2.
Typologischer Überblick
Die kanarischen Felsbilder lassen sich grob in drei Hauptgruppen aufteilen:
a. Ideogramme (geometrische Motive/ abstrakte Symbole)1
b. Piktogramme (Menschen, Tiere, Pflanzen, Gestirne usw.)
c. alphabetiforme Zeichen
Eine vierte, mehr Felsbearbeitung als Kunst darstellende Gruppe sind punzierte
Vertiefungen und flächige Schlife (teilweise Polierungen), auf die in der Literatur
bislang kaum eingegangen wurde. Kultische Symbole lassen sich der
Gruppe a) oder b) zuordnen. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Gruppen
und ihre lanzarotischen Formelemente.
BRAEM (1988: 71, l 52f) übergeht den alphabetiformen Anteil (seine
Gruppe 3 und 4 ) an den lanzarotischen Felsbildern völlig; unerwähnt im Zusammenhang
mit Lanzarote läßt er auch seine Gruppen 4 ( christliche Zeichen)
und 5 (Hirten-Grafiti); die podoformen Gravierungen Lanzarotes (und
anderer Inseln) existieren bei ihm nicht. Wenn BRAEM weiterhin ausführt,
"Lanzarote kann nur sehr wenige Funde vorweisen", dann entspricht dies
nicht der tatsächlichen Situation. Das Gegenteil zeigt die Tabelle (S. 44/4 5)
der rund 60 Fundplätze auf Lanzarote, von denen 1988 schon der größte Teil
der Fachwelt bekannt war. Bis Juni 1991 konnten auf diesen Felsen insgesamt
über 220 Grafiti festgestellt werden (wobei zusammenhängende Panels als
ein Felsbild gezählt sind).
2a.) Ideogramme/ linear-geometrische Abstraktionen
Aufallend ist das eindeutige Vorherrschen der linear-geometrischen
Motive des Lanzarote-Stils mit einem Anteil von ca. 82%, der damit weit
höher ist, als auf den anderen Inseln (siehe auch Kap. 8 und Statistik S. 65).
Am stärksten vertreten sind hier Linien, Parallelen, Bogen, Strahlen und Netze
(Abb. 3: 1 b - 2b, 6 - 8) sowie Kombinationen davon; letztere wirken auf den
heutigen Betrachter mehr oder weniger stark chaotisch, d.h. in ihrer Anordnung
zufällig (Abb. 3: 3). Davon heben sich einige fast grafisch wirkende
Kombinationen (Abb. 3: 5) ab, die aus wenigen, zum Teil unterschiedlich
starken Linien bestehen und den Eindruck vermitteln, als habe sie der "Künstler"
bewußt so zusammengefügt (siehe Abb. 29-35).
1Eine S onderstellung nimmt die Cueva de las Estrellas (Artenara, G.C.) ein, deren Wände punktförmig
mit weißer Farne bedeckt wurden, wobei zum Teil eine gewisse Strukturierung erkennbar ist.
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Eine Deutung der linear-geometrischen Formen ist sehr schwierig (magisch-
religiös, weltlich/ spielerisch/ ornamental, kommunikativ oder Kombinationen
davon ?), wobei eine völlig sinnlose "Kritzelei" ausscheiden dürfte.
Waren es Symbole für eine archaische Form der Verständigung, die sich auf
Lanzarote vom Neolithikum bis zur Conquista erhalten hat, für Menschen,
die nicht über eine eigene Schrift verfügten oder diese verlernt hatten? Bei all
diesen Überlegungen darf nicht außer acht gelassen werden, daß ein (vermutlich
geringer) Teil der linearen Darstellungen von spanischen Hirten stammt,
die aus Langeweile beim Beaufsichtigen ihrer Herden mit Messern und spitzen
Steinen in Felsen ritzten; die Patina in der Gravur ist in diesen F ällen
jedoch meistens deutlich erkennbar heller als auf dem übrigen Fels.
Im Hinblick auf einen Deutungsversuch der linear-geometrischen Motive
sei auf eine Beobachtung aufmerksam gemacht, die 97% der vom Verfasser
untersuchten lanzarotischen Felsbilder betrift: Die bearbeiteten Flächen
sind alle der Sonnenbahn zugewandt, das heißt, der Betrachter steht immer
südlich zwischen Osten und Westen vor einem Felsbild, mit einem Schwerpunkt
im Süden. Eine Erklärung dafür könnte sein, daß aufgrund des
Nordostpassats die Wetterseite der Felsen eben im nördlichen Bereich zwischen
Westen und Osten liegt. Dies wird durch den Flechtenbewuchs bestätigt,
der die feuchteren Nordseiten bevorzugt, während die Südseiten der Felsen
meistens flechtenfrei sind. Die Urheber der Felsbilder haben dies sicher
auch bemerkt und brachten sie entsprechend auf den südlichen Seiten der
Felsen an. Dabei war auch das bessere Licht auf der sonnenzugewandten
Seite sicher hilfreicher als eine Arbeit an der Schattenseite. Bei genauerer
Untersuchung stellte sich jedoch heraus, daß es abhängig vom Gesteins- und
Flechtentyp auch Flächen gibt, die an der Nordseite flechtenfrei oder an der
Südseite flechtenbewachsen sind. Und nicht immer sind die Felsbilder, die
wir heute an den Südseiten antrefen, völlig frei von Flechten. War also wirklich
immer nur der Flechtenbewuchs und das bessere Licht ausschlaggebend
für die Wahl der Felswand?
Wenn wir bedenken, daß die Altkanarier Lanzarotes neben der Anbetung
eines Monolithen oder Götzenbildes auch dem Sonnenkult huldigten,
dann könnten die zahlreichen linear-geometrischen Motive bewußt auf den
der Sonne gegenüberliegenden Felsen angebracht worden sein. Sollten sie in
einem uns unbekannten kultischen Bezug zur Sonne stehen? Stellen die reinen
Linien (Parallelen usw.) Sonnenstrahlen dar oder handelt es sich - fast
konträr - um einen Regenzauber, der auf einer ariden Insel eine Rolle gespielt
haben mochte? (siehe auch Fußnoten 16/17 auf S. 66 )
Die zweithäufigste Motivgruppe setzt sich auf Lanzarote aus stärker
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·::c"'
Abb. 3
1 a *
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Typologie lanzarotischer Felsbilder
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1 8 punzie rte Vertiefungen
11 1
u
D
21
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...................... .. ..... ......... . . . . . . ..............
libyschberberischer
Typ
19 Schle ifspure n (Abrasion) 20 chrisdiche
Kreuze
tt
22
SINCl<IA V'1
iberischer Typ
*Diese geometrische n Figuren könne n in bestimmte n Ausführunge n auch alphabe tiform
gedeute t we rde n (11 a möglicherwe ise auch wie 15 ).
**Pseudo-ornamental deshalb, weil die eine oder andere Form vermutlich als Symbol
mit einem Bedeutungsinhalt gebraucht wurde, der imM agischen oder sonstigen
Kulturelle n ge le gen habe n mochte, uns abe r heute ve rborgen ist.
*Mode rne Hirte nze iche n sind nicht aufgeführt.
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Abb. 4 Die chrisdichen Kreuze aus dem Barranco del Quiquere, Puerto del Carmen
(Zeichnung aus NOWAK 1978 nach einem Foto von M.S. Hemandez Perez)
geometrisch ausgebildeten Formen, wie Rechtecke (mit und ohne Kreuz bzw.
Diagonalen; zu "Leitern" zusammengestellt), Dreiecke (sofern nicht
Schoßdreieck), Ovale, Kreise, Winkel und Zick-Zack-Linien zusammen (Abb.
3: l a, 4, 9-13).
Rechtecke und Zick-Zack-Linien (A, v, /\/\, v und Kombinationen),
die auch als Verzierung auf vorspanischer lanzarotischer Keramik gefunden
werden, sind nicht nur ornamental zu interpretieren, sondern auch alphabetisch.
Eine besondere Bedeutung scheint bei den alten Lanzarotefios eine
Kombination aus horizontalen Linien und ineinandergeschobenen Winkeln
gehabt zu haben, denn wir finden diese Form sowohl auf der Keramik (Abb.
24: 11, 21, 26) als auch auf einem Felsstück, das in der ehemaligen
Eingeborenensiedlung Zonzamas gefunden wurde (Abb. 5) und heute im
archäologischen Museum von Arrecife aufbewahrt wird. Einen doppelten
Winkel finden wir auch auf der Pefia del Letrero (Abb. 79), obwohl hier auch
eine alphabetische Deutung möglich ist. Ein ähnliches Motiv können wir auf
einer Wand der Cueva Pintada, Gran Canaria, erkennen (Abb. 6). BALBfN
BEHRMANN et al. (1985: 30-32) sehen Parallelen im Maghreb, wo ähnliche
Formen bis in moderne Zeiten hinein auftraten. Symbole in den Varianten A,
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v, /V\, vv (teilweise überlappend) finden wir auf zahlreichen Felsen Lanzarotes,
u.a. auf der Peiia de Juan del Hierro (Abb. 87). Dabei ist nicht auszuschließen,
daß isolierte Winkel (mit der Spitze nach unten zeigend) eine einfachere
Form der unten beschriebenen Schoßdreiecke darstellen. Somit bleiben für
diese Winkel-Abbildungen vier Deutungs varianten: 1. ornamental/spielerisch,
2. alphabetiform, 3. sexuell, 4. abstrakt-symbolhaft. Am Rande sei erwähnt,
daß solche Winkel seit dem Paläolithikwn auch auf der spanischen Halbinsel
auftreten (z.B. Magdalenien im Fall der Cueva de Tito Bustillo, Asturias;
Panel Xe = Abb. 33 in BALBfN BEHRMANN 1989), wobei aber ein so
früher zeitlicher Zusammenhang mit Lanzarote nicht hergestellt werden kann.
Die auf Lanzarote gefundenen Rhomben und Rechtecke, aufgeteilt
durch Kreuze und Diagonalen (Abb. 39-44), werden von GARCIA-TALAVERA
& ESPINEL CEJAS (1989) zum Umfeld "Dame" spielender
Altkanarier gezählt, was aber nicht schlüssig nachgewiesen werden konnte
(ULBRICH 1989a), wobei nicht das mögliche Alter, sondern der Dame-Aspekt
angezweifelt wird. Hinzu kommt, daß sich diesbezügliche lanzarotische Formen
alle auf vertikalen Felswänden befinden, also nicht bespielbar sind. Ihre
zeitliche Einordnung aufgrund der Patina ist sehr schwierig, ein vorspanisches
Alter (Patina zum Teil in der Gravur identisch mit der des umgebenden Fels)
erscheint jedoch in Einzelfällen möglich. Obwohl die lanzarotischen Beispiele
meist etwas konfus "gezeichnet" sind, erinnern sie an die reichlich Dreiekke
und Diagonalen verwendenden Künstler der Cueva Pintada ( Gran Canaria),
die vermutlich im 2. Jahrtausend v.Chr. gewirkt haben. Aber auch christliche
Hirten haben zum Typ dieser Felsbilder beigetragen. Daß auch Astronomie
und Mathematik eine Rolle spielten, wie die beiden Autoren meinen, kann aus
den lanzarotischen Formen sicher nicht abgeleitet werden.
Sucht man auf Lanzarote die besonders von La Palma bekannten
Felsbilder des megalithischen Typs (Kreise, Spiralen, Schlangenlinien usw.),
dann wird man enttäuscht; obwohl andere Zeugnise, wie Monolithen im Kultus
("efequen" -Sakralanlage nach TORIANI), Trankopfersteine ("cazoletas"
im Ajaches-Gebirge und im EI Jable) oder auch die Fußsymbole, in gewissem
Umfang auf Megalithisches hinweisen. Konzentrische Kreise - genauer gesagt
Halbkreise - wurden auf Lanzarote bisher lediglich auf einem einzigen
Felsen bei Zonzamas gefunden (Abb. 7). BALBfN BEHRMANN et al. (1985)
glauben, daß es ursprünglich komplette Kreise waren, oder daß der Felsen
zumindest im oberen Teil eine Fortsetzung hatte; BELTRAN MARTfNEZ
( 1981) meint aber, daß sich die Bearbeitung zum Teil auf die jetzt vorhandene
horizontale Oberfläche fortsetzt und deshalb nicht etwa ein Stück abgebrochen
ist. Meine eigene Untersuchung des Felsens ergab, daß keine Bruchkante
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Abb. 7 Stele 1, Museo Arqueol6gico,
Arrecife, vorpunziert und nachgeschliffen
(Zeichnung aus BALBIN et al., 1985)
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Ornament aus der Cueva
Pintada, Galdar, Gran Canaria, gemalt
Abb. S Stele II, Museo Arqueol6gico,
Arrecife, graviert (Zeichnung aus BALBIN
BEHRMANN et al. 1985)
+-
Abb. 8 Stele von n'Kheila, Maroko (aus
CAMPS 1987)
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erkennbar ist und die Rillen etwas verbreitert auslaufen. Der heutige Zustand
dürfte also der ursprüngliche sein. Daß dieser 1,2 m hohe Felsen ein Menhir
im megalithischen Sinn war und in einer Sakralzone von Zonzamas gefunden
wurde, wie BRAEM (1990) behauptet, kann aufgrund der unbekannten ursprünglichen
Position und der nicht geklärten Bedeutung nicht bestätigt werden.
Auch eine "Sakralzone" wurde in Zonzamas nicht festgestellt (siehe
Diskussion in "ur- und frühzeit" 2/90, S. 14-15). Eine zeitliche Einordnung
der Stele in die letzten Jahrhunderte vor der Conquista (8. - 14. Jh.) oder sogar
erst in die Regierungszeit des "Königs" Guadarfrä (um 1400) bietet sich an.
Es existiert z.B. in der Stele von n'Kheila (Marokko), deren Stil bis in moderne
Zeiten gepflegt wurde, eine aufallende Parallele (Abb. 8). Vereinzelte
berberische Einwanderungsgruppen der atlantischen Region, die möglicherweise
ab dem Beginn des 8. Jhs. vor der arabischen Eroberungswelle und
später vor den Kriegswirren der almoravidischen und almohadischen Machtübernahme
in Marokko auswichen, oder zumindest Einflüsse von der nahen
Küste zu Beginn des Hochmittelalters, sind nicht auszuschließen. Nach EDRISI
(12. Jh.) war den Bewohnern der Ostinseln die Existenz der marokkanischen
Küste bekannt; auf den Ostinseln gab es 1124 einen Eingeborenen, der Arabisch
beherrschte. Nach literarischen Hinweisen existierten Kontakte zu den
Inseln seit dem 9. Jh., wenn man arabischen Quellen (z.B. Al-Himyari) Glauben
schenkt. Es kommt hinzu, daß die konzentrischen Halbkreise von Lanzarote
auf eine einmalige künstlerische Aktion ohne jahrhunderte- oder gar jahrtausendelange
Tradition hindeuten.
Ein einzelner kompletter, sehr stumpf herausgearbeiteter Kreis befindet
sich an einem Mauerstein des Zonzamas-Komplexes, der ofenbar in spanischer
Zeit wiederverwendet wurde, aber die Gravierung wohl schon in vorchristlicher
Zeit erhielt (Tafel IIA bei BALBiN BEHRMANN et al. 1985).
Weder dieser, noch der vorgenannte Fund ist eindeutig als megalithisches
Felsbild einzuordnen. Weitere Funde kleiner, gravierter oder punzierter Kreise
sind in den meisten Fällen als alphabetiform anzusehen (s.u.) oder gehören
zu den wenigen Beispielen innerhalb des linear-geometrischen Stils.
Hier ist auch von einem anderen bearbeiteten Felsen zu reden, der
ebenfalls bei Zonzamas gefunden wurde und verschiedentlich hypothetisch
als Skulptur eines Hammels oder Schweins bezeichnet wurde ("zoomorfo").
Eine Tierähnlichkeit kann aber beim besten Willen nicht konstatiert werden.
Genau genommen weist der Stein nur mehrere umlaufende bzw. rechtwinkelig
dazustehende Parallelen auf (siehe Abb. 9 / genaue Beschreibung bei N OWAK
1977). Wie der oben genannte Stein mit den Halbkreisen befindet er sich jetzt
im Museo Arqueol6gico (Arrecife). Die Anordnung der Linien erinnert an
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linke Seite . Rücken . rechte Seite
(Draufsicht, die Seiten hochgeklappt)
Abb. 9 Links vereinfachte Darstellung der punzierten Rillen auf dem "zoomorfo"
genannten Monolith von der Fundstelle Zonzamas, heute im Museo Arqueol6gico,
Arrecife; rechts Fundlage (Zeichnung rechts aus NOWAK 197).
jene der bearbeiteten Kiesel - freilich in größeren Dimensionen (siehe S. 38).
2b.) Piktogramme
Gegenständliche Motive beschränken sich auf Lanzarote auf Sonnensymbole,
sexuelle Symbole, Fuß-Silhouetten und Schifsdarstellungen. Beginnen
wir mit den podoformen Gravierungen (abstrahierte Füße und/oder
Sandalen), die in dieser Gruppe am häufigsten sind (Abb. 45-52). Sie finden
sich hauptsächlich in der Umgebung von Zonzamas und sind sowohl von den
verwendeten Gravurtechniken (geschabt, geritzt, gepunzt), als auch vom Stil
her recht unterschiedlich. Die Varianten mit Zehen brauchen nicht notwendigerweise
eine Hinwendung zum Naturalistischen bedeuten, umgekehrt die
Varianten ohne Zehen keine Entwicklung hin zum stärker Abstrahierenden.
Der Unterschied könnte alleine in der Darstellung von (zehenbehafteten) Füßen
und (zehenlosen) Sandalen liegen (Chronologisches würde sich demnach
nicht daraus ableiten lassen; zum Alter siehe Kap. 6/7). Die Bedeutung der
podoformen Grafiti wird im europäisch-afrikanischen Raum als versinnbildlichte
Präsenz eines höheren Wesens, als Zeichen von Macht oder auch im
Zusammenhang mit Fruchtbarkeits- und Purifikationsriten gesehen. Die alleinige
Zuordnung der lanzarotischen podoformen Felsritzungen zur Berberwelt
(LEÖN HERNAND EZ 1990) ist im Hinblick auf die Beispiele der Iberischen
Halbinsel zu einseitig.
Auf der Nachbarinsel Fuerteventura scheint mit dem konzentrierten
Auftreten podoformer Grafiti auf der Mfia. Tindaya ein eindeutiger Zusam-
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Abb. 10
Vulven-Symbol in
Hohlrelief-Technik
aus der Cueva Los
Candiles, Gran Canaria
(Foto aus
OROPESA & VA===.=i
LENCIA 1990)
menhang mit einer sakralen Zone, hier im Sinne eines heiligen Berges, gesichert
zu sein.
Auf Lanzarote und Fuerteventura kommt aber noch ein anderer Aspekt
hinzu: Die Ureinwohner bezeichneten sowohl ihre Fußbekleidung (Fellschuhe),
als auch sich selbst "maho" oder "majo" (kastilianisiert "Mahorero"). Die
Seelen der Verstorbenen wurden "mahio" genannt (GÖMEZ ESCUDERO).
Hier scheint ein Bedeutungskomplex vorzuliegen, der neben dem ethnischen
Selbstverständnis auch weite Teile des Religiösen umfaßte (siehe auch LEÖN
HERNANDEZ et al. 1982). Möglicherweise läßt sich auch eine linguistische
und kultische Verbindung zu dem altkanarischen Wort "magec" oder "majec"
(MARIN DE CUBAS 1694) für Sonne herstellen, womit sich der Kreis zu den
obigen Ausführungen über den Sonnenkult schließen würde ( die Sonne als
über das Firmament "wandernder" Stern). Etymologisch ebenfalls verwandt
könnte "mahi" sein, der Eigenname eines lanzarotischen Eingeborenen
(BOUTIER & LEV ERRIER 1405).
Als weitere Symbolformen von Körperteilen sind bewußte Dreiecke
(also keine sich zufällig zum Dreieck überschneidenden Linien) hervorzuheben
(Abb. 3: 15). Diese Dreiecke - teilweise mit Mittelstrich - werden jetzt
auch für Lanzarote beschrieben (Pefia del Pasadizo, Vega de Temuime I; Abb.
36-38), wo sie eines der archaischsten Elemente darstellen. Ihre Deutung als
Darstellung der weiblichen Genitalzone (Schoßdreiecke) liegt nahe. Vulvensymbole
sind in der prä- und protohistorischen Felsbildkunst Europas und
des Mittelmeerraums weit verbreitet. Auf der Halbinsel spielten sie vom späten
Paläolithikum (z.B. Altamira) bis zum Beginn der Eisenzeit eine vermutlich
kultische Rolle im Zusammenhang mit Fruchtbarkeits- und Begräb-
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Abb. 11 Vermudiche Kombination SonneNulva von der Pei\a de la Fecundidad,
Altos de Guenia (Ausschnitt aus Panel A bzw. Abb. 117).
nisriten. Ein Beispiel von Gran Canaria zeigt Abb. 10.
Die Existenz von Sonnendarstellungen unter den lanzarotischen
Felsbildern ist als äußerst minimal, wenn nicht unsicher, anzusehen. Nur zwei
Fundstellen weisen Formen in dieser Richtung auf. Der "Sonnenball" der
Pefia de la Fecundidad (Altos de Guenia) sieht sehr gequetscht aus (Abb. 11 ).
Allerdings sind auch aus Portugal und Spanien Sonnendarstellungen bekannt,
die nicht in idealer Form graviert wurden (Sonne als Oval). Zur Hypothese
einer Kombination SonneNulva siehe auch S. 70. Eine von LEÖN HERNANDEZ
et al. (1985) für die Pefias del Santo (Mozaga) beschriebene
kreisförmige Ritzung mit davon ausgehenden Linien kann wohl als Sonnendarstellung
gedeutet werden; leider ist dem Aufsatz keine diesbezügliche
Abbildung beigegeben und auch bei meinen eigenen Untersuchungen jener
Felsen konnte ich dieses Motiv nicht finden.
Schifsabbildungen wurden bisher vom Pico de Naos und vom Barranco
del Quiquere gemeldet. Beide scheinen rezent zu sein ( oberflächlich geritzt
mit aufallend heller Patina). Erstere - zwei Boote mit Segel - muten sehr
modern an (wegen schlechten Lichts kam bei meinem Besuch keine Fotografie
zustande); die zweiten sind durch Bautätigkeit zerstört. Mit relativ alt
aussehender Patina ist eine Gravur von der Pefia del Pasadizo ausgestattet, die
mit viel Phantasie ein segelboot-ähnliches Gebilde darstellt (Abb. 114).
Zu den Piktogrammen gehören auch die christlichen Kreuzdarstellungen
des Barranco del Quiquere (heute durch Bautätigkeit verschwunden) und der
Mfia. Tenezar. LEÖN HERNANDEZ (1990) vermutet, daß die Kreuze des
Barranco del Quiquere in Wirklichkeit Masten der ebenfalls bei dieser
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Fundstelle entdeckten Schifsdarstellungen gewesen seien. Das von HERNANDEZ
PEREZ ( 1974) früher aufgenommene Foto der Kreuze (Abb. 4)
läßt aber meines Erachtens nur eine christliche Urheberschaft erkennen.
2c.) Alphabetiforme Zeichen
Mit sechzehn Fundstellen (Pefia del Letrero, Pefia del Conchero, Pefia
de Juan del Hierro, Caldera Trasera, Pefia de Luis Cabrera, Mfia. Tenezar,
Barranco de las Piletas I & II, Pefias de Bonilla, Vega de Temuime I & II, Vega
de Mozaga II, Pefias de Cho Sosa X, Pefia del Espino, Las Cruces, Altos de
Guenia V ) nehmen die alphabetiformen Grafiti eine zahlenmäßig signifikante
und für die Besiedlungs- und Entdeckungsgeschichte Lanzarotes höchst wichtige
Stellung ein. Auf die Streitfrage, welche von ihnen dem libyschberberischen,
dem lateinischen, dem iberischen oder sonst einem Typ zugeordnet
werden können, sei etwas ausführlicher eingegangen.
Die Schriftzeichen der Pefia de Luis Cabrera (Mfia. Guenia) wurden
von kanarischen Fachleuten insgesamt dem sogenannten libysch-berberischen
Typ zugeschlagen. Untersuchungen des Verfassers vor Ort brachten ein ganz
anderes Ergebnis: Die nahezu horizontale Hauptzeile des Panels A (Abb. 53)
bietet ein tifinagh-ähnliches Erscheinungsbild, besteht aber im einzelnen aus
zahlreichen unbekannten Zeichen. Andere Zeichen (Abb. 58, 59, 60) des Panels
A haben eindeutig nichts mit altlibysch-numidischer oder berberischer Schrift
zu tun, sondern eher mit der strittig als lateinisch oder iberisch bezeichneten
(> Abb. II in ULBRICH 1989a). Die vertikalen Zeilen (Abb. 54, 61) des
Panels B sehen zum Teil libysch-berberisch und zum Teil iberisch aus, während
die horizontalen Kombinationen deutlicher an das Iberische anklingen.
Die Zeichen des Panels C (Abb. 86, 121) sind indiferent.
Der Anteil der libysch-berberischen Zeichen auf der Pefia de Luis
Cabrera ist jedenfalls weitaus geringer als von kanarischen Autoren angenommen.
Alle bekannten Zeichen finden sich auch im Iberischen, und die
vertikale kleine Zeile des Panels B kann auch horizontal wie o c = gelesen
werden, was wiederum iberisch sein könnte (siehe Abb. 54).
Die Ausführung der Gravuren auf der Pefia de Luis Cabrera gehört
dem Typ A, C und F der Abb. 19 an, wobei sich ein Teil der Schriftzeichen
(Abb. 58) aufgrund der aufwendigeren und tiefergehenden Ausarbeitung in
Form einer U-Gravur sowohl von den anderen Schriftzeichen als auch von
den linear-geometrischen Motiven abhebt. Aufallend ist andererseits die Feinheit
der meisten Zeichen; ihre Strichstärke, die teilweise unter 1 mm liegt, läßt
nicht auf ein Gravurmittel aus Stein schließen, sondern eher aus Metall.
Eine weitere wichtige Fundstelle ist die Pefia de Juan del Hierro (Soo).
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Ihr Panel A enthält eine deutlich herausgearbeitete Schriftzeile des libyschberberischen
Typs, wobei die dargestellten Zeichen auch im Iberischen vorkommen.
Obwohl auf Lanzarote und Fuerteventura die Zeichen des iberischen
Typs sowohl in horizontalen Zeilen (mit horizontal gestellten Zeichen), als
auch in vertikalen Zeilen2 (mit vertikal gestellten Zeichen) auftauchen, scheint
hier durch die zwar vertikale Zeilenstellung aber horizontale Anordnung der
Zeichen (Abb. 55) eine iberische Deutung weniger in Betracht zu kommen.
Das gleiche Panel enthält noch weitere V-, W-, P- und X-Formen, die sehr
alphabetisch anmuten (im Fall isolierter V-Formen sind es möglicherweise
auch sehr einfache Schoßdreiecke). Das Panel B (Abb. 88, 89, 128) stellt eine
Mischung aus linearen und alphabetischen Elementen dar, wobei letztere eher
iberisch (links) anklingen als berberisch. Aufallend ist wieder die vergleichsweise
aufwendige Ausarbeitung der Gravuren im fettlinigen mittleren Teil.
Durch die für Ende 1991 vorgesehene Publikation dieses Almogaren
ist es möglich, noch von einem Neufund einer Zeile des libysch-berberischen
Typs im Bereich der Pefias de Cho Sosa (Llano de Zonzamas) zu berichten.
Das Foto in PALLARES PADILLA (1991) zeigt eine Ritzung von rezent
anmutendem Tifinagh-Stil mit erstmals für Lanzarote gemeldeten Punktierungen
und mit sehr heller Patina (Abb. 56). Eine Zuweisung zu berberischen
Landarbeitern des 15. bis 17. Jahrhunderts scheint hier angebracht zu sein.
Die restlichen 14 Fundplätze mit Schriftzeichen weisen den in der Diskussion
als Lateinisch oder Iberisch bezeichneten Typ auf. Neu sind Meldungen
dieses Stils für Las Cruces (EI Jable ), für die Pefia del Conchero und
andere Felsen des Llano de Zonzamas, für die Vega de Mozaga, die Pei'ias de
Bonilla, die Vega de Temuime, die Pefia de Ja Fecundidad, die Pei'ia del Espino,
den Barranco de las Piletas (Fundstelle II) sowie eine Interpretation einiger
bereits bekannter Zeichen der Pefia de Luis Cabrera und der Pefia de Juan del
Hierro in diese Richtung. Einige der Panels vermitteln einen etwas verarmten
oder rudimentären alphabetischen Eindruck; sie sind auf S. 132 - 145 in der
Gruppe "indiferent alphabetiform" zusammengefaßt (Abb. 83-96).
Am eindeutigsten als Schriftzeile des pseudo-lateinischen Typs erkennbar
ist die berühmte Zeile von der Pefia del Letrero (Abb. 77), die auch als
erste dieser Art entdeckt wurde (Brito & Espino 1980). Die Zeile befindet
sich auf einem vertikalen Panel, das aus linearen Motiven, den Buchstaben
sowie Schleifspuren und punzierten Vertiefungen zusammengesetzt ist. In
unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich in horizontaler Lage zwei weitere
2Die von mir in NOWAK (Februar 1990) gemeldete ausschließlich horizontale Anordnung der
iberischen Zeilen mußte ich aufgrund des 1990 und 1991 entdeckten Materials revidieren.
22
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Schriftzeilen, die unzweifelhaft dem gleichen Typ angehören und wahrscheinlich
auch von denselben Urhebern stammen, obwohl die Patina eindeutig dunkler
ist. Dies kann aber aus der unterschiedlichen Lage resultieren. Die beiden
Zeilen weisen vier Zeichen auf, die im Lateinischen nicht existieren, wohl
aber im Iberischen( t i,A'v, wie die restlichen Zeichen auch. Darüberhinaus
machen diese drei Zeilen der Pefia del Letrero nicht den Eindruck einer
Pompejanischen Kursivschrift, wie von LEÖN HERNANDEZ et al. (1988)
vorgeschlagen.
CORTES V AZQUEZ (1985) bezeichnet die auf dem vertikalen Panel
befindliche Zeile ( $/N(l(J>. VJ.) als Fälschung, was angesichts der weiteren
Beispiele dieser Schrift auf der Pefia del Letrero und auf zahlreichen anderen
Felsen Lanzarotes und Fuerteventuras als abwegig erscheinen muß. Ganz abgesehen
davon, daß die Schrift den ältesten Teil der Gravuren dieser Felswand
darstellt (ableitbar aus Überlagerungen durch andere Elemente). Der Versuch
von CORTES V AZQUEZ (1985) die Zeile in moderner lateinischer Schrift
darzustellen (S.332: "SINCICAV IA") ist nicht nur als falsch (woher kommen
das zweite "C" und das dritte "I" ?) sondern auch als nicht machbar (weil
phonetisch irreführend) anzusehen und widerspricht ihrer eigenen Darstellung
auf dem beiliegenden Faltblatt. Der Aufsatz der Autorin und die dazugehörenden
Zeichnungen sind aufgrund vieler Ungenauigkeiten, unvollständiger
Wiedergabe oder ganz fehlender Motive von geringem Wert.
Insgesamt zählen wir nun rund 50 Kombinationen (zum Teil "Zeilen")
des iberischen Schriftstils auf Lanzarote, davon sind 39 horizontal und 11
vertikal "geschrieben". Alle sind- bis auf eine Ausnahme (punziert Abb. 30) geritzt/
graviert oder geschabt, was, wie auf Fuerteventura, zu einem dünnlinigen
und fettlinigen Stil geführt hat.
Man muß sich fragen, welche Motivation hinter der Anfertigung solcher
"Botschaften" steht, zumal sie - weder im Fall der berberisch noch im
Fall der iberisch/lateinisch gedeuteten Zeichen - übersetzt werden können.
Wie so oft könnte man die Hypothese von Besuchern bemühen, die irgendwie
ein Zeichen ihrer vorübergehenden Anwesenheit hinterlassen wollten. Wenn
LEÖN HERNANDEZ et al. (1988) im Zusammenhang mit den von ihnen
lateinisch bezeichneten Felsinschriften von Fuerteventura und Lanzarote die
Funde (zweifelhaft) antiker Amphoren in den Gewässern von Arrecife und
Graciosa anführen, dann ist dies kein zwingender Hinweis auf den lateinischen
Charakter der Zeichen. Das gleiche trift auf Besuche von Latein beherrschenden
Phöniziern und Karthagern zu (Purpurgewinnung) sowie auf
romanisierte Berber (LEON HERNANDEZ 1990), etwa im Gefolge der Expedition
von Juba II. zwischen 25. v.Chr. und 23 n.Chr. Wie weiter unten
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dargelegt, sind aber auch andere Personenkreise denkbar.
Die von mir durchgeführten Untersuchungen auf Lanzarote haben hinsichtlich
der alphabetiformen Zeichen (Übersicht Abb. 12) ergeben,
1. daß die Schriftzeichen des sogenannten libysch-berberischen Typs aufgrund
der Graviertechnik einen recht jungen Eindruck machen;
2. daß einige horizontal verlaufende Zeichenfolgen sowie einige isolierte Zeichen,
die bislang berberisch gedeutet wurden, zum Teil eher zu den Zeichen
tendieren, die von LEÖN HERNANDEZ et al. (1988) versuchsweise als Lateinisch
oder "Pompejanische Kursivschrift" bezeichnet wurden;
3. daß nicht alle Zeichen des angeblich lateinischen Typs zu dem Schriftbild
passen, wie es uns von der Pompejanischen Kursiven überliefert ist;
4. daß die angeblich lateinischen Zeichenfolgen nicht übersetzt werden können
bzw. keinen Sinn ergeben.
Dieses inhomogene Bild hat dazu geführt, die Suche nach stilistischen
Verwandtschaften geografisch etwas weiter auszudehnen, als es die Vertreter
des kanarischen Berberismus', die voreuropäische Beziehungen zum Mutterland
möglichst ausschließen wollen, bislang getan haben. Fündig wurde
ich bei den vorrömischen Schriftzeichen des südiberischen und tartessischen
(präiberischen) Typs. Hier zeigte sich eine so frappierende Ähnlichkeit, daß
es lohnend schien, diese näher zu untersuchen. Es entwickelte sich eine Korrespondenz
mit einigen Fachleuten auf diesem Gebiet, die folgende Ergebnisse
brachte: Das Spektrum reicht von vorsichtiger und eingeschränkter Zustimmung
bis zu einer sehr diferenzierten Haltung, die zum Teil phönizische
Einflüsse erkennen will. Siehe auch die vorläufige Stellungnahme von
STUMFOHL (1990), die auf eine iberische Interpretation hinausläuft.
Wir sind also zur Zeit noch nicht in der Lage, eine abschließende und
gesicherte Beurteilung abzugeben. Dazu wird eine genauere Untersuchung
der bislang 4 auf Fuerteventura und 16 auf Lanzarote entdeckten Fundplätze
notwendig sein. Bedauerlich ist, daß dieser hochinteressante Aspekt - mit
einer eminenten Bedeutung für den ganzen Archipel - von der spanischen
Fachwelt kaum registriert wurde und nicht weiterer Forschungen für wert
gehalten wird. Obwohl selbst unter den kanarischen Historikern eine eindeutige
lateinische Zuordnung nicht als gefestigt gilt, wurden bis jetzt keine
tiefergehenden Untersuchungen vorgenommen. Aber vielleicht ist die auf frühe
Berber ausgerichtete Schulmeinung der kanarischen Prähistoriker auch garnicht
so stark daran interessiert. LEÖN & ROBAYNA (1987: 38) bedauern
ebenfalls das Fehlen einer eingehenden Untersuchung durch Fachleute; der
Versand von Zeichnungen an afrikanische und europäische Spezialisten habe
noch keine Antworten ergeben - ein laxes Verhalten, das sich mit meinen
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eigenen Erfahrungen deckt. Bei europäischen Wissenschaftlern scheint die
kanarische Vor- und Frühgeschichte - gemessen an der mangelhaften oder
nicht existenten Behandlung in einschlägigen, selbst neuesten Standardwerken
der Prähistorie - keine oder nur eine nebulöse Rolle zu spielen; dies, obwohl
die Ergebnisse der Altkanarier-Forschung für die Beurteilung des atlantischmediterranen
Raums von größter Bedeutung sind, spiegeln sie doch Kulturen
wieder, die auf dem Archipel länger als sonst irgendwo in dem angesprochenen
Gebiet überlebt haben. Trotz dieser für die Erforschung der lanzarotischen
Felsinschriften ungünstigen und frustrierenden Situation möchte ich versuchen,
die entscheidenden historischen Gesichtspunkte einmal zusammenzufassen:
Die iberische Schrift entstand um 700 v.Chr. im Südosten Spaniens auf
der Basis eines älteren silbischen Schriftsystems, von dem noch Reste im
Südwesten der Halbinsel - vor allem in der Algarve und in der Estremadura -
entdeckt wurden. Wesentlich beteiligt an der Bildung der iberischen Schrift
waren phönizische und griechische Kolonisatoren, auf die der alphabetische
Beitrag zurückgeht. Antonio TOVAR (1977), einer der großen Kenner der
Materie, hält die präiberischen Formen für Zeugnisse tartessischer Kultur, die
sich wiederum aus spätbronzezeitlich-spanischen und -ostmediterranen Elementen
zusammensetzt. Wenn wir nun weiterhin in Betracht ziehen, daß schon
zu Zeiten der Tartessier ein reger Handelsverkehr über Land, aber auch entlang
der Küsten bis nach Britannien führte, dann ist nicht auszuschließen, daß
sich tartessischer Unternehmungsgeist auch nach Süden, also nach Westafrika
und zu den Kanarischen Inseln wandte. Die Wind- und Strömungsverhältnisse
begünstigen gerade letzteres. Weiterhin ist zu vermuten, daß man aufgrund
der Meerenge zwischen dem Kap Juby und Fuerteventura nahezu zwangsweise
auf die Kanarischen Inseln aufmerksam geworden sein muß und zwar schon
vor den phönizischen Niederlassungen an der marokkanischen Küste. Bei
klarem Wetter bestand sogar Sichtkontakt vom Festland aus. Eine besondere
Anziehungskraft dürfte der Fischreichtum dieser Gewässer gewesen sein, wie
es Poseidonios (ca. 135 - 50 v.Chr.) für gaditanische Schife des 2. Jhs. v.Chr.
bestätigt. Warum sollte dies für die meererfahrenen Tartessier nicht schon für
den Zeitraum um 1000 v.Chr. zutrefen?Nach Apollodoros (2. Jh. v.Chr.) und
anderen antiken Autoren brach Herakles von Tartessos aus zu den Gärten der
Hesperiden auf; sollte dies die mythische Verbrämung realer Seefahrten sein?
Der massaliotische Geograph Euthymenes berichtet in seinem Periplus des 6.
Jhs. v. Chr. über seine atlantische Seereise, die möglicherweise bis zum Senegal
geführt hatte. Adolf SCHULTEN ( 1950) vermutet als Ausgangspunkt Tartessos.
GARCfA BELLIDO (1943, 1953a) - sich auf Pseudo-Aristoteles, Diodoros,
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Abb. 12 Alphabetlforme Zeichen In lanzarotlschen Felsbildern
D D D E3 EB 8:3
1** 2 3 4 5 6
EB n n u [J =C
7 8 9 10 11 12
r 1 11 111
13 14 15 16 17 18
w E X y
19 20 21 22 23 24
V IV VI w A
25* 26 27 28 29 30*
A M M V 'Y '{/
31 32 33* 34 35 36
/\ 1A M M lf\ t
37 38 39 40 41 42
N N 0 0 D
43 44 45 46 47 48
C 1( oder ( ) >I
49 50 1 51 52 53 54
* als isoliertes Zeichen möglicherweise auch sexuelles Piktogramm; * unsicher alphabetisch
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s < f } 1
55 56 57 58 59 60
T 1= s H H
61 62 63 64 65 66
J T =r 1>
67** 68** 69** 70** 71 72'** - -
• • • II L -- - -
73 74 75 76 77* 78*
11 4 j 0 b
79 80 81 '** 82'* 83'* 84'*
Strabo, Plinius u.a. stützend - bringt weitere Hinweise auf tartessische Seefahrt.
Von modernen Autoren werden diese Hinweise je nach ihrer Einschätzung
und je nach Berücksichtigung moderner archäologischer Erkenntnisse als nicht
überzeugend (z.B. ALVAR 1980, 1987) oder als akzeptabel (HAWKES 1968,
JUDICE GAMITO 1988) angesehen. Aber selbst wenn man sich mit der Problematik
tartessischer Seefahrt nicht im Detail auseinandersetzt, bleibt doch
der naheliegende Gedanke, daß menschliche Gruppen, die - wie die Tartessier
- über das Meer kolonisierten und sich an einer Küste und ihrem Hinterland
niederließen, schwerlich auf ihre Navigationskunst und die damit verbundenen
Perspektiven verzichtet haben. G. und Chr. 'KREUZER (i987: 23f) verweisen
auf die Möglichkeit, daß die relativ häufigen Schifsdarstellungen in
südspanischen Felsbildern mit tartessischer Seefahrt in Verbindung stehen
könnten (z.B. im Fall der Felsbilder des Abrigo de Laja Alta, Jimena de la
Frontera, deren Entstehung von BAROSO RUIZ / 1980, um 1100 v.Chr.
angesiedelt wird). Zu Schifsdarstellungen in spanischen Felsbildern und ihr
zum Teil bronzezeitliches Alter siehe auch ALMAGRO-GORBEA (1987).
Iberer selbst, als Initiatoren einer südlich gerichteten Seefahrt zwischen
1000 und 200 v.Chr., scheinen nach ihrer Charakterisierung bei den
antiken Autoren - Strabo bezeichnet sie als träge - wenig in Betracht zu kom-
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men; obwohl bereits eine neolithische und noch weniger eine bronzezeitliche
an den Küsten Portugals und Spaniens praktizierte Seefahrt nicht angezweifelt
werden kann. Ein schwer erreichbarer (von mir nicht eingesehener) Aufsatz
von GARCfA BELLIDO ( 1953b) könnte in bezug auf eine frühgeschichtliche
Navigation der Iberer ein deutlicheres Bild zeichnen.
Die bisher gefundenen Zeichen des von mir iberisch bezeichneten
Typs(Abb. 12:2,3,4,7,9,14,16,21,22,23,24,25,29,31,32,35,36,37,38,
41,42,43,44,45,47,48,49,50,51,53,54,55,57,60,61,63,64,65, 74;und
als Varianten bekannter Zeichen 13, 15, 30, 39, 40, 52, 56, 58, 59, 69, 70, 71,
72, 80, 81, 83, 84) haben alle ihre Entsprechung in dieser Schriftfamilie,
besonders im tartessischen und südiberischen Komplex. Immerhin sind dies
56 Zeichen; darüberhinaus finden sich einige Zeichen, die in "berberischen"
Zeilen auftauchen, auch im Iberischen. Bevor nicht eingehende Analysen von
paläographischen Fachleuten zur Klärung beitragen, sind verschiedene Urheber
des iberischen Typs denkbar: Tartessier, phönizische Handelsherren mit
iberischer Schifsbesatzung, karthagische Expeditionen mit iberischen Söldnern
(Hanno ), punisierte Iberer, ... Die relativ große Zahl der aufFuerteventura
und Lanzarote gefundenen Zeilen läßt aber den Gedanken an bloße Besucher
nicht aufkommen. Waren es echte Kolonisten oder etwa gestrandete Seeleute,
die auf den beiden Inseln zu Dauersiedlern wurden?
Im Hinblick auf die Grafiti des libysch-berberischen Typs, die kanarische
Historiker als Zeugnisse der frühesten Urbevölkerung ansehen, muß
betont werden, daß die Guanchen Tenerifes nach dem Chronisten ESPINOSA
( 1591) und auch nach allen historischen Erkenntnissen keine Schrift besaßen
- zumindest nicht zum Zeitpunkt der Conquista. Das gleiche gilt für Gran
Canaria. Eine Chance, diese Frage noch weiter aufzuklären, bieten die Unterschriften
von Eingeborenen, die sie nach der Conquista in amtlichen Dokumenten
leisteten. Wir haben dazu eine Aussage zweier Grancanarios im Zusammenhang
mit der Data des Rodrigo de Le6n ("Las Datas de Tenerife" D-
11/25, Archivo del Cabildo Insular de Tenerife; > SERRA RA.POLS 1978), die
klar zum Ausdruck bringt, daß ihre Landsleute nicht unterschreiben konnten
("no sabya firmar"). Trotzdem hat ROSA OLIVERA (1946) einige wenige
Unterschriften - genauer gesagt grafische Unterschriftszeichen - entdeckt,
die eindeutig von grancanarischen Eingeborenen stammen. Er schließt
folgerichtig, daß die Fähigkeit, so zu unterschreiben, entweder durch den
Kontakt mit den Spaniern entstand (z.B. Imitation von Notariatszeichen) oder
im Fall der Grancanarios auch von der Eingeborenen-Tradition der Pintaderas
(Stempel und Besitzmarken aus Ton oder Holz) abgeleitet werden kann.
Bemerkenswert ist, daß von den sogenannten libysch-berberischen
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Schriftzeilen der kanarischen Felsbilder noch keine einzige gesicherte T ranskription
- geschweige denn eine Übersetzung - gelungen ist. Selbst bekannte
Zeichen müssen nicht einen bekannten Lautwert haben. Die Untersuchung
dreier Zeilen von einem aufEl Hierro gefundenen Totenbrett (chajasco) zeigte
kein einheitliches Bild, sondern nur Afinitäten zum Westlibyschen und zur
klassischen, als auch modernen Tuareg-Schrift (GALAND 1975).
Der libysch-berberische Schriftyp in den kanarischen Felsgravierungen
ist nicht einheitlich: Die wenigen Zeilen auf Lanzarote sehen ganz anders aus,
als jene zahlreichen auf Hierro (wobei die Urheber der Schriftzeichen auf
Hierro wiederum nicht mit jenen der häufig auf Hierro zu findenden abstrakten
Symbole übereinstimmen dürften). Die einzige veröfentlichte Zeile von
Tenerife scheint sehr jung zu sein, also schon in die Phase nach der Conquista
gehörend. Die Zeilen auf Gran Canaria unterscheiden sich ebenfalls von jenen
auf Lanzarote, haben aber mehr Afinität zu den herrenischen. Die bisher
einzige Zeile von La Palma könnte tatsächlich nur von Besuchern ( der
Nachbarinsel ?) oder von Berbersklaven der Spanier stammen. Auf Fuerteventura
scheinen die beiden einzigen Fundstellen (Barranco Azul und Mfia.
Blanca) zwei verschiedenen Stilen anzugehören. Im Hinblick auf das konfuse
Erscheinungsbild der Zeichen denke man daran, daß diese Siedler sicher zu
99% Analphabeten waren, so daß die Fähigkeit des Schreibens mangels Notwendigkeit,
mangels Übung und wahrscheinlich auch mangels überall verfügbarer
Schreibunterlage schnell verlernt wurde, was angesichts der Schwierigkeiten,
die selbst geübte Tuaregs heute beim Entzifern ihrer Schrift haben,
noch wahrscheinlicher wird. Spätere Generationen waren nur noch in der
Lage, die Zeichen der Vorfahren ungelenk nachzuahmen und dabei - mehr
oder weniger spielerisch - auch neue Zeichen zu erfinden. Buchstaben konnten
ohne Sinn willkürlich kombiniert worden sein. Diese Variationsfaktoren
könnten auch auf die Entstehung eines Teils der iberischen Zeichen zutrefen.
Besucher vor den ersten Europäern waren übrigens Araber und ihre
möglicherweise berberischen Schifsbesatzungen, die schon im 9. Jh. die Kanarischen
Inseln wiederentdeckten. Einzelne Mitglieder der Schifsbesatzungen
konnten eine ältere Form des Tifinagh, eine Schrift der Tuaregs, beherrscht
haben. Es fällt auf, daß ein modernes Element des Tifinagh, die Punktierung,
innerhalb der Kanarischen Inseln auf Hierro und Gran Canaria - wenn auch
fragmentarisch - zu finden ist (auf Lanzarote ein Fall mit deutlicher
Punktierung; siehe oben S. 22). Darüberhinaus herrscht auf den Kanarischen
Inseln die vertikale Schreibweise vor, die auf dem Festland eher ein Merkmal
für jüngere Tuareg-Inschriften ist. Das Bild ist also nicht nur typologisch,
sondern auch chronologisch sehr zersplittert.
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Abb. 13 a) Quesera de Bravo (Malpals de Corona), b) Quesera del Majo (SüdostHang
Caldera de Zonzamas), c) verschwundene Quesera bei San Bartolome (A/B
Zeichnungen des Verfassers, C Adaption einer Zeichnung von Juan Brito)
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E
V
0
LI\
:_:::.-
. ;.·. ·-
CS\
.,
Abb. 14 Schalenstein
mit Rinnen im Küstenbereich
der Ajaches
(Zeichn. H.J. Ulbrich}
{ ca. 60 cm
Abb. 15 Schalenstein von der
Fundstelle Las Cucharas, Ja ble
de Arri ba (Zeichn ung H.J.
Ulbrich}
ca. 20cm
Abb. 16 Künsdiche Kanäle (Miniatur-Quesera ?) auf den Peiias de Boni lla, Los
Valles (Zeichnung H.J. Ulbrich)
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2d.) Schalensteine und Libationsrinnen
Abb.17
Künstliche kleine Kanäle
in Y-Form von
der Fundstelle Peias
de Cho Sosa III, Llano
de Zonzamas (Zeichnung
H.J. Ulbrich)
Abb.18
Sehr breite und tiefe
Y-Gravur am Fuß des
Felsens C der Peia
del Espino, Altos de
Gueni a (Zeichnung
H.J. Ulbrich)
Herausragend innerhalb dieser Gruppe sind aufgrund ihrer Größe die
"Queseras" (meterlange Kanäle im Felsboden; bei der Namensgebung wurde
wohl an jene mit Rillen versehenen kreisförmigen Holzunterlagen gedacht,
auf denen in traditioneller Weise Käse hergestellt wird/ siehe Abb. 12 a-c und
NOWAK 1977, 1978), für die eine befriedigende Erklärung bis jetzt noch
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nicht gefunden wurde. ALVAREZ DELGADO (1967) hat sie sehr gewagt mit
marokkanischen Felsrinnen verglichen. Sind die Queseras Libationsrinnen,
rituelle Wasser-Aufbewahrungsbecken, Krematorien oder Tieropfer-Plätze,
wie in zahlreichen Stellungnahmen vermutet wurde? Oder dienten sie zum
Getreide mahlen, Tierhäute gerben oder Farbe herstellen, wie andere meinten?
Gegen letzteres - also einen praktischen Gebrauch im täglichen Leben -
spricht, daß die Quesera de Bravo (Malpais de la Corona) nur über stolperträchtigen,
fast halsbrecherischen V ulkanschutt erreichbar ist. Der
kanarische Geologe Telesforo Bravo, der die nach ihm benannte Quesera entdeckte,
fand sie mit großen Basaltbrocken zugedeckt vor. Wer hat dies getan
und warum? Wollte man einen Kuhplatz verstecken? In diesem Fall würde
tatsächlich eine weltliche Nutzung ausscheiden. Die leicht zugänglichen
Queseras von San Bartolome (heute verschwunden) wurden allerdings von
den Spaniern zum Dreschen wiederverwendet.
Die von mir auf den Peias de Bonilla entdeckten künstlichen, linearen
Felsbearbeitungen, die aufgrund ihrer Ausmaße und Form (Abb. 13) nicht
mehr als Felsbild, sondern als Zwischenstufe zu den Queseras angesehen
werden können, sozusagen als Miniatur-Quesera, werfen die Frage nach ihrem
Sinn erneut auf. Ein Gebrauch dieser Rinnen für Libationen scheint möglich;
ein Zweck, der bei gewissen Strukturen in den Ajaches, auf der Fundstelle
Peias de Cho Sosa I V und auf der Peia del Espino ebenfalls zutrefen dürfte.
Während es in den Ajaches Näpfchen mit Rinnen sind (Abb. 14), zeigt sich
uns auf den beiden anderen Fundstellen eine Y-förmige Anlage von Rinnen
(Abb. 15, 16). Letztlich ist aber eine Aussage über den Zweck der Queseras
immer noch sehr hypothetisch.
Von einer weiteren Fundstelle mit Näpfchen (Peia de las Cucharas,
Jable de Arriba) berichten uns LEÖN HERNANDEZ et al. (1985). Der betrefende
Stein (Abb. 15) befindet sich jetzt im Innenhof des Museo del
Emigrante (Castillo de Sta. Barbara, Teguise).
2e.) Felsbearbeitung
Zum Schluß unserer typologischen Betrachtungen sei noch erwähnt,
daß die öfters anzutrefenden Schleifspuren in den meisten Fällen von neuzeitlichen
Hirten stammen dürften, die ihre Messer schärften. Einige wenige
flächige Schlife sind auf altkanarische Lithophone zurückzuführen. Bestimmte
Flächen im Zusammenhang mit vorspanischen Felsritzungen weisen jedoch
(aufgrund der dunklen Patina) sehr alt wirkende Punzierungen (etwa
bohnengroße Vertiefungen) sowie Schleif- oder sogar Polierspuren auf, die
möglicherweise ebenfalls als vorspanisch zu deuten sind.
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34
Abb. 19 Ausführung der lanzarotlschen Felsbilder
A
•
B
1 II
C
1-i I
D
E
•
F
•
Sehr geringe Tiefe (1 - 2 mm), sehr flacher Rand
(ganzflächig geschabt).
Hypothetisches Abrasionsmittel: stumpfer Stein
Geringe Tiefe (2 - 3 mm), flacher Rand (ganzflächig
geschabt oder vorgepunzt und nachgeschlifen).
Hypothetisches Abrasionsmittel: stumpfer, runder
Stein (zum Teil ergänzt um Steinmeißel)
Tiefe Gravur mit relativ scharfem Rand und
rundem bis spitzem Grund (V-Form).
Hypothetisches Gravurmitel: Metall (Messer ?),
Steinsplitter
Sehr breite und tiefe Gravur mit konkaven Flanken
und rundem bis spitzem Grund.
Hypothetisches Gravurmittel: spitzer Stein
Tiefe Gravur mit relativ scharfem Rand und
rundem Grund (breite bis enge U-Form).
Hypothetisches Gravurmittel: Metall, Steinspliter
Oberflächliche Ritzung (teilweise sehr fein).
Hypothetisches Gravurmittel: je nach Motiv sehr
spitzer und harter Steinsplitter oder Metallmesser
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