Hochkulturelementen im Mangbetureich und bei den Azande (15). Auch die nichtsemitischen Völker mit Hochkulturzügen im Osthorn Afrikas zeigen eher Beziehungen zu Vorderasien als zu Altägypten. Ägyptische Einflüsse sind ja nur dann sicher nachzuweisen, wenn es sich um Kulturelemente typisch ägyptischer Prägung handelt, nicht aber um solche Züge, die gemeinsames Gut Ägyptens mit allen oder mehreren alten Hochkulturen sind. Solche Elemente in Afrika außerhalb des ägyptischen Kolonisationsgebietes nachzuweisen, ist bisher nicht gelungen. Die Gruppe barbarischer Großstaaten und Hochkulturen im Zwischenseengebiet und ihre Beziehungen nach Monomatapa-Simbabwe sind mehrfach behandelt worden und hier sind zwei ausgezeichnete Arbeiten vorhanden, die sowohl die Zusammenhänge wie die komplizierte Schichtung zeigen (18). Leo Frobenius und Adolf Jensen haben auf die Zusammenhänge zwischen diesen Staatsbildungen und dem vorgeschichtlichen Bergbau energisch hingewiesen. Die Ausgrabungen haben ein verhältnismäßig sehr ärmliches Ergebnis geliefert, was nicht Wunder nehmen kann bei dem jahrhundertelangen Schatzgraben späterer Negerschichten in diesen Ruinen und Gräbern. Dieses Schatzgraben schildert Frobenius für das Yorubagebiet (17). Aber eine Gelegenheit zu aussichtsreichen Grabungen wurde bisher vernachlässigt: in den Abraumhalden des alten Bergbaubetriebes müssen sich Zeugnisse für Art und Kultur der alten Minenherren und ihrer Arbeiter finden lassen (18). Wesentlich für diese negerafrikanischen Hochkulturen im Osten sind die mutterrechtlichen Züge in der Königsfamilie mit der Rolle der SchwesterKönigsgattin und der Königsmutter, trotz der durchgehenden vaterrcchtlichen Haltung der aktuellen Herrenschichten (19). Die billige Hinwegerklärung des 20 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Problems durch den Hinweis auf "hamitische" (im Zwischenseengebiet in Wirklichkeit nilotische) Hirtenstämme als Staats- und Kulturträger und vage Redensarten über vorderasiatische Einflüsse können kaum als Lösung gelten. Die Verfolgung und der Vergleich konkreter Einzelzüge wie bei Schebesta und Jensen kann da allein weiterführen. Wenn wir uns jetzt dem Westen zuwenden, so läßt sich ein Zusammenhang des Lundareiches mit Monomatapa und dem Zwischenseengebiet schon aus den inneren Verwandtschaftsverhältnissen der Bantusprachen und einzelnen Kulturelemente, deren Weg sicher der Umgebungsbogen um den Urwald war, wahrscheinlich machen. Ein erfolgreicher Vergleich der mutterrechtlichen Struktur des Lundareiches mit ganz ähnlichen Erscheinungen im alten Elam wurde schon von F.W. König (20) durchgeführt. Damit ist natürlich noch nicht der Ursprung dieser Erscheinungen aus Mesopotamien nachgewiesen, weil wir sie genau so oder ähnlich in Westafrika, im alten Mittelmeerraum und in Westeuropa finden und, wie wir sehen werden, ganz andere Verbreitungswege möglich sind. An Lunda schließen sich die Staatsbildungen am unteren Kongo und seinen Nebenflüssen an. Eines ergibt sich deutlich: Große künstlerische Holzplastik kommt nicht vom Totemismus her, sondern findet sich nur im Verbreitungsgebiet negerafrikanischer Hochkulturen. Dies freilich hat eine Einschränkung, denn im Zwischenseengebiet haben die Großstaaten keine künstlerische Plastik und dafür, daß sie einst mit Monomatapa verbunden war, fehlen uns, trotz der Geierstelen, die Anhaltspunkte. Im Kongogebiet haben wir im Flechtband, in den Schminkschachteln usw., im Stil der Plastik, schon die Zusammenhänge mit den barbarischen Hochkulturen des Guineabogens. Bevor wir uns diesen zuwenden, müssen wir noch die Frage erörtern, inwieweit die Plastik, das Großstaatwesen und andere Elemente von Bali-Fumban in Kamerun mit der Kongo- und der Guinea-Gruppe der barbarischen Hochkulturen zusammenhängen. Die Plastik dieses Gebietes hat unzweifelhafte Beziehungen in Stil und Motiven sowohl zu Benin als auch zu Urua. Bei den Tikarvölkern sind ja auch die Wollkappen mit den angestrickten Hülsen für Holzzäpfchen zu finden, wie sie an den Terrakottaköpfen aus Y oruba, die Frobenius ausgrub, dargestellt sind. Urua bildet als Kunstprovinz ein Problem für sich. Solange man die hohe Schnitzkunst als "primitiv" oder gar als Ausdruck der "totemistischen Kultur" ansieht, wird man in der Behandlung dieser Fragen nicht weiter kommen. Im Gelbguß zeigt Bali-Fumban sowohl enge Gemeinschaften mit Yoruba und Aschanti, wie auch Sonderzüge, z.B. die kuriosen Mischwesen von Mensch und Tier oder von verschiedenen Tieren. In der Guineabucht treten uns barbarische Hochkulturen in großer Häufig- 21 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 keit und mit teilweise offenkundigem territorialem, kulturellem und oft sogar politischem Zusammenhang entgegen. Auch hier ist die Überlieferung sehr getrübt, aber doch nicht so sehr, wie bei den anderen Hochkulturgruppen. Daß die heutigen Herrenschichten dieses Gebietes nicht die Träger der barbarischen Hochkulturen, sondern deren Erben aus vierter oder zehnter Hand sind, scheint mir ofenkundig. Die meisten dieser Herrenschichten leiten sich selbst von aus dem Norden kommenden Eroberern ab (21), die unverkennbare Kulturverwandtschaft der Einzelgebiete leitet aber nicht nach dem Norden, sondern nur von einem Gebiet des Guineabogens zum andern. Gesellschaftlich finden wir die verschiedensten Auseinandersetzungen zwischen Vaterrecht und Mutterrecht, wobei aber das Mutterrecht gerade bei der Herrscherfamilie und im Erbgang der Herrscherfamilie aufscheint, auch dort wo, wie in Dahomey, das Vaterrecht sonst fast gänzlich zum Durchbruch gekommen ist (22). Das zeigt sich besonders in der Stellung der Königinnen-Mütter, die unverkennbar hinter und über dem die Königsfunktion ausübenden Mann stehen. Die für Aschanti bezeugte Erbfolge nach Generationen nach Mutterrecht gehört ebenfalls dazu (23). Im Osten haben wir eine Parallele in der Stellung der Königin-Hauptfrau und Königinwitwe (24). Hier müssen wir vorgreifen und auf die Thronfolgefragen in den archaischen Hochkulturen Eurafrikas verweisen. Auf den Kanarischen Inseln erkennen wir deutlich, daß das Herrscherrecht an einer weiblichen Person hängt und der Gatte dieser Person Ausüber der Herrscherfunktion ist. Daraus erklärt sich die Erbfolge der piktischen Könige (25), die Verstoßung und Thronentsetzung eines britischen Königs durch die Gattin (26), das Bettgespräch der Königin Medb bei den Iren (27) und - nur daraus allein - die Situation der Penelope zwischen den Freiern, trotz des Vorhandenseins eines Thronerben nach Vaterrecht, der als glatte Null aufscheint (28). Aber nicht nur Mutterrecht und Vaterrecht treten in den Hochkulturen Guineas in verschiedenen Mischungen auf, sondern auch magisches Königtum und - ja wir müssen wieder vorgreifen - megalithisches Primus-inter-ParesKönigtum, schon wieder seinerseits in der Entwicklung zum despotischen Eroberer- Königtum (29). überall ist die Stadt politische und soziale Einheit, die Staatsorganisation aber geht von Demokratie-Oligarchie bei den Ibo (30), über Untertanen-Sklaventum in Benin und Dahomey bis zum demokratischen Königtum der Aschanti (31). Außerdem haben wir durchgehend die Zweiteilung der Gesellschaft in feindliche und doch zur Einheit verbundene Gruppen (32), die uns schon ganz in den Mittelmeerraum hinüberführt. Der Frage nach den Zusammenhängen und Ursprüngen geht aber die Frage nach dem archäologischen und ergo logischen Befund voraus. Wenn wir von den Grabungen in den Simbabwe-Ruinen absehen, so hat einzig und allein Leo 22 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Frobcnius nach negerafrikanischer Archäologie gegraben (33). Wirklich systematische Grabungen stehen noch aus und sie sind dringend notwendig, das beweisen allein schon jene Funde im Yoruba-Gebiet, die in so absolutem Gegensatz zu der rezenten Unfähigkeit der Neger in der plastischen Behandlung des Steines stehen. Die Henkelstühle aus Quarz fallen aus dem technischen Vermögen der Neger ganz heraus (34). Die Monolithen der Y oruba sind nicht der einzige megalithische Zug, ebenso megalithisch sind ja die Gabelbäume mit der Opferschale für das Höchste Wesen (den Himmelsgott) (35). Der Zusammenhang des Orakelwesens mit Vorderasien ist ja wiederholt untersucht und behauptet worden. Nichts wäre freilich verfehlter, als den Komplex von Kulturelementen, wie er sich als mehr oder minder gemeinsames Gut der barbarischen Hochkulturen von Guinea darbietet, für eine einheitliche Schicht zu halten und auf einen einheitlichen Ursprung zurückzuführen. Sie sind allem Anschein nach in verschiedenen Weilen hereingekommen und haben sich in verschiedener W eise gemischt. Um diese Vorgänge zu klären, wären gründliche vergleichende Studien der barbarischen Hochkulturen Guineas vor allem notwendig, demnächst dann die archäologischen Grabungen. Was sich dabei schon als Schichtung ergeben wird, ist noch lange nichts Endgültiges. Erst die Verfolgung der Zusammenhänge der einzelnen Kulturelemente außerhalb Negerafrikas kann zur Objektivierung der Schichten und zur Klärung ihrer Aufeinanderfolge rühren. Aber einige Tatsachen lassen sich jetzt schon feststellen. Und wenn sie bisher nicht gesehen wurden, so lag das daran, daß man bei Vergleichen afrikanischen Kulturgutes mit außerafrikanischem das Mittelmeer und Westeuropa bisher immer geflissentlich übersehen hat. Ich glaube der erste gewesen zu sein, der die Parallelen zum afrikanischen Guß in verlorener Form im alten Mittelmeer, besonders Sardinien erkannte. Von ganz erstaunlicher Tragweite ist es, daß die bronzezeitliche und noch ältere nordische "Schnurkeramik" sich bei einer Konfrontierung als Umsetzung von Form und technischen Einzelheiten negerafrikanischer Spiralwulstkörbe in Ton erweist. In der gleichen Richtung liegt das Auftreten des Flechtbandmäanders der Kasai-Völker und Guineas in der nordischen Bronzezeit und die Formübereinstimmung der hölzernen Schminkschachteln vom Kongogebiet und der Metallschachteln Benins mit Metallschachteln wieder in der nordischen Bronzezeit. Bevor wir hier nach dem Ausgangspunkt fragen, müssen wir als wichtiges Charakteristikum der barbarischen Hochkulturen Guineas die Religion ins Auge fassen. Als Negerafrika völlig fremd ist der Polytheismus schon längst erkannt worden und wieder war es Leo Frobenius, der ausdrücklich darauf hinwies. Hier heißt es aber nun zwei Arbeitshypothesen und von ihnen vorausgesetzte 23 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 methodische Grundsätze in diese vorläufige grundsätzliche Auseinandersetzung einführen. Wenn wir den Ursprung der Hochkulturen klären wollen, dann können unsere Vergleiche und Untersuchungen nur von den archaischen, den altertümlichsten und verhältnismäßig einfachsten Formen ausgehen, nicht aber von Schreibtischkonstruktionen: Diese archaischen Kulturen haben nun ihrerseits weit mehr als die Hälfte, vielleicht kann man sogar sagen zwei Drittel aller ihrer Elemente gemeinsam. Die städtische Siedlung, der Bau mit behauenen Steinen, die hochneolithische und kupferzeitliche Technik, den Tierkreis mit zugehörigem Kalender usw. usw. Sie alle hier aufzuführen und zu belegen würde keine Arbeitshypothese, sondern schon die Beweisführung und ein dikkes Buch bedeuten. Das deutet aber auf einen gemeinsamen, einheitlichen Ursprung der ältesten Hochkulturen, und zwar nicht aus der örtlich und zeitlich in mehreren Etappen sich abspielenden Mischung gleicher Kulturkreise, sondern auf Grund eines konkreten historischen, einmalig gegebenen Vorganges und dann Verbreitung von einem Punkt aus. Ist dies so, dann ist es eine methodische Forderung, daß die ältesten Stufen dieser Hochkulturen in den äußersten Randlagen zu finden sein müssen und archaische Hochkulturen in den äußersten Randlagen sind - man erschrecke nicht vor dem räumlichen Sprung - die negerafrikanischen Hochkulturen und Altamerika. Wäre unsere Arbeitshypothese richtig, dann müßten diese äußersten Randlagen miteinander ganz besonders enge Parallelen zeigen. Im Überkragungskalender (36), in der Religion mit dem Himmelsgott über dem neuerlichen Himmelsgott mit der Erdgöttin (37), in den Göttertypen darunter mit dem noch ganz polydämonistischen Polytheismus, mit dem Gefangenen, der als Gott verehrt und gemästet wird, bevor man ihn opfert und frißt (38), sind solche enge Parallelen gegeben, die man noch vermehren kann, aber es sind auch genug fundamentale Unterschiede da in den Kulturelementen, wie es auch nicht anders sein kann, bei wirklicher historischer Beziehung. Nur leere Abstraktionen können sich restlos dekken. Wir dürfen hier nicht übersehen, daß der Polytheismus an sich und der Polydämonismus zwar untereinander irgendwie zusammengehören, nicht aber unbedingt mit allen archaischen Hochkulturen. Es gibt Vor- und Frühstufen der Hochkulturen ohne Polytheismus,ja auch ohne Polydämonismus und sogar mit einer Hochgottgestalt, wie es laut dem Befund der Kanarischen Inseln das Megalithikum war, was wir später ausführen werden, und wie es Altchina war. überhaupt gibt es keinen Polytheismus ohne die deutlichen Spuren einer alten monotheistischen Schicht. Der Polytheismus ist eine Sonderentwicklung innerhalb der Hochkulturen und so wie diese einheitlichen Ursprungs, scheint aber in zwei Schichten zu zerfallen, von denen die jüngere, frühhistorische in den 24 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Religionen Indiens, Vorderasiens und Griechenlands vorliegt, während die ältere vorhistorische Schicht in Mexiko und Guinea uns gegeben zu sein scheint. Solange wir nicht deutlich alle Übereinstimmungen und Unterschiede herausgearbeitet haben, wissen wir nicht, ob die Hochkulturschicht in Guinea als eine Einheit hereinkam oder in mehreren Weilen und dann auf dem neuen Kolonialboden sekundäre Mischungen erlitt, auch nicht ob, was ja wahrscheinlich ist, solche Einzelwellen schon Mischungen waren. Das megalithische Element könnte ja vielleicht zuerst und für sich allein gekommen sein, aber, da alle archaischen Hochkulturen wesenhafte Züge des Megalithikums zeigen und frühe Hochkulturen und Megalithikum entweder wurzelhaft oder durch frühe Zusammenschichtung mit einander verbunden sind, könnte auch in Guinea eine frühe komplexe Schicht die megalithischen Elemente mitgebracht haben. Wenn unsere Voraussetzungen richtig sind, würde sich ein doppelter Vorteil aus der Herausarbeitung der Parallelen Westeuropa-Altmittelmeer und Guinea ergeben. Wir könnten feststellen, wann und von wo die Hochkulturschichten nach Guinea und ins übrige Negerafrika gekommen sind und andererseits würde das dürre Gerippe eurafrikanischer Archäologie von dem Rückzugsgebiet Guinea her Blut und Fleisch gewinnen. In einer Arbeit über "Die Religionen des vorindogermanischen Europa" mache ich einen ersten Versuch in dieser Richtung und zeige, wie sich die Tatsachen des alten Mittelmeers, besonders Kretas und der Ägäis, aus den Befunden der barbarischen Hochkulturen Guineas interpretieren lassen (39). Daß wir zu solchen Vergleichen und Interpretationen berechtigt sind, lehren uns die neuen Ergebnisse in der Erforschung der Kanarischen Inseln. Dieses klassische Rückzugsgebiet des alten Eurafrika ist in seiner Bedeutung erst seit kurzer Zeit erkannt. Meine Archivstudien und meine Jagd nach alten Quellen haben das Berichtsmaterial verzehnfacht und sorgfältige Textkritik konnte dabei die Spreu vom Weizen sondern (40). Schon daraus allein ergab sich, daß die Kultur der alten Kanarier, so wie sie von den Europäern des Zeitalters der Entdeckungen vorgefunden und beschrieben wurde, alle Merkmale einer Hochkultur an sich trug. Auch sie ist schon den Berichten allein nach sicher nicht einheitlich, d.h. einschichtig. Als ich dann auf den Inseln selber die damals bekannte archäologische Hinterlassenschaft der Eingeborenen studieren konnte, war es mir klar, daß auf den Kanarischen Inseln das Megalithikum und eine frühe mittelmeerische Hochkultur bis zur Entdeckung Amerikas durch Kolumbus weitergelebt hatte. Seither - und ich glaube mir ein Verdienst daran beimessen zu können - hat eine rege Ausgrabungstätigkeit eingesetzt, welche die Berichte der Eroberer ergänzte und bestätigte. Immer wieder gibt es neue Überraschungen und wir wissen noch lange nicht, wie das volle Bild der 25 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Kulturentwicklung auf den Inseln war. Vor allem fehlen uns die Anhaltspunkte, um das archäologisch gewonnene Material in zeitlich getrennte Entwicklungsoder Einwanderungsstufen zu zerlegen. Es ist aber äußerst wahrscheinlich, daß die megalithischen und altmittelmeerischen Elemente nicht mit einer einheitlichen Mischkultur, sondern in mindestens zwei Wellen hereinkamen, einer im wesentlichen megalithischen und einer wesentlich altmittelmeerischen. Es ist nicht mehr möglich, über das vorindogermanische und sogar das frühindogermanische Alteuropa und Mittelmeer zu schreiben, ohne den Befund der Kanarischen Inseln in Betracht zu ziehen, weil sonst jede neue Arbeit von vorneherein als überholt gelten muß. Von meinen Freunden, welche die Ausgrabungen durchführen, sind noch auf längere Zeit nur Ausgrabungsberichte zu erwarten ( 41 ). Meine eigenen Arbeiten über die geistige Kultur der alten Kanarier sind noch lange nicht publikationsreif, weil vorerst die abschließende Arbeit über die Sprache der Eingeborenen in den Druck muß ( 42). So scheint es mir zweckmäßig, wenn ich im Zusammenhang mit einer Huldigung für das Frobenius-Institut und seinen Gründer eine kurze Übersicht über das gebe, was wir gegenwärtig von der Kultur der Ureinwohner der Kanarischen Inseln wissen. Wenn wir mit der Sprache beginnen, so können wir, abgesehen von neuen Quellenfunden, bereits Abschließendes geben. Die Schlüsselsprache zum kanarischen Sprachmaterial ist das heutige Berberische. Ein Viertel etwa des Wortmaterials läßt sich einwandfrei von daher etymologisieren, der Anteil steigt aufs Dappelte und Dreifache, wenn wir auch noch die Worte miteinschließen, welche mit den Nominalaffixen des Berberischen gebildet sind. Darüber hinaus aber bleibt dann ein Rest, der vom Berberischen her unanalysierbar ist. Man könnte dieses Ergebnis durch die Tatsache ergänzen, daß einer von den vier Typen Schrift, die auf den Felswänden der Inseln vorkommen, unzweifelhaft zur Schrift der numidischen Königsinschriften gehört (43). Man könnte danach sagen, daß die Sprachelemente mit berberischer Beziehung zugleich mit diesem Schrifttypus auf die Inseln gekommen sind. Das kann man aber nur dann, wenn es sich erweisen läßt, daß die Sprache der Inschriften in diesem Typus Berberisch oder Nurnidisch ist, was Marcy, ohne den Beweis anzutreten, behauptet hat ( 44), und daß die Sprache der numidischen Königsinschriften wirklich eine ältere Stufe des heutigen Berberisch ist, was ich meinerseits bezweifle (45). Die numidischen Inschriften geben eine Sprache wieder, die unvergleichlich fraglichere Beziehungen zum Berberischen hat als die Sprachreste der Kanaren. Sie sind in der Sprache der nichtpunischen Stadtbevölkerungen abgefaßt und es könnte sein, daß damals wie heute zwischen Stadtbewohnern und Gebirgsbewohnern ein Sprachunterschied bestand. 26 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Ich nenne die antiken Sprachreste aus Nordafrika deshalb vorsichtigerweise "Afrisch". Beim Vergleich der kanarischen Sprachreste mit allen durch Geographie, Archäologie, linguistische Gruppierungsversuche usw. als vergleichbar bezeichneten Sprachen ergab sich, daß Etymologien kanarischer Wörter auch von anderswoher zu gewinnen waren und daß es in den Sachbereichen altmittelmeerischer Kultur, alteuropäischer Fauna und Flora und megalithischer Kultur eine Sprachschicht gibt, die von Altägyptisch-Koptisch, Berberisch-Hausa, über Baskisch in die westeuropäischen Indogermanensprachen Griechisch, Latein, Keltisch und Germanisch geht. Wohlgemerkt in Sachbereichen, die archäologisch und kulturell sich als bodenständig in diesem Raum erweisen. Wenn diese Sprachschicht wegen der Übereinstimmung in der geographischen Verbreitung von mir mit der Megalithkultur in Zusammenhang gebracht wird, so obliegt mir natürlich die Aufgabe, dies im einzelnen zu beweisen. Die gesellschaftliche Organisation der alten Kanarier zeigt uns Doppelkönigtum mit mutterrechtlicher Erbfolge in jenem Sinn, den ich für Guinea usw. angab, alteuropäisch-demokratische Züge, aber doch auch Standesgliederung. Eine ganz hervorragende Stellung der Frau im Staat (wie wir sehen werden auch in der Religion) und in der Familie. Die Wirtschaftsform ist eine Verbindung von Ackerbau mit Kleinviehzucht. Gebaut wurden Gerste und Weizen, Brotbacken war aber unbekannt und es wurde der alteuropäische Sterz gegessen. Hülsenfrüchte sind ebenfalls belegt und von den Fruchtbäumen der mittelmeerischen Baumkultur die Dattelpalme, die Olive und die Feige. Auffällig für afrikanische Inseln ist das Fehlen der Hirse in der europäischen und in der afrikanischen Art. Hier sei nebenbei vermerkt, daß bei den Ahnenopfern Guineas nur Y ams aber keine Hirse verwendet wird. Die wichtigste Tatsache in der Viehzucht der Inseln ist das Fehlen des Rindes und natürlich auch des Pferdes. Hauptsächliches Haustier war die Ziege in der Prisca-Art, von der es auf allen Inseln Herden gab. Das Schaf war reichlich, aber nur als Haarschaf vertreten. Dazu ist anzumerken, daß, nach dem Vorkommen in Rückzugshorsten, auch in Halbinseleuropa und Weißafrika, das Haarschaf die ältere Rasse ist, obwohl in Ägypten das Wollschaf schon altbelegt ist. Das Schwein ist wenigstens für Gran Canaria und Hierro sicher belegt. Von Hunden war das mittelmeerische Windspiel sicher und der libysche Hirtenhund (als perro lanudo) wahrscheinlich belegt. Die Religion zeigt den Berichten nach vor allem einen deutlichen ethischen Hochgottglauben, doch lassen sich Hypostasen des höchsten Wesens in Himmel und Sonne belegen. Daneben gibt es, mindestens auf einer der Inseln, eine Verehrung des Stammelternpaares in Monolithen, wobei Hochgott und 27 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Stammvater ineinander verschmolzen erscheinen; dazu eine Reihe dämonischer Wesen, vor allem in Hundegestalt und allerlei Dunkles. Das Doppelkönigtum erfährt durch das Hinzutreten je eines Priesterkönigs zu den beiden Herrschern eine weitere Doppelung und daneben stehen dann auf zweien der Inseln noch je eine Walagestalt als dritte Doppelung ( 46). Die Kultplätze in Höhlen und auf Berggipfeln führen uns mit den Monolithen und den Grabanlagen schon zur Archäologie hinüber, vorher aber müssen wir noch die Ergologie der alten Kanarier besprechen. Hier ist die wichtigste Tatsache das Fehlen von Metall zur Zeit des Einsetzens der europäischen Eroberung und auch, nach dem Zeugnis der Ausgrabungen, in den vorhergegangenen Epochen. Das erscheint umso merkwürdiger, als doch die Kulturen von Guinea als Hauptcharakteristikum den Guß in verlorener Form haben, als sogar das von uns mit solcher Kühnheit zur Parallele herangezogene Mexiko vollkupferzeitlichja sogar schon etwas bronzezeitlich ist. Die Schwierigkeit besteht und darf nicht hinweginterpretiert werden, obwohl sie sich gerade nach dem, was wir weiter feststellen können, umso unerklärlicher zeigt. Das heißt, man könnte auf den Mangel an Metallerzen auf den Inseln verweisen und auf ihre offenbare Isoliertheit durch sehr lange Perioden. Können jene, welche die Inschriften von nurnidisch-libyschem Typus anbrachten, ohne Metallkenntnis gewesen sein? ( 46a) 28 1. Inschrift, Barranco de Balos, Gran Canaria, nach Dr. Hernandez. Ein großer Teil der Zeichen, auch der Zeichenligaturen, ist identisch mit den kretischen Linearschriften. © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Vollneolithisch war die Kultur der Kanarier auf jeden Fall. Wir haben geschliffene Steinbeile und jenes seltsame geschlifene, durch seine Dellen in die menschliche Hand geschäftete Universalinstrument, welches bis jetzt außerhalb Cran Canarias nirgends eine Parallele gefunden hat ( 47). Dazu kommen die zahllosen, ohne weitere Zurichtung verwendbaren, aus dem heimischen Phonolith geschlagenen Klingen. Die Beile aus Chloromelanit und anderem Material erweisen sich als Import von außerhalb der Inseln, während das genannte Universalwerkzeug aus dem Basalt der Inseln erzeugt ist und die roh zugeschlagenen Beispiele des Typus durch die starken Gebrauchsspuren beweisen, daß sie nicht Halbfabrikate oder typologische Vorstufen, sondern nur Werkzeug der Ärmeren waren. Sonst gab es noch Reibsteine, geschlifen und ungeschlifen, und Steinkugeln, zum Teil mit den Aufsatzdellen für den Stock, wodurch sie als Keulenknäufe erwiesen sind. Wurfstöcke vom altägyptischnubischen Typus scheinen als Würdezeichen der Häuptlinge gedient zu haben, daneben gab es Szepterstäbe; als Wafen dienten neben den von den Spaniern so gefürchteten hölzernen ( wahrscheinlich mit Steinsplittern armierten) Schwertkeulen und Kolbenkeulen, auch Stoßspeere und Wurfspieße, aber Bogen und Pfeil fehlten. Wir müssen hier auf die große Rolle der Keulen, besonders der mit Steinknäufen, in den ältesten Hochkulturen hinweisen. Die Lederbearbeitung war hochentwickelt und der nordafrikanischen ebenbürtig. Bewundernswert sind die feinen Nähte, die mit Pflanzenstacheln genäht wurden und die Bastgewebe und feinen Matten wurden von den neueuropäischen Eroberern sehr gerühmt. Die Kleidung bestand im alteuropäischen Kilt aus Bastgewebe (oder Leder?) und im Fell- oder Ledermantel, den wir von den Felsbildern der Sahara, von den Niloten und den Ost- oder Südafrikanern kennen. Das Sitzleder dieser Festlandsvölker ist wahrscheinlich, aber nicht belegt. Beinlinge erinnern an Alteuropäer und Berber, das Schuhwerk ist sogar durch das gleiche Wort mit den Berbern und Basken gemeinsam. Spiralwulstkörbe waren reichlich vertreten und scheinen sogar neben Fellmützen als Koptbedekkung gedient zu haben. Horn und Knochen wurden zu Nadeln, Ahlen, Angelhaken usw. verarbeitet. Zusammenfassende Arbeiten über die Keramik sind zum Teil vor kurzem erschienen, teils werden sie bald erscheinen ( 48). Als einem hervorragenden englischen Fachmann vom besten spanischen Fachmann Keramik von den Kanarischen Inseln vor kurzem in Madrid gezeigt wurde, agnoszierte er sie ohne Zögern als "megalithische Keramik der britischen Inseln und Skandinaviens" ( 49). Daneben fehlt es an den Typen des alten Mittelmeeres ebenso wenig. Hier sind die Zusammenhänge unverkennbar und man kann nicht verstehen, wie diese Keramik für unabhängig auf den Inseln entstanden gehalten werden 29 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 konnte (50). Daß die Herstellung auf manchen Inseln technisch primitiv ist, ändert an Art und Verwandtschaft der Typen nichts. Mit der Keramik zu behandeln sind auch die Knopf- und Grifsiegel aus Ton, die man als Pintaderas zu bezeichnen pflegt und welche man für Werkzeuge hält, um den Körper m.it Farbe zu bestempeln, obwohl das spanische Wort "pintadera" vor allem "Brotstempel" bedeutet. Niemals finden sich zwei identische Siegel und sie entsprechen vollkommen den geometrischen Siegeln Ägyptens, Kretas, Mesopotamiens usw. (51). 2. Szene mit Menschendarstellungen, Barranco de Balos, Gran Canaria, nach Dr. Hernandez. Und weil wir hier schon in die Nähe der Inschriften und Felsgravierungen gekommen sind, wollen wir diese gleich behandeln. Ich habe an anderer Stelle (52) vier verschiedene Typen von Inschriften unterschieden, zuerst einn1al "megalith.ische Petroglyphen", d.h. Spiralen, Doppelrollen und andere geometrische Gebilde, wie sie im Verbreitungsbereich megalithischer Kulturelemente über die ganze Erde verbreitet sind, dann Inschriften in Spiralen, Bogen usw., die eine weitgehende Zeichenidentität und noch weitergehende Zeichenähnlichkeit mit den kretischen Linearschriften zeigen, drittens dann Inschriften, die, wie schon erwähnt wurde, glatthin als in numidischem oder berberischem Alphabet vorkommend angesprochen werden können. Marcy, der sie gelesen haben will, ich habe das versucht und den Versuch als vorläufig undurchfiihrbar aufgegeben (53), spricht von den unbekannten Zeichen dazwischen. Es gibt nun aber solche Inschriften, bei denen die aus dem TifinaghAlphabet, beziehungsweise aus den numidischen Inschriften bekannten Zeichen n.icht einmal die Hälfte oder ein Drittel ausmachen, während die anderen Zeichen dieser Inschriften zu dem Schrifttypus mit kretischer Verwandtschaft gehören. Sie stellen also augenscheinlich entweder eine Mischung der zwei 30 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Schrifttypen, oder aber eine Vereinfachung des dem Kretischlinearen verwandten Schrifttyps dar und ich sehe in ihnen einen vierten, den Übergang von einer zeichenreichen Sinnbild- oder Silbenschrift zu einer Alphabetschrift bildenden Schrifttypus, den ich "Transitionsschrift" nenne. Aber nicht nur Inschriften sind in die Felswände graviert, auch Darstellungen von Menschen, baumähnliche Gebilde usw., nur Darstellungen von Tieren scheinen vorläufig zu fehlen. Das für uns Bedeutsamste sind aber die Gravierungen von Schiffen in demselben abgekürzten Zeichentypus, den wir von Bohuslän, kretischen und vordynastisch-ägyptischen Darstellungen auf Siegeln und Keramik und vor allem von Oberägypte1;1 kennen (54). Hier haben wir di wirklichen Kultur-"Träger" vor uns, auf solchen Schifen sind die Hochkulturelemente vom Mittelmeer und den atlantischen Küsten Europas nach den Kanarischen Inseln gekommen und eine Schiffahrt, welche die Kanarischen Inseln erreichte, konnte sicher auch Guinea erreichen und hat es auch erreicht. Aber wir wollen den so gesicherten Zusammenhang gleich zu einem dichteren Band erweitern, indem wir andere Kulturelemente der Kanarischen Inseln heranziehen. 3. Gravierungen vom Barranco de Balos, Gran Canaria, nach Dr. Hernandez (zur Verdeutlichung schwarz wiederholt); die beiden oberen Abb. sind Schiffsdarstellungen. Die Ausgrabungen der letzten Jahre haben uns auf Gran Canaria typisch städtische Siedlungen bloßgelegt, zum Teil mit hunderten von Feuerstätten. Die Gebäude sind zumeist von jenem Typus, den meine kanarischen Freunde cruciform (kreuzföm1ig) nennen, mit massiven Mauem, die nach außen ein eckenloses Oval darstellen. Häufig ist eine flankierende Mauer im Bogen vorgelegt, nach Art der Opfernischen an megalithischen Tumuli. Das für uns interessanteste Gebäude ist das vom Ausgräber Sebastian Jimenez Sanchez "audiencia" (Gerichtshof) genannte Gebäude, wo ein halbkreisförmiges Amphitheater von Sitzstufen an einen angegliederten Hof anschließt. Ofenbar wagten die 31 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 4. Anlage eines Amphitheaters auf Gran Canaria von Mykenae und Kreta. Dafür gibt es auch auf Gran Canaria wieder Wehrbauten mit Türmen verbunden mit Bestattungen in Steinkisten, ganz so, wie wir sie aus der mykenischen Kultur aus Sardinien kennen (55). Die subterranen Palastund vielleicht auch Kultbauten mit ihrer Mittelhalle mit Impluvium w1d den herurngelegten mehrstöckigen Räumen, entsprechen ebenfalls ganz dem alten Mittelmeer. Die Heiligtümer auf Berggipfeln habe ich bereits erwähnt. Sie sind in den lebendigen Fels geschnitten, haben eine Höhlen-Cella und sphärische Rinnen in den Boden eingeschnitten, für die ich vorläufig in Eurafrika außer - halb der Inseln noch keine Parallelen gefunden habe (56). Eine solche Kuhanlage auf Hierro hat eine richtige gepflasterte Cella und gepflasterte Zugänge w1d ist in räumlichem Zusammenhang mit dicht mit Inschriften bedeckten Felswänden (57). Zun1 Typus der Mittelmeerkultur gehört die Bestattung der Toten im Hause und deshalb lassen sich Wohn- und Grabanlagen nicht immer getrennt behandeln. Nach dem bisherigen archäologischen Befunde ist Brandbestattung 32 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 nirgends auf den Kanarischen Inseln belegt, es könnte aber immerhin sein, daß bei den Ausgrabungen nicht sorgfältig genug darauf geachtet wurde (57a). So wie natürliche und künstliche Höhlen die verbreitetste Form der Wohnstätten sind, so sind sie auch die verbreitetste Form der Bestattung. Wenn man von kanarischen "Mwnien" spricht, so ist das eigentlich eine Falschmeldung weil der Ausdruck Mwnie von rechtswegen nur auf eine durch besondere Methoden konservierte Leiche anwendbar ist. Obwohl in sekundären Quellen und späten Kompilationen solche Methoden künstlicher Präparierung erwähnt werden, so hat doch bisher keine nähere Untersuchung einer kanarischen Trockenleiche das bestätigt (57b). Wahrscheinlich wurde die Austrocknung der Gewebe durch Hitze und Raucheinwirkung beschleunigt, aber Anzeichen für die Anwendung von Drogen oder für die Entnahme des Hirns aus der Schädelkapsel wurden bisher nicht gefunden. Die Leichen wurden auf Holzrosten, über dem Boden erhöht, gelagert. Neben diesen Bestattungen in Höhlen sind Tumuli weit verbreitet. Sie sind als abgestumpfte Kegel, als runde Stufenpyramiden und auch als ganz gewaltige Stufenterrassen in Kreisform belegt. 5. Tumulus, Playa de Mogan, Gran Canaria Die Tumuli enthalten gewöhnlich Steinkisten für die Toten, es kommen aber auch Steinkisten ohne darüber auf gerichteten 'Tumulus vor. Ganz dem megalithisehen Bestattungsbrauch würden die unterirdischen Steinkammern der Ostinseln entsprechen (58), wenn wir sicher belegen könnten, daß sie zu Bestattungen benützt wurden. Jedenfalls sind sie in späterer Zeit als Wohnstätten verwendet worden. Ganz in den Bereich der mykenischen Kultur führen uns dreiteilige, miteinander verbundene Räume mit Überkragungskuppeln, die eine barbarisierte Form der mykenischen Tholosgräber darstellen (59). Neben Trockenmauern zu Wehrzwecken aus verhältnismäßig kleineren Felssteinen, findet sich auch kyklopisches Mauerwerk auf Gran Canaria und 33 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 den Ostinseln. Auf den Ostinseln wurden in diesen kyklopischen Anlagen auch Inschriften der Transitionsschrift gefunden. Irgendwelche Möglichkeiten, diese 6. Steinsetzungen auf Gran Canaria verschiedenen architektonischen Typen als zeitliche Schichten aufzufassen, haben sich bisher nicht ergeben. Tonperlen als Zylinderabschnitte, auch in Gruppen von vier und mehr durch Furchen geteilt, sind sehr häufig und entsprechen den Fayenceperlen des Mittelmeers, obwohl sie nicht glasiert sind. Nach brieflicher Mitteilung haben sich auf den Ostinseln Bruchstücke von Fayence gefunden, es fehlt mir aber eine genaue Beschreibung. Ganz eng an das alte Mittelmeer kommen wir mit den Idolen heran. Aus Lavagestein wurde bisher ein einziges größeres Idol von der Art der ägäischen Inselidole gefunden. Sonst haben wir Tonidole vor uns, die ziemlich eng jenen Kretas und der Ägäis entsprechen. Interessant ist für uns, daß nach den Fundumständen der kanarischen Inseln vorläufig keine Möglichkeit besteht, die verschiedenen Idoltypen in zeitliche Schichten einzuordnen. Für uns ist es außerordentlich wichtig, eine Kultur, oder wenigstens den Nachhall einer Kultur auf den kanarischen Inseln zu finden, die solche weibliche Idole besaß und von der wir zugleich Überlieferung ihrer Religion haben. Davon, daß diese "Idole" Muttergöttinnen darstellen, kann gar keine Rede sein. Die Ansicht C. Schuchardts, daß es sich un1 Ahnenfiguren handle (60), bestätigt sich von unseren Inseln her (60a). 34 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 7. Steinidol, Los Caserones, Gran Canaria Und damit kommen wir zu der Frage, ob sich Guinea und seine barbarischen Hochkulturen fruchtbar erweisen können für die Interpretierung der religiös aufzufassenden archäologischen Tatbestände Kretas, der Ägäis und des ganzen alten Mittelmeers. Die Ahnenverehrung, wie wir sie am besten von den Aschanti überliefert haben ( 61 ), entspricht vollkommen dem, was uns in Kreta entgegentritt. Die Ahnenheiligtümer bilden einen kleinen Teil, einen Einzelraum innerhalb des Palastes. Sie zeigen die Lehmbank für die Kultgegenstände und für die Seelensitze der Ahnen. Jene Rolle, die in Guinea die "Stühle" der verstorbenen Häuptlinge spielen, können wir freilich für Kreta nicht parallelisieren. Vorzüglich aber die Gefäße für die Speisung der Ahnen können wir in Kreta wiederfinden. Es scheint, daß die sogenannten "Libationstische" Kretas nichts anderes als Speisentische sind. Es ist hier nicht der Raum, um die wechselseitige Interpretierung Westafrikas durch Kreta und umgekehrt im einzelnen durchzuführen, das wird im ersten Versuch an anderer Stelle geschehen (62). Jedenfalls heißt es mit größter Vorsicht vorzugehen. Meine eigene Aufgabe sehe ich nicht darin, ein rundes geschlossenes Bild zu entwerfen, sondern vielmehr in einer 35 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Arbeit wie die des Ausgräbers, wo man die einzelnen gefundenen Stücke vom Lehm befreit, zurechtlegt und wartet, ob sich wieder irgendwo ein Scherben findet, der das Bruchstück ergänzen kann. 8. Kopfschmuck (Frisur) eines Idols, Arucas, Gran Canaria (Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Die kanarischen Fachleute indentifizieren dies als Tonfigur mit fehlendem Kopf; die seitlich angesetzten, dekorierten Elemente werden als Teil der Kleidung oder als Fortsetzung einer Frisur angesehen.) Für die Steinsetzungen des Megalithikums und des Mitelmeeres bieten die lnseln zahlreiche Beispiele. Von den Steinkreisen als Versammlungs- und Kultplätze haben wir schon gesprochen. Die Überlieferung aus der Eroberungszeit gibt uns typisch megalithische Zeremonien dazu. Danach wurde vor allem Milch geopfert, auch sonst mußten Schafe und Ziegen bei Zeremonien und, wie die angebrannten Knochen an den Altären zeigen, auch bei Opfern mitwirken. Auch das Schwein spielte im Kult eine Rolle. Wenn wir die Haupttatsachen übersehen, können wir mit Sicherheit annehmen, daß auf den Kanarischen Inseln die Kultur des Megalithikums w1d eine archaische Hochkultur des alten Mittelmeeres in langer Isolierung bis zu Kolumbus' Fahrt nach Amerika weitergelebt hat. Trotz aller Parallelen zu Kreta und der Ägäis kann m. E. nicht die Rede davon sein, daß das minoische Kreta oder die mykenische Ägäis selbst auf die Kanarischen Inseln eingewirkt w1d dort kolonisiert häte. Die Inseln zeigen uns eine Schwester mehr aus der Familie der eng verwandten und doch so individualisierten Inselkulturen des alten Mittelmeeres. Weder eindeutig Kretisches, noch eindeutig Dynastisch-Ägypti- 36 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 sches läßt sich auf den Inseln nachweisen, woher diese Kultur oder diese Kulturschichten auf die Inseln kamen, wissen wir nicht. Aber hier haben wir den einzigen Schlüssel zum Geist des Megalithikurns und zum Geist des alten Mittelmeeres. Wir dürfen freilich nicht vergessen, daß die gesellschaftlichen Einrichtungen, die Religion, die Gebräuche, welche die europäischen Eroberer des Entdeckungszeitalters vorfanden, gar nicht der unmittelbare Ausdruck des Megalithikums oder des alten Mittelmeers zu sein brauchen, weil ja dreieinhalb Jahrtausende dazwischen liegen. Aber wenn wir nun in der Kultur Weißafrikas forschen und sehen, daß die 9. Rundbau, Veneguera, Gran Canaria Religion und das Brauchtum der Berber unter der Islamisierungsschicht so typisch al teuropäisch-megalithisch geblieben sind, daß sie mit dem durch die moderne Volkskunde und durch alte geschriebene und archäologische Quellen belegten Brauchtum und der Religion Halbinseleuropas übereinstimmen, wenn wir in Weißafrika und Europa noch immer die gleichen Kulturschichten belegen können, obwohl dort und da alle möglichen Kulturbrüche und Umwälzungen darüber gegangen sind, dann können wir auch vertrauen, daß diese Inseln noch viel konservativer gewesen sein müssen. Und nicht anders geht es uns mit den barbarischen Hochkulturen Negerafrikas, besonders Guineas. So auf den ersten Anhieb und bevor wir nicht das Material durch weitere Untersuchungen und durch archäologische Entdekkungen ergänzt haben, können wir auch dort Altes und Neues nicht unterscheiden, auch nicht die einzelnen Schichten, denn es gab anscheinend mehrere. Aber, daß die Kulturen ausgesprochen archaisch sind und mit solchen Redensarten wie "jungsudanische Kultur" oder "tertiäre Hirtenkulturen" nicht abgetan werden können, läßt sich ernsthaft nicht mehr bestreiten. Auch die "westafri- 37 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 kanische · Bogenkultur" erweist sich als den Hochkulturelementen ebenso parallel, wie die "melanesische Bogenkultur" auf Neuguinea und in der Südsee. Dieser erste große Wurf von Frobenius war richtig gesehen, aber falsch interpretiert. Welche Arbeit ist noch zu leisten, bevor wir dort und da klar sehen können, bevor wir sicherstellen können, wie sich das Megalithikum ausbreitete und ob es wirklich der Mutterboden oder nur ein uralter Verbündeter der frühesten Hochkulturen war. Bevor wir auch werden sehen können, woher jene erste polytheistische Schicht kam, die zwischen Vorderasien, Nordeuropa und den Guineakulturen so enge Verbindungen herstellt wie etwa im Gewittergott mit Widder oder Bock und dem Donnerkeil und der Verehrung der Steinbeile und Steinhämmer; jene erste polytheistische Schicht, die den Monotheismus der Megalithiker entweder verdrängte oder mit ihm die wunderlichsten Mischungen einging. Daß es sich dabei um eine vorindogermanische Welt handelt, erweist sich daraus, daß die Parallelen stark und tief und meist viel klarer in Räume und Völker hineingehen, die sicher vorindogermaniseh waren und sicher niemals von indogermanischem Einfluß erreicht wurden. Und daran ändert auch nichts, daß indogermanisch gewordene Räume und Völker Gemeinsamkeiten zeigen, die man bisher immer auf ihr gemeinsames indogermanisches Erbe zurückgeführt hat. Niemand kann jetzt mehr bestreiten, daß Indien schon Indien war, bevor die Indogermanen dorthin kamen, man wird auch nicht mehr lange bestreiten können, daß Alteuropa schon Alteuropa war, bevor die Indogem1ancn von Osten nach Halbinseleuropa hereinkamen. Was indogermanisch ist und was nichtindogermanisch ist, kann man vom Studium der historischen Indogermanenvölker her allein nicht herausarbeiten, denn diese sind ja nicht bloß indogermanisch, sondern das Produkt der Ineinanderlagerung von Vorindogermanisch und Indogermanisch. Was Negerafrikanisch ist und was Archaisch-Hochkulturlich ist, das läßt sich von Afrika allein aus nicht feststellen. wir müssen den "Punkt außerhalb" finden, wo uns die eine der Mischungskomponenten allein oder in anderer Mischung entgegentritt. Da wir den außerordentlichen Glücksfall haben, daß Weißafrika, vor allem die Kanarischen Inseln, und die negerafrikanischen Hochkulturen vor allem im Guineaknie, uns als Rückzugsgebiete Epochen der allgemeinen und vor allem der alteuropäischen Kulturgeschichte einigermaßen intakt bewahrt haben, die in den Ursprungsgebieten verschollen und verschüttet sind, wollen wir die damit gebotenen Möglichkeiten ausnützen. Wie schwer, ja hoffuungslos es ist, dürre archäologische Tatsachen nur aus sich selbst interpretieren zu wollen, zeigt immer wieder Nilsson bei seinem Versuch die Kretisch-Mykenische Religion zu rekonstruieren (63). Wenn Hugo Schuchardt sagte, daß der simplifizistische Geist der 38 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 unwissenschaftliche Geist ist, so gilt das für alle Kulturwissenschaften. Kulturgeschichte kann und muß Kultunnorphologie sein. Kultunnorphologie muß immer auf genau erschlosener Kulturgeschichte beruhen. Anmerkungen: (1) Frobenius, Leo: Und Afrika sprach. I. Bd. Auf den Trümmern des klassischen Atlantis. Berlin-Ch. 1912, 288 f. (2) Im Kritias und im Timaeus. (3) Wölfet, Dominik Josef: Die Hauptprobleme Weißafrikas. Archiv für Anthropologie, N. F. XVII, 1941, 89-140. (4) Baumann, Hermann: Völker und Kulturen Afrikas. In: Völkerkunde von Afrika. Essen 1940, 40 f. (5) Schmidt, Wilhelm und Koppers, Wilhelm: Völker und Kulturen. I. Gesellschaft und Wirtschaft der Völker, Regensburg 1913-1924, 342,592,599 f. (6) Frobenius, Leo: a.a.O. II. Bd. An der Schwelle des verehrungswürdigen Byzanz; 333-364. (7) Nadel, Siegfried N.: A black Byzantium. Int. Inst. of Afric. Lang. & Cult., London, New York, Toronto, l. Aufl. 1942, 2. Aufl.1946. (8) Gautier, E. F.: Le passe de l'Afrique du Nord. Les siecles obscurs. Paris 1937, 210 f. (9) Barth, Dr. Heinrich: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Zentral-Afrika. Gotha 1857-1858. (10) Rohlfs, Gerhard: Land und Volk in Afrika. Berichte aus den Jahren 1865- 1870. (II) Hefe), Annemarie: Der afrikanische Gelbguß und seine Beziehungen zu den Mittelmeerländern. Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik V. 1943. (12) Gautier, a.a.O., 143f. Ibn Khaldun: Histoire des Berberes. Traduction de Slane. Alger 1852-56. Masqueray: Traditions de l 'Aouras Oriental. In: Bulletin Correspondance Africaine IV 1885, 72 f. (13) Johannes Lukas hat eine Tschado-Hamitische Sprachgruppe aufgestellt, Westermann spricht mit Recht von einer Hausa-Kotoko-Gruppe, ich selber möchte die Sprache als Hausa-Dialekte zusammenfassen, weil der Unterschied von einer zur anderen nicht größer ist als der der Berber-Mundarten untereinander, wobei freilich verschiedene sudanische Mischungskomponenten festzustellen sind. Das Hausa selbst ist in seinem nichtsudanischen Teil ganz eng mit dem Berberischen verwandt. (14) Schmidt,M arianne: Die Grundlagen der Nilotenkultur. Mit. Anthrop. Ges. 39 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Wien LXV, 1935. Vgl. Jensen, Im Lande des Gada, 581 f. (15) Rütimeyer, L.: Über altägyptische Relikte im heutigen Ägypten und Nubien sowie im übrigen Afrika. Verh. Naturforsch. Ges. Basel XL, 1928-29, 459 f. (16) Schebesta, Paul: Die Simbabwe-Kultur in Afrika. Anthropos XXI, 1926, 484. Jensen, Adolf E.: Simbabwe und die Megalithkultur. Paideuma I, 1939, 100- 119. Jensen AdolfE.: Im Lande des Gada. Wanderungen zwischen Volkstrümmern Südabessiniens. Stuttgart 1936. (17) Frobenius a.a.O. I, 318-346 und Jensen; Simbabwe. (18) Dart, R. A.: The Discovery of a Stone Age Manganese Mine at Chowa, N. Rhodesia. Trans. R. Soc. of S. Africa XXII, 1934, 55-70. Idem: The Bronze Age in South Africa. Nature 1929, 495 ff. Cipriani, L.: Le antiche rovine e miniere della Rhodesia. Firenze 1932. (19) Rattray, R.S.: Ashanti. Oxford 1923, 105f, 133f, 294ff. (20) Vortrag von F.W. König in der Wiener Anthropol. Gesellschaft. (21) So vor allem in Dahomey, siehe: Le Herisse, A.: L'Ancien Royaume du Dahomey. Moeurs, Religion, Histoire. Paris 1911. (22) Le Herisse, a.a.0., 209 f, 178 ff. (23) Rattray, a.a.O., 77 f. (24) Johnston, H.: The Uganda Protectorate. London 1902. Schebesta, a.a.0. (25) Skene, W. F.: Chronicles of the Picts, Chronicles of the Scots, and other early Memorials of Scotch History. Edinburgh 1867. (26) In seinem Buch "Mutterrecht oder Weibmächtigkeit" suchte Philipp mit aller Gewalt das Mutterrecht bei den Inselkelten hinweg zu interpretieren, hat aber das Belegmaterial dafür sehr gut zusammengetragen. (27) Windisch, E.: Die altirische Heldensage. Leipzig 1905. (28) Homer, Odyssee XXI, XXII. (29) Rattray, a.a.O., 133 f., (30) Basden, G.T.: Niger Ibos, London, 130 f. (31) Rattray, a.a.O. (32) Jefreys, M. D. W.: Dual Organization in Africa. African Studies V, 1946, 82-105, 157-176. (33) Caton-Thompson, G.: The Zimbabwe-Culture. Oxford 1931. Catalogue of the Loan Exhibition of Antiquities from Zimbabwe. April 7th to rniddle of May 1930, London. Frobenius, a.a.O. I. 40 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 (34) Frobenius, a.a.0. I, 328 Tafel. (35) Rattray, a.a.O. Fig. 52. (36) Rattray, 114 f. (37) Frobenius, a.a.0. I, 206-229. (38) Basden, a.a.O., 75 (72). Man vergleiche das mit Westafrika gleiche "Sündenbock-Menschenopfer" bei den Griechen, Hipponax, bei Tzetzes Chil, 726 f. (39) Wölfel, Dominik Josef: Die Religionen des vorindogennanischen Europa. In: Christus und die Weltreligionen. Herausgegeben von Doz. Dr. Franz König. Wien, Herder & Co. 1950. Man vergleiche auch: Wölfet, D. J.: Die Gottesnamen der Kanarier und der Berber. Festschrift Wilhelm Havers. Wien 1949. ( 40) Übersichten über die wichtigsten Quellen und Textkritik in: Leonardo Toriani: Die Kanarischen Inseln und ihre Urbewohner. Eine unbekannte Bilderhandschrift von 1590. Im italienischen Urtext und in deutscher Übersetzung sowie mit völkerkundlichen, historisch-geographischen, sprachlichen und archäologischen Beiträgen herausgegeben von Dr. Dominik Josef W ölfel. Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und Völkerkunde Bd. 6, K.F. Koehler Verlag, Leipzig 1940*. Wölfet, Dominik Josef: Die Kanarischen Sprachdenkmäler und die Sprache der Megalithkultur. Eine Studie zur Vor- und Frühgeschichte Weißafrikas. I. Teil: Kritik der Quellen und der Kompilatoren, sowie der bisherigen Bearbeiter des Kanarischen. - Das Werk wurde im Satz in Leipzig ausgebombt und soll nun beim Akademie-Verlag, Berlin, gemeinsam mit Köhler & Amelang, Leipzig, erscheinen**. (*/** Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Die Torriani-Ausgabe erschien als Nachdruck auch in Hallein 1979; die Monumenta Linguae Canariae erschienen schließlich posthum bei der ADEVA, Graz 1965.) (41) Herruindez, Dr. Pedro: Inscripciones y grabados rupestres del Barranco de Balos, Gran Canaria. EI Museo Canario VI, 1945, 3-14. Rio Ayala, Juan del: Arqueologia prehist6rica canaria. Ibidem III, 1935, 33 f. Hernandez, Pedro: Pintaderas. lbidem V, 1944, 15 f. Jimenez Sanchez, Sebastian: Nuevos idolos de los Canarios prehispanicos. Ibidem VI, 1945, 25 f. Idem: Relaci6n de los mas importantes yacimientos arqueol6gicos de los Guanches-Canarios prehispanicos de las Islas de Gran Canaria y Fuerteventura. Las Palmas de Gran Canaria 1946. Idem: Excavaciones arqueol6gicas en Gran Canaria, del plan nacional de 1942, 1943, 1944. Comisaria General de Excavaciones Arqueol6gicas, Madrid 1947. 4 1 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 Idem: Ceramica neolitica de las Islas de Fuerteventura y Lanzarote. - Ceramica neolitica de la Isla de Gran Canaria. Publicaciones de EI Museo Canario 1946, 1948 (42) Wölfe!, D.J.: Kanarische Sprachdenkmäler, vgl. Anm. 40. (43) Wölfe! in Leonardo Torriani, Anhang III, 304 f, vgl. Anm. 40. ( 44) George Marcy starb März 1946. De mortuis nil nisi bene. Er hat wiederholt behauptet, daß er die Inschriften der Kanaren vollkommen lesen könne und daß sie in einem Tuareg-Dialekt geschrieben seien. Beweise ist er schuldig geblieben. Seine Methode bei der Erklärung kanarischer Texte mit erfundenen berberischen Worten läßt befürchten, daß seine Lesungen von derselben Art sind. (45) Basset, A.: La langue herbere. Chabot in Journal Asiatique 1918, 262 f.; ibid. 1921. Beguinot in L'Africa Italiana 1927. Zyhlarz, E.: Die Sprache Numidiens. Zeitschr. f. Eingeborenensprachen XXII, 1932. (46) Vergl. Wölfel, Torriani, 91 f, 107 f, und Wölfel, Gottesnamen (Anmerkung 39). ( 46a) Diese Ausführungen sind jetzt überholt, da nach brieflicher Mitteilung von Professor Martinez Santa Olalla 1949 auf der Insel La Palma "altmittelmeerische Bronzen" gefunden wurden.*** (*** Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Diese Nachricht wurde später widerrufen; es handelte sich nur um eine Fehlinformation; Wölfels Hinweis auf das Fehlen von Metallfunden stimmt nach wie vor.) (47) Wölfel, Hauptprobleme abgebildet. ( 48) Vgl. die in Anmerkung 41 angeführten Arbeiten. ( 49) Brief von Professor Martinez Santa Olalla an mich vom 14. VI. 1947 " ... hace un par de meses tuvimos aqui a mi amigo el Prof. Childe ... y a visitar mi Seminario de Historia Primitiva del Hombre, donde le mostramos algunas ceramicas decoradas iguales a las norte-europeas, sobre todo procedentes de sepulcros megaliticos, y que por tales las tom6 el, y las roma todo el mundo que las ve, pero ... que no son norte-europeas sino africanas, pues proceden de Canarias." (50) Abercromby, John: Tue prehistoric pottery of the Canary Islands and its makers. J. R. Anthrop. Inst. XLIV, 1914, 302. (51) Wölfe!, Torriani, Anhang III; Maatz, Kretische Siegel. (52) Wölfe!, Torriani, Anhang IH. (53) Ich möchte darauf hinweisen, daß unzweifelhafte Tuareginschriften schon genug Leseschwierigkeiten ergeben. 42 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 (54) Winkler, Hans Alexander: Völker und Völkerbewegungen im vorgeschichtlichen Oberägypten im Lichte neuer Felsbilderfunde. Stuttgart 1937. (55) Abbildung in Wölfet, Hauptprobleme. (56) Wölfet, Torriani, Abb. Tafel Xlla. Die von Evans als Badebecken angesprochenen vertieften Räume des Palastes von Knossos haben ebenfalls Rinnen und Kanälchen. Dafür entsprechen die Höhlenheiligtümer Syrien-Palästinas fast vollkommen. (57) Abbildung in Wölfet, Hauptprobleme. ( 57a) Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Feuerbestattung wurde zwischenzeitlich nachgewiesen, wobei im Einzelfall noch nicht geklärt ist, ob der Feuerritus vor oder nach der Skelettisierung statfand. (57b) Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Zum aktuellen Stand der kanarischen Mumienforschung siehe die Akten des "I Congreso Intemacional de Estudios sobre Momias", Pto. de la Cruz 1992 (58) Abbildung Wölfet, Torriani, Tafel XIVa. (59) Abbildung Wölfet, Hauptprobleme. ( 60) Schuchardt, Carl: Alteuropa, die Entwicklung seiner Kulturen und Völker. 4. Aufl. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1941, S. l lO. (60a) Anmerkung der Almogaren-Redaktion: Die nach 1950 erfolgten Funde von Figurinen lassen jedoch zum Teil von Muttergöttinnen sprechen. (61) Rattray, a.a.O., 92-113. (62) Wölfel, Die Religionen des vorindogermanischen Europa; vgl. Anm. 39. (63) Nilsson, Martin P.: Geschichte der griechischen Religion. I. Bd. München 1941. Derselbe: The Minoan-Mycenaean Religion and its Survival in Greek Religion. Lund 1927. 43 © Del documento, los autores. Digitalización realizada por ULPGC. Biblioteca, 2017 |
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