Almogaren XXVI/ 1995 Hallein 1995 363 - 386
Hans Ritter
Medizinische Traditionen der Tuareg*
I. Lebensraum Wüste
A) Krankheit und Umwelt
Die nördliche Grenzzone der Endemiegebiete der wichtigsten afrikanischen
Tropenkrankheiten verläuft parallel zum Saharasüdrand durch den mittleren
Sahel (etwa entlang einer Linie St. Louis - Tahoua -Tschadsee oder der
400 mm Isohyete), so daß der Nordsahel und die Wüste ein natürliches Schutzund
Rückzugsgebiet darstellen. Die überragende Bedeutung dieser Gegebenheiten
wird deutlich, wenn man sich das völlige oder weitgehende Fehlen von
Malaria tropica, Gelbfieber, Filariosen (insbesondere der Onchozerkose [Flußblindheit]
und des Medinawurms), der Bilharziose (Schistosomiasis) und der
Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) vor Augen hält (Gentilini 1986, Stürchler
1988).
Ein weiterer, relativer Schutz gegen eine Reihe auch der kosmopolitischen
übertragbaren Krankheiten besteht in der nomadischen Lebensweise in
verstreuten Kleingruppen, da die Infektionsausbreitung durch eine geringere
Exposition und damit die Unterbrechung der Übertragungsmechanismen gehemmt
wird.
So ist im innersaharischen Vergleich z.B. die Häufigkeit von Amöbenund
Wurmbefall, Trachom, Lepra und auch der Leishmaniosen (Kala Azar,
Orient- oder Biskrabeule) bei den Nomaden wesentlich geringer als bei der
seßhaften Oasenbevölkerung. Bei den Nomaden dagegen sind Erkrankungen
der Atemwege und des rheumatischen Formenkreises vorherrschend, sowie
chronische Hautafektionen (Jany 1972: 458; Doury 1959: 131, 118-138; Foley
1930: 223-244). Zur Ernährungssituation, einem eigenen Themenkomplex,
kann hier nur angemerkt werden, daß auch das sonst so häufige Problem des
Proteinmangels normalerweise keine große Bedeutung hat.
Zwischen der Wüste und den subsaharischen Endemiegebieten der genanten
Krankheiten stellt die Sahelzone ein Übergangsgebiet mit einem saisonal
• Autorisierter Nachdruck aus "Perspektiven afrikanischer Forschung", Köln 1994,
mit freundlicher Genehmigung des Verlages Rüdiger Köppe, D-50881 Köln.
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und regional variablen Infektionspotential dar; bedeutsam sind in und nach
der Regenzeit vor allem Malaria, aber auch Kinderlähmung (Poliomyelitis), in
der Trockenzeit die cerebrospinale Meningitis (CSM) und die Masern, akzentuiert
durch die periodische Mangelernährung vieler Bevölkerungsgruppen in
dieser Saison (vgl. z.B. Loutan 1984: 945 zum Fallbeispiel der Peul-Woäaa6e).
B) Historische Aspekte
Die gute Gesundheit und eiweißreiche Ernährung der saharischen Nomaden
und Hirtenvölker findet sich (meist mit dem Unterton des Erstaunens
über diese Verhältnisse außerhalb der 'zivilisierten Welt') als konstanter Topos
seit der Antike.
Herodot (6. Jh. v. Chr.) spricht von den Libyern als den "gesundesten
Menschen, von denen wir wissen. .. "," Sie essen Fleisch und rtinken Milch ..."
(1971, IV : 320,321). Abou Obeid EI Bekri (11. Jh.) schildert die Angehörigen
der verschleierten Kamelnomaden als kräftig und wohlgenährt "trotz" ihrer
Nahrung aus Fleisch, Butter und Milch, die oft als Wasserersatz verwendet
würde, sowie deren Hirseimporte aus dem Sudan (1965: 321, 339). Den
Lemtuna [Lamtuna, ar.], einer der Hauptgruppierungen der verschleierten
Sahara-Berber, die sich fern der bebauten Gebiete von Milch und Kamelfleisch
nährten, schreibt Ibn Khaldun (14. Jh.) das für seine Zeit extrem hohe
Alter von 80 Jahren zu (1969 II: 64, 65). Bei Leo Africanus (16. Jh.) gelten
zwar die Libyer als kurzlebiger als die Atlasberber, doch sagt er" ... obwohl
sie <die Libyer> schlank und mager sind, bleiben sie doch gesund und munter
bis in die sechziger Jahre. Das Leben der Schwarzen in Nigritien <Sudan> ist
viel kürzer als das der anderen V ölker." (1984: 14 ). Die klassischen Forschungsreisenden
des 19. Jh. schließlich bezeugen diese Gegebenheiten vielfach in
ihren Schilderungen wie auch durch die am eigenen Leibe erfahrenen Krankheiten
in den subsaharischen Gebieten.
C) Zurückhaltung und Distanz
Bei den 1\vareg besteht ein deutliches Bewußtsein der Einschleppungsgefahr
von Infektionen in ihre verstreuten Lager und Ortschaften; Karawanen,
die ansteckende Kranke mit sich führten, mußten dies durch einen Vorausboten
melden und windabseitig in Distanz lagern. Das Erkrankungsrisiko von
Mensch und Tier bei Südwanderungen, bei den Tieren noch verstärkt durch ungewohnte
Futterpflanzen, gehört zu den vorrangigen Besorgnissen. Die Vorstellung
der Begünstigung des geschützten nomadischen Lebensraumes findet sich auch
in der metaphysischen Weltsicht der l'wareg wieder.
Ihre Wohngebiete, vor allem die Gunstzonen der W üstengebirge und
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Weidezonen, gelten als Bereich der göttlichen Segenskraft baraka und stehen
im Gegensatz zur außerhalb gelegenen Welt der Leere (asu.f) und des Unheils
im konkreten wie übertragenen Sinne. Baraka-Verlust durch Tabuverletzungen,
insbesondere das Vergießen von Milch, dem baraka-Medium par excellence,
werden deshalb z.B. als Ursachen für Dürren ganzer Regionen angesehen
(Nicolaisen 1961: 122).
Die kollektive Zurückgezogenheit setzt sich fort in der Aufsplitterung
der Familien (ehan 'Zelt') und Wohneinheiten (ayiwan), ideell in der Abgrenzung
gegenüber der unbelebten Einöde asuf, der geisterbewohnten Gegenwelt
zum Wohnbereich der Zelte und Lager. Jedes Zelt lagert für sich, sagen
die Twareg: ak ahan YfJ?a'I fol (i)man-net (H). Die individuelle, psychologische
Entsprechung eines Lebenskonzeptes der Vereinzelung und Distanz in
sozialer wie emotionaler Hinsicht manifestiert sich in der Verhaltensnorm der
'Zurückhaltung und Scheu' (takaraket). Äußerliches Attribut dieser Haltung
ist der Gesichtsschleier der Männer, der Durchwanderer der Einöde asuf, eine
Abschirmung gegen die Umwelt im konkreten wie übertragenen Sinn. Als
"Fliegenmünder" wurden die Unverschleierten von den Vorfahren derTwareg verspottet
(Abou Obeid EI Bekri 1965: 321).
II. Die Medizin der Nomaden
A) Praxis und Methoden
Die Notwendigkeit auch medizinischer Selbstversorgung gehört zu den
Grundcharakteristika nomadischer Viehhaltung und Karawanenwirtschaft ( vgl.
Ritter 1980: 60). übereinstimmend mit den Erfordernissen der Herdenbetreuung,
der Naturbewältigung und einer relativ isolierten Lebensweise
besteht ein pragmatischer Umgang mit dem Phänomen "Krankheit"; basismedizinische
Kenntnisse auf praktisch-empirischer Grundlage, die z.T. analog
bei Mensch und Tier angewandt werden, sind Allgemeingut.
Hierzu gehören neben Skarifikation, Kauterisation und Schröpfen (Tab.
I: 5, 6) etwa die Wundversorgung (z.B. mit adstringierenden oder desinfizierenden
Agentien), das Nähen von Hautrissen, Gewebsdrainage durch Inzisionen
bei Schwellungen, Frakturschienung (mit plastischer Fixierung z.B. durch
eine Mehlpaste), Geburtshilfe und Wochenbettpflege (Tab. I: 3). Weiter die
Pockenimmunisierung, Isolation infektiös Erkrankter und ihre Pflege durch
immune Personen.
Die physikalische und Kräutermedizin besteht vor allem in der Verabreichung
diverser Heil- und Fiebertees, der Durchführung von Inhalationen,
Schwitzkuren und Einreibungen, insbesondere bei den durch die Umwelt (Hitze,
Kälte, Wind, Regen) und Dysharmonie der Temperatur bedingten Erkran-
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kungen (Tab. I: 1-4, 15). Viele Beschwerden gelten allgemein als nahrungsabhängig
und werden im besonderen auf die Ansammlung schädlicher Stoffe
im Organismus zurückgeführt, worauf sich eine Reihe diätetischer Maßnahmen
und nicht zuletzt die häufige Praxis von Einläufen gründet (Tab. I:
5,12,15,16,17).
B) Tabelle I: ätiologische Kategorien der Krankheiten/Symptome
NATÜRLICHE URSACHEN KRANKHEIT/SYMPTOM MASSNAHMEN
UMWELT
1. Hitze/heiße Zeit
2. Sonne
3. Kälte (t:>s:>mge)/kalte
Zeit; Feuchtigkeit
4. Regen/Regenzeit
INFEKTION
5. Lokalinfektion (Giftansammlung,
Dyskrasie)
6. Sexualkontakt
7. Systemischer Infekt:
Mensch zu Mensch
(Wind = Überträger)
8. regionale Exposition
(Nigerbogen, Sahel)
'Sudanvölker'
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Fieber, allg. (tenäde)
intermittierendes Fieber
(täzzaq), Meningitis
rheumatoide Erkrankungen
(Knochenkälte, t:>s:>mge
tan-yilsan), Urethritis, Gonorrhoe
( t:>s:>mge [tanta/ilwayt]);
Dysmenorrhoe;
intermittierendes Fieber
(täzzaq)
Prävention gegen KälteErkrankung
nach Entbindung
intermittierendes Fieber
der Regenzeit (täzzaq,
atäyälla, z.B. Malaria)
Wundentzündung, begrenzte
Herde/Schwellungen
Syphilis (und ähnliche
chronische kutano-muköse
Erkrankungen)
Pocken, Masern, Windpocken,
Meningitis,
Keuchhusten
'Nigerfieber' (intermittierend,
z.B. Malaria)
Guineawurm
AIDS (SIDA)
kalte Nahrung, kaltes Getränk,
kaltes Bad (Kinder)
(s. 3.)
Sonnen- und Windschutz
Prinzip "contraria
contrariis", Zufuhr
trockener Hitze (Art
Trockensauna in gluterhitztem
Erdloch, heiße
Nahrung und Gewürze)
heiße Speisen, heiße
Waschungen bis I Wo.
postpartal
heiße Nahrung und Gewürze
div. Präparate; Skarifikation,
Kauterisation (s. 16.)
div., auch interne D rastika;
Skarifikation, Kauterisation
Windschutz, Isolation,
Immunisierung
(s. l ., 4.)
(Extraktion)
Meidung (?)
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NAHRUNG
9. Überernährung
10. Mangel (Milch, Tee,
Fleisch); Diätwechsel
11. Milch (anomale
Milchdiät)
12. Milch (v. Kühen
frischer Weide)
13. Käse (frisch, im
Sommer)
14. Datteln (beim Erntebeginn)
DYSHARMONIE
I 5. Hitze/KälteDysharmonie
DYSKRASIE
16. falsche Nahrung, allg.
Diätwechsel nach
Verletzung
17. 'schlechte Galle'
18. 'Blutstörung'
Poliomyelitis
amiru-Syndrom (div.
Haut- und Allgemeinsymptome)
Allergie, Ekzem,
Urtikaria (an:iru)
intermittierendes Fieber
(tazzaq)
intermittierendes Fieber
(tazzaq)
intermittierendes Fieber
der ersten reifen Datteln
(tazaq :in-geran)
Masern
Windpocken
Pocken
Meningitis
Keuchhusten
Furunkel, Abszesse,
Phlegmone, Wundfieber
Gallekrankheit, Gallefieber
(taz:lfnent;
PI. Galle [das Schwarze/
Schwarzgalle])
Konjunktivitis
C) mwoma 'die Krankheit'
Skarifikation (Kopf, Knie,
Rumpf)
Zufuhr hochwertiger
Nahrung (s.u. 16.)
symptomatisch,
div. Präparationen
s. Fieber 1.- 4.
'Antidot': kalte Butter,
Ziegenfleisch, Salz
a) s. Fieber 1.- 4.
b) Fleisch von Igel, Gazelle,
Schakal, wenn geisterl>edingt
warmhalten,Windschutz,
Schwitzkur, aber kalte Speisen
(bei Masern, Pocken Eingraben
in heißem Sand) (s. 5.)
Zufuhr hochwertiger
Nahrung, Vorl>eugungstrunk
(is:infaef) mit multiplen
Nahrungselementen
Galleerl>rechen ( durch Prä-.
parate von Balanites, Senna,
Panicum turgidum etc.)
Skarifikation (Schläfe)
Die dualistische Weltaufassung der Twareg unterscheidet zwischen der natürlichen,
irdischen Welt (Umwelt, Klima, Nahrung) - äddunya (ar.) 'Welt',
'Gesamtheit der vergänglichen Wesen' (F.), ama<)al 'Boden' ('Erde)', alhiwa
(ar.) 'Atmosphäre', a<)u 'Wind' - und der metaphysischen, jenseitigen Welt,
repräsentiert durch Gott, Teufel, Engel, Heilige und Geister; der Zwischenbereich
paranatürlicher Phänomene (Böser Blick, Magie, Hexerei) enthält Elemente
beider Sphären, Grundlage ihrer ambivalenten Wirksamkeit (s. Tab. II).
In der Ätiologie und T herapie von Erkrankungen können sich die einzel-
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nen Bereiche überlagern, so daß jeder Einzelfall einer individuellen und sozialen
Neuinterpretation unterliegt. Der natürliche Unfall (:,/y:,r, (ar.)) des
einen kann bei einem anderen als Folge des Bösen Blicks gelten, die Einnahme
eines Fiebertees steht nicht im Widerspruch zur Behandlung durch den Marabut
und das Trinken einer Koranschriftabwaschung usw. (Imperato 1976:88, 90).
Allgemeine Krankheitsbegriffe: Kranksein, p. ext. Krankheit lautet
torh:,nna (f.) (D N Ud.), torna, turna (HY), t:,w:,rna, taw:,rna (W WE Y G),
V N von irhan, iran 'krank sein' (leicht oder schwer,jede Krankheit); eine den
Geistern zugeschriebene Krankheit/Geisteskrankheit (s. Tab. II) wird allgemein
bezeichnet als taw:,rna n-zannawan, Krankheit der Geister (s.u.). Krank
werden, erkranken wird häufg ausgedrückt mit :,gr:,w, finden; die Krankheit
ist Subjekt, der Erkrankte das Objekt: Er ist krank geworden heißt t:Jgraw-t
torna (H) 'die Krankheit hat ihn gefunden'; ich habe Fieber bekommen, t:,grawi
tazaq (H), 'das Fieber hat mich gefunden' usw.
Mit magar (WE Y) 'sich werfen auf' bezeichnet man den plötzlichen Beginn
einer Krankheit (bes. von Infektionskrankheiten wie Masern, aber auch
von Geisteskrankheiten, s.u.); die Krankheit ist Subjekt, sie 'wirft' sich auf
die betrefende Person. Die chronische, rezidivierende Krankheit heißt amuy:,J
(H) 'einer, der immer wieder kommt, ein gewohnheitsmäßig Zurückkehrender'.
Mit demselben Wort wird auch ein Abhängiger/Klient bezeichnet, der
um seiner GabenNersorgung willen notorisch zum Geber "zurückkehrt".
Mit einer Infektion (anifacj) verbindet sich die Vorstellung der Ansammlung
flüssiger, giftiger Substanzen in der erkrankten Person/dem erkrankten
Körperteil (Tab. I: 5-8, 16). An einer Infektionskrankheit erkranken, sich anstecken
wird oft ausgedrückt mit nahay 'angesammelt werden in' (refl., pass.
< ahay 'rauben, sammeln'); mit demselben Wort wird auch das Sich-Ansammeln
von Wasser in einem Brunnen oder in Wolken bezeichnet. Wieder ist die
Krankheit Subjekt: Kuka (NP f.) 'ist an Pocken erkrankt/hat sich mit Pocken
angesteckt', b:,di yanehay day Ku,ka (H) (lit.: 'die Pocken haben sich angesammelt
in Kuka').
Das Verbum :,nt:,/ 'gestellt werden unter (etwas Überlaufendes, um es
aufzufangen/sich damit zu füllen)' bezeichnet p. ext. auch den Vorgang einer
schweren örtlichen Infektion, z.B. einer Phlegmone oder ausgedehnter Abszesse
etc.; Subjekt ist die infizierte Körperstelle, die die (eingedrungene)
Infektion aufängt/sich mit der Infektionsflüssigkeit anfüllt.
:,nfi<J. (H) bedeutet allgemein 'sich entzünden/infizieren' GB: 'sich vergiften'
(vgl. 'Blutvergiftung'); als Ursache wird z.B. der Wechsel der gewohnten
Nahrungszusammensetzung angesehen (F.) (s. Tab. I: 5, 16). Schließlich
soll noch erwähnt werden, daß ein eigenes Wort die Syphilisinfektion ( amahar,
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amiisar, amazar) bezeichnet; :1mhar (H), :1msar (D N), :1m:i.:Jr (WE Y) etc. 'mit
Syphilis infiziert werden, sich mit Syphilis infizieren'.
D) Vorbeugung und Behandlung
1. Exposition
Zu den allgemeinen Vorbeugungsmaßnahmen gehört die Förderung der
Abhärtung und Abwehrstärkung bei Kindern durch eine bewußte Exposition
gegenüber den Einflüssen der Umwelt, wie Hitze, Kälte, Wind und Staub
etc.; dies geschieht u.a. dadurch, daß man sie absichtlich monatelang unbekleidet
läßt.
2. Kauterisation (örtl. Gewebszerstörung durch Hitzeanwendung/Ausbrennen)
Mit dieser alten und universell verbreiteten Methode, von Mohammed
und der Prophetenmedizin wegen ihrer präislamischen Tradition abgelehnt,
wird eine radikale örtliche Wund- und Gewebsdesinfektion bewirkt, möglicherweise
auch eine unspezifische systemische Immunstimulation (Neuhaus 1982:
535, Valsik, Hussein 1975). In einheimischer Sicht verbindet sich mit dem Einbrennen
von Kreisen, Strichen, Punkten usw. in die Haut die Vorstellung einer
("magischen") Eingrenzung und Bannung des eingedrungenen Übels; dieses Verfahren
enthält somit therapeutische wie präventive Elemente (Tab. I: 5, 6).
Die allgemeine Bezeichnung für die Kauterisation in Form von Punkten,
Kreisen oder Streifen (bei Mensch oder Tier) ist teqqet (H), siqqet, ifaqqet
(WE Y), VN von :1qq:1d 'brennen' [ < waqada, ar.: '( ent-)brennen']. Ein massiveres
Ausbrennen wird mit tar:1kemt (H) bezeichnet, VN von ru.km:Jt (H)
'erstickend/glühend heiß sein'. Eine Art serielles "Pünkteln" der Haut durch
kurzes Antippen mit einem glühenden Objekt heißt taw:1sw:1st 'Kochen', VN
von aws 'kochen (intr.), in kochendem Zustand sein'.
In dieser Bezeichnung mag sich die Analogie zur alten Kochmethode des
Garens von Fleisch mittels erhitzter Festkörper/Kochsteine i<)ayan (H) erhalten
haben, die von den Twareg (bes. den Jägern) noch praktiziert wird (vgl.
z.B. ta,fa (Y), GB: 'Pansen'; p. ext. 'durch Füllung mit heißen Steinen zubereiteter
Gazellenmagen').
3. Skarifikation (Hautritzung)
Bei den Twareg ist hierunter die absichtliche, oberflächliche Hautritzung
(Inzision) aus medizinischen Gründen zu verstehen, im allgemeinen ohne Einbringung
von Substanzen. Der übliche Terminus ist tagezt (WE Y), teggeht
(H), Pl. tiggah, sig:1yaz 'das Einschneiden/Ritzen', VN von :1gy:1z (mer.),
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;Jgäh (H), 'die Haut einschneiden/ritzen'; p. ext. auch 'einschneiden, wn zu
impfen (s.u.)'.
Abgesehen von den therapeutischen Skarifikationen aus verschiedensten
Indikationen (Tab. I: 5, 6, 18) ist hier vor allem die prophylaktische Durchführung
zur Kräftigung der Kinder und Vorbeugung gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung)
;Jmawal (WE Y) bedeutsam (Tab. I: 9).
Bei den Südtwareg (Iwellemmedan, Ifoghas) werden Kleinkindern im
Alter zwischen zwei und fünf Jahren wiederholt an den Schläfen, Schultern
und oberhalb der Knie Skarifikationen zugefügt(Bernus 1969: 116, 1981: 236);
ähnlich verfährt man im Ahaggar: "Wenn das Kind auf allen V ieren zu laufen
beginnt, werden kleine Skarifikationen beidseits am Kopf (zwischen Schläfe
und Ohr) angebracht, sowie in der Lendengegend (man sagt, daß dies das
Kind kräftigt und es schneller laufen lernen läßt)" (F. 1922, F./Ch. 1984: 88).
Auffällig sind die Analogien zur Kauterisation der vierjährigen Kinder
bei den antiken libyschen Nomaden, die Herodot (1971, IV: 321) schildert
(zur Frage der historischen Verbindung zwischen den 1\vareg und den antiken
Libyern vgl. z.B. Bates 1970, Lhote 1955: 90 f, Rössler 1980, V ycichl 1956,
Norris 1975: X-XV ): "Diese libyschen Nomadenvölker nämlich - ob alle,
kann ich nicht mit Sicherheit sagen, jedenfalls viele - tun folgendes mit ihren
Kindern. Wenn dieselben vier Jahre alt sind, brennen sie ihnen mit Schafmist
die Adern auf dem Scheitel aus, einige auch an den Schläfen. Das Phlegma
soll nicht aus dem Kopfe in den Körper strömen ... darwn seien sie so sehr
gesund, behaupten sie. In der Tat sind die Libyer die gesundesten Menschen,
von denen wir wissen ... ".
4. Traditionelle Immunisierung
a) Pocken (Blattern; Variola major oder vera; Erkrankung durch Infektion
mit dem Pockenvirus [Poxvirus]): b;Jdi (H D WE Ghat) [vgl. Son., Kd.
bido, bidi: Pocken (Prost 1956, Ducroz & Charles 1978)]; auf das Pockenexanthem
(Pockenpusteln) bezieht sich die Bezeichnung ärk-a.fak, erk-;Jfak
(WE Y), GB: 'schlechter/schlimmer Ausschlag' (s. Tab. I: 7).
Variolation. Die Methode zur Immunisierung gegen Pocken durch direkte
Inokulation infektiösen, das Pockenvirus enthaltenden Materials von Erkrankten
(Pustelinhalt) wird als Variolation bezeichnet (im Unterschied zur
Impfung mittels Präparationen des für den Menschen kawn gefährlichen
Kuhpockenvirus, mittlerweile wegen der weltweiten Pockenausrottung ohne
praktische Bedeutung).
Die ältesten Belege der Variolation stammen aus China. In Amerika wurde
sie 1716 durch westafrikanische Sklaven bekannt, im 19. Jh. berichtete
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Mungo Park darüber (Senegal, Gambia), sowie H. Barth (s.u.), inzwischen ist
sie für fast alle V ölker des Nigerbogens belegt (Imperato 1976: 163). Beispiele
für die Twareg nennen etwa Foley 1930, Doury 1959, Bernus 1969: 114, F./
Ch. 1984: 110 (nach F. 1922).
Die Twaregbezeichnungen leiten sich von der Grundbedeutung des 'Hautritzens'
(teggeht) ab (s.o.), insbesondere bezeichnen die Pluralfonnen tiggah
(H), siggyaz (WW WE) die "Impfung", sowohl nach der traditionellen Methode
der Variolation wie auch die moderne Impfung. Gegen Pocken impfen
heißt ggah i-bgdi (H) oder auch afg/ (WE Y); aus der Grundbedeutung von
efg/ 'gerben/gegerbt werden' sprechen die massiven Impfolgen, die ein
Geimpfter nach dieser Prophylaxe oft durchmachen mußte.
Die Impfolgen hängen von der Virulenz des Impfmaterials wie auch
von der Impftechnik ab. Der Impfstof darf nur in die obersten Hautschichten
eingebracht werden, als Instrumente dienten feine Messer oder Akaziendornen;
nach Möglichkeit wird der Pustelinhalt von Kranken mit mildem Verlauf verwendet.
Durchführende waren bei den Twareg vor allem Schmiede, Marabuts
und erfahrene alte Männer, oft aus der Klasse der Bella (Bella, akli n-bella
(SW-Twareg) [bella, Son.]) (Imperato 1976: 167).
Die Pockenimpfung wurde aufgrund ihrer potentiellen Gefährlichkeit
nur von einigen Gruppen durchgeführt. 'Im Ahaggar wird nicht, wie im Twat
geimpft; man fürchtet den Tod' (sc. durch die Impfung): Ahaggar kala wariggeh
hund Tawat; aksöc;lan tamattant (H) (F. 1922, F./Ch. 1984: 110). Von manchen
strenggläubigen Moslems wurde sie auch abgelehnt, da sie der göttlichen
Vorherbestimmung zuwiderliefe (Barth 1857, I: 465).
Die Folgen der Pockenimpfung illustriert ein Gedicht von Eljilani (um
1815): 'Sie hatten ein kleines Lager der Iberkorayan geplündert, in welchem
sich Impfung und (Wund-)Fäulnis mischte': oyan-du tgyiwant ;}n-B;}rkoräyan,
day tgrfäy tgggyezt gd-wa-rJssJcjan (WE) (Alojaly 1975:47).
Im Erkrankungs- und Verdachts/all wird eine Art Quarantäne eingehalten
(ebenso bei Masern und Windpocken, den anderen fliegenden Infektionen).
Der Erkrankte wird auf der windabgewandten Seite des Lagers isoliert und
nur von Personen gepflegt, bei denen aufgrund durchgemachter Pocken mit
Immunität gerechnet werden kann (Ahaggar).
BJdi, kud igraw iyan, ad-yakk tenere, ad-yaggg addunat. 'Wenn einer die
Pocken hat, geht er in die Einöde und hält sich fern von den Leuten .. .'
(Ahaggar) (F./Ch. I 984: 110).
b) Pleuropneumonia infectiosa (peripneumonie bovine, fr.). si-n-tarut
(WE), 'die ( sc. Erkrankung) der Lunge'. Gegen diese gefährliche Lungenbrustfellentzündung
der Rinder ( durch Infektion mit Mycoplasma mycoides) wird
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eine Immunisierung versucht, indem ein präpariertes Stück Lungengewebe
eines an dieser Infektion verendeten Tieres unter die Stirnhaut gesunder Tiere
eingebracht wird (Bernus 1969: 129, Nicolaisen 1961: 145 & 1963:119, Nicolas
1950: 133).
5. Masern
(Morbilli; rougeole, fr.). Diese zyklisch auftretende Virusinfektion stellt
die gefährlichste Kinderkrankheit Afrikas dar. Sie erfaßt, im Unterschied zu
den Verhältnissen in den Industrieländern, hier vor allem die jungen Kleinkinder
(Erkrankungsalter in etwa 80% der Fälle zwischen 1/2 und 2 Jahren;
Sterblichkeit 15-20%, z.T. bis 50%) (lmperato 1976: 138, Cruickshank 1976).
a) Begrife (man beachte die jeweiligen regionalen/dialektalen Variationen
und Überschneidungen mit den Benennungen für die vergleichbaren exanthematischen
Infektionskrankheiten wie Windpocken, Alastrim und Pocken).
Nach F. ist bei den Hoggartwareg als Hauptbezeichnung für Masern der
Terminus hägäy (H) üblich, 'die rote Krankheit', abgeleitet von ihway (Pf.
hägäy) 'rot sein' ( die dialektalen Varianten zägäy (WE Y) und sägay (D) in
den Süddialekten bezeichnen jedoch die Windpocken [Varicella ]).
Die Bezeichnung für Masern bei den Südtwareg und in Ghat dagegen ist
lumt (mer. & Gh.) oder lumatt (D? N) (im Ahaggar bezeichnet lumt die
Windpocken [Varicella] oder auch die pockenähnliche Erkrankung Alastrim
[Variola minor, weiße Pocken]) [ vgl. Son. lumoto: maladie eruptive a petits
boutons (Prost 1956)].
Auf den Masernausschlag beziehen sich die Benennungen mit der Grundbedeutung
'Punkte' oder 'Pünktchen', wie c:Jtbqqa, sit:Jb:Jqqa (mer.), 'kleine
Punkte'.
b) Behandlung (s. Tab. I: 7, 15). Der hochkontagiöse Charakter dieser
Erkrankung und die Ausbildung einer Immunität nach Überstehen der Infektion
ist allgemein bekannt. Die Isolation und Krankenbetreuung durch eine
immune Person entspricht dem Verfahren bei einer Pockenerkrankung
(Ahaggar) (F./Ch. 1984: 110, 111), bei manchen Twareg wird der Erkrankte
auch im Zelt verborgen (z.B. bei den Twareg Ifoghas); das Verbergen an Masern
Erkrankter wird von fast allen Populationen des Nigerbogens, ausgenommen
z.B. den Twareg von Gourma, praktiziert (Imperato 1976: 143).
In den einzelnen Phasen des Masernexanthems werden besondere Hautbehandlungen
durchgeführt. Zunächst soll im Prodromalstadium das Ausbrechen
des Vor-Exanthems (Rash) mit hautreizenden Verfahren beschleunigt
werden, da dessen massiver Ausbruch als gutes prognostisches Zeichen gilt. Man
nimmt an, daß damit die ('angesammelte') Infektion den Körper zu verlassen
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beginnt und daß bei unterdrücktem Verlauf eine schlechte Prognose besteht (s.
Tab.1:5).Im nachfolgenden Exanthemstadium wird versucht, den Masernausschlag
(Masernexanthem, sit.Jbqa) zum Abklingen zu bringen und ihn auszutrocknen.
Bei den Hoggartwareg wird der Patient hierzu z.B. im Freien in heißem
Sand eingegraben, ein Kind innerhalb des Zeltes (F./Ch. 1984: 111), üblich ist
auch eine Einreibung mit einer Paste aus Wasser und rotem Ocker (tamaghoyt
etc.) (F., Bemus 1969: 114: WE, Kidal) (Analogie der roten Farbe; vgl. Herodot
(1971, IV : 323) über die östlichen Libyer: "Alle diese Völker bemalen sich
mi. t Me nn1. g ... ")
Eine weitere wichtige Rolle wird der Krankendiät zugeschrieben (Tab. I:
15.). Während des Fiebers soll sie prinzipiell kalt sein, weiterhin leicht und
flüssig. So gibt man vorwiegend kalte Milch, Hirsesoße oder kalten Hirsebrei
(Bemus 1969: WE: Ilabakkan) oder eine reine Milchdiät (manche Twareg des
Nigerbogens, vor allem aber die nomadischen Peul und Sarakolle), die Bella
reduzieren den Fleischkonsum; bei den Twareg von Dire wird die Fischgabe
vermehrt (im Unterschied zu den Bambara, Bozo, Dogon u.a. seßhaften Gruppen,
bei denen eine Eiweißreduktion üblich ist) (Imperato 1976: 148).
III. Metaphysische Kräfte und Mächte
A) Tabelle II: Ursachen und Maßnahmen
URSACHEN KRANKHEIT/SYMPTOM MASSNAHMEN
Strafe von Gott (Mass-ina)() jede Krankheit
Engeln (wigalos)
baraka-Verlust durch Einfluß
des Teufels (lblis), der
Geister, die Wirkung anderer
negativer Kräfte
(Böser Blick, tahot (H),
tegarsak (WE)), unwillkürliche
Unglückskräfte (arum,
tzma, at,ama), Bruch eines
Tabus (käseda (ha.) (H),
aharik (ar.) (H)), Schadenzauber,
Hexerei (ekaläw
(ar.), addabara (ar.))
jede Erkrankung, bes.
Geisteskrankheiten, Epilepsie,
Tollwut, Unfruchtbarkeit,
Fehlgeburt, Mißbildungen,
maligne und
konsumierende Erkrankungen
(Krebs, TBC),
Epidemien (Masern,
Pocken, Meningitis),
Augenleiden
Gebete, fromme Lebensführung
Ursachenklärung (Orakel);
Stärkung des baraka/allg.
Abwehr negativer Kräfte:
Gebet, Amulett, Talisman,
Schriftabwaschung
Exorzismen: Fumigationen
(Harz, Pflanzenpräparate),
Tieropfer (Blutriten), Musik,
Tanz, Schock, Suggestion,
Krankheitsbannung, Isolation
Vampirismus (a?nbubu
(H), asnbubi (WE Y),
'das Saugen [von ferne]')
Auszehrung, Schwindsucht Gegenzauber (durch Marabut/
(TBC) (auch Seelenverlust?) Magier)
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B) Psyche und Geist
Vor allem die akut aus voller Gesundheit auftretenden geistig-psychischen
Alterationen, Wahnzustände und psychotischen Symptome gelten als
Folge der direkten Einwirkung von (bösen) Geistern. Hierbei bezieht man
sich im allgemeinen auf eine kollektive Geisterwelt ohne personifizierte Einzelgeister
oder detaillierte Ätiologien zu einzelnen Manifestationen, wie sie etwa
aus den komplexen Geisterkatalogen und -kulten der Hausa oder Songhay
bekannt sind (Greenberg 1946: 30 f, Rouch 1960, Broustra-Monfouga 1973,
Päques 1964, Trimingham 1959).
1. Interne und externe Geister
a) einzelne Geistwesen. Vereinzelt sind bestimmte individuelle Geistwesen
(oft mit foppendem Charakter) bekannt (Ahaggar, Azawagh [Azaway], Ayr)
(F./Ch. 1984: 296; Bernus 1969: 133,Rodd 1926: 281, Casajus 1987: 264), wie
auch zu Geistern modifizierte (Heiligen-) Gestalten islamischer Tradition
(Nicolaisen 1961: 118, Gh./Pr. 1990: 11, 28, 31). Im Ayrgebiet scheint auch die
Vorstellung eines dem Menschen innewohnenden Individualgeistes zu bestehen
(Card 1982: 148), vergleichbar der Kategorie persönlich erworbener Geister
bei den Hausa (Greenberg 1946: 44), doch überlagert sich dieses Konzept
mit der Trieb- und Afektkraft iblis (s.u.).
b) k:J/-.Jsuf, 'die Wesen der Einöde'. Diese allen Twareg bekannten, ubiquitären
Kollektivgeister heißen k.JI-.Jsuf, kal.-asuf 'die Wesen (GB: Leute) der
Wildnis/Einöde/Leere'. Weitere Benennungen sind k:JI ama<)al 'Wesen des
Bodens/der Erde' [ah.JI .J!-trab , ar.], k.J/-tanere 'Wesen der Einöde/Wüste',
kal.-arug (D) 'Wesen der Wildnis/des Busches' (eigentlich 'Tales'), k.JI-.Jha<)
'Wesen der Nacht' sowie amdun, PI. imdunen. Für böse Geister (Dämonen)
ist auch der Terminus .Jjri (Y) und a/y{(rit (N) [•ifrit, ar.] belegt.
Die k:Jl-asuf gelten als anthropomorphe, ihre Gestalt wandelnde und nach
Belieben unsichtbare Wesen der einsamen Regionen, eine Art Schattengesellschaft
der Lebenden. Sie bilden Familien, sind sterblich und stammen nach
den meisten Quellen nicht von den Seelen der Toten ab. Da sie Blut lieben,
spielen die Tieropfer, etwa bei der Namensgebung, Hochzeit und auch Erkrankungen
eine wichtige Rolle. (vgl. Ritter 1990: 48, 49). Bei verschiedenen,
vor allem fieberhaften Erkrankungen versucht man, sie durch das dem
Kranken übergegossene Blut des Opfertieres (meist einer Ziege) aus dem
Körper herauszulocken (s. Tab. II).
Djinn: alhin, PI. alhinan (H), alsin (SW-Dial.), a/za.yn (WE), elin (Y)
[a/-ginn, Pl. a!-g.Jnun, ar.: 'Geist, Dämon, Djinn']. Zu diesem aus dem Arabischen
stammenden, häufigen Terminus etc. ist anzumerken, daß die heute
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weitgehende Synonymität mit k:1/-:1suf etc. wohl auf einer sekundären Konvergenz
beruht (etwa der präislamisch-berberischen Naturgeister, der arabisch-
islamischen Djinn und der wandernden Seelen der Toten, eine bei marokkanischen
Berbern verbreitete Vorstellung) (vgl. Riter 1986: 40, Gh./
P r.1990: 30, Casajus 1987: 261-265). Mit der von Casajus (1987: 248ft) vertretenen
T hese einer Metamorphose der Seelen der Toten in die k:1l-:1suf bei
den K:1l-F:1rwan (Ayr) wird eine weitere spirituelle Dimension angesprochen,
die im Geisterglauben der Twareg enthalten sein mag, wenngleich sie nicht mit
der vielfach belegten Vorstellung von der Sterblichkeit der k:1/-äYu/übereinstimt.
Sprachliche Spuren einer vormals heterogenen Geisterwelt könnten z.B.
darin zu sehen sein, daß mit der Kollektivbezeichnung k:1l-:1suf etc. eher die
externe Geisterwelt benannt wird, dagegen in Wendungen mit alhinen etc.
häufig die Konnotation der individuellen Interaktion eines Betrofenen mit
einem Geist enthalten ist. So werden die Termini und Wendungen im Zusammenhang
mit 'Verrücktheit' etc., im konkreten wie übertragenen Sinn (verrückt
nach ... , s.u.), meist mit alhin, alsin etc. gebildet, wogegen die k:1/-:1suf
vornehmlich im Sinne von k:1/-ämfuja/ 'Wesen des Bodens' usw. als chthonische
Geister des äußeren, leeren Raumes verstanden werden, welche die Einöde
asuf durchwandern und sich in den Naturerscheinungen zeigen.
2. Erkrankungen durch die Geister (s. Tab. II)
Für die bei den Twareg keineswegs seltenen psychiatrischen Erkrankungen
und Verhaltensabnormitäten besteht ein reichhaltiges Vokabular, welches
mit einigen Termini illustrier t werden soll, aus denen sich allgemein die Vorstellung
einer exogenen Genese und im Besonderen auch des Einwirkens der
Geister ablesen läßt (s. Tab. II).
Die 'Geister-Krankheit' allgemein heißt tiIBJ:Jrna ta-n-äli.aynan (WE) oder
t:1w:1rna ta-n-k:Jl-:Jsuf Eine verrückte Person wird als emälläian & f. 'Geistesbesessene(
r)', i-n-alhin & f. 'eine(r) des Geistes' oder ag-, w ält-alhin 'Sohn/
Tochter des Geistes' (PI. kel-, set-alhin) bezeichnet (H).
ih-e alhin (H & a.D.) 'in ihm ist ein (böser) Geist' bedeutet verrückt sein,
auch ausgedrückt mit Verben wie :1w:1t, awt ('schlagen, packen'), :1ggah ('eintreten
in'), :1gr:1w ('finden, erfassen'), so etwa :1grawan-t (-tat) alhinin (H &
a.D.) 'die Geister haben ihn/sie gepackt'. Dagegen heißt äl alhinan (H) ('die
[bösen] Geister besitzen'): mit ihnen im Bunde sein, Macht über sie haben
(eine Fähigkeit, die bestimmten Personen zugeschrieben wird).
Verschiedene Ausdrücke mit Geist (alhin) oder iblis ('Afekt, Triebkraft
[Dämon]') werden auch im übertragenen Sinne zum Ausdruck von Erstaunen,
Anerkennung, Mißbilligung etc. verwendet, wie z.B. Biska ist verrückt
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('In ihm ist ein Geist'), immerzu reist er, Biska, ih-e alhin, abädah isakal (H);
Mimi macht alle Männer verrückt (vor Liebe): Mimi t:,ga alhin day meddan
:,mdan (H) (F.).
Weitere Termini sind z.B.:
- von (bösen) Geistern ergrifen (worden) sein: :,bz:,g (WE Y)
- ein wenig verrückt (übergeschnappt) sein, einen Tick/Vogel/eine Schraube
locker haben etc.: ahw:,l (H), GB: 'gezeichnet/gestempelt sein mit einer
Eigentumsmarke (sc. der Geister)'.
- verrückt (besessen i.e.S.) sein: n:Jmiway (H), GB: 'gemeinsam reisen', d.h.
''.jemanden 'aufsitzen' haben, vom bösen Geist geritten werden"
- vom Wahn befallen/besessen sein: ta (WE Y), GB: 'berührt/getrofen
sein'(< :,t;f:,s 'berühren').
- vom Irrsinn befallen/besessen sein: tabd{ry (WE Y), GB: 'heftig gestoßen/
getrieben sein/werden' ( < :Jbd:,y 'gewaltsam stoßen')
- verrückt sein/werden (von Sinnen sein): maskal (WE Y), GB: 'ausgetauscht
werden', davon :Jmeskel (:,m-man) 'Austausch ( der Seele/Persönlichkeit)'
als Bezeichnung für Verrücktheit, Verwirrtheit.
Als Synonym zu agellal (H) 'Nervenkrise' (Bezeichnung eines psychischen
Grenzzustandes), VN von gulfal 'eine Nervenkrise haben' gibt F. den
Terminus buri (H) an, eine sehr abgeschwächte Erinnerung an das Böri-Kultwesen
der Hausa mit seinen Anklängen bei den SO-Twareg [vgl. b6rf, ha.:
'the cult of being spirit-possessed' ( Abraham 1962)].
C) Behandlung
1. Tanz- und Musiktherapie
Die therapeutische Anwendung von Musik bestimmter Instrumente erfolgt
im Rahmen verschiedenartiger Heilzeremonien, oft unterstützt von Tanz,
Gesang, Händeklatschen und dem ta!}am/μlmt-Geräusch der Männer (s.u.).
Wie auch in den Böri-Kulten handelt es sich bei den Patienten in überwiegender
Zahl um Frauen. Die konzeptuelle Grundlage dieser Musiktherapie ist die
Vorstellung einer prinzipiellen Afinität der Geister zur Musik, die sich auf
die ihr immanente iblis-Qualität gründet (s.u. baraka und iblis) und insbesondere
mit dem Spiel bestimmter, relativ langsamer Rhythmen verbunden wird.
"spirits are attracted to music ... " (Card 1982: 148).
Als Medium der iblis-Kraft steht die Musikjedoch außerhalb der islamischen
Orthodoxie, so daß die frommen 1\vareg und /n:,sfaman sie den "Wilden"
(buzu, iw:Jnnawan) zuordnen und ihr mit Ablehnung und Verachtung
begegnen. Auch von vielen Marabuts wird sie bekämpft, ganz in der Tradition
mancher fundamentalistischer Erneuerer, wie z.B. des K:,/-D:,nn:Jg-Führers
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Elj ilani ( Elliilani) (Anf. 19. Jh. ), der das generelle Verbot jeder nicht-sakralen
Musikdarbietung betrieben hatte (Norris 1975: 148).
In der Musik verbinden sich die verschiedenen Dimensionen der ib/isTriebkraft,
die gleichermaßen den Bereich der Ekstase, Erotik und Sexualität
bestimmt. im?ad 'Geige' und tende 'Mörser/Trommel', die essentiellen Instrumente
der "Liebestrefs" junger Leute, sind so eng mit der erotischen
Komponente von iblis assoziiert, daß diese Begrife gegenüber Respektspersonen
nicht ausgesprochen werden dürfen.
a) die Geige: im?&J (H), em?,M (D N), an?&J (WW WE), nμ<;l (Y), GB:
'Haar, Saite'. Das therapeutische Geigenspiel kann im Familien- oder Gruppenrahmen
erfolgen, wie auch als individuelles Spiel für einen einzelnen Patienten;
oft wird es von Frauengruppen durchgeführt, in deren Mitte sich die
Patientin befindet. Je nach Erfolg werden die therapeutischen Sitzungen wiederholt,
manchmal über Wochen. Dabei werden unterschiedliche Melodien
(i?fan, Sg. a?l, ar,a], GB: 'Zweig') und Rhythmen (agayan, Sg. agay (WE),
GB: 'langsamer Galopp des Pferdes') gespielt, bis eine Wirkung erfolgt.
b) therapeutisches Trommelfest (musical curing ceremony featuring the
mortar drum, Card 1982: 145). Die SO-Twareg, deutlich von den Hausa beeinflußt,
nennen diese Zeremonie tende n-gumatan (WE Y), etwa übersetzbar
mit 'Trommelfest der Patientinnen' oder auch iüianun 'die Geister'. [vgl. ha.
gumä 'tired person, disgusted person' (Abraham 1962), gomä 'alte Frau,
Matrone' (Sk.) (Mischlich 1906)).
Neben dem begleitenden Frauenchor und dem Rhythmus des Händeklatschens
ist eine eigentümliche akustische Begleitung durch die Männer
bemerkenswert, ein brummend-knurrendes Bronchial-Nasalgeräusch mit werbend-
drohendem Charakter, genannt ta/}aml}amt (H) oder ta/}aml}am (Y), 'das
Wiehern' [ < 1).aml).ama, ar.: 'wiehern'].
Die in Festgewänder gekleideten, mit Duftstofen (iblis-Qualität) besprühten
Teilnehmer bilden einen Kreis um die Patientin (guma, WE Y), deren Kopf
mit einem Tuch verhüllt wird. Sie verhält sich teils reglos passiv, teils führt sie
einen spontanen 'Besessenheitstanz' aus, oft in der besonderen Form des sitzenden
'Tanzens' (tagst (WE Y)) mit rhythmisch wiegenden Bewegungen von
Oberkörper, Kopf und Armen. Nach dem therapeutisch angestrebten Kollaps
( a!Jalad) wird sie mit Waser besprengt und abgerieben (Riter 1986: 213, Bernus
1969, Card 1982: 146, Casajus 1979: 147). Bei den 1\vareg des Ayr gilt ein
dreimaliger Kollaps als Zeichen der Heilung (Nicolaisen 1961: 127, 132).
2. Weitere Verfahren
a) das Messer: lmosi (ar.) (WE). Dieses komplexe, drastische Verfahren
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einer Reizschocktherapie kommt nur in sehr schweren, sonst 'hoffnungslosen'
Fällen zur Durchführung; seine Elemente verbinden multiple Hitzeirritationen
der Haut, Isolation und Fumigationen im Rahmen eines islamisierten
Rituals. Dabei dient eine Messerklinge, die per se bereits apotropäische
Eigenschaften hat, zum seriellen Setzen oberflächlicher Glutreizpunkte
(Bernus 1969: 124); eine derartige Praxis wird im Ahaggar taw:)SW:)St genannt,
'das Kochen'; sie erinnert an eine Art Primitivvariante einer Kombination
aus Akupunktur und Elektroschock.
b) das Geistergrab. Dieses Verfahren einer Suggestionstherapie in Verbindung
mit Stein- und Grabkultelementen und einem symbolischen Geschlechterwechsel
des Patienten wird zur Behandlung des sogenannten 'W üstenkollers'
(plötzlich auftretende Verwirrtheitszustände und Desorientiertheit auf
Grund von Erschöpfung und Isolation, oft auch nach Sandstürmen) angewandt.
yaro (Y G) [? <ydro, ha.: 'Kind, Junge']: "Wir bauen nachts aus Steinen
ein kleines Grab und zeigen es ihm am Morgen: Schau, du bist zur Frau geworden,
du hast entbunden. Aber das Kind ist gestorben, hier ist sein Grab.
Und wenn er Glück hat, verlassen ihn die Geister wieder." (Twareg der Region
Agadez-Marandet) (Ritter 1980: 36).
c) Isolation. In unheilbaren Fällen entschließt man sich zur Isolation des
Patienten abseits der Wohnplätze, d.h. im Bereich der Geister oder ggf. auch
zur dauerhaften Übergabe an einen Marabut.
IY. Die Heilkräfte und ihre Vermittler
A) Verwandte, Experten und Heiler
Die erste Heilinstanz ist die engere (ehan) oder weitere (ayiwan) Familie
mit dem Erfahrungswissen älterer Personen; in manchen Fällen gilt die Behandlung
durch bestimmte Verwandte oder Personen als besonders heilträchtig
(Kreuzvetter, Kreuzkusine, Mutter von Zwillingen). Bei Erfolglosigkeit der
familiären Behandlung werden externe medizinische Instanzen angesprochen,
die oft anderen Klassen, Schichten und/oder Ethnien angehören.
1. die Kener, Experten, spezialisierte Laien, die im Ruf guter intuitivempirischer
Medizinkenntnisse stehen: amuzay (H) (m. Sg.) & f. tamuzayt, abgeleitet
von :)Zz:)y '(durch Erfahrung) wissen/verstehen'; ihnen kann auch die Hebamme
zugerechnet werden, genannt t:)nakbalt [qäbla, ar. mar.] tenasmägält
(WE Y) ('Heilerin') oder auch tam'lart ta f:)'faJtasät t:)buf:Ut 'die Alte, die die
Nabelschnur durchtrennt' (K:)f D:)nn:)g) (Nicolas 1950).
2.professionelle (nicht-islamische) Heiler(inen) oder Behandler(innen),
anem:)gfan (Barth 1857, I: 601), enasmägäl, enass{ifar& f. (GB etwa 'Mittelanwender'),
dem mai mdgani der Hausa entsprechend.
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3.die Schmiede. ena<;I, Pl. inacjin, in denen sich professionelles und laienhaftes
Erfahrungswissen verbindet.
B) Die Medizin des Islam
1. Baraka und Iblis
Der baraka-Komplex gehört zu den charakteristischen Ausprägungen des
westlichen, maghrebinischen Islam (Nicolaisen 1961: 122, Greenberg 1946:
2); Westermarck (1916) spricht von "The Moorish Conception of Holiness
(BARAKA)". [al-baraka, ar. < baraka ' segnen, gesegnet sein'; albarkä, Ha.:
'Segen']. Mit diesem Begriff verbindet sich in Nordwestafrika und bei den
Twareg die Vorstellung einer segensreichen Elementarkraft, die mit dem keimenden
Leben von Mensch, Tier und Pflanzen, mit Wachstum, Gedeihen und
Fruchtbarkeit verbunden ist, Ausdruck der positiven Naturkräfte, Emanation
göttlicher Allmacht und der alles durchdringenden Heiligkeit des Lebens.
Von lblis (Y: ablis) oder Efssitan (ar.), dem Teufel oder Satan, Versucher
des Menschen und Verkörperung des Negativen, ist die erweiterte Vorstellung
der elementaren iblis-Triebkraft und/oder Reizqualität ambivalenter
Wertigkeit zu unterscheiden, im psychologischen Sinne einem starken Afekt
und auch Kontrollverlust entsprechend, dem 'Außersichsein' in Ekstase und
Sexualität, Kampfeswut und Raserei, Wut, Zorn und Mord. Weiter gelten die
spezifischen, sensorisch und/oder psychisch wirksamen Qualitäten von Aromastofen,
Gewürzen, Medikamenten und Räucherwerk, Tönen, Melodien und
Rhythmen (besonders von Geige und Trommel) als Medium und Manifestation
von ib/is. Die Elementarkraft ib/is ist Voraussetzung der Wirksamkeit von
baraka, da die Lebensvorgänge ohne den ib/is-Antrieb zum Stillstand kämen,
stellt jedoch in ihren destruktiven Aspekten zugleich dessen Gegenprinzip
dar (Nicolaisen 1961: 124).
Eine Konkretisierung der ib/is-Triebkraft als unablässige drängende innere
Stimme und damit ein (poetischer?) Übergang zur Vorstellung eines
innewohnenden Individualgeistes ('Quälgeist') findet sich in manchen Gedichten
der Ayr-Twareg (Gh. / Pr. 1990: 12).
2. Das Wirken des Marabut
Mit dieser verbreiteten Benennung wird vor allem der religiös-medizinisch
tätige islamische Eremit und Religionskundige, Träger des baraka, bezeichnet.
Der entsprechende Twaregbegrif an:,sfam (ar.) 'der des Islam/des
Heils', PI. in:,sfaman bezeichnet erstens i.o.S. den Marabut allgemein, unabhängig
von seiner Herkunft und zweitens den Angehörigen eines der ( oft stark
arabisch geprägten) 'Marabut-Stämme oder -klassen' der Twareg. Etwa syn-
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onym ist äw-<>ssuk, PI. k<>l-<>ssuk, GB: 'Angehöriger der K<>l-3ssuk' ( einst bedeutende
ln<>sfomiin-Gruppen mit dem historischen Zentrum Tademekka [Tadamakat]),
p. ext. Marabut/an<>sfom allgemein [vgl. Son. Kulsuku (ar.), "Kel es
Souq", Marabut-Stämme (Prost 1956)) (zur sozialen Stellung und Rolle der
ln<>sfoman vgl. z.B. Norris 1975: 19f, 156,158; Bemus 1981: 71 f; Ritter 1992:
156, 158).
Das Grundprinzip seines therapeutischen Handelns liegt in der Übertragung
der baraka-Segenskraft, die ihm aufgrund seiner besonderen Gottnähe
zu eigen ist und der damit verbundenen Wiedereinordnung des Patienten in
die religiöse Lebensordnung des 'Islam' (alislam) in seiner Grundbedeutung
'Geborgenheit, Heil (bei Gott)' [al-islam, ar.). Die Wendung gu{i<>y (Ya!a)
'(Gott) danken (sc. für das 'Heil')' ist gleichbedeutend mit 'sich wohlbefinden,
in guter Gesundheit sein'.
Neben den orthodoxen therapeutisch-religiösen Handlungen (Gebete,
Besprechungen, Koranauslegung etc.) führt der Marabut diverse magisch-religiöse
Methoden des Gegenzaubers und Exorzismus, der Orakel-, Beschwörungsund
Divinationsverfahren aus,jeweils von der regionalen Volksmedizin beeinflußt
und in mehr oder weniger großer Distanz zur Orthodoxie (Doutte 1908,
Adamou 1979: 196, Nicolaisen 1961: 118; Bernus 1969: 121, Imperato 1976: 88).
Manche Marabuts gelten deshalb als Magier/Hexer (emakkallaw, emassal).aw
& f.), die nach dem Jüngsten Gericht (ah<>l-waylkaman (H) 'der Tag der [sc.
dem Weitende] folgt') in die Hölle kämen oder in Tiere verwandelt würden
(Nicolaisen 1961: 139, Gh./Pr. 1990: 30).
Obwohl jedes Objekt aus der Aura des Marabut baraka-Medium sein
kann, bevorzugt man bestimmte Universalmittel und Verfahren, denen sowohl
eine apotropäische wie auch therapeutische Funktion zukommt. Hierzu
zählen vor allem die Amulette (takar<;le, GB: 'Papier, Schriftstück', terawt,
siräwt, GB: 'Schriftstück'), religiöse Miniaturbüchlein (attahlil (ar.)) und Talismane
(<>l-y<>i<>b (ar.), tenf<>k), die Anwendung von Räucherstofen, Henna
und Koranabwaschungen religiöser Schriftzeichen (s. Tab. II).
Amulettherstellung: Von einem zweiafch aufg eschriebenen Koranspruch
etc. wird ein Exemplar in die Amuletthülle gegeben, vom anderen eine Schriftabwaschung
hergestellt, die vom vorgesehenen Träger dieses Amuletts getrunken
wird (Nicolaisen 1961: 124, Gh./Pr. 1990: 29) (vgl. hierzu auch die
"Eßzettel", "Manderlkalender" und Abschabungen von Votivfiguren etc. des
europäischen Raumes, z.B. Seligmann 1927: 53ft).
3. Gelehrte und Ärzte
Für die heutigen Vertreter der westlichen Medizin finden sich diverse
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vom französischen docteur oder über das Hausa [/ikita, ha.) vom Englischen
doctor abgeleitete Begrife wie läktaräw (WW WE), lakätaro (Y), läktgro
(Udalan), 1{$or (D).
Die arabische Medizin unterscheidet zwischen dem Medizin2elehrten
l)akfm und dem praktischen Arzt und Heilkundigen tabfb (tbfb, ar. mar., febfb,
hs.), auch taleb, PI. tolba genannt (Doutte 1908: 49), synonym und oft identisch
mit dem Marabut.
Bedeutende Vertreter der arabischen Gelehrtenmedizin, die u.a. auf Plato
[lflätun, ar.), Aristoteles [Arisf:otalfs, ar.], Hippokrates und Galenus zurückging
und auf den antiken Lehren der vier Temperamente und der Harmonie
der Körpersäfte aufbaute, waren z.B. Avicenna [Ibn Sinti, ar]) [z.B. das Werk
Kitab al-sifä 1 oder Al Suyu!fin Kairo (gest. 1505) [z.B. das WerkKitäb al-ral)mah
fil-μbb wal-ikma] (Doutte 1908: 36, 49; Bürgel 1978: 277f; Norris 1984: 119).
Zentren des Islamismus ( verschiedenster Schulen und Richtungen, u.a.
auch des Sufismus [Norris 1975: 60]) im Twareggebiet waren im Süden vor allem
Timbuktu, Tademekka (3ssuk), Gao, Agadez, Teduq, Takedda (fagda?), und
Assode (.Asoday) (Ayr) sowie Ghadames und die Twatoasen ( bes. Aulef) im
Norden. Die Einflüsse des Universalgelehrten Al Suyu!f sind in der Südwestsahara
(Tekrur, Mauren, s.u.) wie auch im Twareggebiet (lngsfamän von
Tademekka, Takedda,Agadez) belegt(Norris 1975: 41, 225, 1984: 119), wenngleich
damit über das Wirken islamischer Ärzte der klassisch-arabischen
Ausrichtung im Twareggebiet nichts gesagt ist.
Im 19. Jh. galten die Oasen des lwat und Tidikelt (Aulef, In Salah), nördlicher
Ziel- und Wendepunkt im saisonalen Karawanenzyklus der Hoggartwareg,
als "Land der Ärzte" (Daumas 1856: 283). Nach den verbreiteten
Praktiken zu urteilen, wie z.B. dem ausufernden Amulettwesen, steht die von
den heutigen Marabuts (lngsfomiin) ausgeübte Medizin vornehmlich in der
Tradition der sog. Prophetenmedizin [.tibb an-nabf, ar.), der orthodox-konservativen
Gegenrichtung zur klassischen Gelehrtenmedizin (Bürgel 1978: 277 f).
Die vorkolonialen Termini der Twareg für den "Arzt" zeigen charakteristische
regionale/dialektale und semantische Unterschiede. Während F. bei
den Nordtwareg (Ahaggar) die arabische Bezeichnung a<)abib, PI. i<Jbab in
der engeren Bedeutung 'Arzt' angibt, findet sich für die Südtwareg bei Barth
(1858, V: 833) die allgemeinere Bedeutung 'geschickte Person/Experte': "Die
Kel-ulli sind gewandt im Stehlen", Kgl-Uli i<Jbabgn dä'f fAkaret (N); für "Arzt"
gibt er dagegen bei den SO-lwareg (Ayr) anemgglin und bei den SW-lwareg
(Nigerbogen, Timbuktu) enliss{efar (WW N) an, die bereits besprochenen Bezeichnungen
der traditionellen Heiler (1857, I: 601; 1858, V: 894).
Feststellen läßt sich auch, daß - im Gegensatz zur sonst so häufigen Über-
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nahme arabischer Termini aus den Bereichen Religion, 'Magie', Ritual- und
Kultwesen, Geschichte und Schriftkultur, Pharmaka, Speisen und Gewürze
etc. - das weitgehende Fehlen arabischer Fremdwörter bei den eigentlichen
Krankheitsbegriffen geradezu aufallt, woraus sich zumindestens entnehmen
läßt, daß die arabischen Ärzte und ihre Medizin i.e. Sinne bei der Islamisierung
der 1\vareg keine hervorragende Rolle gespielt haben dürften.
In Mauretanien und der Westsahara dagegen besteht eine andere Situation.
Hier sind einzelne islamische Ärzte und Werke der klassisch-arabischen
Tradition bekannt, wenngleich auch hier deren tatsächliche Auswirkung auf
die traditionelle Nomadenmedizin kaum einzuschätzen ist. "Tue Western
Sahara, on account of its Classical Arabic scholarship, has enjoyed a renown
for medical skill which sets it apart from other Saharan communities." (Norris
1984: 119).
Namhafte Repräsentanten der islamischen Medizin bei den Mauren sind
z.B. Awfd ben Abu Bdkr al-Idahfayf (1802-1883) in Trärza, mit seinem berühmten
Lehrgedicht von 1182 Versen, Al-'umda (Die Prinzipien der Medizin),
dessen Hauptquellen die genannten Gelehrten Avicenna (Ibn Sinä) und
A/-Suyutf darstellten (s.o.), sowie um die Jahrhundertwende AJμned ben a/Amin
al-sinqitf mit seinem Werk Al-Wasft, oder Fdl ben Bdba, der nahöstliche,
auf seiner Mekkapilgerfahrt gewonnene Kenntnisse mitbrachte (ein Schüler
von Awfd, gest. 1926); weiter Sheikl;i Mul;iammad (gest. 1939) als Prototyp
eines ingenieusen, charismatischen Arztes (Norris 1984: 119,120,122).
Von Awfd ben Abu Bdkr ist ein für die mauretanischen Nomaden in
Hassaniyya [l;iassdni.Y.Ya] abgefaßter Krankheitskodex erhalten, aus dem eine
beispielhafte Passage klassisch-antiken Inhalts zu Augenkrankheiten angeführt
werden soll: "Entzündung wird durch die Galle verursacht, Konjunktivitis
durch das Blut, Weißwerden <Keratose?> durch das Phlegma und Nachtblindheit
durch die Schwarze Galle ... (Die Nacht ist wie der Winter; in ihr das
Phlegma aktiv. Der Tagesanbruch ist wie der Frühling, hier ist das Blut aktiv.
Die Tagesmitte ist wie der Sommer, da ist die Galle aktiv. Das Tagesende ist
wie der Herbst, während dem die Schwarze Galle <Melancholie> aktiv ist). "
(Norris 1984: 125) (s. Tab. I: 17, 18).
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Abkürzungen:
All emein 1\vare dialekte
GB: Grundbedeutung H(H)
lit.: wörtlich D(D)
VN: Verbalnomen N(N)
W(W)
ar. arabisch WE(WE)
(ar.) aus dem Arabischen WW(WW)
fr. französisch Y(Y)
ha. hausa Gh. (Gh.)
hs. hassaniyya mer.
Kd. Kado
mar. marokkanisch
Sk. Sokoto
son. songhay
utoren
F. (F.)
F./Ch.
Gh./Pr.
Foucauld
Foucauld/Chaker
Ghabdouane/Prasse
(s. Bibliogr.)
Literatur:
Twareg Ahaggar / Ajjer
1\varegifoghas (Adrar)
1\vareg Nigerbogen
Iwellemedan
Kel Denneg (Tahua)
Kel Ataram (Menaka)
Ayr (Ayr)
Ghat
meridonal: Süddialekte
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