ALMOGAREN XLI/2010MM265
ALMOGAREN
XLI/2010
IC
ICDIGITAL Separata XLI-12
266MMALMOGAREN XLI/2010
ICDIGITAL
Eine PDF-Serie des Institutum Canarium
herausgegeben von
Hans-Joachim Ulbrich
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ALMOGAREN XLI/2010MM267
Inhaltsverzeichnis
(der kompletten Print-Version)
Hans-Joachim Ulbrich:
Die prähispanischen Ortsnamen in der Lanzarote-Karte
von Dámaso de Quezada y Chaves (18. Jh.) .................................................. 7
Samia Ait Ali Yahia:
Nouvelles stèles à inscriptions libyques de la Grande Kabylie ...................... 17
Franz Trost:
Das Feindbild der alten Ägypter .................................................................. 27
Nicole Honoré, Susan Searight-Martinet, France & François Soleilhavoup:
Wa-n-Kalia, un site rupestre dans l'Aramat, Libye ...................................... 65
Joaquín Caridad Arias:
Las antiguas divinidades Tanit, Támara o Tamar,
Tara o Tana y su proyección en la religión de los canarios ...................... 95
Werner Pichler & Alain Rodrigue:
Oued Rheris II: A new site of rock paintings in the South of Morocco ....... 113
Franz Trost:
Bemerkungen zu Herodots Angaben über ägyptische Könige .................... 135
Alain Rodrigue:
Les gravures rupestres de Smara (Sahara Occidental) –
note complémentaire .................................................................................. 139
Yves Gauthier, Bernard Veneur, Norbert Desaphy, Pierre Seuriel:
Nouvelles gravures en style de Tazina:
figurations du Nord de l'Immidir, Algérie ................................................. 149
Hartwig-E. Steiner:
Archäologische Fundstätten auf Selvagem Grande.
Erweiterte, revidierte Fundkarte nach der 2. IC-Expedition 2007. ............. 193
Hartwig-E. Steiner:
Historische Wirtschaftsbauten auf
Selvagem Grande / Ilhas Selvagens, Portugal ............................................. 205
Friedrich Berger:
Felskunst westlich von Dakhla (Ägypten) – Beispiele für
Darstellungen von Naturphänomenen, insbesondere von Wasser .............. 269
268MMALMOGAREN XLI/2010
Berger, Friedrich (2010): Felskunst westlich von Dakhla (Ägypten) – Beispiele
für Darstellungen von Naturphänomenen, insbesondere von Wasser.- Almogaren
XLI (Institutum Canarium), Wien, 269-288
Zitieren Sie bitte diesen Aufsatz folgendermaßen / Please cite this article as follows:
ALMOGAREN XLI/2010MM269
Almogaren XLI / 2010 Wien 2010 269 - 288
Friedrich Berger
Felskunst westlich von Dakhla (Ägypten) –
Beispiele für Darstellungen von Naturphänomenen,
insbesondere von Wasser
Keywords: Egypt, Dakhla, rock art, possible symbols for water
Zusammenfassung:
In der Felskunst westlich von Dakhla treten Petroglyphen auf, die nach bisherigen Infor-mationen
sonst nur von einer Lokation westlich von Dongola bekannt sind. Sie gleichen
den Hieroglyphen für Wasser und Berg und werden als "Wasserberg" bezeichnet. Für
diese sowie für einige andere wird eine Deutung versucht, die einerseits Landschafts-formen,
andererseits Schrift-Symbole einbezieht.
Abstract:
In the rock art west of Dakhla occur petroglyphs which, at present, otherwise are only
known from a location west of Dongola. They are similar to the hieroglyphs for water and
mountain and are called "Water Mountain". For these and some others an interpretation
is attempted, taking into account features of the landscape and of script symbols.
Resumen:
En el arte rupestre al oeste de Dakhla se encuentran petroglifos, que hasta ahora sólo se
conocían de un lugar al oeste de Dongola. Son parecidos a los jeroglíficos del agua y de
la montaña y se les llama «montaña de agua». Para éstos y para algunos otros se intenta
una interpretación, que incorpora paisajes y símbolos de escritura.
1. Einleitung
In dem Gebiet westlich der Oase Dakhla in Ägypten hat der Wüstenforscher
Carlo Bergmann in den letzten Jahren eine Vielzahl von archäologischen Fun-den
gemacht. Die bedeutendsten waren Djedefres Wasserberg (Djedefre's
Water Mountain, DWM) etwa 70 km westlich von Dakhla und der Eselspfad
aus pharaonischer Zeit von Dakhla zum Gilf Kebir. Hinzu kommen zahlreiche
Stationen mit Felskunst und archäologischen Funden.
Die Landschaft mit der Felskunst westlich von Dakhla besteht aus Zeugen-bergen,
Abbildung 1. Zwischen den Zeugenbergen liegen Senken, die zum Teil
mit tonhaltigen Sedimenten angefüllt sind und in denen sich deshalb Regen-
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wasser ansammeln konnte. Auf den Abbruchflächen der bankigen Sandsteine
wurden die Felsbilder angebracht. Es handelt sich fast ausschließlich um
Petroglyphen in den verschiedensten Techniken, gepunzt, graviert, poliert und
in kombinierten Techniken. Einzelne Petroglyphen sind rot koloriert.
Dargestellt sind, was wir heute als Tiere, Menschen, abstrakte Motive und
möglicherweise als Naturphänomene bezeichnen. Die tatsächliche Bedeutung
der Bilder entzieht sich allerdings unserer Kenntnis, sie ist nur den Künstlern
und ihren lokalen Zeitgenossen selbst bekannt. In einzelnen Fällen gibt es
Überlieferungen, die eine gewisse Deutung stützen. Andere Hilfsmittel sind
die ursprünglichen Formen von Bilderschriften, die sich zu Schriftsystemen
entwickelt haben. Weiterhin ist es nicht auszuschließen, daß gewisse Natur-phänomene
bildlich dargestellt wurden. Auf dieser Basis wird eine Deutung
von verschiedenen Petroglyphen versucht.
2. "Wasserberg"-Symbole
Der oben erwähnte Ausdruck "Wasserberg" wurde von Kuhlmann und
Bergmann geprägt für die Petroglyphe in Abbildung 2 (Kuhlmann, 2002:135-
136, Fig.7; 2005:270-271, Abb.34a; Bergmann in Negro, 2005: Pl.M). Es han-delt
sich hierbei um die Kombination der Hieroglyphe für "Berg" mit derjeni-gen
für "Wasser". Der Berg wird dargestellt duch zwei Berggipfel. Wasser
wird repräsentiert durch parallele horizontale Zickzackbänder, die alternie-rend
rot gefärbt sind.
Bergmann benutzt den Ausdruck Wasserberg nicht nur für das Symbol,
sondern auch für die Berge, an denen sich diese Symbole befinden. Unter
anderem ergibt sich so die Bezeichnung "Wasserberg des Djedefre" für den
Berg, an dem der Name des Djedefre (auch Radjedef, Rêdjédef, Djedef-rê,
2581/2531 - 2572/2522 v. Chr.) in einem Bergsymbol als Kartusche graviert ist,
Abbildung 3.
Die Deutung des Symbols in Abbildung 2 mit Hilfe von Hieroglyphen als
Wasserberg ist auf den ersten Blick schlüssig, da sich an dem Wasserberg des
Djedefre eine längere und mehrere kürzere hieroglyphische Inschriften fin-den,
die von Kuhlmann (2005) interpretiert und übersetzt wurden. Das glei-che
Symbol, der "Wasserberg" wurde aber auch mehrfach an einer Lokation
westlich von Dongola im Sudan entdeckt (Kröpelin et al. 2007). Wegen der
fast identischen Darstellung ist eine Kommunikation zwischen den beiden
Lokationen wahrscheinlich. Bei dem Fund westlich von Dongola gibt es eine
Vielzahl von (unveröffentlichten) Petroglyphen einschließlich demotischer
Inschriften, aber keine Hieroglyphen. Daraus muß man schließen, daß das
Wasserberg-Symbol nicht aus den eigentlichen Hieroglyphen der ägyptischen
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Schrift entwickelt wurde, sondern als eine parallele oder sogar frühere Ent-wicklung
auf der Basis eines allgemeineren Inventares von Symbolen ent-stand.
Hierfür spricht auch, daß es westlich von Dakhla in der Nachbarschaft
von DWM viele Berge mit Wasserberg-Symbolen gibt, aber keine weiteren
hieroglyphischen Inschriften. Die Adaption des Berg-Symbols als Kartusche
für den Namen von Djedefre (Abbildung 2) wäre dann möglicherweise später
einzuordnen als die Wasserberg-Symbole selbst.
Wir wenden uns nun den Bestandteilen des Wasserberg-Symbols zu, dem
Rechteck mit den zwei Berggipfeln und den Zickzacklinien. Die Zickzackli-nien
haben als Symbol für Wasser Eingang in die Hieroglyphen-Schrift gefun-den.
Sie sind aber auch bekannt in Südafrika als Symbole für Regen und
Regenwolken, zum Beispiel in Abbildung 4 (Woodhouse, 1992:Fig.39). Dem-nach
gehen sie wahrscheinlich auf ein altes Inventar von Symbolen zurück,
aus denen die Hieroglyphen entwickelt wurden. Statt der Zickzacklinien wer-den
auch Zinnenlinien verwendet, Abbildung 5, oder Zinnenlinien alternie-rend
mit Zickzacklinien, Abbildung 6. Da verschiedenen Linientypen und
Kombinationen im gleichen Zusammenhang auftreten, ist ihre Bedeutung
wahrscheinlich die gleiche, nämlich Wasser.
Die Zeugenberge in der Umgebung von DWM (Abbildung 1) haben häufig
eine leicht geneigte harte Sandsteinschicht als oberste Lage. Naturgemäß sind
diese Schichten nicht ungestört, sondern als Ergebnis der Verwitterungsvor-gänge
durch Klüfte zerrissen. Die Klüfte sind durch Verwitterungsmaterial
aufgefüllt. Abbildung 7 zeigt ein Beispiel. Man hat den Eindruck, daß in den
Rinnen noch vor kurzer Zeit Wasser geflossen ist. Der Zeitpunkt liegt aber
eher mehrere tausend Jahre zurück. Abgesehen davon, daß die Zickzacklinien
meist als die gekräuselte Wasseroberfläche gedeutet werden, können die ver-schiedenen
Linien auch auf Fließrinnen zurückgehen.
In den Frühformen der verschiedenen Schriftsysteme werden Berge als ein-oder
mehrgipflige Erhebungen im Profil dargestellt. Es sind drei Gipfel in
China und Sumer (Jensen, 1969:166; Meißner et al. 1967:19) und zwei Gipfel
in der ägyptischen Hieroglyphenschrift (Betrò, 1996:159). In der aztekischen
Bilderschrift bedeutet ein Gipfel "Berg" und zwei oder mehrere Gipfel "Gebir-ge"
(e.g. Matrícula de tributos, 7r).
Kuhlmann (s.o.) deutete die Kombination der Symbole für "Berg" und
"Wasser" als Hieroglyphe. Ob dies tatsächlich eine Hieroglyphe aus dem ägyp-tischen
Schriftsystem ist, ist nicht klar. Es könnte sich auch um die Darstel-lung
von Wasser handeln, das von einem Berg herunterfließt. Abbildung 8
zeigt solch eine Situation. Von unten gesehen strömte das Wasser zwischen
zwei leichten Erhebungen herab.
272MMALMOGAREN XLI/2010
3. Symbole für "Teiche" und "Seen"
In einigen Fällen sind Zickzacklinien von unregelmäßigen Umrandungen
eingefaßt. In Abbildung 9 ist die Umrandung oval. In Abbildung 10 werden
Zickzacklinien im Relief umrandet, daneben sind einige Linien graviert. Die-se
Petroglyphen könnten Darstellungen von Seen oder Teichen sein. Abbil-dung
11 zeigt die Überreste eines Teiches mit Kalkablagerungen am Ufer. Die
vertrockneten Grasbüschel bezeugen, daß es hier Wasser gegeben hat. Es reg-net
hier gelegentlich bis heute (Berger, 2008).
4. Symbole für bewässerte Felder?
Bei den meisten der von Bergmann als "Wasserberg" bezeichneten
Petroglyphen handelt es sich tatsächlich nicht um Berge, sondern um Rechte-cke
oder um rechteckige Bereiche mit "Wasser"-Linien im Inneren, die beiden
Gipfel fehlen. Abbildungen12 – 14 sind drei Beispiele. Abbildung 12 zeigt ein
Rechteck mit wenigen Zickzacklinien, es ist durch Punzen beschädigt. In
Abbildung 13 sind mehrere Zickzacklinien an den Seiten eingefaßt. Abbil-dung
14 stellt ein unten beschädigtes Rechteck dar mit einer Zinnenlinie oben
und mehreren Zickzacklinien darunter.
Was bedeutet das Quadrat oder Rechteck? Das Quadrat oder Rechteck stellt
in der chinesischen Kultur die Erde dar, ein unterteiltes Quadrat ist das Feld
(Haarmann, 1990:179). In Sumer ist das Quadrat ein Symbol für eine Umfas-sung
(Jensen, 1969:78). Diese Bedeutung kann man auch unterstellen für Ein-fassungen
in der Felskunst, z.B. in Mogoy, nördliche Mongolei (Okladnikov,
1981:Tab.21/4), im Pamir (Jasiewicz et al. 2001) und in Indien (Chakravarty et
al. 1997:Fig.62). Das Quadrat wird bei den ägyptischen Hieroglyphen verwen-det
für die Begriffe "Haus" und "Tempel, Palast" (Betrò, 1996:168,192).
Es ist deshalb möglich, daß in der Felskunst westlich von Dakhla eine ähn-liche
Bedeutung vorliegt, z.B. ein bewässertes Feld. Es gibt allerdings bisher
keine Hinweise, daß es in dieser Gegend Ackerbau gegeben hat.
5. Himmel, Wolken, Regen, Flüsse
In der Vorstellung der Bevölkerung des Niltals war der Himmel eine von
vier Stützen getragenen Decke. Bei den Hieroglyphen wird er in Seitenansicht
dargestellt, also mit zwei sichtbaren Stützen. Ein unter dem "Himmel" ange-brachtes
zerrissenes Zepter oder ein Ruder machen daraus "Nacht". Mehrere
kurze senkrechte Striche unter dem "Himmel" bedeuten "Regen" (Betrò,
1996:150).
Abbildung 15 stammt von DWM. Kuhlmann (2005:267-268) interpretiert
diese Petroglyphe als dreifache Darstellung des Regenhimmels. Das mittlere
ALMOGAREN XLI/2010MM273
Zeichen ist dem Regenhimmel am ähnlichsten. Aus dem oberen tritt links ein
sich verzweigender Blitz aus. Bei dem unteren sind die Regenfäden in den
Himmel integriert. In der Mitte von Abbildung 16 ist ebenfalls ein Regen-himmel
dargestellt. Kuhlmann deutet darüber links einen Stern, in der Mitte
einen Sethkopf (den es als Hieroglyphe nicht gibt), der für "Nacht" steht, kom-biniert
mit einem Blitz. Rechts daneben ist die Schlingenhieroglyphe, die zu-sammen
mit dem Regenhimmel "Wolkenbruch, Unwetter" ergibt. Darunter
ist ein weiterer (kleiner) Himmel mit einem Nacht-Attribut und einem Blitz
darunter, sowie rechts und links zwei Blitzzeichen. Insgesamt kann man das
als "nächtliches Unwetter" erklären.
Abbildungen 15 und 16 können eindeutig als Hieroglyphen interpretiert
werden. Es gibt einige Petroglyphen mit ähnlichen Elementen. Eine Ähnlich-keit
zum Regenhimmel kann man in dem "Feld" in Abbildung 17 sehen. In
Abbildung 18 sieht man oben ein Element, welches dem "Himmel" der Hiero-glyphen
ähnlich ist. Hieraus treten unten drei Gruppen von langen Linien aus,
links zwei gerade, in der Mitte vier in einem groben Zickzack und rechts vier
in einem feinen Zickzack. Es könnte sich hierbei um Regenfäden handeln oder
um einen Fluß, der von Regen gespeist wird. Für beide Deutungen gibt es
analoge Beispiele. In der chinesischen Schrift wird der "Strom" ursprünglich
durch drei geschwungene Linien (drei Wassergräben) dargestellt, Abbildung
19 (Jensen, 1969: Abb.129). Bei der sumerischen Keilschrift geht das Zeichen
für "Wasser" auf zwei geschwungene Linien zurück, Abbildung 20 (Jensen.
1969: Abb.64). Bezüglich der Bedeutung "Regen" wird auf Südafrika verwie-sen,
Abbildung 4, mit den nach unten gerichteten Zickzack-Regenfäden. Es
gibt auch Parallelen in Nordamerika. Dort werden Wolken mit fallendem
Schnee als Clansymbol verwendet, Abbildung 21. Die vertikalen Linien wer-den
aber auch als Regen gedeutet, sie können länger sein als hier dargestellt
(Mallery, 1972:700-701; Wellmann, 1979: Fig.384; Slifer, 1998: Figs.1a-b, 235).
Als Wolken treten neben den aufeinandergetürmten Halbkreisen auch Recht-ecke
auf.
Das ursprüngliche chinesische Schriftzeichen für "Regen" ist in Abbildung
22 dargestellt (Jensen, 1969: Abb.126). Ähnliche Petroglyphen gibt es in Abbil-dung
23. Links der Mitte ist ein Bogen mit horizontalen Linien. Auf der rech-ten
Flanke sind mehrere Bögen übereinander getürmt mit vertikalen Linien.
Oben in der Mitte sind ähnliche etwas unklarere Gebilde. Auf der Kante rechts
befindet sich eine vertikale Zickzacklinie.
In die Kategorie von Bächen oder Flüssen mögen auch die Linien in Abbil-dungen
24 und 25 fallen, die unter Klüften einsetzen. Die beiden Gruppen
von Zickzacklinien in Abbildung 26 haben vermutlich ebenfalls etwas mit dem
274MMALMOGAREN XLI/2010
Begriff "Wasser" zu tun. Sie befinden sich unter einem Bereich mit horizonta-len
Zickzacklinien.
6. Überlagerung von Wasserbergsymbolen durch die Darstellung von Tieren
Es gibt einige Petroglyphen, bei denen ein Wasserbergsymbol bzw. eine
Gruppe von horizontalen Zickzacklinien durch Darstellungen von Tieren über-lagert
sind. In Abbildung 27 ist es eine Giraffe, in Abbildung 28 wahrschein-lich
eine Antilope. Die Patina der beiden Teile ist jeweils identisch, die Tiere
wurden also kurz nach den Wassersymbolen produziert. Ob ein ideeller Zu-sammenhang
besteht, ist unklar.
7. Brunnen
Einige Petroglyphen können als Hieroglyphen für "Brunnen" interpretiert
werden. In Abbildung 29 ist das Symbol assoziiert mit Petroglyphen von Tie-ren.
In Abbildung 30 führt dicht an den beiden Symbolen eine Mäanderlinie
vorbei, ein Zusammenhang ist unklar.
8. Eine Regenzeremonie?
Über einige Wasserbergsymbole und in Rahmen mit Zickzacklinien wur-den
später die Bilder von Tieren gepunzt, siehe z.B. Abbildung 12. In einem
Fall trägt ein Feld mit Zickzacklinien viele Punzmarken, Abbildung 31. Die
Punzmarken beschränken sich auf das eingegrenzte Feld und gehen nicht
darüber hinaus. Noch offensichtlicher wird diese bewußte Punzierung bei
Abbildungen 32 und 33. Links in Abbildung 34 sieht man ein Quadrat mit
horizontalen Wasserlinien. Es ist durch vertikale Linien unterteilt. Rechts ist
eine Giraffe fast vollständig mit Punzmarken bedeckt, die sich noch weiter
nach oben erstrecken. Möglicherweise gehörten diese Punzierungen zu einer
Zeremonie.
Dies erinnert an gewisse Praktiken aus dem südlichen Afrika. In Zambia
(Smith, 1997) kennt man rote Malereien, die den Twa zugeschrieben werden
(auch Ba Twa, Akafula oder Bakafula; Willcox, 1984:107). Die Twa sind aus-gestorben,
vermutlich gehörten sie zur Buschmann/San-Rasse. Die roten
Malereien stellen einerseits Tiere und andererseits geometrische Zeichen dar,
die Motive sind separiert in verschiedenen Höhlen. Die Tierdarstellungen sind
mit den Bildern der San in Südafrika und der Sandawa in Tanzania vergleich-bar.
Die geometrischen Darstellungen sind einmalig. Analog zu den unter-schiedlichen
Bildtraditionen bei den Männern und Frauen der Pygmäen ver-mutet
man, daß die geometrischen Malereien von Twa-Frauen geschaffen
wurden (Smith, 1997:47). In den Höhlen mit den geometrischen Motiven kann
ALMOGAREN XLI/2010MM275
man alte Marken von Steinwürfen feststellen (Smith, 1997:43; Le Quellec,
2004:103). Die Beschwörung des Wetters gehörte zu den Aufgaben der Twa-
Frauen (Smith, 1997:49). Die Prozeduren wurden von verschiedenen Völkern
in Südafrika übernommen. Bei Trockenheit schmierten sie Dung über die
Malereien oder warfen die Eingeweide von Opfertieren dagegen und bürste-ten
dann Fett von diesen Tieren darüber (1997:43).
In der Felskunstliteratur gibt es auch aus anderen Gegenden Berichte über
einen Zusammenhang zwischen Felsen und Regenzauber. So befragte Flood
(1997:152) ihre Informanten im Victoria River District, Northern Territory,
Australien, über geschliffene Grübchen. Sie schreibt:
"Kulumput, 'the most knowledgeable authority on Wardaman legends and
ceremonies' in the 1950s, described the abraded grooves as 'rain cuts', and
said that 'The old-fashioned way for making rain was to cut the Old Man Rain
to make him bleed'. The rain-making ceremony involved singing and dancing
and then each man present cut a groove in the rock to make the Old Man bleed
and bring rain."
Für die Sphäre der Indo-Europäer in Zentralasien schreibt Rozwadowski
(2004: 53-54, 81):
in the Rig Veda the term 'mountain' (parvata) often refers to clouds and
the word 'rock' (adri) is regularly used mythologically as clouds. These are in
turn further identified with cows freed by Indra who (under the influence of
soma) conquered the demon Vala and broke the rock in which Vala had
imprisoned the stolen divine cows.
According to the Rig Veda, the freeing of the cows imprisoned by the
mythic snake Vritra in a cave occurred when Indra broke the rock, and this
further freed the waters that had also been 'closed' into the rock by Vritra.
Murray (1935:157) berichtet:
"The Bisharin have still a few sacred rocks and cliffs, to which ceremonial
visits are performed and sheep sacrificed. Such a place is Kanjar Aweib, 'the
runaway stone', in Wadi Kajuj, a tributary of Wadi Ibid. Of this stone, the
Bisharin relate that it fell from the mountain into Wadi Kajuj during or after a
great storm of rain. Everyone was away at the time, and when they returned,
they found the valley green with rich grazing, and this marvellous stone lying
in the middle of it. Ever since its appearance it has afforded the occasion for
an annual sacrifice."
Auf der russischen Karte F-36-Á (Ash Sharqiyah) gibt es einen Bir Kajuj in
einem kurzen Wadi, welches in das Wadi Ibid mündet. Es liegt im Hala'ib-
Dreieck nördlich von 24°N, welches zu Ägypten gehört, aber unter sudanesi-scher
Administration steht.
276MMALMOGAREN XLI/2010
Vielleicht erinnern wir uns auch an 2. Mose 17, 1-7, wo berichtet wird, daß
Mose mit seinem Stock gegen einen Fels beim Berg Horeb schlug, worauf
daraus Wasser herausfloß.
9. Schlußbemerkung
Es könnte der Eindruck entstanden sein, als sollten hier die verschiedens-ten
Schriftsysteme auf eine gemeinsame Quelle zurückgeführt werden. Das
Gegenteil ist der Fall. Bei den ursprünglichen Formen der erwähnten Schrift-systeme
werden einfache Begriffe, wie Berg, Wasser oder Fluß, Himmel, Son-ne
und einige andere durch vereinfachte naturalistische Symbole dargestellt.
Es gibt also anscheinend beim Menschen ein weltweit vorhandenes Reper-toire
für die Darstellung von solch einfachen Begriffen. Eine ähnliche Ten-denz
kann auch für einige Petroglyphen in dem Gebiet westlich von Dakhla
(und möglicherweise in anderen Gebieten der Erde) interpretiert werden.
Westlich von Dakhla gibt es auch einige Hieroglyphen-Inschriften. Dies könnte
auf eine gegenseitige Beeinflussung deuten oder auf eine gemeinsame Quel-le.
Es ist aber unwahrscheinlich, daß die Hieroglyphen-Schrift westlich von
Dakhla entstanden ist. Dafür ist die Anzahl der Symbole in der Felskunst zu
klein und andererseits sind die Hieroglyphen-Inschriften am DWM bereits
voll ausgebildet.
Bei einem Vergleich von Felskunst-Motiven mit Schriftsymbolen ist auf
jeden Fall Vorsicht geboten. So tritt die Zickzacklinie bei den Hopi in Nord-amerika
als Clan-Symbol auf (Wellmann, 1979: Fig.384). Abbildung 35 zeigt
einen Bogenschützen, der auf eine Zickzacklinie schießt. Die Petroglyphe
stammt aus Sarmish, Uzbekistan. Rozwadowski (2004:82-83) interpretiert die
Zickzacklinie als eine Schlange, welche in indo-iranischen Mythologien ei-nen
Drachen repräsentiert, den Dämon der Trockenheit. Dies ist auch ein Sym-bol
im Zusammenhang mit Regenzauber, aber mit einer anderen Bedeutung
für den Zickzack.
Anmerkung:
Ich bedanke mich bei C. Bergmann, A. Rozwadowski und B. Woodhouse für die Ge-nehmigung
ihre Bilder zu reproduzieren.
Die Regierungszeiten von Pharaonen wurden aus Beckerath (1997) entnommen.
Bibliographie
-: Matrícula de tributos (Códice de Moctezuma), Museo Nacional de Antropología, México
(Cod. 35-52). Faksimile.- in Berdan, Frances F. (Hg.): Faksimile. (Akademische Druck-und
Verlagsanstalt) Graz, 1980, 45 S, 32 Abb.
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St-Benoist-sur-Mer, 7-14.
ALMOGAREN XLI/2010MM277
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278MMALMOGAREN XLI/2010
Die Abbildungen
Abb. 1: Zeugenberge in der
Nähe von Djedefres Wasser-berg
Abb. 2: "Wasserberg" (Foto
C. Bergmann)
Abb. 3: Name des Pharao
Djedefre im Bergsymbol
ALMOGAREN XLI/2010MM279
Abb. 4: Regenwolken und
Regen (Woodhouse, 1992:
Fig.39)
Abb. 5: Rechteck mit Zin-nenlinien
Abb. 6: Zinnen- und Zick-zacklinien
280MMALMOGAREN XLI/2010
Abb. 7: Bergoberfläche mit
Rinnen
Abb. 8: Berg mit Abfluß in
einen See
Abb. 9: Teich
ALMOGAREN XLI/2010MM281
Abb. 10: Teich
Abb. 11: Kalkablagerungen
am Seeufer, Grasbüschel
Abb. 12: Rechteck mit Zick-zacklinien
282MMALMOGAREN XLI/2010
Abb. 13: Zickzacklinien seit-lich
eingefaßt
Abb. 14: Unvollständiges Rechteck mit Zinnen-und
Zickzack-Linien
Abb. 15: Regenhimmel (dreifach)
ALMOGAREN XLI/2010MM283
Abb. 16: Nächtliches Unwetter mit Blitz
und Regen
Abb. 17: Regenwolke über Feld?
Abb. 18: Von Regen gespeis-ter
Fluß?
Abb. 19: Strom (chinesisch)
284MMALMOGAREN XLI/2010
Abb. 20: Wasser (sumerisch)
Abb. 21: Wolken, Regen oder
Schnee (nordamerikanische
Indianer)
Abb. 22: Regen (chinesisch)
Abb. 23: Regensymbole?
Abb. 24: Wasseraustritt
ALMOGAREN XLI/2010MM285
Abb. 25: Wasseraustritt aus
einer Kluft
Abb. 26: Senkrechte Zick-zacklinien
Abb. 27: "Wasserberg" und
Giraffe
286MMALMOGAREN XLI/2010
Abb. 28: "Wasserberg" und
Antilope ?
Abb. 29: Brunnen (und Tie-re;
Foto Bergmann)
Abb. 30: Zwei Brunnen, Mä-anderlinie
ALMOGAREN XLI/2010MM287
Abb. 31: Punzmarken auf
einem Feld mit Wasserlinien
Abb. 32: Begrenzter Bereich
mit Punzmarken
Abb. 33: Umrandete Flächen
mit Punzmarken
288MMALMOGAREN XLI/2010
Abb. 34: Links Quadrat mit
Wasserlinien, rechts dane-ben
überpunzte Giraffe
Abbildung 35: Bogenschütze
schießt auf Zickzack, Sar-mish,
Uzbekistan (Rozwa-dowski
2004: Fig.74)